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Herkunftsspezifische Unterschiede im Privatschulbesuch: Wie viel erklärt die geografische Verteilung privater Schulangebote?

  • Marcel Helbig

    Marcel Helbig, geb. 1980 in Erfurt. Studium B. A. in Sozialwissenschaft und Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt und Studium M. A. in Sozialwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Promotion in an der HU Berlin. Von 2007 bis 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Von 2015 bis 2020 S-Professur für Bildung und Soziale Ungleichheit an der Universität Erfurt. Seit 2020 Arbeitsbereichsleiter für Strukturen und Systeme am Leibniz Institut für Bildungsverläufe.

    Forschungsschwerpunkte: Bildungssoziologie, Stadtsoziologie.

    Wichtigste Publikation: Hinter den Fassaden. Zur Ungleichverteilung von Armut, Reichtum, Bildung und Ethnie in den deutschen Städten. WZB Discussion Paper P 2023-003, 2023.

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    and Laura Schmitz

    Laura Schmitz, geb. 1990 in Boppard. Studium B. A. in Europastudien an der KU Eichstätt-Ingolstadt, M.Sc. in Public Policy and Human Development an der Universität Maastricht und M.Sc. in Economics an der Universität Carlos III in Madrid. Promotion in Volkswirtschaftslehre an der FU Berlin. Von 2014 bis 2017 angestellt bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf. Seit 2019 Am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung tätig; bis 2023 in der Abteilung Bildung und Familie, seit 2023 in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt.

Published/Copyright: August 22, 2024
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Zusammenfassung

In Deutschland ist die Zahl der Privatschulen seit 1992 erheblich gestiegen, insbesondere in Ostdeutschland. Diese Schulen werden überwiegend von SchülerInnen aus sozioökonomisch privilegierten Haushalten besucht, während Kinder aus einkommensschwachen Familien seltener vertreten sind. In diesem Beitrag untersuchen wir, ob die räumliche Verteilung der Privatschulen mit sozialen Ungleichheiten beim Privatschulbesuch im Zusammenhang steht. Hierfür schätzen wir lineare Wahrscheinlichkeitsmodelle mithilfe von georeferenzierten Daten des Sozio-oekonomischen Panels und Adressdaten aller deutschen Schulen von 2000 bis 2019. Insgesamt zeigen sich kaum Hinweise darauf, dass private Schulen vor allem dort zu finden sind, wo sozioökonomisch privilegierte Haushalte leben. Allerdings reagieren letztere in ihrer Schulwahl sensibler auf die Entfernung zu Privatschulen. Für sozial benachteiligte Gruppen spielt die Entfernung eine untergeordnete Rolle, da Privatschulen oft nicht als echte Alternative wahrgenommen werden.

Abstract

In Germany, the number of private schools has increased significantly since 1992, especially in East Germany. These schools are predominantly attended by students from socioeconomically privileged households, while children from lower-income families are less frequently represented. In this article, we analyse whether the spatial distribution of public schools is associated with social inequalities in private school attendance. We estimate linear probability models using georeferenced data from the Socio-Economic Panel and address data of all German schools from 2000 to 2019. Overall, there is little evidence that private schools are primarily located where socioeconomically privileged households live. However, the latter are more sensitive to the distance to private schools in their school choice. For socially disadvantaged groups, distance plays a minor role, as private schools are often not perceived as a real alternative.

1 Einleitung

In Deutschland ist es in den letzten Jahrzehnten zu einem deutlichen Anstieg der Privatschulen gekommen. Die Zahl der allgemeinbildenden privaten Schulen ist zwischen 1992 und 2020 um 86 Prozent gestiegen (StBa 2021). Dieser Anstieg ist zu fast der Hälfte auf die ostdeutschen Bundesländer (inklusive Berlin) zurückzuführen (StBa 2021, eigene Berechnungen). Während dort Privatschulen vor der Wiedervereinigung noch verboten waren, ist der Anteil der PrivatschülerInnen mit elf Prozent mittlerweile höher als in Westdeutschland, wo knapp neun Prozent der SchülerInnen Privatschulen besuchen.[1]

Ein häufig in Wissenschaft und Medien diskutierter Aspekt des Privatschulausbaus bezieht sich auf die sozioökonomische Zusammensetzung an Privatschulen und deren Implikationen für die Bildungsungleichheit in Deutschland. Auf privaten Schulen finden sich seltener Kinder aus einkommensschwachen Haushalten (Helbig et al. 2017a; Wrase & Helbig 2016) und dafür häufiger Kinder, deren Eltern einen höheren beruflichen Status (Klemm et al. 2018) oder einen höheren Bildungsabschluss aufweisen (Görlitz et al. 2018; Jungbauer-Gans et al. 2012). Die Abhängigkeit des Privatschulbesuchs vom sozioökonomischen Status hat sich überdies insbesondere in Ostdeutschland mit der Zeit verstärkt (Lohmann et al. 2009; Görlitz et al. 2018).

Die deutsche Privatschullandschaft ist sehr heterogen aufgestellt. Private Ersatzschulen[2] sind in Deutschland mehrheitlich konfessionelle Schulen, gefolgt von Schulen mit reformpädagogischer Ausrichtung wie Waldorf- oder Montessorischulen. Außerdem existieren internationale Schulen und andere weltanschauliche Privatschulen (Vgl. Klemm et al. 2018). In Deutschland stehen Privatschulen unter Aufsicht des Staates und müssen sich somit an dieselben Prüfungs- und Versetzungsordnungen halten wie öffentliche Schulen. Sie erhalten staatliche Beihilfe und können Schulgelder erheben; zudem soll der Schulträger einen Eigenanteil an der Finanzierung leisten. Die staatlichen Zuschüsse für Privatschulen sind daher niedriger als für die öffentlichen Schulen (Akkaya et al. 2019).

Bei der Auswahl der SchülerInnen müssen sich Schulen in freier Trägerschaft an das „Sonderungsverbot“ halten, nach dem „keine Sonderung nach den Besitzverhältnissen der Eltern“ gefördert werden darf (GG Art. 7 Abs. 4)[3]. Privatschulen dürfen demnach zwar generell ein Schulgeld verlangen, müssen dieses aber entweder nach dem Einkommen der Eltern beziehungsweise der Sorgeberechtigten staffeln oder so niedrig ansetzen, dass es theoretisch von allen Eltern gezahlt werden kann (Köppe 2012). Allerdings ist umstritten, inwieweit das Sonderungsverbot genaue Regelungen für die Schulgeldordnungen vorschreibt, sodass es in den Bundesländern sehr unterschiedlich ausgelegt wird (Helbig & Wrase 2017).

In Rheinland-Pfalz gibt es mit Ausnahme der Freien Waldorfschulen beispielsweise ein Schulgeldverbot. In Nordrhein-Westfalen werden die Zuschüsse entsprechend nach unten korrigiert, wenn Privatschulen Schulgelder verlangen (Helbig & Wrase 2017). Im Saarland existiert eine ähnliche Regelung wie in Nordrhein-Westfalen (Akkaya et al. 2019). Diese drei Bundesländer bilden also insofern eine Ausnahme, indem es hier eine rechtliche (Rheinland-Pfalz) beziehungsweise faktische (Nordrhein-Westfalen und Saarland) Schulgeldfreiheit gibt. In anderen Bundesländern gibt es teilweise keine Begrenzungen oder Richtwerte zum Schulgeld (z. B. Berlin, Hessen und Thüringen), oder es werden Richtwerte für ein durchschnittliches Schulgeld (z. B. Baden-Württemberg und Schleswig-Holstein) oder für Obergrenzen festgesetzt (z. B. Bayern und Hamburg). Die Streuung der veranschlagten Schulgelder ist dabei bezüglich der rechtlichen Vorgaben (Helbig & Wrase 2017) als auch der real erhobenen Schulgelder groß (StBa 2022). Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2016 für 57 Prozent der Schülerinnen und Schüler an Privatschulen Schulgelder steuerlich geltend gemacht. Die restlichen 43 Prozent besuchten zumindest teilweise kostenfreie Privatschulen. Diejenigen Familien, die Schulgelder steuerlich geltend machten, bezahlten im Durchschnitt 167 Euro pro Monat (StBa 2020).

Prinzipiell können Privatschulen aus bildungsökonomischer Sicht für einen größeren Wettbewerb sorgen und somit im besten Fall auch die Qualität an öffentlichen Schulen steigern (z. B. Woessmann 2007). Je nach Ausgestaltung – an welche Regeln sich diese Schulen halten müssen, wie sie finanziert werden und wie zugänglich sie für verschiedene Schülergruppen sind – kann ein wachsender Privatschulsektor aber auch zu einer steigenden Segregation der Schülerschaft beitragen.

Weitgehend ungeklärt ist bisher, welche Mechanismen trotz des Sonderungsverbots zur beschriebenen sozioökonomischen Zusammensetzung der Schülerinnen und Schüler auf Privatschulen führen. Dies gilt insbesondere für strukturelle Faktoren wie die räumliche und sozialräumliche Verteilung von privaten Schulen. Die Distanz zur nächstgelegenen (Hoch-)Schule gilt generell als wichtiger Faktor für deren Besuch, da verkürzte Wege die zeitlichen und finanziellen Kosten des (Hoch-)Schulbesuchs verringern und Nachbarschaftseffekte für mehr Informationen sorgen (z. B. Card 1993; Dee 2004; Do 2004; Helbig et al. 2017b; Jepsen & Montgomery 2009; Spieß & Wrohlich 2010). Wenn sich private Schulen vorwiegend dort befinden, wo Kinder aus privilegierten Verhältnissen – Haushalte, die etwa über ein hohes Bildungsniveau und/oder ein überdurchschnittliches Einkommen verfügen – wohnen, dann könnten die sozioökonomischen Ungleichheiten bei der Privatschulwahl zumindest teilweise auf die räumliche Verteilung von Schulen und Kindern zurückzuführen sein.

Bei der räumlichen Verteilung von Privatschulen sind Unterschiede anhand dreier Dimensionen denkbar: Stadt-Land-Unterschiede, Unterschiede innerhalb von Städten und regionale Unterschiede. Für die ersten beiden Dimensionen finden sich einige regionalspezifische Belege für die ostdeutschen Bundesländer. So zeigt beispielsweise die am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) erarbeitete Schulenkarte[4], dass sich private Gymnasien in Thüringen primär im städtischen Raum befinden, insbesondere in Erfurt, Weimar und Jena – wo auch das Bildungsniveau deutlich über dem der Thüringer Landkreise liegt (Helbig et al. 2020: 91).[5] Zu ähnlichen Befunden kommen Helbig et al. (2018) auch für weitere ostdeutsche Bundesländer. In Bezug auf die zweite Dimension gibt es ebenfalls Indizien für eine räumlich ungleiche Verteilung von Privatschulen in einzelnen ostdeutschen Städten. So findet Mayer (2017), dass Privatschulen in Berlin sich vorrangig in sozioökonomisch privilegierteren Stadtteilen befinden. Für Erfurt zeigen Helbig & Mayer (i.E.), dass Kinder aus Haushalten mit akademischem Abschluss unterdurchschnittliche Wege zu den privaten Grundschulen haben.

Inwieweit diese Muster auch für andere ost- und westdeutsche Städte und Regionen zutrifft, ist empirisch bisher nicht untersucht worden. Im vorliegenden Beitrag wollen wir die Rolle der räumlichen Verteilung für die Zusammensetzung an privaten Schulen systematisch für ganz Deutschland sowie separat für West- und Ostdeutschland untersuchen. Hierbei spielen zwei Aspekte eine Rolle: Erstens, wo sich Privatschulen und Haushalte ansiedeln, und zweitens, ob – und für welche Gruppen im Besonderen – die Entfernung eine Rolle bei der Schulwahl spielt.

Für die Untersuchung der aufgeworfenen Fragestellung verknüpfen wir Daten zu den Standorten aller allgemeinbildenden Schulen in Deutschland seit dem Jahr 2000 nach Bildungsgang und Trägerschaft mit den georeferenzierten Daten des Sozioökonomischen Panel (SOEP), welches Angaben über die Trägerschaft der von den Kindern besuchten Schule und zu der sozioökonomischen Lage der Haushalte liefert.

2 Theorie und Stand der Forschung

2.1 Individuelle Perspektive

In der bildungsökonomischen Literatur ist der Zusammenhang zwischen Distanz zu Bildungsinstitutionen wie Schulen und Hochschulen und deren Besuch theoretisch wie empirisch gut belegt: Bei der Entscheidung für eine (Hoch-)Schule sind Eltern durch eine Budgetrestriktion in Form ihres Einkommens und ihrer Zeit beschränkt, da sie ihre zur Verfügung stehenden Mittel auf verschiedene Güter aufteilen müssen (Chakrabarti & Joydeep 2010; Do 2004). Unter Abwägung der finanziellen und zeitlichen Kosten und des potenziellen Nutzens sind sie eher bereit, ein Bildungsangebot dann anzunehmen, wenn sich die Wegzeit und die damit verbundenen Kosten reduzieren. Ein weiterer Mechanismus liegt in sogenannten Nachbarschaftseffekten (Do 2004; Spieß & Wrohlich 2010) begründet. Laut Do (2004) führt die Präsenz einer (Hoch)Schule in der Nachbarschaft sowohl zu einem „peer-group effect“ – es wird in der Nachbarschaft als normal betrachtet, eine Universität zu besuchen – als auch zu einem „information network effect“ – in der Nachbarschaft wird sich vermehrt über den Besuch einer Universität ausgetauscht, weshalb mehr Informationen darüber zur Verfügung stehen. In zahlreichen empirischen Studien (z. B. Card 1993; Dee 2004; Jepsen & Montgomery 2009) dient daher die Distanz zu verschiedenen Bildungseinrichtungen als Instrumentalvariable (Angrist et al. 1996) für deren Besuch. Die beschriebene Logik lässt sich auch auf den Besuch einer Privatschule anwenden, wofür es in der internationalen bildungsökonomischen Literatur einige Belege gibt (z. B. Lankford & Wyckoff 1992; Fairlie & Resch 2002; Hicks & Lens 2022). So zeigen beispielsweise Hicks & Lens (2022), dass in den USA die Distanz bei der Schulwahl – sowohl in Bezug auf öffentlichen Schulen als auch auf private „Charter Schools“ – insbesondere im Elementarbereich eine große Rolle spielt; Kinder im Grundschulalter besuchen fast immer eine Schule in der eigenen Nachbarschaft. Einen ähnlichen, aber leicht schwächeren Zusammenhang finden die Autoren auch für weiterführende Schulen[6]. Anders et al. (2020) zeigen für englische Privatschulen, die ein deutlich höheres Schulgeld erheben als in Deutschland, dass die Nähe zur nächsten Privatschule die Wahrscheinlichkeit für deren Besuch erhöht. Unsere erste Hypothese (H1) lautet daher, dass eine Verringerung der Distanz zur nächsten Privatschule die Wahrscheinlichkeit, eine Privatschule zu besuchen, erhöht.

Bezüglich der „Distanzsensibilität“ bei der Privatschulwahl – wie sehr die Entfernung zur nächsten Privatschule bei der Entscheidung für den Besuch einer Privatschule ins Gewicht fällt – würde man aus werterwartungstheoretischer Perspektive (Erikson & Jonsson 1996; Adaption auf Hochschulentfernung siehe Helbig et al. 2017b) eher erwarten, dass sich ressourcenschwächere Haushalte stärker durch die Entfernung zur nächsten Privatschule von deren Besuch abhalten lassen, weil für sie die Kosten eines längeren Schulweges stärker ins Gewicht fallen. Dass dies bei der generellen Schulwahl der Fall ist, zeigt zum Beispiel eine Studie der OECD (2017), laut der die Distanz für Eltern von Kindern, die sozioökonomisch benachteiligte, ländliche und öffentliche Schulen besuchen, eine überdurchschnittliche Rolle bei der Schulwahl spielt. Zudem korreliert die Wichtigkeit, die Eltern der Distanz als Kriterium für die Schulwahl beimessen, negativ mit dem PISA-Ergebnis des Kindes (OECD 2017). Das spricht dafür, dass generell die Entfernung bei der Schulwahl für sozioökonomisch benachteiligte Familien stärker ins Gewicht fällt.

Bei Privatschulen könnte aber ein anderer Mechanismus greifen, da diese die Rolle von Ersatzschulen zu den öffentlichen Schulen erfüllen und somit die Wahl einer privaten Schule eine aktive Entscheidung gegen die „Standardschule“ erfordert. Die Bildungsentscheidung kann hier als Abwägung von Kosten, erwarteten Erträgen und Erfolgswahrscheinlichkeit gesehen werden. Wenn der Nutzen, der sich aus dieser Abwägung für eine Bildungsinstitution ergibt, insgesamt sehr niedrig ist, dann führen auch Veränderungen der Kosteneinschätzung, die mit der Entfernung zu dieser Institution einhergehen, nicht zu einer substanziellen Veränderung der Gesamtnutzenbewertung. Wenn einkommensschwache und/oder bildungsferne Haushalte den Nutzen eines Privatschulbesuchs insgesamt als niedrig einschätzen, weil sie die Erträge (z. B. Pädagogik oder soziales Umfeld) niedrig und die Kosten (z. B. Schulgeld) subjektiv hoch bewerten (z. B. Köppe 2012), dann spielt die Entfernung zur nächsten Privatschule auch eine geringere Rolle. Bei sozioökonomisch privilegierteren Haushalten, in welchen die Erträge höher und die Kosten subjektiv niedriger angesehen werden, spielt die Entfernung zur nächsten Privatschule demnach eine wichtigere Rolle und die Entfernung zur nächsten Privatschule beeinflusst die Bildungsentscheidung deutlich stärker. Dies lässt sich auch bildungsökonomisch ableiten. Trotz der oben beschriebenen Entwicklung ist der Besuch einer Privatschule auch für privilegierte Gruppen nicht die Regel und dementsprechend könnten gerade sie es sein, die eher auf Veränderungen von finanziellen und zeitlichen Kosten reagieren.

Auch Kristen (2005) kann man in ihrem Schulwahlmodell so interpretieren, dass nicht alle Eltern bzw. Kinder durch die Entfernung zur nächsten (Privat-)Schule in ihrer Bildungsentscheidung beeinflusst werden. Anders als bei der vertikal unterschiedlichen Schulwahl, z. B. Gymnasium vs. Real- oder Hauptschule, gibt es viele Eltern, die bei der horizontalen Schulwahl – in diesem Fall nach Trägerschaft – gar keine Wahlentscheidung treffen. Nach Kristen (2005) besteht die Schulwahl aus einem dreistufigen Prozess: Erstens der Wahrnehmung von Alternativen, zweitens der Bewertung dieser Alternativen, und drittens der Auswahl durch die Schule. Weiter oben haben wir uns vor allem auf die Bewertung von Alternativen bezogen. Dabei haben wir auf der ersten Stufe außen vorgelassen, dass sich zunächst die Frage stellt, ob Eltern überhaupt Alternativen zur nächstgelegenen und/oder zugewiesenen Schule wahrnehmen. Hierbei zeigt sich, dass die Unterscheidung zwischen wählenden und nicht-wählenden Eltern mit dem sozioökonomischen Hintergrund verbunden ist. Helbig & Mayer (i. E.) zeigen für die private Grundschulwahl in Erfurt, dass rund 25 Prozent der Eltern von zukünftigen Grundschulkindern unterer Bildungsschichten nicht bewusst war, dass sie eine private Schule hätten wählen können. Bei Eltern mit akademischem Abschluss waren es hingegen nur zwei Prozent. Zudem gab ein substanzieller Teil der Eltern ohne höheren Bildungsabschluss an, sich eine private Schule finanziell nicht leisten zu können. Wenn ein Großteil der Eltern ohne höheren Bildungsabschluss entweder gar keine Bildungswahl trifft (Stufe 1) oder sich von den subjektiv wahrgenommenen finanziellen Kosten eines Privatschulbesuchs abschrecken lässt (Stufe 2), dann wird nur noch für die wenigen verbliebenen Eltern ohne höheren Bildungsabschluss die Entfernung zur nächsten Privatschule ein Entscheidungskriterium nach der Werterwartungstheorie sein.

So kommen auch Helbig & Mayer (i. E.) für den Fall Erfurt zu dem Ergebnis, dass die Entfernung zur nächsten privaten Grundschule für Akademikereltern besonders bedeutend für die Wahl einer Privatschule ist. Leben sie nahe einer privaten Grundschule, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie sich an einer privaten Grundschule bewerben. Mit steigender Entfernung zur nächsten privaten Grundschule sinkt ihre Bewerbungsquote weit überdurchschnittlich. Benachteiligte Bildungsgruppen werden in dieser Studie in der Wahl einer Privatschule überhaupt nicht durch die Entfernung zur nächsten Privatschule beeinflusst. Aber nicht nur bei der Wahl einer Privatschule machen sozioökonomisch privilegierte Eltern häufiger von Wahlalternativen Gebrauch: Fjellborg & Forsberg (2023) weisen in ihrem Forschungsüberblick darauf hin, dass sich ressourcenstärkere Eltern häufiger für eine andere als die nächstgelegene Schule entscheiden. Dies gilt insbesondere, wenn diese einen höheren Anteil von ethnischen Minderheiten aufweist.

Ein ähnliches Muster könnte auch für Familien mit Migrationshintergrund gelten. Da die größten Privatschulträger eine konfessionelle Ausrichtung haben[7], kommt ein großer Teil der Privatschulen für die in Deutschland mehrheitlich muslimisch geprägten Haushalte mit Migrationshintergrund eher nicht in Frage. Auch Informationsdefizite könnten in dieser Gruppe aufgrund von Sprachbarrieren besonders ausgeprägt sein, weshalb davon auszugehen ist, dass migrantische Eltern eher die ihnen zugewiesene öffentliche Schule für ihre Kinder auswählen.

Angelehnt an diese Erkenntnisse gehen wir in unserer zweiten Hypothese (H2) davon aus, dass der Privatschulbesuch für privilegierte Gruppen stärker durch die Entfernung zur nächsten Privatschule beeinflusst wird als bei weniger privilegierten Gruppen. Ebenso gehen wir davon aus, dass auch Familien mit Zuwanderungsgeschichte Privatschulen seltener zu ihren Wahlalternativen zählen und für sie deshalb die Entfernung zur nächsten Privatschule eine kleinere Rolle spielt.

2.2 Strukturelle Perspektive

Wie bereits eingangs erwähnt, gibt es Belege dafür, dass sich private Schulen zumindest in manchen Gebieten sozialräumlich ungleich verteilen. Dies gilt sowohl für die unterschiedliche Verteilung von privaten Schulen zwischen Land und Stadt und zwischen verschiedenen Städten mit unterschiedlicher Sozialstruktur als auch innerhalb von Städten. Selbst wenn sich unterschiedliche sozioökonomische Gruppen nicht danach unterscheiden, ob sie eine private Schule besuchen wollen, so würden sich aus ihren unterschiedlichen Entfernungen zur nächsten Privatschule unterschiedliche Besuchsmuster ergeben. Dementsprechend lautet unsere dritte Hypothese (H3), dass herkunftsspezifische Unterschiede im Privatschulbesuch teilweise über die Entfernung zur nächsten Privatschule erklärt werden können.

Inwieweit die sozialräumliche Verteilung privater Schulen tatsächlich soziale Ungleichheiten bei ihrem Besuch erklären kann, hängt also auch davon ab, wie sich Privatschulen räumlich verteilen, also ob sie für sozial privilegierte Schichten besser zu erreichen sind.

Aus finanzieller Sicht kann es für private Schulen sinnvoll sein, sich dort anzusiedeln, wo es genügend Schülerinnen und Schüler gibt, deren Eltern in der Lage bzw. bereit sind, die von ihnen verlangten Schulgelder zu zahlen. Auf diese zusätzliche Finanzierung sind Schulen in freier Trägerschaft insoweit angewiesen, als dass sie geringere staatliche Förderung erhalten als staatliche Schulen. Inwiefern es Privatschulen durch das Beziehen von Schulgeld gelingt, sich finanziell besser aufzustellen als öffentliche Schulen, hängt stark von den Gegebenheiten im jeweiligen Bundesland und Kreis ab (Akkaya et al. 2019; StBa 2022). Anhand der Privatschulexpansion in Schweden[8] seit Anfang der 1990er Jahre zeigt Edmark (2019), dass Privatschulen eher dort gegründet wurden, wo der Anteil von höher gebildeten Eltern hoch ist und eine höhere Schülerdichte zu verzeichnen ist, also eher in urbanen Räumen.

In einigen Fällen könnte es für private Schulen – abhängig von der Höhe der Schulgelder, die sie verlangen können und wollen – finanziell sinnvoll sein, sich in sozioökonomisch schwächeren Gegenden anzusiedeln. Zum einen sind hier im Schnitt die Mieten geringer, was den Schulen ermöglicht, mehr Geld für Personal und Ausstattung auszugeben. Zum anderen sind private Schulen für den Bezug öffentlicher Gelder darauf angewiesen, dass sich genügend SchülerInnen in der Nachbarschaft dafür entscheiden, diese Schule zu besuchen. Insbesondere in Großstädten mit hoher Zuzugsrate ist denkbar, dass sich Privatschulen in sozioökonomisch schwächeren Stadtteilen ansiedeln, um den dort lebenden Besserverdienenden eine Alternative zur Einzugsschule zu bieten. Diese Einzugsschulen sind häufig multikulturell und sozial heterogen geprägt, was durch eine verstärkte Nachfrage nach Wohnraum in innenstadtnahen Stadtteilen bedingt ist. Nahegelegene Privatschulen bieten in diesen Fällen ressourcenstärkeren Eltern die Möglichkeit, sich der Zuweisung zur Einzugsschule zu entziehen (z. B. Akbarpour et al. 2022; Jähnen & Helbig 2023). Literatur aus den USA (siehe z. B. Glomm et al. 2005; Hicks & Lens 2022; Hoxby & Murarka 2009) zeigt, dass dieser Mechanismus ein wichtiger Grund dafür ist, dass sich Charter Schools eher in sozioökonomisch benachteiligten Gebieten und Stadtteilen befinden. Auf der anderen Seite führt die geografische Positionierung der Charter Schools in den USA dazu, dass sich mehr „Blacks“ an diesen Schulen befinden (Denice 2022). Insgesamt zeigt sich für die amerikanischen Charter Schools, dass 50 Prozent dieser in urbanen Zentren verortet sind, in denen People of Color unter den SchülerInnen überrepräsentiert sind (Berends 2015). Auch Edmark (2019) zeigt für Schweden, dass dort mehr Privatschulen entstanden sind, wo der Anteil ausländischer Schüler höher ist.

Durch das Bieten von Wahlmöglichkeiten könnten Privatschulen auch dazu beitragen, dass einkommensstarke Familien überhaupt erst in sozioökonomisch schwächere Stadtteile ziehen. Generell beleuchtet der Zusammenhang zwischen der Distanz zu (Privat-)Schulen und sozioökonomischen Merkmalen neben dem Aspekt der – möglicherweise strategischen – Ansiedlung von Privatschulen auch das Umzugsverhalten von privaten Haushalten. Dass die Schulqualität für viele Familien ein wichtiges Kriterium für die Wahl ihres Wohnortes darstellt, wurde vielfach empirisch belegt (z. B. Goyette et al. 2014; Oeltjen & Windzio 2022).

Große Unterschiede bei der sozialräumlichen Verteilung von Privatschulen könnte es zwischen Ost- und Westdeutschland geben. Während zur Wiedervereinigung im Osten nur eine private Schule existierte, da in der DDR „Privatschulen als Ersatz für öffentliche Schulen […] unzulässig“ waren[9], wurde der Großteil (rund 50 Prozent) der Schulen mit gymnasialer Oberstufe erst ab dem Jahr 2000 gegründet.[10] Die sehr dynamischen Strukturveränderungen in Ostdeutschland deuten auf der einen Seite darauf hin, dass die sozialräumliche Verteilung der Privatschulen in Ostdeutschland ausgeprägter sein könnte als in Westdeutschland, da die ostdeutschen Privatschulstandorte stärker nach sozialräumlichen Überlegungen gegründet worden sein könnten. Auf der anderen Seite kam es in Ostdeutschland gerade im Zuge der Schulschließungen in Folge des Geburtenknicks in den frühen 1990ern ab Anfang bis Mitte der 2000er Jahre zu einer Reihe von privaten Schulneugründungen (StBa 2020). Diese sind zumindest in den größeren Städten teilweise auch dort entstanden, wo es zuerst zu Schulschließungen kam. Dies waren im städtischen Bereich auch einige Schulen in den Großwohnsiedlungen, die eine sozial benachteiligte Schülerklientel aufweisen (siehe Kartenmaterial von Helbig et al. 2018). In Westdeutschland wurden (anteilig) weit weniger Privatschulen neu gegründet als im Osten. Dementsprechend sollten auch neuere sozialräumliche Ungleichheiten im Westen weniger bedeutsam für die Verteilung von Privatschulen sein.

3 Daten, Operationalisierung und Methode

3.1 Daten

Sozio-oekonomisches Panel

Die folgenden Analysen basieren auf den Daten des Sozio-oekonomischen Panel (SOEP; Goebel et al. 2019). Das SOEP ist eine repräsentative Befragung privater Haushalte, die seit 1984 jährlich durchgeführt wird. Die Anzahl der Befragten pro Welle variiert von Jahr zu Jahr und ist im Laufe der Zeit angestiegen. Im letzten Beobachtungsjahr unserer Analyse, 2019, wurden etwa 30.000 Personen befragt.

Die verwendete Stichprobe umschließt alle Kinder im SOEP, die zwischen 2002 und 2019 eine allgemeinbildende Schule besuchten. Hierbei wurde auch die Trägerschaft der Schule erfragt, die jedes Kind im Haushalt besucht. In unserer Analyse unterscheiden wir zwischen Grundschulen, Gymnasien und nicht-gymnasialen Sekundarschulen, zu denen wir neben Haupt- und Realschulen auch Gesamtschulen zählen.

Unsere abhängige Variable bildet die Trägerschaft der besuchten Schule. Da die Frage bezüglich des Schulträgers nur in den Jahren 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019 im SOEP abgefragt wurde, können in der Untersuchung nur Beobachtungen aus diesen Jahren genutzt werden. Ein Schüler oder eine Schülerin im SOEP wird in unseren Analysen dann als PrivatschülerIn kategorisiert, wenn die Antwort auf die Frage nach der Trägerschaft „privat“, „kirchlich“ oder „andere Privatschule“ oder ähnlich[11] lautet. Die Vergleichsgruppe bilden alle Schülerinnen und Schüler, deren Eltern die Frage mit „öffentlich“ beantworteten. Zwischen 2002 und 2019 wurde diese Frage N = 22,016 Mal beantwortet, wobei einige SchülerInnen mehrfach beobachtet werden (siehe Tab. A.1 für eine Beschreibung der Stichprobe). Insgesamt gibt es in unserem Sample 8,089 Individuen, für die diese Frage beantwortet wird. SchülerInnen über 15 Jahre werden von unseren Analysen ausgeschlossen, da ab diesem Alter meist die Vollzeitschulpflicht nicht mehr greift.

Mit den anonymisierten Regionalinformationen zu den Wohnorten der SOEP-Befragten (Haushalte und Einzelpersonen) lassen sich zahlreiche Regionalindikatoren auf den Ebenen der Bundesländer, Raumordnungsregionen, Kreise und Postleitzahlen mit den SOEP-Daten verknüpfen. Seit 2006 ist es möglich, die Wohnorte der Befragten bis auf die Koordinaten des Straßenblocks zurückzuführen (Goebel et al. 2019).

Amtliche Schuldaten

Die geo-referenzierten Daten des SOEP werden mit Adressdaten aller allgemeinbildenden Schulen (ohne Förderschulen und Abendschulen) der Schuljahre 2000/01 bis 2019/20 verknüpft. Diese wurden durch eine bundesweite Anfrage 2021 bei den Kultus- bzw. Bildungsministerien beantragt. Für einige Bundesländer liegen die Adressdaten erst für spätere Jahre vor: Baden-Württemberg seit 2002, Niedersachsen seit 2004, Bayern, NRW und Saarland seit 2005, Berlin und Hamburg seit 2010.

3.2 Operationalisierung

Durch das Hinzuspielen der Schul-Adressdaten erweitern wir das SOEP für unsere Analysen um folgende Variablen: Euklidische Distanzen in Kilometern zur nächstgelegenen (i) Grundschule, (ii) weiterführenden Schule mit gymnasialer Oberstufe, und (iii) weiterführenden Schule ohne gymnasiale Oberstufe bzw. weiterführenden Schule an der auch andere Bildungsabschlüsse als das Abitur erworben werden können (z. B. Gesamtschulen, Gemeinschaftsschulen), jeweils getrennt für private und öffentliche Schulen. Für die multivariaten Regressionen werden die Distanzen in logarithmierter Form verwendet. Diese Form verbessert die Anpassung des Modells, indem die Verteilung der Merkmale in eine normal verteilte Kurve transformiert wird (z. B. Benoit 2011).

Neben den neu erzeugten Distanz-Variablen verwenden wir eine Reihe von sozioökonomischen Merkmalen als unabhängige Variablen, um ein möglichst umfangreiches Bild von den sozioökonomischen Determinanten eines Privatschulbesuchs zu zeichnen. Genauer werden folgende Variablen in Bezug auf ihre Rolle für den Privatschulbesuch betrachtet:

  1. Bildung der Eltern: Auch wenn gerade beim Privatschulbesuch oft damit argumentiert wird, dass sich finanziell benachteiligte Haushalte davon abhalten lassen, weil dieser zu teuer ist, so zeigen sich auch an Privatschulen mit keinem oder geringen Schulgeld deutliche soziale Ungleichheiten (Helbig et al. 2017a). In einer Untersuchung zu Waldorfschulen in Deutschland zeigten Koolmann und Ehrler (2017), dass nicht das Einkommen der Eltern den Besuch einer Waldorfschule beeinflusst, sondern in hohem Maße ihre Bildung. Das zeigen auch Lohmann et al. (2009). Wir verwenden für die Bildung der Eltern den höchsten Berufsabschluss der Eltern in drei Kategorien: kein Abschluss (0), Ausbildung (1) oder Hochschulabschluss (2).

  2. Einkommen der Eltern: Darüber hinaus sollte der Privatschulbesuch, der in Deutschland in der Regel kostenpflichtig ist, auch durch das Einkommen der Eltern beeinflusst werden. Dies messen wir über das logarithmierte[12] Haushaltsäquivalenzeinkommen[13].

  3. Transferleistungsbezug: Gerade die BezieherInnen von Sozialleistungen haben keine Möglichkeit, ein Schulgeld zu bezahlen. Dementsprechend müsste es entsprechend Art. 7. Abs. 4 GG eine Vollermäßigung für diese Gruppe geben (Brosius-Gersdorf 2017; Cremer 2019; Wrase & Helbig 2016). Dies ist allerdings in vielen Bundesländern nicht rechtlich festgeschrieben (Wrase & Helbig 2016) und empirisch zeigt sich, dass dies auch vielerorts nicht umgesetzt wird.[14] Die Variable Transferleistungsbezug entspricht eins, wenn ein Mitglied des Haushaltes staatliche Transferleistungen, also Arbeitslosengeld I oder II oder Sozialhilfe, empfängt.

  4. Auch der Migrationshintergrund ist für uns von Interesse, da aus anderen Studien (z. B. Görlitz et al. 2018) bereits bekannt ist, dass SchülerInnen mit Migrationshintergrund seltener Privatschulen besuchen. Dies könnte neben sozioökonomischen auch kulturelle und religiöse Gründe haben, da ein großer Teil der Privatschulen in Deutschland konfessionelle Schulen sind. Wir definieren Migrationshintergrund als gegeben, wenn entweder das Kind selbst oder beide Elternteile außerhalb Deutschlands geboren sind.

  5. Urbanisierungsgrad: Hier unterscheiden wir vier Gemeindegrößenklassen: Solche mit bis zu 50.000 (1), 50.000–100.000 (2), 100.000–500.000 (3), und (4) solche mit über 500.000 EinwohnerInnen (4). Diese Einteilung nehmen wir zum einen vor, weil das SOEP nur in diesen Kategorien über die Zeit vergleichbar ist. Unter 50.000 EinwohnerInnen wäre noch eine feinere Differenzierung möglich. Hierbei ist aber die Zellenbesetzung der zwei möglichen Ausprägungen (unter 5.000 und 5.000 bis 50.000) zu klein, weswegen wir sie zusammengefasst haben.

Auf die Messung des sozioökonomischen Status im Haushalt verzichten wir, weil der ISEI, der dafür in den Sozialwissenschaften oftmals verwendet wird, konzeptionell auf der Bildung und dem Einkommen aufsetzt, welches in einem Beruf erzielt wird (Ganzeboom & Treiman 1996). Zudem zeigen Jungbauer-Gans et al. (2012) in einer multivariaten Studie, dass der ISEI bei Kontrolle auf Bildung und Einkommen der Eltern keinen Einfluss auf den Privatschulbesuch in Deutschland hat.

Weitere Kontrollvariablen bilden das Geschlecht des Kindes, das Alter des Kindes und die Anzahl der Geschwister. Gerade Familien mit mehreren Kindern könnten eine geringere Privatschulbesuchsquote aufweisen, wenn die Geschwisterzahl nicht angemessen in den Schulgeldmodellen der Privatschulen Beachtung findet.

3.3 Methode

Einleitend wird zunächst die sozioökonomische Zusammensetzung an Privatschulen in Form einer T-Test Tabelle mit der an öffentlichen Schulen vergleichen.

Für die Untersuchung der Rolle sozialräumlichen Verteilung von Privatschulen für den Privatschulbesuch gehen wir daraufhin in Form von mehreren multivariaten linearen Wahrscheinlichkeitsmodellen (siehe z. B. Wooldridge 2010)[15] zwei übergeordneten Fragen nach: Erstens, wo sich Privatschulen und Haushalte ansiedeln, und zweitens, ob – und für welche Gruppen im Besonderen – die Entfernung eine Rolle bei der Schulwahl spielt. Da es bei linearen Wahrscheinlichkeitsmodellen zu verzerrten Schätzern kommen kann, haben wir die Hauptmodelle zudem als Logit-Modelle mit Marginal-Effects berechnet. Wir haben uns aber dagegen entschieden durchgängig diese Modelle zu verwenden, weil wir mittels Interaktionseffekten die differenzierte Wirkung der Privatschulentfernung für die sozialen Merkmale der Familien messen. Interaktionseffekte lassen sich in diesen Modellen jedoch nicht schätzen.[16] Der Vergleich zwischen linearen Wahrscheinlichkeitsmodellen und Logitregressionen mit Marginal-Effects zeigt kaum Unterschiede (Tabelle C.1). Einzig in den ostdeutschen Bundesländern gibt es relevante Abweichungen zwischen den beiden Modellen. Bei den Logitregressionen hat sowohl die Entfernung zur nächsten öffentlichen Schule, als auch der Sozialtransferbezug einen negativen Einfluss auf den Privatschulbesuch. Dies ist in den linearen Wahrscheinlichkeitsmodellen nicht festzustellen.

In einem ersten Schritt untersuchen wir den Zusammenhang der Distanz zur nächsten Privatschule mit sozioökonomischen Merkmalen der Haushalte. Hierbei bildet die Distanz des Kindes i im Erhebungsjahr t die abhängige Variable, welche auf die sozioökonomischen Merkmale des Kindes Xit[17] regressiert wird (Gleichung 1).Neben den beschriebenen Kontrollvariablen verwenden wir regionale fixe Effekte auf Ebene der Bundesländer (ҡk) sowie fixe Jahreseffekte (τt). Somit werden bundesland- und jahrspezifische Eigenschaften bei der Analyse herausgerechnet und mit den sozialen Merkmalen der Befragten in Beziehung gesetzt (Xit). Für alle Berechnungen werden die Daten aus den Jahren 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019 verwendet, da der Privatschulbesuch im SOEP nur in diesen Jahren erfragt wurde.

Gleichung 1

Distanzit = α0 + α1Xikt + ҡk + τt + μikt

Im zweiten Schritt soll die Frage beantwortet werden, welche sozioökonomischen Merkmale generell multivariat mit einem Privatschulbesuch im Zusammenhang stehen. Hierbei dient der Privatschulbesuch als abhängige Variable, welche wiederum auf die sozioökonomischen Haushaltsmerkmale regressiert wird (Gleichung 2a).

Gleichung 2a

Privatschuleit = ß0 + ß1Xikt + ҡk + τt + Eikt

Im dritten Schritt wird Gleichung 2a durch die Distanz zur nächsten Privatschule ergänzt. Damit soll untersucht werden, inwieweit sich der Privatschulbesuch durch die räumliche Verteilung der Privatschulen erklären lässt (Gleichung 2b).

Gleichung 2b

Privatschuleit = б0 + б1Distanzit + б2Xit + ҡk + τt + eit

Im letzten Modell 2c soll schließlich geprüft werden, ob die Rolle der Entfernung für den Privatschulbesuch mit ausgewählten sozioökonomischen Merkmalen Zit – dem Haushaltseinkommen, Bildungsgrad der Eltern und dem Migrationshintergrund – im Zusammenhang steht. Dafür werden Interaktionsterme zwischen der Distanz und diesen drei Merkmalen zu Gleichung 2b hinzugefügt.

Gleichung 2c

Privatschuleit = π0 + π1Distanzikt + π2Xikt + ҡk + τt + π5(Distanzikt * Zikt) + µikt

Die Berechnungen beinhalten darüber hinaus Haushaltsgewichte und auf der Haushaltsebene geclusterte Standardfehler.[18] Für diese Analysen wurden alle Variablen am Mittelwert zentriert, so dass man auch die Konstante als durchschnittliche Privatschulbesuchsquote interpretieren kann.

Als Robustness-Checks berechnen wir unsere Analysen nach Schulformen differenziert und getrennt in Land (unter 50.000 Einwohner) und Stadt (über 50.000 Einwohner), um sicher zu gehen, dass die Ergebnisse nicht durch einzelne Schulformen oder nur für den ländlichen oder städtischen Raum festzustellen sind. Diese Analysen führen wir durch, weil Unterschiede zwischen den Bildungsgängen zu erwarten sind, sowohl was die Standortwahl als auch was die Wahl einer solchen durch die Haushalte zu erwarten sind. Gerade im Grundschulbereich spielt die Wohnortnähe eine entscheidendere Rolle für die Schulwahl der Eltern als im Bereich der weiterführenden Schulen, da Kinder und Jugendliche auf weiterführenden Schulen eher in der Lage sind, für den Schulweg selbstständig größere Distanzen zurückzulegen.[19] Dementsprechend sollte sich gerade hier eine stärkere Bedeutung der Entfernung zur nächsten Privatschule für die Schulwahl zeigen. Zudem ist gerade an den Grundschulen, die alle Kinder gemeinsam besuchen, eine höhere soziale Segregation durch Privatschulen zu erwarten und empirisch nachgewiesen (Helbig et al. 2017a; Jungbauer-Gans et al. 2012; Klemm et al. 2018) als an den Gymnasien. Gerade hier könnte das Distinktionsbedürfnis für Eltern höherer Schichten größer sein als an Gymnasien, die ohnehin von sozioökonomisch benachteiligten Kindern und solchen mit Migrationshintergrund seltener besucht werden. Zudem ist denkbar, dass manche Eltern bei der Grundschulwahl besonders nach dem Angebot spezieller pädagogischer Konzepte entscheiden, da sie sich dort einen geringeren Leistungsdruck und eine bessere individuelle Betreuung für ihr Kind erhoffen (Kraul 2017). Andererseits sieht Artikel 7 Abs. 5 GG zusätzliche Einschränkungen für die Privatschulgründung im Primarbereich vor, weshalb private Schulen im Grundschulbereich deutlich seltener zu finden sind als im Sekundarbereich.

4 Ergebnisse

4.1 Deskription

Deskriptiv und univariat zeigen sich statistisch signifikante Unterschiede in Bezug auf sozioökonomische Merkmale der SchülerInnen an Privatschulen im Vergleich zu öffentlichen Schulen (Tabelle 1): Kinder und Jugendliche auf Privatschulen kommen häufiger aus bildungsnahen und einkommensstärkeren Haushalten, beziehen seltener Sozialtransfers und haben seltener einen Migrationshintergrund. Bereits univariat zeigt sich die Bedeutung der geografischen Nähe: PrivatschülerInnen wohnen signifikant näher an Privatschulen und weiter von öffentlichen Schulen entfernt als Gleichaltrige, die öffentliche Schulen besuchen.

Tab. 1:

Unterschiede der sozioökonomischen Zusammensetzung zwischen öffentlichen und privaten Schulen: alle Schultypen

Besuch einer

Öffentl. Schule

Privatschule

Differenz

b 

t 

Individuelle Eigenschaften

Weiblich

0.48

0.54

-0.06**

(-5.00)

Alter (Jahre)

10.92

11.11

-0.20*

(-3.04)

Haushaltseigenschaften

Keine Ausbildung

0.08

0.02

0.06**

(16.97)

Ausbildung

0.58

0.46

0.12**

(9.43)

Hochschulabschluss

0.34

0.52

-0.18**

(-14.62)

Anzahl der Kinder im Haushalt

2.33

2.28

0.05

(1.76)

Migrationshintergrund

0.23

0.12

0.11**

(12.85)

Netto-Haushaltsäquivalenzeinkommen

21952

29678

-7726**

(-4.31)

Sozialtransferbezug

0.19

0.09

0.10**

(13.40)

Distanz zu Privatschule (km)

8.97

5.81

3.16**

(21.19)

Distanz zu öffentlicher Schule (km)

1.75

2.24

-0.48**

(-7.21)

Gemeindegröße

Unter 50.000 Einwohner

0.29

0.22

0.07**

(7.14)

50.000–100.000 Einwohner

0.09

0.10

-0.00

(-0.67)

100.000–500.000 Einwohner

0.31

0.33

-0.02

(-1.50)

500.000 Einwohner u.m.

0.31

0.36

-0.05**

(-4.30)

Beobachtungen

20262

1754

22016

Bemerkungen: Angaben in Spaltenprozenten (sofern nicht anders vermerkt). + p < 0.1, * p < 0.05, ** p < 0.01. Quelle: Sozio-oekonomisches Panel (SOEP v36 für die Jahre 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019; gewichtet), amtliche Schuldaten für die Jahre 2000–2019; eigene Berechnungen.

4.2 Multivariate Analyse

Determinanten der Privatschulentfernung

In Tabelle 2 untersuchen wir zunächst multivariat, wie stark die einzelnen soziodemografischen Merkmale mit der Entfernung zur nächsten Privatschule zusammenhängen (Gleichung 1). Hierbei zeigt sich einerseits, dass in Westdeutschland Kinder aus Haushalten mit hohem Einkommen eine unterdurchschnittliche Entfernung zur nächsten Privatschule aufweisen. Dies ist tendenziell auch in Ostdeutschland zu beobachten, wenn auch hier der Zusammenhang nicht statistisch signifikant ist. Andererseits weisen Haushalte mit Hochschulabschluss eine größere Entfernung zu Privatschulen auf als solche mit einem niedrigeren Bildungsgrad. Zudem leben in Westdeutschland auch Kinder mit Migrationshintergrund signifikant näher an privaten Schulen als Gleichaltrige ohne Migrationshintergrund. In Ostdeutschland zeigt sich in Bezug auf Migrationshintergrund ein umgekehrtes Muster: Hier leben Kinder mit Zuwanderungsgeschichte tendenziell weiter entfernt von Privatschulen. Durch die geringere Fallzahl ist dieses Ergebnis aber nicht statistisch signifikant. Etwas überraschend zeigt sich für Westdeutschland, dass Kinder in Haushalten von Akademikern weiter entfernt von der nächsten Privatschule wohnen. Dies zeigt sich am deutlichsten in Städten ab 50.000 EinwohnerInnen (Tabelle B.2 im Anhang). Erklärt werden könnte dies dadurch, dass in Vierteln mit vielen AkademikerInnen auch öffentliche Schulen attraktiv sind, weil die soziale Zusammensetzung dieser als positiv eingeschätzt wird. Gerade aber in Vierteln, wo der Anteil von AkademikerInnen niedrig ist und der Anteil ethnischer Minderheiten hoch ist, könnten Privatschulen eher eine Möglichkeit darstellen, keine öffentliche Schule besuchen zu müssen.

Insgesamt zeigen sich kaum Hinweise darauf, dass private Schulen vor allem dort zu finden sind, wo sozioökonomisch privilegierte Haushalte leben. Die sozialräumliche Verteilung der Privatschulen bietet somit keine Evidenz dafür, dass dadurch soziale Unterschiede beim Privatschulbesuch erklärt werden können.

Determinanten des Privatschulbesuchs und die Rolle der Entfernung

Tabelle 3 fasst die Befunde zu den Gleichungen 2a–2b jeweils für die Bundesrepublik und danach getrennt für West- und Ostdeutschland zusammen. M1, M3 und M5 beziehen sich auf Gleichung 2a und die Frage nach der generellen sozioökonomischen Zusammensetzung an Privatschulen. Hier zeigt sich, analog zu Tabelle 1 sowie zu der empirischen Literatur (z. B. Görlitz et al. 2018, Jungbauer-Gans et al. 2012), dass Kinder aus Familien mit hohem Bildungsniveau und hohem Einkommen sich signifikant häufiger in Privatschulen finden, während SchülerInnen mit Migrationshintergrund und aus Sozialtransferempfängerhaushalten seltener Schulen in freier Trägerschaft besuchen. Dabei wird deutlich, dass die Bildung der Eltern (insbesondere das Vorliegen eines Hochschulabschlusses) und das Einkommen den Privatschulbesuch im Osten stärker vorhersagen als im Westen. Lediglich der Sozialtransferbezug hängt nur im Westen negativ mit dem Privatschulbesuch zusammen.

Tab. 2:

Sozioökonomische Determinanten der Entfernung zur nächsten Privatschule

Bundesrepublik

Westdeutschland

Ostdeutschland

Ausbildung

0.289

0.485

1.178

(0.595)

(0.602)

(2.674)

Hochschulabschluss

0.944**

1.229**

-0.048

(0.251)

(0.271)

(0.631)

Migrationshintergrund

-1.363**

-1.457**

1.739

(0.338)

(0.339)

(1.318)

Log HH-Einkommen

-0.488+

-0.462+

-0.702

(0.254)

(0.269)

(0.660)

Sozialtransfer

0.056

-0.120

0.053

(0.306)

(0.318)

(0.717)

Konstante

9.419**

10.010**

5.514**

(0.731)

(0.733)

(0.686)

Beobachtungen

22016

18330

3686

R-squared

0.279

0.287

0.367

Bemerkungen: Die Regressionen kontrollieren neben den gelisteten Variablen für Geschlecht, Alter, Erhebungsjahr, Anzahl der Kinder im Haushalt und das Bundesland. Standardfehler geclustert auf Haushaltsebene. + p < 0.1, * p < 0.05, ** p < 0.01.

Quelle: SOEP v36 für die Jahre 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019 und amtliche Schuldaten, Jahre 2000–2019, eigene Berechnungen.

Nimmt man nun die Distanzen zur nächsten privaten Schule in die Analyse mit auf (Gleichung 2b und M2, M4 und M6 in Tabelle 3), so zeigt sich einerseits, dass die Entfernung zur nächsten Privatschule generell ein signifikanter Faktor in der Entscheidung für den Besuch einer Privatschule darstellt. Die Distanz hat nach den Schätzergebnissen ein negatives Vorzeichen, weil mit einer größeren Entfernung die Wahrscheinlichkeit eines Privatschulbesuchs sinkt. Allerdings scheint die Distanz nur geringfügig die sozioökonomischen Determinanten des Privatschulbesuchs zu erklären, was sich daran zeigt, dass sich die Koeffizienten dieser sozioökonomischen Merkmale im Vergleich zu M1, M3 und M5 nur geringfügig verändern. Dies zeigt sich auch für die logistische Regression mit Marginal-Effects (Tabelle C.1).

In Bezug auf Gleichung 2c haben wir in Tabelle 4 dargestellt, wie die sozioökonomischen Merkmale bzw. der Migrationshintergrund unterschiedlich den Privatschulbesuch in Abhängigkeit zur Privatschuldistanz vorhersagen. Bezüglich der Bildung der Eltern (M1) zeigen die Koeffizienten, dass sowohl Kinder von Eltern mit einer Ausbildung als auch Kinder von Eltern mit Hochschulabschluss stärker von der Privatschulentfernung beim Privatschulbesuch beeinflusst werden als Kinder von Eltern ohne beruflichen Abschluss. Für diese weist der Haupteffekt der Privatschulentfernung darauf hin, dass diese gar nicht durch die Privatschulentfernung beim Privatschulbesuch beeinflusst werden. Der Interaktionseffekt für die Kinder von Eltern mit akademischem Abschluss zeigt, dass diese am stärksten durch die Entfernung zur nächsten Privatschule bei ihrem Privatschulbesuch beeinflusst werden. In den westdeutschen Bundesländern (M4) gibt es keine Unterschiede zwischen Eltern mit einer Ausbildung oder mit einem Hochschulabschluss. Kinder von Eltern ohne Berufsabschluss werden aber auch hier nicht durch die Privatschulentfernung beeinflusst. Am stärksten sind die Bildungsunterschiede in den ostdeutschen Bundesländern (M7). Hier zeigt sich für die Akademikerkinder ein sehr starker Zusammenhang von Privatschulentfernung und Privatschulbesuch, der für die Kinder von Eltern mit einer Ausbildung deutlich geringer ist.

Bezüglich des Migrationshintergrunds (M2) zeigt sich für die Kinder ohne Migrationshintergrund ein Koeffizient für die Privatschulentfernung von -0,32 (Haupteffekt für die Privatschuldistanz). Für Kinder mit Migrationshintergrund ist dieser mit -0,15 (Haupteffekt plus Interaktionseffekt) nur halb so groß. Dies zeigt sich auch für die westdeutschen (M5) und ostdeutschen Bundesländer (M8) in ähnlicher Weise. Aufgrund der geringeren Fallzahl ist dieser Effekt im Osten zwar nicht signifikant, weist aber eine ähnliche Effektstärke auf wie in Westdeutschland. Für Kinder mit Migrationshintergrund ist also die Entfernung zur nächsten Privatschule weit weniger relevant für den Besuch dieser. Dieser Befund erklärt auch die vorigen Beobachtungen, dass MigrantInnen zwar einerseits häufiger in der Nähe von Privatschulen leben (Tabelle 2), diese aber seltener besuchen (Tabelle 1). Dies deutet darauf hin, dass die Privatschulentfernung für migrantische Haushalte ein weniger ausschlaggebendes Kriterium für die Wahl einer Privatschule darstellt.

Auch nach dem Einkommen der Familien unterscheidet sich der Privatschulentfernungseffekt für den Privatschulbesuch (hier metrischer Interaktionsterm in den Modellen 3, 6 und 9). Allerdings ist dieser Effekt nur für die ostdeutschen Bundesländer (M9) festzustellen. Mit steigendem Einkommen wird die Entfernung zur nächsten Privatschule relevanter für den Privatschulbesuch. D. h. besonders einkommenshohe Gruppen lassen sich durch die Entfernung zur nächsten Privatschule beim Privatschulbesuch beeinflussen.

In Abbildung 1 haben wir zusätzlich für die ostdeutschen Bundesländer dargestellt, wie die Privatschulbesuchsquote von Akademiker- und Nichtakademikerkindern in Abhängigkeit von der Privatschulentfernung variiert. Bei der Abbildung handelt es sich um die beobachteten Privatschulbesuchsquoten aus einer logistischen Regression mit Marginal-Effects mit allen Kontrollvariablen (lineares Modell im Anhang, Abb. A.1). Die Abbildung vermittelt einen sehr guten grafischen Eindruck dessen, was wir in dem Interaktionsterm für die ostdeutschen Länder berechnet haben. Es zeigt sich, dass Akademikerkinder in Ostdeutschland eine Privatschulbesuchsquote von knapp 30 Prozent aufweisen, wenn sie weniger als 2 km zur nächsten Privatschule entfernt wohnen. Ab einer Entfernung von 3 km nimmt diese deutlich ab und liegt ab einer Entfernung von 5 km nur noch bei rund 5 Prozent. Kinder aus nicht-akademischen Haushalten scheinen hingegen überhaupt nicht durch die Privatschulentfernung beim Privatschulbesuch tangiert zu werden.

Tab. 3:

Sozioökonomische und geografische Determinanten des Privatschulbesuchs: Alle Schularten

Gesamtdeutschland

Westdeutschland

Ostdeutschland

M1

M2

M3

M4

M5

M6

Log Distanz zu Privatschule

-0.029**

-0.028**

-0.037**

(0.005)

(0.006)

(0.009)

Log Distanz zu oeff. Schule

0.008+

0.014**

0.009*

0.015**

0.000

0.008

(0.004)

(0.005)

(0.005)

(0.005)

(0.008)

(0.009)

Ausbildung

0.019*

0.020*

0.020*

0.021*

0.035

0.025

(0.008)

(0.008)

(0.009)

(0.009)

(0.028)

(0.034)

Hochschulabschluss

0.057**

0.052**

0.054**

0.050**

0.096**

0.081*

(0.011)

(0.011)

(0.012)

(0.012)

(0.034)

(0.038)

Migrationshintergrund

-0.026**

-0.031**

-0.026**

-0.031**

-0.041

-0.036

(0.010)

(0.010)

(0.010)

(0.010)

(0.030)

(0.029)

Log HH-Einkommen

0.026*

0.025*

0.019+

0.018

0.071**

0.072**

(0.010)

(0.010)

(0.011)

(0.011)

(0.023)

(0.023)

Sozialtransfer

-0.026**

-0.027**

-0.025**

-0.025**

-0.006

-0.009

(0.008)

(0.008)

(0.009)

(0.009)

(0.016)

(0.016)

Konstante

0.052**

0.053**

0.049**

0.046**

0.025

0.031

(0.008)

(0.008)

(0.010)

(0.010)

(0.032)

(0.037)

Beobachtungen

22016

22016

18330

18330

3686

3686

R-squared

0.041

0.051

0.039

0.048

0.074

0.092

Anmerkungen: Die Regressionen enthalten Jahres- und Bundesland-fixe Effekte. * p < 0.1, ** p < 0.05, *** p < 0.01.

Quelle: SOEP v36 für die Jahre 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019; gewichtet, amtliche Schuldaten 2000–2019; eigene Berechnungen.

Die gezeigten Ergebnisse lassen sich im Allgemeinen auch getrennt nach Schulform und getrennt nach Stadt und Land beobachten (siehe Tabellen C.2 bis C.11 im Anhang). Für Schulen im ländlichen Raum, Grundschulen und Gymnasien (Tabellen C.3, C.5 und C.7) ist der oben beschriebene Befund – dass sich sozioökonomisch privilegierte Haushalte stärker durch die Entfernung in der Privatschulwahl beeinflussen lassen – allerdings nur für Ostdeutschland statistisch signifikant. Bezüglich der Privatschulentfernung hängt diese für die westdeutschen Grundschulen nicht signifikant mit dem Privatschulbesuch zusammen (Tabelle C.6). Verzichtet man bei diesen Analysen aber auf alle Befragten aus Nordrhein-Westfalen, dann zeigt sich auch für die westdeutschen Grundschulen ein signifikanter Entfernungseffekt (p=0.12*) für die privaten Grundschulen (nicht gezeigt).[20]

5 Schlussfolgerungen

Motiviert ist der vorliegende Beitrag in erster Linie durch die Beobachtung, dass private Schulen sich in einigen Städten und Regionen ungleich entlang soziostruktureller Merkmale verteilen. So gibt es einige Belege dafür, dass sich in ländlichen Gebieten mit einer geringen AkademikerInnendichte, Stadtteilen mit einer hohen Armutsquote oder einer geringen AkademikerInnenquote weniger private Schulen befinden. Daraus ergibt sich die Frage, ob eine systematisch sozialräumlich ungleiche Verteilung von Privatschulen zumindest partiell auch herkunftsspezifische Unterschiede im Privatschulbesuch erklären kann. Um diese Frage zu beantworten, haben wir die Geokoordinaten aller deutschen allgemeinbildenden Schulen von 2002 bis 2019 mit den Daten des SOEP verknüpft.

Tab. 4:

Sozioökonomische Determinanten des Privatschulbesuchs: Alle Schularten

Gesamtdeutschland

Westdeutschland

Ostdeutschland

M1

M2

M3

M4

M5

M6

M7

M8

M9

Log Distanz zu Privatschule

-0.007

-0.032**

-0.028**

-0.011

-0.031**

-0.027**

0.025

-0.038**

-0.043**

(0.007)

(0.006)

(0.005)

(0.007)

(0.007)

(0.006)

(0.015)

(0.009)

(0.010)

Log Distanz zu oeff. Schule

0.014**

0.014**

0.014**

0.015**

0.016**

0.015**

0.008

0.008

0.008

(0.005)

(0.005)

(0.005)

(0.005)

(0.005)

(0.005)

(0.008)

(0.009)

(0.009)

Ausbildung

0.017*

0.020*

0.020*

0.019*

0.021*

0.021*

0.006

0.031

0.036

(0.008)

(0.008)

(0.008)

(0.008)

(0.009)

(0.009)

(0.027)

(0.030)

(0.032)

Hochschulabschluss

0.048**

0.053**

0.052**

0.048**

0.050**

0.049**

0.060+

0.088*

0.087*

(0.011)

(0.011)

(0.011)

(0.012)

(0.012)

(0.012)

(0.030)

(0.035)

(0.037)

Migrationshintergrund

-0.031**

-0.029**

-0.030**

-0.031**

-0.029**

-0.031**

-0.055+

-0.026

-0.021

(0.010)

(0.009)

(0.010)

(0.010)

(0.010)

(0.011)

(0.030)

(0.022)

(0.027)

Log HH-Einkommen

0.024*

0.024*

0.023*

0.018

0.017

0.017

0.060**

0.071**

0.065**

(0.010)

(0.010)

(0.010)

(0.011)

(0.011)

(0.011)

(0.022)

(0.023)

(0.022)

Sozialtransfer

-0.026**

-0.026**

-0.026**

-0.025**

-0.025**

-0.025**

-0.012

-0.009

-0.009

(0.008)

(0.008)

(0.008)

(0.009)

(0.009)

(0.009)

(0.015)

(0.016)

(0.016)

Distanz * Ausbildung

-0.019*

-0.019*

-0.038*

(0.008)

(0.009)

(0.018)

Distanz * Hochschulabschluss

-0.031**

-0.017+

-0.112**

(0.009)

(0.010)

(0.021)

Distanz * Migrationsh.

0.017**

0.016*

0.019

(0.007)

(0.007)

(0.027)

Distanz * Einkommen

-0.014+

-0.007

-0.062**

(0.007)

(0.008)

(0.017)

Konstante

0.056**

0.053**

0.053**

0.048**

0.046**

0.046**

0.043

0.024

0.016

(0.008)

(0.008)

(0.008)

(0.010)

(0.010)

(0.010)

(0.030)

(0.033)

(0.034)

Beobachtungen

22016

22016

22016

18330

18330

18330

3686

3686

3686

R-squared

0.052

0.051

0.051

0.048

0.048

0.048

0.116

0.092

0.107

Anmerkungen: Die Regressionen kontrollieren neben den gelisteten Variablen für Geschlecht, Alter, Erhebungsjahr und das Bundesland. +p < 0.1, * p < 0.05, ** p < 0.01.

Quelle: SOEP v36 für die Jahre 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019; gewichtet, amtliche Schuldaten 2000–2019; eigene Berechnungen.

In einem ersten Analyseschritt haben wir untersucht, ob sich die privaten Schulen nach verschiedenen soziodemografischen Merkmalen sozial ungleich im Raum verteilen, bzw. ob sie sich systematisch stärker in der Nähe zu bestimmten sozialen Gruppen befinden. Hier zeigte sich für Westdeutschland, dass sich private Schulen einerseits wie erwartet häufiger in geringerer Entfernung zu einkommensstarken Haushalten befinden. Anders als erwartet befinden sich darüber hinaus auch SchülerInnen mit Migrationshintergrund und aus Nichtakademikerhaushalten in Westdeutschland häufiger in der Nähe von Privatschulen. In Bezug auf die MigrantInnen könnte dieses sozialräumliche Muster unseres Erachtens zwei Gründe haben. Entweder befinden sich private Schulen in den westdeutschen Städten häufiger im Innenstadtbereich, um auch die Erreichbarkeit aus dem gesamten Stadtgebiet zu erhöhen. Wenn darüber hinaus auch Familien mit Migrationshintergrund häufiger im Innenstadtbereich wohnen, könnte dies unseren Befund erklären. Eine andere Möglichkeit wäre, dass private Schulen gerade dort für privilegierte Haushalte besonders attraktiv sind, wo ein hoher Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund wohnt (z. B. Akbarpour et al. 2022; Jähnen & Helbig 2023). Dies sollte sich aber besonders im Grundschulbereich zeigen, wo die Beschulung überwiegend in wohnortnahen Einzugsgebieten erfolgt. Ein ähnliches Muster lässt sich aber auch für Sekundarschulen beobachten. Dass in Westdeutschland Eltern mit akademischem Hintergrund weiter von Privatschulen entfernt wohnen, könnte in ähnlicher Weise erklärt werden. Gerade in Stadtteilen, wo viele Hochgebildete leben, könnten auch die öffentlichen Schulen eine attraktive Schulwahloption sein. Privatschulen in Stadtteilen mit einem eher niedrigen Akademiker- und einem hohen Migrationsanteil könnten gerade für die wenigen Akademikereltern eine willkommene Schulwahlalternative sein.

Abb. 1: Wahrscheinlichkeit des Privatschulbesuchs in Abhängigkeit von der Distanz zur nächsten Privatschule nach Bildungsgrad, ostdeutsche Bundesländer.
Anmerkungen: Schätzungen beruhen auf einer logistischen Regression mit folgenden Kontrollvariablen: Distanz zur nächsten öffentlichen Schule, Jahr, Alter des Kindes, Anzahl der Kinder im Haushalt, Migrationshintergrund, Haushaltsäquivalenzeinkommen in log, Sozialtransferempfängerhaushalt, Gemeindegröße.

Quelle: SOEP v36 für die Jahre 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019; gewichtet, amtliche Schuldaten 2000–2019; eigene Berechnungen.
Abb. 1:

Wahrscheinlichkeit des Privatschulbesuchs in Abhängigkeit von der Distanz zur nächsten Privatschule nach Bildungsgrad, ostdeutsche Bundesländer.

Anmerkungen: Schätzungen beruhen auf einer logistischen Regression mit folgenden Kontrollvariablen: Distanz zur nächsten öffentlichen Schule, Jahr, Alter des Kindes, Anzahl der Kinder im Haushalt, Migrationshintergrund, Haushaltsäquivalenzeinkommen in log, Sozialtransferempfängerhaushalt, Gemeindegröße.

Quelle: SOEP v36 für die Jahre 2002, 2005, 2007, 2011, 2013, 2015, 2017 und 2019; gewichtet, amtliche Schuldaten 2000–2019; eigene Berechnungen.

Privatschulen in Ostdeutschland sind dahingegen geografisch breiter und zufälliger verteilt. Nur Kinder mit Migrationshintergrund weisen hier höhere Distanzen zu Privatschulen auf als Kinder ohne Zuwanderungsgeschichte. Unterschiede, die sich etwa für Berlin und Erfurt beobachten lassen (Helbig & Mayer i. E.), sind also nicht systematisch für ganz Ostdeutschland festzustellen. Ein Grund hierfür könnte sein, dass eine Reihe von privaten Schulen nach der Jahrtausendwende dort entstand, wo öffentliche Schulen schlossen. Dies waren zunächst Gegenden, in denen die Schülerzahlen besonders stark zurückgingen, gleichzeitig aber auch die Kinderarmutsquote hoch war – wie z. B. in einigen Plattenbaugebieten der ostdeutschen Städte (Helbig et al. 2018; Helbig & Jähnen 2018). Insgesamt finden sich bis auf die etwas geringere Entfernung höherer Einkommensgruppen auch in Westdeutschland kaum Belege dafür, dass sich über die sozialräumliche Verteilung der Privatschulen soziale Ungleichheiten bei ihrem Besuch erklären ließen.

In einem zweiten Schritt haben wir untersucht, inwieweit die Nähe zu einer privaten Schule die Wahrscheinlichkeit des Besuchs einer solchen beeinflusst und ob darüber auch herkunftsspezifische Unterschiede im Privatschulbesuch teilweise erklärt werden können. Die Analysen hierzu zeigen, dass die Entfernung zur nächsten privaten Schule zwar eine wichtige Determinante des Privatschulbesuchs ist. Je kürzer der Weg zur nächsten Privatschule, desto eher besucht ein Kind auch eine solche. Somit bestätigt sich unsere erste Hypothese (H1).

Über die Entfernung konnten wir allerdings kaum herkunftsspezifische Unterschiede im Privatschulbesuch aufklären. Hypothese 3 (H3), nach der sozial ungleiche Besuchsmuster von Privatschulen zumindest teilweise über die Entfernung zur nächsten Privatschule erklärt werden können, lässt sich deshalb nicht bestätigen. Dies könnte daran liegen, dass die Entfernung zur nächsten Privatschule nicht alle sozialen Gruppen gleichermaßen in ihrer Privatschulwahl beeinflusst. So zeigt sich, dass vor allem Eltern mit akademischem Hintergrund in ihrer Privatschulwahl durch die Entfernung zur nächsten Privatschule beeinflusst werden. Besonders in Ostdeutschland zeigt sich, dass hauptsächlich Akademikereltern und Eltern mit hohen Haushaltseinkommen durch die Privatschulentfernung beeinflusst werden. In West- wie Ostdeutschland (hier nicht statistisch signifikant) werden darüber hinaus Kinder ohne Migrationshintergrund stärker durch die Privatschulentfernung beim Privatschulbesuch beeinflusst. Somit bestätigt sich unsere zweite Hypothese (H2), dass der Privatschulbesuch für sozioökonomisch privilegiertere Gruppen stärker durch die Entfernung zur nächsten Privatschule beeinflusst wird als für weniger privilegierte Gruppen. Die höhere „Distanzsensibilität“ von bildungsnahen Gruppen, einkommenshohen Gruppen (nur Ostdeutschland) und Nicht-MigrantInnen deutet darauf hin, dass die Option, eine private Schule zu besuchen, für bildungsferne und ressourcenschwächere Gruppen und MigrantInnen gar nicht als Wahlalternative wahrgenommen wird. Dementsprechend spielt auch die Entfernung zur nächsten Privatschule für diese Eltern keine systematische Rolle bei der horizontalen Schulwahl.

Nach Art. 7 Abs. 4 GG sollten die Schulgelder privater Schulen so gestaltet sein, dass sich diese alle Kinder bzw. Eltern leisten können. Dafür, dass dies in der Praxis nicht überall der Fall ist, gibt es einige Hinweise (siehe z. B. Wrase & Helbig 2016). Insgesamt zeigt sich in dieser Studie erneut, dass private Schulen häufiger von Eltern mit akademischem Hintergrund und mit höherem Einkommen besucht werden. Neben dem kulturellen und ökonomischen Kapital der Familien sagt auch der Migrationshintergrund der Kinder den Privatschulbesuch voraus. Kinder mit Migrationshintergrund sind hier seltener zu finden, obwohl sie zumindest in Westdeutschland näher an privaten Schulen wohnen. Wenn für Kinder aus Haushalten mit Migrationshintergrund, mit geringem Einkommen oder ohne hohen Bildungsabschluss Privatschulen – beispielsweise wegen deren pädagogischer Konzepte – gar nicht als Alternative zu staatlichen Schulen wahrgenommen werden, würden auch restriktivere bzw. nach Einkommen gestaffelte Schulgeldmodelle nicht viel an der bestehenden sozioökonomischen Zusammensetzung an Privatschulen verändern.

Im Hinblick auf anschließende Forschungsfragen, die sich aus dieser Studie ergeben, halten wir es für sinnvoll, diejenigen Mechanismen zu untersuchen, die dazu führen, dass Kinder aus benachteiligten sozioökonomischen Verhältnissen seltener auf privaten Schulen zu finden sind – obwohl sie im Durchschnitt näher an solchen wohnen. Dies betrifft dabei alle drei Stufen von Kristens (2005) Schulwahlmodell. Diese Studie weist zumindest an der ersten Stufe des Schulwahlmodells darauf hin, dass private Schulen gar nicht als Wahlalternative für untere Bildungsgruppen gesehen werden. Hier könnte es für zukünftige Forschung sinnvoll sein, dass man die Rolle der Privatschulentfernung danach modelliert, ob eine Privatschule auf der ersten Stufe des Schulwahlprozesses überhaupt in Frage kommt (ggf. mit Heckman-Korrektur). Allerdings ist es sehr schwierig, diese Eltern zu identifizieren, da auch die erste Stufe des Entscheidungsprozesses durch die Entfernung schon durch die Privatschulentfernung beeinflusst sein könnte. Für die vorliegende Studie existiert eine solche Selektionsfrage zumindest nicht. Weiterhin wäre es relevant zu untersuchen, aus welchen Gründen untere Bildungsgruppen Privatschulen nicht als Wahlalternative sehen. Ebenso sollte sich weitere Forschung den ungleichheitsgenerierenden Mechanismen bei der Bewerbung an einer Privatschule (Stufe 2) und der Aufnahme an einer Privatschule (Stufe 3) zuwenden. Gerade zur letzten Stufe gibt es mit der Ausnahme von Helbig & Mayer (i. E.), keine empirische Evidenz.

Über die Autoren

Marcel Helbig

Marcel Helbig, geb. 1980 in Erfurt. Studium B. A. in Sozialwissenschaft und Kommunikationswissenschaft an der Universität Erfurt und Studium M. A. in Sozialwissenschaft an der Humboldt-Universität zu Berlin. Promotion in an der HU Berlin. Von 2007 bis 2020 wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Von 2015 bis 2020 S-Professur für Bildung und Soziale Ungleichheit an der Universität Erfurt. Seit 2020 Arbeitsbereichsleiter für Strukturen und Systeme am Leibniz Institut für Bildungsverläufe.

Forschungsschwerpunkte: Bildungssoziologie, Stadtsoziologie.

Wichtigste Publikation: Hinter den Fassaden. Zur Ungleichverteilung von Armut, Reichtum, Bildung und Ethnie in den deutschen Städten. WZB Discussion Paper P 2023-003, 2023.

Laura Schmitz

Laura Schmitz, geb. 1990 in Boppard. Studium B. A. in Europastudien an der KU Eichstätt-Ingolstadt, M.Sc. in Public Policy and Human Development an der Universität Maastricht und M.Sc. in Economics an der Universität Carlos III in Madrid. Promotion in Volkswirtschaftslehre an der FU Berlin. Von 2014 bis 2017 angestellt bei der Internationalen Arbeitsorganisation in Genf. Seit 2019 Am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung tätig; bis 2023 in der Abteilung Bildung und Familie, seit 2023 in der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt.

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Online erschienen: 2024-08-22
Erschienen im Druck: 2024-08-30

© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 10.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zfsoz-2024-2020/html
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