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Gangsta-Rap als soziales Spiel

  • Katharina Bock

    Dr.in Katharina Bock, geb. 1982, Studium der Linguistik und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Promotion 2017 an der Universität Hildesheim mit einer ethnographischen Untersuchung der Skateboardszene. Zuletzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am SFB 1472 „Transformationen den Populären“ an der Universität Siegen.

    Arbeitsschwerpunkte und Forschungsinteressen: Kultur-, Wissens- und Kommunikationssoziologie, Ethnographie und Ethnographisches Schreiben, Sozio-Materialität.

    Wichtigste Publikationen: Kommunikative Konstruktion von Szenekultur. Skateboarding als Sinnstiftung und Orientierung im Zeitalter der Digitalisierung. Weinheim, Basel: Beltz Juventa 2017; Sozio-materielle Arrangements im Darstellenden Spiel. Anmerkungen zur Materialität kultureller Bildung an Schulen. Zeitschrift für Kulturwissenschaften 2/2019, S. 27–39. Ethnografisches Protokollieren – Erkenntnisabsichten und sprachlich-stilistische Gestaltungsprinzipien. Forum Qualitative Sozialforschung/Forum: Qualitative Social Research Volume 20(1), Art. 6, 2019; Skateboarding vs. Gangsta-Rap: Erkenntnispotenziale und -grenzen des Mit- und Nachvollzugs von Körper-Leib-Erfahrungen im Feld. In: Poferl, A./Schröer, N./Hitzler, R./Kreher, S. (Hrsg.): Leib-Körper-Ethnographie: Erkundungen zum Leib-Sein und Körper-Haben. Essen: OLDIB 2023, S. 39–50.

    Kontakt via Researchgate: https://www.researchgate.net/profile/Katharina-Bock

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Published/Copyright: August 22, 2024
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Zusammenfassung

Dieser Beitrag bestimmt Gangsta-Rap als ein soziales Spiel, dem eine spezifische Sinnwelt zugrunde liegt – eine Welt, die von eigen(sinnig)en Sprach- und Verhaltensweisen sowie vielfältigen, zugleich bewussten und unbewussten Zielen und Bedürfnissen geprägt ist und dabei Wirkungen erzielt, die von den Spielenden teilweise selbst nicht überblickt werden. Dafür wird ethnographisches Datenmaterial präsentiert, das im Rahmen einer Studie mit jungen Szene-Insidern gewonnen wurde, die Gangsta-Rap nicht nur gerne hören, sondern diesen auch selbst produzieren. Im Rahmen eines ausführlichen ethnographischen Berichts, der die Wissensbestände, Bedeutungen und Regeln der Gangsta-Rap-Produktionen zugrundeliegenden Sinnwelt entfaltet, gibt der Beitrag detaillierte empirische Einblicke in Perspektiven, die in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Genre und dessen Anhänger*innenschaft bislang zu kurz kommen.

Abstract

This article defines gangsta rap as a social game that is based on a specific world of meaning – a world that is characterized by idiosyncratic language use and actions as well as diverse conscious and unconscious goals and needs, achieving effects that the players themselves are sometimes unable to grasp. The article presents ethnographic data obtained from a study of young scene insiders who not only enjoy listening to gangsta rap, but also produce the music themselves. Within the framework of an ethnographic report that unfolds the knowledge, meanings and rules of the world of meaning underlying gangsta rap productions, the article provides detailed empirical insights into perspectives that have so far been neglected in the social science debate on the genre and its followers.

1 Einführung

Gangsta-Rap gilt als eines der derzeit kommerziell und aufmerksamkeitsökonomisch erfolgreichsten, Musikgenres (vgl. Seeliger 2021: 34). Dieser Erfolg löst allerdings Konflikte aus – dies zuletzt im Rahmen der ECHO-Debatte 2018 (dazu u. a. Schmidt et al. 2022). In jenem Jahr ging der ECHO POP in der Kategorie Hip-Hop/Urban national an die beiden Gangsta-Rapper Kollegah und Farid Bang. Mit dieser Preisverleihung wurde eine wirkmächtige Debatte[1] angestoßen, unter deren Druck sich der für die Verleihung verantwortliche Verband von seiner Entscheidung distanzierte und der Musikpreis schließlich abgeschafft wurde (Bundesverband Musikindustrie 2018a, 2018b). Als ein besonders prägnantes Beispiel für die medienöffentliche Skandalisierung der beiden Künstler lässt sich eine Glosse[2] anführen, die zwei Tage nach der ECHO-Verleihung in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung erschienen ist und die sowohl die moralisch fragwürdigen Spielregeln der Kunstform Gangsta-Rap als auch deren breite Anerkennung skandalisiert:

„[…] Zur verlogenen Rechtfertigung der beiden sogenannten Künstler gehört es, dass ihre Werke nur begreifen könne, der wisse, was ein ‚Battlerap‘ sei – die rituelle und hyperventilierende Herabwürdigung (,Dissen‘) anderer, um sich selbst den Respekt des Stärkeren zu verschaffen. Was die Rapper anrichten, ist ihnen egal – wahrscheinlich fühlen sie sich sogar noch als die sozialen Ritter der Gewaltfreiheit im Getto abgehängter Parallelgesellschaften. […] So lassen sich in Deutschland mittlerweile selbst Antisemitismus, Vergewaltigung und Menschenverachtung als Kulturgut verkaufen: Man muss die dümmste Verpackung nur zur Kunst erklären. Und es braucht 550 Mitläufer (Verzeihung: Juroren), von denen nicht ein einziger den Mut hatte, dieser Farce den Rücken zuzukehren“ (Altenbockum 2018).

Moralische Verfehlungen bestehen dem Autor zufolge in einer machtvollen Selbstinszenierung der Rapper, die daran glauben, sich mit Hilfe bewusster Provokationen in Form von Herabwürdigungen, Gewaltdarstellungen und menschenverachtenden Äußerungen „den Respekt des Stärkeren“ verschaffen zu können bzw. zu müssen – denn so verlange es das Genre; dass derartiges Verhalten breite öffentliche Anerkennung erhält und durch eine Preisverleihung unter dem Deckmantel der Kunst legitimiert wird, betrachtet der Autor als eine weitere Verfehlung.

Die Glosse deutet auf die Existenz eines andersartigen, von gesellschaftlichen Normen abweichenden, genreeigenen Bedeutungssystems hin, das, so die Annahme des Autors, durch eine eigene Leitkultur mit spezifischen Regeln und Verhaltensweisen gekennzeichnet ist, die bewusst „provozieren“ will/soll, um sich „den Respekt des Stärkeren zu verschaffen“ und damit kommerziell erfolgreich zu sein. Hier knüpft der vorliegende Beitrag an und vertritt die These von Gangsta-Rap als einem sozialen Spiel, dem eine spezifische Sinnwelt zugrunde liegt, die eigen(sinnig)e Wissensbestände, Bedeutungen, Regeln und Verhaltensweisen hervorbringt und damit (un)bewusst (Außen-)Wirkungen erzielt, die von den Spielenden teilweise selbst nicht überblickt werden.

Zur Ausführung dieser These wird ethnographisches Datenmaterial präsentiert, das im Rahmen einer Studie mit jungen Szene-Insidern gewonnen wurde, die Gangsta-Rap nicht nur gerne hören, sondern diesen auch selbst produzieren. Ziel dieses Beitrags ist es, die Wissensbestände, Bedeutungen und Regeln der Gangsta-Rap-Produktionen zugrundeliegenden Sinnwelt aus der Perspektive dieser Anhänger*innen herauszuarbeiten und zu beschreiben. In diesem Zusammenhang werden detaillierte empirische Einblicke in spezifische subjektive Bedeutungen, Relevanzzuschreibungen, Verhaltens- und Umgangsweisen mit Gangsta-Rap präsentiert – Perspektiven, die in der sozialwissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Genre und dessen Anhänger*innenschaft bislang zu kurz kommen.

1.1 Stand der Forschung

In der (sozial-)wissenschaftlichen Literatur wird Gangsta-Rap überwiegend als Reaktion auf und Be-/Verarbeitung von gesellschaftlichen Missständen und sozialer Benachteiligung betrachtet (u. a. Dietrich 2016; Dietrich & Seeliger 2012; Klein & Friedrich 2003; Rose 1994; Rose 2008; Seeliger & Dietrich 2017a; Seeliger 2021). Dabei wird deutscher Gangsta-Rap, der seit den frühen 1990er Jahren existiert, in Bezug zur hiesigen Migrationsgeschichte gesetzt und als Artikulation von Empowerment interpretiert, wobei sozialer und ökonomischer Aufstieg als zentrale Bedürfnisse angenommen werden (u. a. Güngör & Loh 2017; Seeliger &Dietrich 2017b; Seeliger 2021; Süß 2019, 2021; Szillus 2012; Verlan & Loh 2015).

Besonders beliebt und verbreitet ist Gangsta-Rap bei jungen Menschen (Bundesverband Musikindustrie 2022: 28). Jenseits der Musik populärer Profi-Rapper*innen befassen sich allerdings nur wenige Studien mit Gangsta-Rap aus der Perspektive dieser jungen Anhänger*innen. Bisher vorliegende Arbeiten zu deren Musikgeschmack fokussieren auf (häufig kausale) Erklärungszusammenhänge zwischen Präferenzen für Rap-Musik und deviantem Verhalten (Miranda & Claes 2004), Gewalteinstellungen (Johnson et al. 1995) oder Einstellungen zu Antisemitismus (Grimm & Baier 2023).[3] Daneben gehen Dollinger & Rieger (2023) und Dollinger (2024) anhand von Gesprächen und Gruppendiskussionen mit jugendlichen Gangsta-Rappern der Bedeutung von Kriminalitätsdarstellungen nach.

Differenzierte Einblicke in die Wahrnehmung und Aneignung des Genres und dessen Protagonist*innen liefert eine Interviewstudie von Wegener (2007a, 2007b), die in der Nutzung und Aneignung von indiziertem Rap typische Entwicklungsaufgaben des Jugendalters sowie die spezifische Konstitution eines Milieus sozialer Benachteiligung widergespiegelt sieht (2007a: 74). Die rappenden Idole

„bieten Anschluss und Identifikationspotential, indem sie Lebenslagen bestätigen und Deprivation als Normalität ebenso wie gesellschaftliche Randständigkeit legitimieren. Durch ihren Lebensstil, der Unabhängigkeit, ökonomisches Kapital und Anerkennung in mitunter stilisierter Weise zur Schau stellt, verbinden sie andererseits Deprivation mit Omnipotenz und konstruieren eine Welt, die es erlaubt, die gegenwärtige Lebenssituation mit einem Lebensgefühl zu verbinden, das nicht allein von Mangel, Hoffnungslosigkeit und Abwertung geprägt ist“ (Wegener 2007a: 78).

Sich insbesondere mit Gewaltbezügen im Rap auseinanderzusetzen, sie anzunehmen und aushalten zu können, markiere eine Grenzziehung zwischen dem Kind- und Erwachsensein, ermögliche den Jugendlichen sich als „selbstbewusst, eigenständig“ und „unverwundbar“ zu präsentieren, als jemand, der den gesellschaftlichen Widrigkeiten und Risiken standhalten kann (Wegener 2007b: 57).

Neben der vorrangig mittels Befragungen untersuchten Perspektive von Rap-Anhänger*innen widmen sich neuere, insbesondere ethnographische Untersuchungen der Auseinandersetzung junger Menschen mit Gangsta-Rap im Rahmen musikalischer Eigenproduktionen (Bock et al. 2023; Bock 2023; Bock 2024; Rieger 2024; Schmidt & Bock 2024). Dabei zeigt sich, dass und wie diese jungen Menschen aus einer breiten Palette von Stilisierungs- und Identifikationsangeboten populärer Protagonist*innen der (inter-)nationalen Rap-Szene auswählen und diese auf eigen(sinnig)e Weise adaptieren; sie experimentieren mit verschiedenen Themen und setzen diese mit ihrer persönlichen lebensweltlichen Situation in Zusammenhang, wobei sie z. T. fiktive Realitäten entwerfen und sich das Genre auf vielfältige Weisen kreativ zu eigen machen. Dabei wird (auto-)ethnographisches Datenmaterial mit audio-visuellen Artefakten aus dem Feld kombiniert, was detaillierte Einblicke in die jugendspezifischen Alltags- und Medienwelten ermöglicht.

Überraschenderweise sind ethnographische Forschungsstrategien in Studien zu populärer Musik deutlich unterrepräsentiert, wie Cohen (1993: 135) feststellt; doch gerade damit lassen sich situationale und soziale Kontexte erfassen, in denen jene Wissensbestände, Bedeutungen und Relevanzen aufgespürt werden, die für das Verstehen des Umgangs mit populärer Musik und Kultur zentral sind. Der vorliegende Beitrag setzt auf ein solches Vorgehen und schließt damit nicht nur methodische Forschungslücken.

1.2 Konzeptueller Rahmen und Untersuchungsgegenstand

Gangsta-Rap, als einem sozialen Spiel, haben sich die hier vorgestellten Anhänger*innen verschrieben in der Annahme, „daß das Spiel das Spielen lohnt und daß die Einsätze […] erstrebenswert sind“ (Bourdieu 1998: 141). Folgt man Bourdieu (2001: 129), so handelt es sich dabei um ein unbewusstes Verhalten – eine „umstandslose Willfährigkeit gegenüber den [impliziten] Geboten“ des Spiels. Bourdieu spricht in diesem Zusammenhang von einer „illusio“ – einem Spielen-mit, einer Täuschung bzw. einem Getäuscht-werden.[4] „Die illusio gehört […] zum Handeln, zur Routine, zu den Dingen, die man halt tut und die man tut, weil es sich gehört und weil man sie immer getan hat“ (ebd.). Was die sozialisierten Spielenden in der illusio als sinnhaft und selbstverständlich erleben, können Außenstehende nicht nachvollziehen (vgl. ebd. 1998: 143); ihnen erscheinen Spiel und illusio „unverständlich“, „‚uninteressant‘ oder ‚zwecklos‘“ (ebd. 2001: 20). In seinen Überlegungen bezieht sich Bourdieu auf Max Webers Herrschaftssoziologie (vgl. Fuchs-Heinritz & König 2011: 277) und geht davon aus, dass die am Spiel Beteiligten „Gefangene und auf versteckte Weise Opfer“ einer „herrschenden“ sozialen Ordnung sind, deren „Gedanken und Handlungen“ (Bourdieu 1997: 187) sie anerkennen, übernehmen und somit bestätigen und reproduzieren. Dabei handelt es sich um einen symbolischen Herrschafts- bzw. Gewaltmechanismus, dem die Betroffenen durch unbewusste Unterwerfung und Anpassung unterliegen, den sie aber nicht als solchen wahrnehmen, weil auf einer symbolisch-sinnhaften Ebene des Selbstverständlichen und Alltäglichen operiert wird (vgl. ebd. 2005: 63–71). Führt man Bourdieus illusio-Konzept nun mit den in der eingangs zitierten Glosse geäußerten Annahmen und den beiden dominierenden Lesarten zu Gangsta-Rap (siehe 1.1) zusammen, dann unterliegen Gangsta-Rapper*innen und ihre Anhänger*innenschaft einer (Selbst-)Illusion/Täuschung: Im Glauben daran, sich mit Machtdemonstrationen den Respekt des Stärkeren verschaffen zu können/müssen, um sozialen und ökonomischen Aufstieg zu erzielen, sind sie selbst unbewusst den Prinzipien einer herrschenden Ordnung unterworfen.

An Gangsta-Rap als einem sozialen Spiel teilzuhaben, bedeutet an den Sinn, Wert und die Geltung bestimmter Bedeutungen, Regeln und Verhaltensweisen zu glauben. Bourdieus Konzept geht davon aus, dass die Spielenden daran unbewusst und unreflektiert festhalten. Die eingangs zitierte Glosse jedoch unterstellt Regeln, nach denen sich Gangsta-Rapper*innen und ihre Anhänger*innenschaft zielorientiert, also bewusst verhalten. Vor diesem Hintergrund lässt sich das von Wittgenstein (1971) vorgestellte „Sprachspiele“-Konzept hinzuziehen, das den verwendeten Spielbegriff um kalkulierte und bewusste Verhaltensweisen (oder Abweichungen) und deren besonderen Eigensinn erweitert. Bei „Sprachspielen“ handelt es sich um „Sprache“ und „Tätigkeiten“, die miteinander „verwoben“ (ebd., § 7) sind. Die Funktion dieses Begriffs besteht darin, „den Aspekt des handelnden Umgangs mit den Sprachmitteln zu beleuchten“ (Lange 1998: 140). Sprachmittel sind bedeutungsvolle sprachliche und nicht-sprachliche Handlungen oder Verhaltensweisen[5], die durch bestimmte „Eigenheiten des Gebrauchs“ (Savigny 1998: 13) gekennzeichnet sind und je nach Situation, Umstand oder Kontext[6] variieren. In diesem Zusammenhang spielen Regeln und das bewusste Befolgen dieser eine bedeutsame Rolle (Wittgenstein 1971: u. a. § 53, § 54).[7] Die sprachlichen und nicht-sprachlichen Handlungen bzw. Verhaltensweisen sind zudem in sogenannte „Lebensformen“ (ebd.: § 19)[8] eingebettet, d. h. in unterschiedliche „Systeme von sozialen Regeln“ (Savigny 1998: 29) mit jeweils eigenen Bedeutungen, die von der Norm abweichen können.[9]

Kombiniert man Bourdieus illusio- und Wittgensteins Sprachspiele-Konzept miteinander, so lässt sich davon ausgehen, dass sich Gangsta-Rapper*innen und ihre Anhänger*innenschaft in einer spezifischen Sinnwelt[10] (Spielwelt, Lebensform) bewegen. Diese Welt ist von eigen(sinnig)er Sprache, eigen(sinnig)en Regeln, Kommunkations- und Handlungsweisen geprägt, die durch vielfältige, zugleich bewusste und unbewusste Bedürfnisse und Ziele motiviert sein können, und deren Verwendung mit den jeweils gegebenen Situationen, Kontexten und Umständen variiert. In diesem Zusammenhang kann es zu starken, gleichzeitig bewussten und unbewussten Abweichungen von allgemeingültigen Werten und Normen kommen. Zudem können dabei Wirkungen entfaltet werden, derer sich die Spielenden aufgrund verborgener Machtmechanismen teilweise selbst nicht gewahr sind.

Im Rahmen dieses Beitrags werden am Spiel Beteiligte vorgestellt, die sich als Insider der Rap-Szene[11] bezeichnen lassen. Dabei handelt es sich um eine sechsköpfige Gruppe männlicher Musikliebhaber und Amateurmusiker im Alter von etwa 20 Jahren. Anton, Jamal, Tahmid, Manuel, Kadeem und Liam haben großes Interesse an (Gangsta-)Rap und hören diesen nicht nur gerne, sondern stellen die Musik autodidaktisch und laienhaft[12] auch jeweils selbst her, d. h.: sie schreiben eigene Rap-Texte und verwandeln diese in sogenannte „Rap-Tracks“. Zu einigen dieser musikalischen Eigenproduktionen erstellen sie auch Videos, die sie dann u. a. auf YouTube und via Instagram an ihre Freundes- und Bekanntenkreise verbreiten. Die Gruppe steht exemplarisch für eine junge Anhänger*innenschaft, die das Genre kommunikativ und kreativ für sich nutzt, wobei die Grenzen zwischen Rezeption und Produktion längst verschwommen sind (vgl. Bruns 2008; Jenkins 2008; Ritzer & Jurgenson 2010). Diese prosumierenden Insider zeichnen sich durch Kennerschaft des Genres und dessen zugrundeliegender Sinnwelt sowie ein umfangreiches Spezialwissen zum Gegenstand aus, welches sie außerdem kompetent anzuwenden verstehen.

1.3 Methodisches Vorgehen

Das in diesem Beitrag präsentierte Datenmaterial habe ich im Rahmen meiner wissenschaftlichen Mitarbeit am DFG-geförderten SFB 1472 „Transformationen des Populären“ der Universität Siegen, im Teilprojekt A03 „Inszenierungen von Kriminalität: Gangsta-Rap in interaktiven Identitätspraktiken Jugendlicher“ (2021–2024), generiert. Dieses Projekt verfolgte eine ethnographische Forschungsstrategie (v. a. Dellwing & Prus 2012; Breidenstein et al. 2015; Poferl & Schröer 2022), die teilnehmende Beobachtungen, ethnographische Gespräche[13], umfangreiche Recherchen v. a. in Rap-bezogenen Medien sowie die Sammlung und Analyse kultureller Artefakte wie Rap-Eigenproduktionen (Bienk 2008; Moritz & Corsten 2018)[14] miteinander kombinierte und um audioaufgezeichnete Gruppeninterviews ergänzte (vgl. Dellwing & Prus 2012: 116 ff.). Mit diesem Zugang ließen sich detaillierte Einblicke in die Wissensbestände, Bedeutungen und Relevanzen jener Sinnwelt generieren, die Gangsta-Rap zugrunde liegt.

Mein Zugang zum Untersuchungsgegenstand erfolgte über großstädtische Einrichtungen der Offenen Jugendarbeit, in denen Hip-Hop-Kultur bzw. Rap-Musik bedeutsam waren. Diese wurden telefonisch kontaktiert und persönlich aufgesucht, um vor Ort belastbare Forschungsbeziehungen zu Gangsta-Rap-affinen jungen Menschen auf- und auszubauen, was unter den Bedingungen der Covid-19-Pandemie z. T. schwierig war (dazu ausführlicher Bock 2024: 103). Zu diesen Einrichtungen gehörten zwei Jugendzentren sowie ein großer freier Träger, dessen Angebot u. a. verschiedene Streetwork-Projekte und Anlaufstellen für medieninteressierte junge Menschen umfasst, die dort die Gelegenheit haben, mit dem zur Verfügung gestellten Equipment (Tonstudio, Computerplätze, Software) eigene Medieninhalte zu produzieren. In diesen Räumlichkeiten habe ich den Kontakt zu Anton, Jamal, Tahmid, Manuel, Kadeem und Liam hergestellt und die Gruppe etwa ein Jahr lang bei ihren verschiedenen Gangsta-Rap-bezogenen Aktivitäten begleitet. Ich war dabei, wenn sie ihre Raptexte geschrieben und diese in musikalische Eigenproduktionen verwandelt haben; wenn sie gemeinsam abgehangen, dabei z. B. Musik gehört oder Video-Posts für ihre Social Media-Kanäle erstellt haben. Sie zeigten, erklärten und beantworteten mir alle möglichen Fragen; ich hatte Zugang zu ihrem Whatsapp-Gruppenchat und durfte ihnen auf Instagram folgen. Außerdem habe ich die Dreharbeiten zu einer ihrer Rapvideo-Eigenproduktionen begleiten dürfen und sie dabei vor Ort mit kleinen Hilfsdiensten unterstützt. Zwischen uns bestand großes gegenseitiges Vertrauen, das vor allem auch durch mein eigenes körperlich-leibliches Involvieren in die Praktiken der Gruppe aufgebaut werden konnte (vgl. dazu Bock 2023; Bock 2024).

Das für diesen Beitrag verarbeitete Datenmaterial[15] umfasst Feldprotokolle, zwei transkribierte Interviews[16] mit der Gruppe, von ihnen erstellte Audio- und Video-Dateien (eigenproduzierte „Rap-Tracks“) sowie eine Sammlung von Beiträgen/Materialien aus Rap-Medien. Ausgewertet wurde dieses Material mit der Ethnographischen Semantik (v. a. Spradley 1979; 1980; Maeder & Brosziewski 1997; Maeder 2002). Die Methode ermöglicht es herauszuarbeiten,

„auf welche Art und Weise die Angehörigen einer Kultur ihre Welt kategorisieren, bzw. wie sie ihre Welt mittels alltäglich-praktischer Klassifikationen definieren und sich einander vermitteln. Welche Bedeutungen sie den Handlungen und Objekten in ihrer Kultur zuschreiben (können), wird aus dem gelernten, kategorialen Haushalt der geteilten und primär in der Sprache aufgehobenen Wissensbestände der Mitglieder einer Szene, eines Milieus oder auch einer noch umfassenderen Kultur rekonstruiert. Das Produkt solcher Rekonstruktionen sind gewissermaßen ‚kulturelle Landkarten‘ über verfügbare Elemente in einer bestimmten sozialen Sinnwelt“ (Maeder & Brosziewski 1997: 344).

Im Rahmen der Analyse des Datenmaterials wurden schrittweise zunächst einzelne (Sprach-)Kategorien identifiziert und zu den folgenden Domänen entwickelt: Personen, Orte und Dinge (vgl. Maeder 2002: 8. Absatz; Maeder 2007: 684 f.). Diese Domänen wurden mittels taxonomischer und Komponenten- bzw. Attributanalysen schrittweise erweitert, systematisiert, differenziert und verdichtet (vgl. Maeder & Brosziewski 1997: 351 f.).[17] Auf diesem Weg konnten ein Personenrepertoire der Sinnwelt (u. a. professionelle und Laien-„Rapper“, „Gangsta-Rapper“/„Straßenrapper“, „Produzenten“, „Manager“, „Kanacks“, „Gangsta/Gangster“, „Junkies“, „Dealer“, „Ticker“) erstellt sowie bedeutsame Bezugsräume (v. a. die „Straße“, das kriminelle und Drogenmilieu) und Dingwelten ermittelt werden. Da Dinge sowohl physikalisch als auch abstrakt sein können (vgl. Blumer 1981: 90)[18], wurde nach Gegenständen (wie Kleidung, Accessoires oder Medientechnik), anderen Dingen (u. a. Spiele, Genuss- und Betäubungsmittel, Waffen) und bedeutsamen kulturellen Artefakten (u. a. Rap-Medien, Rap-Texte, Rap-Videos), sowie nach Leitideen/Konzepte/Haltungen (v. a. „Trust Nobody“, „der größte Motherfucker sein“, ein/e „Pokergesicht“/„Maske“ aufsetzen, „Straße“ als „Mindset“) und Motiven (z. B. der Nutzung und Aneignung von Gangsta-Rap) kategorisiert. Als besonders komplex erwiesen sich Handlungen/Aktivitäten, weshalb diese wie folgt differenziert wurden: Sprachhandeln und kommunikative Modi (u. a. „rappen“, „dissen“, „boasten“, „übertreiben“ und „dramatisieren“, provozieren, drohen, (Sprach-)Codes aus dem kriminellem Milieu verwenden, sprachliche/kommunikative Bezugnahmen auf Kriminalität, Inszenierungen von Kriminalität) sowie Medienhandeln, genauer: Rezeptionsmodalitäten und Aneignungsmodi (u. a. Gangsta-Rap fokussiert/nebenbei hören, (Gangsta-)Rapper*innen auf Instagram folgen, Selbststilisierung und -inszenierung als Gangsta-/Rapper auf Instagram, eigene „Rap-Tracks“ erstellen, Rapvideos drehen).

2 Wissensbestände, Bedeutungen und Regeln der Sinnwelt

Gangsta-Rap liegt eine spezifische Sinnwelt zugrunde, die von eigen(sinnig)en Wissensbeständen, Bedeutungen und Regeln geprägt ist, die im Folgenden ethnographisch beschrieben, analytisch reflektiert und interpretiert werden (dazu ausführlicher: u. a. Bock 2019). Hierfür wird ein ethnographischer Bericht präsentiert. Dieser beginnt mit einer Beschreibung der Kategorie „Straße“, mit der sich ein grundlegendes „Mindset“ aufspannt, das bestimmte Betrachtungs- und Verhaltensweisen (Risikoverhalten, Provokationen, Norm- und Tabubrüche, Männlichkeitsdarstellungen und Machtdemonstrationen) nahelegt und legitimiert (2.1). Neben diesem „Mindset“ sind zudem Wissensbestände wichtig, die aus dem Rap-Business und der Rap-Praxis stammen und ebenfalls mit bedeutsamen Betrachtungs- und Verhaltensweisen einhergehen. Dazu zählen das Spiel um/mit Ruhm, Geld und Status, das Spiel mit Prinzipien und Strategien und das Spiel mit den Mitteln der Sprache und Kommunikation (2.2).

2.1 Das „Mindset“: Wissen um die Kategorie „Straße“

Im Feld wird Gangsta-Rap beschrieben als „Show“ oder „Image, wie eine Rolle“, dessen thematischen Kern das „Gangster- und kriminell-sein-Ding“ bildet. Gangsta-Rap wird assoziiert mit „Gewalt und Waffen“, „Gras“ rauchen und damit „dealen“, „Geld und Macht“, „Status“ sowie „Dissen, Drogen und Sexismus“. Die Insider, so muss betont werden, nutzen den Begriff Gangsta-Rap selbst allerdings kaum; als native Äquivalente sind im Feld eher die Begriffe „(Deutsch-)Rap“ bzw. „Straßenrap“ im Gebrauch, denn: „Gangsta-Rap ist Straßenrap“, wie mir die Jungs[19] erklären.

„Wer Rap groß gemacht hat, war Straße“, sagt Insider Manuel und referiert damit auf die Entstehungshintergründe des Genres. Seit der Entstehung von Rap bzw. HipHop im New York der 1970er Jahre (vgl. Szillus 2012: 42) ist die „Straße“ ein wichtiger Bezugspunkt der (zunächst US-amerikanischen) Szene:

„Das mit der Szene verbundene soziale Geschehen fand hauptsächlich in öffentlichen Räumen statt. Dies hatte durchaus pragmatische Gründe: Akteure, die zum Zeitpunkt des Entstehens der Szene Ende der 1970er Jahre Teil der Szene gewesen sind, waren teilweise zu jung, um in öffentliche Clubs und Bars eingelassen zu werden. Zudem fehlten ihnen die finanziellen Mittel, kommerzielle Angebote zu nutzen. Sie griffen daher häufig auf die Alternative der ‚Block Partys‘ zurück. Dabei handelte es sich um Zusammenkünfte, die entweder in inoffiziellen Clubs sowie im Kontext umgedeuteter räumlicher Settings wie Industriebrachen, Parkflächen, oder aber – und vor allem – im wahrsten Sinne des Wortes ‚auf der Straße‘ stattfanden. […] Mit der Entwicklung von Rap hin zu einer ‚message music‘ ging einher, dass zunehmend Themen aufgegriffen wurden, die auf alltagsweltliche Erlebnisinhalte der beteiligten Akteure verweisen. In diesem Zusammenhang wurden insbesondere Ereignisse, die sich auf ‚der Straße‘ abspielen, verhandelt. Dazu zählten auch gewalttätige Auseinandersetzungen, Drogenhandel, Prostitution und Zuhälterei, also Formen der Kriminalität, die für Gangs typisch sind“ (Schröer 2012: 66 f.).

Auch heute werden in Gangsta- bzw. Straßenrap-Produktionen Wissensbestände aus dem kriminellen und Drogenmilieu artikuliert. In diesem Zusammenhang hat sich der Begriff „Drill-Rap“ etabliert. „Drill“ bezeichnet Rap, in dem die harte und besonders gewalttätige Seite der „Straße“ thematisiert wird (vgl. dazu ausführlich: Hiphop.de 2020, sowie die Dokumentation „Terms & Conditions: A UK Drill Story“, UK 2020). Diesen „Drill“-Stil favorisieren insbesondere Jamal und Tahmid, die diesen nicht nur gerne hören, sondern auch selbst herstellen.

Die „Straße“ bildet die zentrale Kategorie der hier beforschten Sinnwelt: „Straße“ ist einerseits großstädtische Öffentlichkeit und der unmittelbare Lebens- und Erfahrungsraum der Insider. „Straße“, wie Kadeem es in einem unserer Gespräche beschreibt, ist ein „Mindset“, das einen prägt und begleitet.[20] Auf der „Straße“, so Kadeem, gehe es vor allem darum, „sich vor anderen zu profilieren und sozusagen ‚den Macker‘ [i.S.v. Anführer, Macher] zu machen“. Es sei hauptsächlich „dieses Macho-Ego-Prinzip: ‚ich bin der Alpha hier und ihr seid die Betas‘“, um dass es gehe. Und auch im „Rap-Game“ – selbst den Spiel-Begriff verwendend, schlägt auch Kadeem hier die Verbindung von der „Straße“ zum Gangsta-Rap – gäbe es „einfach diese Sache mit Status und Gesicht“. Es gehe darum, „der größte MotherFUCKer“ zu sein, sich „krass“ zu fühlen und das zum Ausdruck zu bringen. Hierhinter, so lässt sich schlussfolgern, verbirgt sich offenbar eine Notwendigkeit, der „Straße“ und ihren Themen gewachsen und imstande zu sein, dies glaubhaft zu verkörpern. Insofern geht es hier nicht um rein spielerische Aktivitäten, die ohne bewussten Zweck nur zum Vergnügen ausgeübt werden, sondern um Verhaltensweisen, die bestimmte Funktionen erfüllen. Dies wird im Folgenden näher ausgeführt.

2.1.1 Spiel mit Risiko und Verbot

Im Feld lassen sich Verhaltensweisen beobachten, die mit dem beschriebenen „Mindset“ einhergehen. So etwa während einer kurzen Pause zwischen den Song-Aufnahmen im Tonstudio:

Die Jungs und ich stehen draußen, rauchen und unterhalten uns. Plötzlich greift Tahmid in seine Hosentasche und zeigt uns eine kleine, prall gefüllte Tüte mit „Gras“. Das irritiert mich stark, denn vor der Shisha-Bar schräg gegenüber parkt ein Polizeiwagen. Die Sichtachse zwischen uns und dem Wagen ist unterbrochen durch parkende Autos. Beamt*innen sind nicht zu sehen. Mit dem Hinweis „da drüben steht die Polizei“, mache ich Tahmid darauf aufmerksam. „Ja genau, pack‘ weg Tahmid“, sagt Jamal daraufhin. Tahmid steht als einziger mit dem Rücken zum Polizeiwagen. Immer wieder holt er das Tütchen aus der Hosentasche, öffnet es, riecht hinein. Immer wieder sagen ihm die Jungs, dass er das lassen soll; sie fragen ihn, was das soll und ob er eigentlich „bekloppt“ sei. Dann geht Tahmid den Bürgersteig ein Stück auf und ab. „Was machst du denn da?!“, fragt Jamal entrüstet. Er wolle sein Auto umparken, weil er im Parkverbot stehe, antwortet Tahmid ruhig. „Ja, aber mach‘ das doch alles nicht so auffällig!“, sagen ihm die Jungs inzwischen mit deutlichem Nachdruck. Die Kommentare und Anweisungen seiner Freunde scheint Tahmid zu überhören. Schließlich entscheiden die Jungs wieder hineinzugehen und Tahmid ‚seinem Schicksal zu überlassen‘. Ich schließe mich ihnen an. Ebenso Tahmid.

Geht man von dem wahrscheinlichen Fall aus, dass Tahmids Handlungsziel nicht darin besteht, von der Polizei erwischt zu werden, lässt sich sein Tun als ein bewusstes Spiel mit Risiko und Verbot interpretieren: Die Beamt*innen sind nicht zu sehen; ihre Sicht auf Tahmids Treiben wäre ohnehin nicht frei. Das Risiko, mit dem „Gras“ erwischt zu werden, ist also kalkulierbar. Tahmid scheint hier eine für sich ‚risikoreich anmutende‘ Situation zu konstruieren. Diese Betrachtungsweise erinnert an den „action“-Begriff von Goffman (1971), den dieser u. a. zusammen mit dem Begriff der „Angstlust“ (Balint 1959) diskutiert. Demnach liegt hier eine konstruierte „Thrill-Situation“ (Goffman 1971: 215) vor, die wie folgt charakterisiert ist: „die objektive äußere Gefahr, welche Furcht auslöst, das freiwillige und absichtliche Sich-ihr-Aussetzen und die zuversichtliche Hoffnung, daß alles schließlich doch gut enden wird“ (Balint 1959: 20). Entsprechend erscheint das, was sich hier beobachten lässt, als eine

„Adaption von Themen und Stilmerkmalen […], die auf ein Dasein als ‚Gangsta‘ abzielen, ein ‚Nachspielen‘ medial vermittelter Images, das maximal auf kleinkriminelle Aktivitäten beschränkt ist – ohne den Aspekt der Gefährlichkeit im Sinne unkalkulierbarer Risiken, die mit ‚professionellen‘ kriminellen Karrieren in Gangs einhergehen, auch nur annähernd zu tangieren“ (Schröer 2012: 72 f.).

Damit ist Tahmids Spiel mit Risiko und Verbot ein Versuch, sich das „Gangster- und kriminell-sein-Ding“ zu eigen zu machen und sich so eine Aura des Gefährlichen und Verbotenen zuzulegen. Er agiert „Straße“- (und Genre-)treu und zeigt sich einer Sinnwelt zugehörig, die verlangt, „sich vor anderen zu profilieren und sozusagen ‚den Macker‘ zu machen“; einer Sinnwelt, in der es darum geht, sich „krass“ zu fühlen und das zum Ausdruck zu bringen. Die von Tahmid konstruierte Thrill-Situation ermöglicht es ihm, sich als Kleinkrimineller zu inszenieren, dabei mentale Stärke und Überlegenheit zu demonstrieren und so den anderen zu zeigen, dass er „der Alpha“ ist und sie „die Betas“ sind. In diesem Zusammenhang ist Tahmids Verhalten ein „bewusst gewähltes Mittel, um Achtung und Anerkennung unter Gleichaltrigen zu gewinnen“ (Meuser 2005: 309) und in diesem Zusammenhang zu beweisen, dass er das „Mindset“ verinnerlicht hat und den Themen der „Straße“ gewachsen ist.

Darüber hinaus deutet seine ausgesprochene Beharrlichkeit in der Situation darauf hin, dass er „den Macker“ und das „Macho-Ego-Prinzip“ insbesondere vor der anwesenden weiblichen Ethnographin zu markieren und auf diesem Weg (heterosexuelle) Männlichkeit darzustellen versucht.

Mit Meuser (2005) lässt sich vor diesem Hintergrund schlussfolgern, dass die von Tahmid kreierte Situation für ihn identitäts- und sozialisationsrelevant ist: Sie dient der „Einübung in den männlichen Geschlechtshabitus“ (ebd.: 310) und „erscheint in dieser Sichtweise als ein kompensatorischer Akt angesichts einer fragilen Geschlechtsidentität“ (ebd.: 315).[21] Tahmids Risikobereitschaft und Beharrlichkeit sind also ein „doing gender“, ein „Mittel der Aneignung und Darstellung von Männlichkeit“ (ebd.: 313, Herv.i.O.).

2.1.2 Spiel um/mit Macht, Provokation, Norm- und Tabubruch

Die Anziehungskraft einer Aura des Gefährlichen und Verbotenen lässt sich mit der Popularität krimineller Held*innen erklären, vor deren Hintergrund kriminelle Selbsterfahrungen als wertvoll und erstrebenswert gelten können: „Consider the mythos of the western gunslinger, the romanticized view of pirates, or the rise of the Robin Hood-esque folk hero. The criminal hero is a seductive figure, and, in truth, audiences get a rather scopophilic pleasure in watching people behave badly“ (James & Lane 2020: 1). Für solche kriminellen Held*innen typisch sei ein ‚schlechtes Benehmen‘ (vgl. ebd.). Ein entsprechendes Verhalten lässt sich auch im Feld finden, so etwa in der folgenden Szenenbeschreibung:

Die Jungs sind gerade um die Ecke zum Rauchen. Draußen vor dem Studio spielt eine Gruppe Kinder mit Pistolen. Diese sind nicht etwa bunt, wie für Kinderspielzeug üblich, sondern schwarz mit metallenen Applikationen und sehen dadurch ziemlich echt aus. In heroischen Körperposen halten die älteren (Jungen) den Jüngeren die Pistolen an die Schläfen und drücken ab – immer und immer wieder. Ich finde das höchst irritierend und kann kaum hinsehen. Für die Kinder scheint das vollkommen normal. „Voll blöd“ sei nur, dass sie keine Munition hätten, heißt es.

Die Jungs kehren vom Rauchen zurück. Ich lasse sie augenzwinkernd wissen, dass sie die ‚echten Gangster‘ gerade verpasst haben. Ich bin an ihrer Sicht auf die beobachtete Szene interessiert und berichte. Dabei teile ich meine Irritation über das ‚Pistole-an-die-Schläfe-halten in machtvoller Pose‘ mit ihnen und füge hinzu, dass das auf mich sehr aggressiv gewirkt habe – vor allem, weil „die Dinger schwarz waren und so echt aussahen“. Dabei drücke ich mich offenbar sehr ungünstig aus, woraufhin die Jungs anfangen, mich aufzuziehen: Ja, es seien immer die Schwarzen. Die seien besonders aggressive Gangster, kommentiert Kadeem. Alle lachen. Es dauert einen Moment bis es bei mir klickt. „Oh Gott! Nein!“ – ich erschrecke und versuche umgehend, mich zu erklären: „Nein, ich meine die Pistolen. Die waren nicht bunt wie Spielzeug, sondern schwarz, wie echte und haben deshalb aggressiv gewirkt“. „Ja, ja. Schon klar“, lauten die Reaktionen. Ich insistiere und versuche mich zu verteidigen: „Kadeem, ich würde sowas nie sagen!“. Ich fühle mich plötzlich ganz schlecht. Das sei schon okay – auch sie würden Schwarze hassen, sagt Kadeem beschwichtigend. Und nicht nur die, sondern alle. Dies setzt einen regen Austausch in Gang zu wirklich fiesen und menschverachtenden Witzen über „Schwarze“, „Araber“, „Türken“, „Juden“ und „Frauen“. Die Witze greifen z. T. auf Stereotypen und Klischees zurück oder sind einfach nur entwürdigend: Schwarze „stinken“ und werden als „Dreckschleudern“ und „Plantagenarbeiter“ bezeichnet; über Juden werden Langfinger- und „Gaskammer“-Witze gemacht; „Türken“ sind scharf auf die deutsche Staatsbürgerschaft; Frauen werden auf die häusliche Sphäre reduziert oder dorthin verwiesen. Solche Witze zu machen, wie ich schlussfolgere, ist für die Jungs offenbar völlig normal – solange eben alle ihr Fett weg bekommen. (Später wird sich Kadeem bei mir rückversichern, dass ich das Ganze auch als den Spaß aufgefasst habe, als der er gemeint war.)

Mit der Wiedergabe der Beobachtung der spielenden Kinder soll evoziert werden, wie die Jungs über die Darstellung von Gewalt denken. Darauf aber lassen sie sich nicht ein, sondern drehen den Spieß um und testen stattdessen aus, wie ich auf Zuschreibungen reagiere und mich zu Rassismus und Diskriminierung verhalte. Dabei werde ich von ihnen als Stellvertreterin einer bürgerlichen Mittelschicht mit Vorurteilen und stereotypen Denkmustern adressiert.[22] Im dafür gewählten Modus des Witzes wird ein Versuch der „Herabsetzung und Verneinung“ (Bourdieu 1997: 187) verschleiert: Dass ich mich auf ihr Spiel nicht einlasse, sondern die Jungs ernst nehme und mich gegen ihren zum Schein erhobenen Rassismus-Verdacht zu verteidigen versuche, scheint für sie bedeutungslos; sie erklären den gemeinten Sinn meiner Äußerung (die Dinger waren schwarz) für nichtig und dichten mir einen vollkommen anderen Aussagegehalt an (es sind immer die Schwarzen). Dabei handelt es sich um eine Realisierung männlicher Herrschaft – ein ernstes Spiel um Macht und männliche Überlegenheit, dass mich provozieren, lächerlich machen, verunsichern und vermutlich stumm stellen soll, um den Jungs den nötigen Raum für ihr Spiel mit Norm- und Tabubruch in Form von Witzen über gesellschaftlich marginalisierte Gruppen zu sichern (vgl. ebd.: 203).[23]

Die von mir als fies und menschenverachtend wahrgenommenen Witze scheinen als situationsbezogener, gruppeneigener Humor zu fungieren, der „durch den bewussten Einsatz tabubesetzter Ausdrücke Funktionen der Vergemeinschaftung“ (Könning 2020: 336) erfüllt. Im Kampf um Aufmerksamkeit und Respekt kommen rituelle Beleidigungen übrigens auch als wichtige Stilmittel in der Rap-Praxis zum Einsatz (vgl. Kautny 2008: 145; dazu ausführlicher: 2.2.2). Dort wie hier werden Beleidigungen „nicht ausgetauscht, weil man den anderen nicht mag, sondern weil sie zum szenischen Inventar der Gruppenperformanz gehören und weil es Spaß macht“ (Meuser 2008: 5174).

Der Aneinanderreihung der verschiedenen Witze kommt hier eine besondere Bedeutung zu: Sie gleicht einem „Topping-Prinzip“, bei dem es gilt, sich „in Originalität und Witz zu übertreffen“ (Könning 2020: 338). Hierdurch erhält die Situation einen für ernste Spiele unter Männern typischen Wettbewerbscharakter, der auf die „libido dominandi“ zurückzuführen ist – den „Wunsch, die anderen Männer zu dominieren, und sekundär, als Instrument des symbolischen Kampfes, die Frauen“ (Bourdieu 1997: 203; 215). Auch dieses unterhaltsame, kompetitive Spiel mit Norm- und Tabubruch ist identitäts- und sozialisationsrelevant: es dient der gegenseitigen „Anerkennung als Mann“ (Meuser 2005: 318) und fungiert als „Mittel männlicher Vergemeinschaftung“ (Mesuer 2008: 5172).

Vor dem Hintergrund dieses ersten Abschnitts lässt sich Folgendes festhalten: Gangsta- bzw. Straßenrap-Produktionen liegt eine spezifische Sinnwelt zugrunde, deren Kern ein „Mindset“ bildet, das von eigen(sinnig)en Themen, Bedeutungen und Regeln geprägt ist und wiederum eigensinnige Betrachtungs- und Verhaltensweisen hervorbringt, die als legitim erachtet werden. Dazu gehören Risikoverhalten, Provokationen, Norm- und Tabubrüche, (heterosexuelle) Männlichkeitsdarstellungen und Machtdemonstrationen. Diese Praktiken und Verhaltensweisen weichen von allgemeingültigen Werten und Normen im Außen ab und erzeugen dort Irritationen. Innerhalb der Sinnwelt sind sie durch vielfältige (un)bewusste Bedürfnisse und Ziele motiviert: Mit ihren Verhaltensweisen fühlen sich die Beteiligten vergnügt und unterhalten und erleben Zu(sammen)gehörigkeit. Im Rahmen ihrer Spiele üben sie den männlichen Geschlechtshabitus ein und generieren für sich Achtung und Anerkennung als Männer. In diesem Zusammenhang können sie einander unter Beweis stellen, dass sie das „Mindset“ verinnerlicht haben und zeigen, dass sie den Themen der „Straße“ gewachsen sind. Auf diesem Weg können sie für sich identitäts- und alltagsrelevante Gefühls- und Verhaltenssicherheiten generieren.

2.2 Das „Rap Game“: Wissensbestände aus der Rap-Praxis und dem Rap-Business

Neben dem „Mindset“ sind für die Auseinandersetzung mit Gangsta- bzw. Straßenrap vielfältige weitere Wissensbestände wichtig, und zwar solche, die aus der Rap-Praxis und dem Rap-Business stammen. Auch diese Wissensbestände gehen mit eigensinnigen Betrachtungs- und Verhaltensweisen einher, die sich wiederum ebenfalls an dem beschriebenen „Mindset“ orientieren. Dazu zählen das Spiel um/mit Ruhm, Geld und Status (2.2.1), das Spiel mit den Mitteln der Sprache und Kommunikation (2.2.2) sowie das Spiel mit Prinzipien und Strategien (2.2.3).

2.2.1 Spiel um/mit Ruhm, Geld und Status

Wie Hoffmann (2018: 546) erläutert, generieren sich „das Interesse an Musik und die Intention, sich damit intensiv auseinanderzusetzen“, aus bestimmten „Entwicklungsbedürfnissen“, denen es nachzugehen und die es zu befriedigen gilt. Im Rahmen einer „musikalischen Selbstsozialisation“ würden junge Menschen deshalb „versuchen, Mitglied einer selbstgewählten Kultur, eines Milieus und/oder einer Szene zu werden. Sie eignen sich eine gewählte Symbolwelt an und übernehmen einen besonderen Lebensstil“. In diesem Zusammenhang erwerben sie Wissen und Kompetenzen, aus denen sich implizite Lernziele bzw. Bedürfnisse ergeben, die sie im Rahmen ihrer Auseinandersetzung mit Musik bearbeiten können. Welchen Entwicklungsbedürfnissen die Gruppe mit ihrem Engagement im „Rap Game“ nachgeht, wird im Folgenden näher ausgeführt.

Interesse, Freude und Vergnügen, Kreativität und künstlerischer (Selbst-)Ausdruck bilden wichtige Ausgangspunkte der musikalischen Bemühungen der Insider: Mit der Herstellung eigener Rapmusik gehen die Jungs vor allem einer Spaß-bringenden Freizeitbeschäftigung nach, wie sie sagen. Es gehe ihnen darum, Bilder in den Köpfen der Leute zu erzeugen und darum, den eigenen Fortschritt zu dokumentieren, wie Jamal erläutert. Dies lässt sich als Bedürfnis nach kreativem Selbstausdruck interpretieren. Darüber hinaus erweisen sich die Rap-Eigenproduktionen als Möglichkeit der Verarbeitung von Erfahrungen: So erklären mir die Jungs: das, worüber sie schreiben und rappen, würden sie jeden Tag sehen – auf der Straße, zwischen den Büschen in Parks, an allen möglichen Straßenecken. Dabei verweisen sie auf Orte in der unmittelbaren Umgebung und ergänzen, dass sich viele der Szenen von denen sie in ihren Raptexten erzählen, auf dem Schulweg abgespielt hätten.[24] Darüber hinaus ermöglichen die Rap-Eigenproduktionen eine Akquisition symbolischen Kapitals (Bourdieu 1983) in Form von Respekt und Anerkennung durch inzwischen zahlreiche Freund*innen und Bekannte, die das (Musik-bezogene) Treiben der Jungs auf den Social Media-Plattformen verfolgen, liken und positiv kommentieren. Auch aufgrund dessen werden die eigenen Rap-Aktivitäten als potenziell geeignet betrachtet, damit ggf. wirklich einmal (viel) Geld verdienen zu können.

Darüber hinaus liegt der Motivation zur Herstellung eigener sogenannter „Rap-Tracks“ eine große Begeisterung für populäre Gangsta-Rapper(*innen) und deren Erfolgsgeschichten zugrunde. Für die hier vorgestellten Insider sind Rapper*innen aus Deutschland, den USA, Großbritannien, Frankreich und Spanien bedeutsam, von denen viele für harte Texte und zum Teil einschlägige Gewalt- und Drogenbiografien stehen.[25]Auf diese Rapper*innen bezogen erklärt mir Manuel Folgendes: „[…] das sind einfach Jungs von der Straße, die keinen Schulabschluss haben, die keine große Perspektive haben. […] Aber DIE haben’s geschafft, TROTZ ohne Schulabschluss was zu erreichen. […] Und das ist der Grund, warum man sich so mit denen identifiziert“. Interessanterweise identifizieren sich die Jungs mit Bildungsferne und Perspektivlosigkeit, weisen jedoch selbst keineswegs einen benachteiligten Hintergrund auf – anders als etwa Wegeners (2007b) Interviewpartner*innen[26]. Wie sich auf Nachfrage herausstellt, begreifen sie sich selbst auch nicht als chancenlos oder Verlierer. Vielmehr wollen die Jungs sich nur eben einfach nicht mit einem normalen Leben zufriedengeben, sondern streben nach einem „Mehr“, wie Manuel erklärt: „Wir wollen alle MEHR als wir haben. Und diesen KOPF haben wir auch auf der Straße gelernt zu bekommen. Weil bei, bei MANchen is’ auch zum Beispiel so, die sagen, okay, ich mach’ mein Abi, danach mach’ ich mein Studium, danach zieh’ ich in mein Einfamilienhaus mit meinen Kindern, krieg’ meine Drei-, Vier netto im Monat und is’ völlig ausreichend, und die sind zufrieden damit. Aber bei uns so, wir sind nich’ – wir wollen MEHR. Das haben wir so auf der Straße gelernt so“. Das, was diese populären Rapper ihnen zeigen würden, sei „das KRANkeste Leben aller Zeiten“, findet Kadeem und fügt hinzu: „Die leben schnell, die haben Geld, Autos, Weiber, alles. Wer würde sich da nicht denken, ‚ich will das auch‘? […] der eine hat Label-Vertrag bekommen, Hundertfünfzigtausend Euro Vorschuss […] direkt hat sich Auto gekauft […] alle wollen mit ihm schlafen und so. Jeder schreibt ihn auf Instagram an. […] Er geht Splash-Auftritt[27] […]. Das ist einfach geil! […] WER würde das nicht gerne machen wollen?“.

Und so thematisieren die Rap-Eigenproduktionen der Insider einen begehrenswerten Lifestyle, der diese/ihre Bedürfnislagen widerspiegelt: Ein Beispiel hierfür ist Jamal, der seinen Wunsch nach Status und materiellem Wohlstand berappt: „Ab heute geb‘ ich Deutschrap den Takt an […] Bald schlaf ich auf Hunderter Scheine[n]“. Ein weiteres Beispiel sind Textzeilen von Kadeem, die dessen Wunsch nach sexuellen Kontakten zum Ausdruck bringen: „Diese Party darf ich nicht verpassen / Freu mich auf die Scheiße schon seit Tagen / Lass uns los, ich will endlich starten / Jede Olle auf der Party kann mir einen blasen“.

Wie sich vor diesem Hintergrund festhalten lässt, stellen populäre Gangsta- bzw. Straßenrapper*innen bedeutsame Identifikationsschablonen dar, an denen sich die Jungs orientieren, deren Erfahrungen und Lebensentwürfe sie als erstrebenswert erachten und denen sie in eigenen Rap-Produktionen nacheifern wollen. Bei ihren Aktivitäten geht es darum, „sich auszutesten, um ein Bewusstsein von sich selbst und seiner Person im sozialen Raum zu bekommen“; es geht „um die Prüfung, den Vergleich, das Aushandeln, die Übernahme oder auch Ablehnung von sozialen Rollen auch in medialen Kontexten“ (Hoffmann 2008: 165). Motivierend scheint neben dem Spaß an der Sache vor allem die Aussicht auf Berühmtheit, Geld und Status sowie – damit einhergehend – die potenzielle Vervielfältigung sexueller Kontaktmöglichkeiten. Dabei handelt es sich um Wünsche nach finanzieller Absicherung, nach Aufmerksamkeit und Anerkennung sowie nach Intimität und sexuellen Erfahrungen – Bedürfnisse, die auf Unsicherheitsgefühle und Erfahrungshunger verweisen. Wie bereits für Tahmids Risikohandeln (2.1.1) geschlussfolgert, handelt es sich hierbei wahrscheinlich ebenfalls um Gefühle, die es angesichts einer fragilen (Geschlechts-)Identität zu kompensieren gilt (vgl. Meuser 2005: 315).

2.2.2 Spiel mit den Mitteln der Sprache und Kommunikation

Praktisch angewendet wird das „Mindset“ offenkundig auch im Rahmen der Rap-Praxis und zwar in Form eines spielerischen Umgangs mit den Mitteln der Sprache und Kommunikation. Zwei in Zusammenhang mit dem „Rap Game“ zentrale Sprachmittel sind das (a) Selbsterhöhen („Boasten“) und Beleidigen oder Herabwürdigen Anderer („Dissen“). Beispiele aus den Raptexten der Insider sind etwa solche Zeilen: „Wer sind die Kings hier, wer will die Batzen machen“ (Manuel); „Ab heute geb‘ ich Deutschrap den Takt an“; „Um mich herum alles Lügner und Heuchler“ (Jamal). Hierbei handelt es sich um kommunikative Modi mit denen sich Überlegenheit inszenieren lässt. Sie gehören

„zur genrespezifischen Wettkampfkultur, die sich nicht nur in konzertähnlichen Rap-Battles ausdrückt, sondern auch in Battle-Songs auf Alben, in langwierigen Fehden zwischen Rappern (beefs) sowie in als Wettkampf inszenierten, zeitgleichen CD-Veröffentlichungen mehrerer Rapper. Genährt wird dieses System des Battles von der Hoffnung der Konkurrenten, rezipiert, respektiert, verehrt und erinnert zu werden. In der Sprache der Szene sind es in erster Linie realness (Authentizität), aber auch skills (sprachliche und musikalische Fertigkeiten) und style (Originalität), die den Zugang zum Rap-Olymp rechtfertigen“ (Kautny 2008: 145).

Ein weiteres wichtiges Sprachmittel stellt das (b) Übertreiben dar. Es kommt in der Annahme zum Einsatz, das Publikum erwarte starke Überzeichnungen, wie Jamal mir erklärt: „Alles ist immer so überTRIEben dargestellt. Weil das wollen die Leute am Ende des Tages so. Das ist Entertainment“. In diesem Zusammenhang erklärt mir Jamal exemplarisch: „Zum Beispiel, Freunde von mir sind auf einer Home[party] gewesen, und da sind ein, zwei Sachen mitgegangen. Und danach haben die die Beute mitgenommen und sind dann zu mir, haben alles abgelassen. Jetzt könnte man diese Geschichte nehmen und das dramatisieren: Ich könnte sagen ich bin da mit 30 Shababs reingeRANNT, wir haben die Wohnung auseinandergenommen. Haben jetzt äh 20 Laptops, 30 i-Phones und äh 20.000 Euro Bargeld rausgeholt. Schmuggelwert von 50.000 Euro. Und sind dann, Polizeiflucht, über [Z-Allee] mit äh allem Möglichen drum und dran. So könnte man es dann immer ausschmücken“, erklärt Jamal. Hier wird deutlich, dass Gangsta- bzw. Straßenrap-Texte keine (auto)biographischen Selbsterzählungen enthalten (müssen), sondern sich unter anderem auf Ereignisse beziehen (können), die sich auf eine andere als die (ausgeschmückt, übertrieben, dramatisiert) geschilderte Weise abgespielt haben können und an denen die Rappenden selbst gar nicht notwendigerweise partizipiert haben müssen.[28] Darüber hinaus gehen Übertreibungen mit den im „Mindset“ nahelegten Überlegenheitsdarstellungen einher, mit denen man sich als „Alpha“ von den „Betas“ abgrenzen und deren Anerkennung und Respekt ernten kann.

Ein spätestens seit der ECHO-Debatte sehr bekanntes Sprachmittel ist die (c) Grenzüberschreitung. Als ich in einem unserer Gespräche die Rolle einer Außenstehenden einnehme und die im Rahmen der Debatte kritisierte Zeile – „Mein Körper definierter als der von Ausschwitzinsassen“ – thematisiere, können die Jungs die öffentliche Aufregung nicht nachvollziehen: „Hä? Is’ doch okay“, findet Liam und auch Jamal hält die Zeile für „vollkommen legitim“. Antisemitisch sei sie ihrer Ansicht nach nicht, wobei Manuel einräumt: „Also is’ schon vielleicht grenzüberschreitend, aber im Endeffekt is’ es ’n Vergleich. Für Tahmid ist sie „schwarzer Humor“, und Anton erachtet sie als „einfach so eine krasse Anspielung vielleicht“; seiner Meinung nach falle das unter „künstlerische Freiheit“. Zudem ist Anton der Auffassung: „Solange du jetzt nicht in der Öffentlichkeit voll so dagegen schießt und so, find’ ich äh is’ das voll legitim, wenn es so in einem Song bleibt“. Auch hier bestätigt sich die Existenz eines eigensinnigen Bedeutungs- und Relevanzsystems, in dessen Rahmen Betrachtungs- und Verhaltensweisen als legitim gelten, die von gültigen Normen und Werten außerhalb des Sinnwelt-geprägten „Rap-Games“ abweichen. Folgt man vor allem den Aussagen von Manuel und Anton, dann ist den Insidern bewusst, dass antisemitische Textzeilen bzw. Holocaustrelativierungen im Außen, also „in der Öffentlichkeit“, eine illegitime Grenzüberschreitung darstellen. Die Beteiligten, so lässt sich schlussfolgern, erkennen die Gültigkeit sozialer Normen und Regeln der Außenwelt an; gegen sie zu verstoßen ist scheinbar nur dann legitim, wenn dies innerhalb des Spiels als Stilmittel – im Fall der öffentlich kritisierten Zeile als Vergleich mit humoristischem Potenzial[29] – erfolgt.[30]

Die Eigenproduktionen der Insider enthalten zudem vielfältige, für Gangsta-Rap typische, d) Bezugnahmen auf Kriminalität, Drogen- und Gewaltthematiken. Dabei benennen die Jungs konkret sowohl einschlägige Handlungen/Praktiken (z. B. Ware „abpacken“; „ticken“/„dealen“; „Kiefer klatschen“), als auch relevante Dinge/Artefakte (z. B. „Abiad“/„Tash“/„Flex“/„Koks“; „Ahtar“/„Haze“/„Cali“/„Gras“; „Messer“, „(Schreckschuss-)Waffen“, „Pumpguns“) relevante Orte (z. B. Ware „hinter Radkappen“ verstecken) sowie relevante Personen („Dealer“/„Ticker“; „Amcas“ für Polizei). Die Bezugnahmen erfolgen in Form von Selbstdarstellungen als gewaltbereite Person, als Drogenkonsument und -händler oder als jemand, der durch Bekannt- und Freundschaften in kriminelle Kreise involviert ist; dies etwa mittels Selbstverweisen („Meine Ware beste Qualität / Pures Weiß pure Rarität“) und Selbstpositionierungen („Zwischen Bänkern und Tickern, die abpacken“), sowie mittels Gewaltartikulationen („Stürme dein[en] Bunker mit Pumpgun […] Ein falsches Wort, ich schick dich schlafen wie Sandmann“). Darüber hinaus lassen sich vielfältige Andeutungen finden – beispielsweise in Form lautmalerischer Verweise auf Schusswaffengebrauch („Pau-Pau“ oder „Klick-Klick-Bang[31]). Weitere Andeutungen finden sich visuell und nonverbal, etwa in einem von Jamals Rapvideos, das ihn mit einer schwarzen taktischen Weste zeigt und umringt von einem imposanten, ausschließlich männlichen Personenrepertoire, das Assoziationen mit Mannschaftsaufstellungen im Militär hervorruft und so auf Kampf- oder Gewaltbereitschaft verweist. Ergänzend dazu lässt sich auf einen von Manuels Rapvideo-Posts auf Instagram verweisen. Dieser Post zeigt eine Aneinanderreihung von Bildinhalten mit unterschiedlichen Bezugnahmen auf das kriminelle und Drogenmilieu: Eine kleine blaue Dose mit Pillen und ein Springmesser, das zum Schneiden einer Melone eingesetzt wird, bilden Verweise auf Drogen- und Gewaltthematiken. Parallel zu den Bildinhalten wird ein Chatverlauf eingeblendet, der die Bestellung einer kleineren Menge Marihuana dokumentiert. […] Der Kamerablick richtet sich auf den dunklen Innenraum eines Fahrzeugs an dessen Steuer ein junger Mann mit Vollbart und Basecap sitzt. Er hält einen Packen 100-Euro-Scheine in der Hand und beginnt, das Geld Schein für Schein lässig aus dem Handgelenk in Richtung Kamera zu werfen, die er mit strenger Miene fixiert. […] Ein Polizeiwagen nähert sich. Schnitt. Ein Zusammenhang zu einem möglichen Rechtsverstoß einzelner Beteiligter oder der Gruppe wird hier scheinbar angedeutet, aber nicht expliziert (dazu ausführlicher: Bock 2023). Sich im Rahmen eigener Rap-Produktionen mit derartigen Themen auseinanderzusetzen, ermöglicht es den Insidern eindeutige Assoziationen mit der „Straße“ hervorzurufen, damit Kennerschaft und Zugehörigkeit zur Sinnwelt zu demonstrieren und sich „als selbstbewusst, eigenständig, ja unverwundbar zu präsentieren“ (Wegener 2007b: 57). Gleichzeitig fungieren insbesondere vage Andeutungen und Verweise als persönliche Absicherungen, indem sie die Aufrechterhaltung einer gewissen Distanz zu gesellschaftlich negativ bewerteten und rechtlich sanktionierten Sachverhalten wie Gewaltstraftaten und Kriminalität ermöglichen. Dass die Insider von Vagheit als einem Stilmittel Gebrauch machen, deutet darauf hin, dass Regeln und Normen der Außenwelt auch innerhalb der Sinnwelt Relevanz besitzen.

2.2.3 Spiel mit Strategien und Prinzipien

Wie Liam erklärt, geht es im Rap-Business um möglichst große Beliebtheit und Reichweite, die es über Likes, Follower-, Streaming- und Downloadzahlen auf Plattformen wie YouTube, Spotify, Apple Music und Instagram zu generieren gilt. Dabei gehe man als Rapper*in systematisch vor, wie Liam weiter erklärt: Man fange mit dem Rappen über die „Straße“ an und erweitere dann seine Zielgruppe. Dabei gelte es sowohl diejenigen weiterhin bei Laune zu halten, die von Anfang an Fans des „Straßen-Dings“ waren, als auch neue Zielgruppen zu gewinnen. Und für die Neuen dürfe es eben „nicht so krass“ sein. Hier und da mal ’ne schwierige „Line“ (=Textzeile) gehe durch, werde überhört, aber nur bis zu einem gewissen Grad. Auch mal was zum Thema Liebe zu machen sei gut, denn Liebessongs seien für alle anschlussfähig – auch für Eltern und so. Liams Ausführungen machen deutlich, dass die Beteiligten strategisch vorgehen, um ihre Ziele im „Rap Game“ zu erreichen.

Um der Erfolgsgeschichte und dem Image populärer Gangsta-Rapper*innen in den eigenen Rap-Produktionen nachzueifern, „haut man halt auf die Kacke. Dann holt man sich mal Koks-Packets und packt die ins [eigene] Video rein“, erklärt Kadeem; schließlich gehe es darum, sich „krass“ zu fühlen und das zum Ausdruck bringen. Jamal ergänzt: „Rap ist ein Haifischbecken. Du musst der KRASseste sein, du musst der Größte sein, du musst mit den dicksten Eiern sein […] um dahin zu kommen, wo du möchtest“. Als Teil des „Mindsets“ kommen hier Prinzipien der „Straße“ zur Sprache, die auch für das „Rap-Game“ gelten: Es gilt das „Macho-Ego-Prinzip“, das verlangt, „sich vor anderen zu profilieren“ und zu zeigen, wer „der Alpha“ ist. Es gilt zu beweisen, dass man dem „Rap Game“ gewachsen und imstande ist, dies zu verkörpern. Und dafür gilt es die Achtung und Anerkennung, insbesondere von signifikanten anderen männlichen Mitspielenden, zu erlangen.

Interessanterweise stellt Kadeem nach etwa einem Jahr ethnographischer Begleitung plötzlich Folgendes fest: „[…] wir kommen jetzt in die Phase, wo wir uns denken, macht alles, macht alles gar keinen Sinn mehr“. Zu meiner Überraschung pflichtet ihm Manuel bei: „Scheiß auf Straße! […] ich will eigentlich von dieser Straße wegkommen. Weil […] ich hab‘ äh gelernt: Wenn du Straßenrap machen willst, musst du der größte MotherFUCKer [i.S.v. gemeines Arschloch] sein. Und der größte Motherfucker WILL ich gar nicht sein, weil da musst du entweder jemandem wehtun, wozu ich gar nich‘ in der Lage wär, oder ich, ich würd selber gefickt[32] werden. Deswegen probier‘ ich jetzt diesen STRAßenkopf, den ich habe – und ich hab‘ auch einen guten Ruf auf der Straße und jeder akzeptiert mich – probier‘ ich mitzunehmen und […] damit in eine andere Richtung zu gehen und über interessantere, schönere Themen zu rappen“. Wie sich hier zeigt, verändern sich Manuels Ansichten und Motive im Laufe der Zeit. Der Regel, sich als den größten „Motherfucker“ geben und damit das Maß aller Dinge in heterosexuell-männlichen Überlegenheitsdarstellungen und Statusbekundungen zu sehen, will Manuel nicht länger folgen. Stattdessen möchte er das auf der „Straße“ erworbene Ansehen dafür nutzen, sein Engagement im „Rap Game“ inhaltlich anders auszurichten. Manuel bringt hier ein Bedürfnis nach Auseinandersetzung mit anders- und neuartigen Them(atisierung)en zum Ausdruck, was auf eine musikalische Reifung schließen lässt (vgl. Hoffmann 2018). Dabei scheint es, als stelle er den Sinn und Wert der Prinzipien des „Rap Games“ plötzlich infrage. Tatsächlich folgt er damit jedoch nichts anderem als der Systematik, die von Liam zuvor beschrieben wurde: Man fängt mit dem Rappen über die „Straße“ an und erweitert dann seine Zielgruppe, indem man (auch) über andere Themen rappt. Manuels inhaltliche Neuausrichtung ist also nicht als Abkehr vom Spiel zu verstehen, sondern sie bezieht sich auf eine Strategie, von der die Insider annehmen, sie führe zu Erfolg im „Rap Game“ und damit zu Ruhm, Geld und Status.

Wie die Ausführungen dieses zweiten Abschnitts zeigen, geht es auf der „Straße“ wie im „Rap Game“ darum, das „Macho-Ego-Prinzip“ zu verkörpern. Hierbei gilt es zu übertreiben, sich selbst zu erhöhen, Andere zu beleidigen und herabzuwürdigen, um damit die eigene männliche Überlegenheit zu inszenieren. Auch diese Betrachtungs- und Verhaltensweisen sind von starkem Eigensinn geprägt, deren Verwendung mit den jeweils gegebenen Situationen, Kontexten und Motiven variiert, und die durch vielfältige Bedürfnisse und Ziele motiviert sein können. So verweisen sie auf wichtige Entwicklungsbedürfnisse, die im Rahmen der Auseinandersetzung mit Gangsta-Rap bearbeitet werden. Zudem dienen sie der Darstellung bedeutsamer Wissensbestände, mit denen Kennerschaft der Sinnwelt und vor allem Zugehörigkeit zum Ausdruck kommt. Mit ihren Verhaltensweisen verfolgen die Insider Strategien, mit denen sie glauben, Ruhm, Geld und Status erlangen zu können. Dabei geht es ihnen um Aufmerksamkeit und Anerkennung, die sich sowohl finanziell als auch in vielfältigen sexuellen Kontakten niederschlagen sollen.

3 Zusammenfassung und Fazit

Der vorliegende Beitrag vertrat die These von Gangsta-Rap als einem sozialen Spiel, dem eine spezifische Sinnwelt zugrunde liegt, die eigen(sinnig)e Wissensbestände, Bedeutungen, Regeln und Verhaltensweisen hervorbringt und damit (un)bewusst (Außen-)Wirkungen erzielt, die von den Spielenden teilweise selbst nicht überblickt werden. Im Folgenden werden die Ausarbeitungen dieser These zusammengefasst, reflektiert und auf Wittgensteins Sprachspiele- und Bourdieus illusio-Konzept rückbezogen.

Gangsta-Rap als einem sozialen Spiel, so lässt sich zusammenfassen, liegt eine spezifische Sinnwelt zugrunde, die sich über die Kategorie „Straße“ aufspannt und ein „Mindset“ mit eigen(sinnig)en Themen, Bedeutungen und Regeln bildet, die eigen(sinnig)e Verhaltensweisen nahelegen. Diesem „Mindset“ müssen die beteiligten Akteur*innen gewachsen und imstande sein, es glaubhaft zu verkörpern. Hierbei gilt das „Macho-Ego-Prinzip“, wonach man „sich vor anderen zu profilieren“ und „der größte MotherFUCKer“ zu sein hat, will man nicht „selber gefickt“ werden, als schwach gelten und damit Status und Gesicht (nicht nur auf der „Straße“) verlieren. Neben diesem Status- und Profilierungsdenken ist die Sinnwelt außerdem geprägt von Kriminalitäts-, Drogen- und Gewaltthematiken sowie dem Streben nach Ruhm und Geld. Mit einem solchen „Mindset“ werden Verhaltensweisen hervorgebracht, die als wertvoll, erstrebenswert und legitim gelten. Dazu gehören kriminelle Selbsterfahrungen im Rahmen eines Spiels mit Risiko und Verbot sowie Norm-, Tabubrüche und Grenzüberschreitungen, zudem männliche Überlegenheitsdemonstrationen in Zusammenhang mit Selbstverortungen im Drogen- und kriminellen Milieu, mit Gewaltartikulationen, mit Selbsterhöhungen und Übertreibungen sowie mit dem Provozieren, Verunsichern, Beleidigen und Herabwürdigen Anderer. Solche Verhaltensweisen dienen der Demonstration von Kennerschaft, dem Zeitvertreib, der Unterhaltung und Vergemeinschaftung, der Be- und Verarbeitung von Alltagserfahrungen, dem Generieren von Anerkennung und Aufmerksamkeit sowohl durch signifikante andere (männliche) Insider als auch durch potenzielle Geschlechtskontakte, dem Wettbewerb, der Demonstration von mentaler Stärke und damit der Einübung in den männlichen Geschlechtshabitus. Diese Verhaltensweisen deuten auf eine Vielfalt sozialer Bedürfnisse, auf Gefühls- und Verhaltensunsicherheiten sowie auf fragile (Geschlechts-)Identitäten hin.

Vor diesem Hintergrund lassen sich Lesarten, nach denen Gangsta-Rapper*innen und deren Anhänger*innenschaft typische Entwicklungsaufgaben bearbeiten und sich nach sozialem und ökonomischem Aufstieg sehnen, grundsätzlich bestätigen – allerdings mit einigen wichtigen Modifikationen: Die im Rahmen des rezeptiven und produktiven Umgangs mit Gangsta-Rap bearbeiteten sozialen und identitätsrelevanten Bedürfnisse sind vielfältig; sie betreffen Freundschaft und Gruppenzugehörigkeit, zudem Wertschätzung, Sicherheitsgefühl, Kommunikation/Austausch sowie Erfahrungen im Rahmen sexueller Intimität. Affinitäten für Gangsta-Rap müssen nicht notwendigerweise mit sozialer Benachteiligung im Rahmen einer „von Mangel, Hoffnungslosigkeit und Abwertung“ (Wegener 2007a: 78) geprägten Lebenswelt zusammenhängen. Zuweilen sind musikalische Vorlieben für Gangsta-Rap schlicht Ausdruck der Suche und des Strebens nach einem „Mehr“, einem Erlebnis- und Erfahrungshunger, der mit Geld und Status(symbolen) zu stillen geglaubt wird. Zudem muss betont werden, dass Gangsta-Rap aus der Sinnwelt-Perspektive vor allem Spaß macht, witzig und unterhaltsam ist.[33]

Folgt man Wittgensteins (1971) Sprachspiele-Konzept, dann bewegen sich die hier vorgestellten Insider in einer von eigen(sinnig)er Sprache, eigen(sinnig)en Kommunikations- und Handlungsweisen, Bedeutungen und Regeln geprägten Lebenswelt, die kalkuliert und bewusst von einem Norm-gebenden Außen abweicht. Mit ihren Abweichungen, Regel- und Tabubrüchen scheinen die Insider jedoch nicht primär das Ziel zu verfolgen, Werte und Normen im Außen zu kritisieren, Grenzen (etwa des Sag- und Darstellbaren) auszutesten, um damit gesellschaftlichen Aufschrei zu erzeugen und medienöffentliche Skandale auszulösen. Vielmehr dient ihr distinktives, eigenwilliges Verhalten der Bearbeitung und Befriedigung wichtiger Entwicklungsbedürfnisse und orientiert sich deshalb vor allem am jeweils eigenen Selbst sowie an signifikanten anderen Mitgliedern der Sinnwelt. Das heißt jedoch nicht, dass die Außenwelt für die Insider nicht von Bedeutung ist – im Gegenteil:

Wie die Ausführungen zum Spiel um/mit Ruhm, Geld und Status (2.2.1) zeigen, richten sich die Insider mit ihren künstlerischen Bemühungen an den Präferenzen und Regeln der Außenwelt aus (nicht nur Texte über Themen der „Straße“ machen, sondern auch über „Liebe“ rappen müssen, um erfolgreich zu sein), von der sie sich breite öffentliche Aufmerksamkeit und kommerziellen Erfolg versprechen. Wie darüber hinaus die Ausführungen zum Spiel mit sprachlichen und kommunikativen Mitteln (2.2.2) zeigen, erachten die Insider Grenzüberschreitungen nur dann als in Ordnung, wenn sie innerhalb des „Rap Games“ erfolgen. Zudem bedienen sie sich Stilmitteln, die es ihnen ermöglichen, sich von Sachverhalten zu distanzieren, die außerhalb der Sinnwelt geächtet und sanktioniert werden. Ihre Bemühungen um Popularität und kommerziellen Erfolg zwingen die Insider also indirekt dazu, die Präferenzen, Normen und Regeln der Außenwelt zu beachten und ihre Aktivitäten daran anzupassen. Auf diesem Weg unterwerfen sich die Insider den kapitalistischen Prinzipien der Musikindustrie und werden zudem unbewusst in den gesellschaftlichen Werte- und Normdiskurs eingebunden. Insofern erweisen sich die im „Rap Game“ engagierten Spieler als „Gefangene und auf versteckte Weise Opfer“ einer „herrschenden“ sozialen und kapitalistischen Ordnung, deren „Gedanken und Handlungen“ sie unbewusst anerkennen, übernehmen und somit bestätigen (Bourdieu 1997: 187; Bourdieu 2005: 63–71). Mit ihrem „Mindset“ und den damit verwobenen Verhaltensweisen sind die Insider somit indirekt an der Reproduktion und Stabilisierung kapitalistischer Marktlogiken und gesellschaftlicher Werte und Normen beteiligt – Letzteres gilt insbesondere in Bezug auf überkommene, traditionale Geschlechternormen.

Gangsta-Rapper*innen und ihre Anhänger*innenschaft bewegen sich in einer spezifischen Sinnwelt. Diese Welt ist von Handlungsweisen geprägt, die durch vielfältige, zugleich bewusste und unbewusste Bedürfnisse und Ziele motiviert sind. In diesem Zusammenhang kommt es zu starken, gleichzeitig bewussten und unbewussten Abweichungen von allgemeingültigen Werten und Normen, und es werden Effekte entfaltet, derer sich die Spielenden aufgrund verborgener Machtmechanismen teilweise selbst nicht gewahr sind. Damit lässt sich die These von Gangsta-Rap als einem sozialen Spiel, das (un)bewusst (Außen-)Wirkungen erzielt, die von den Spielenden teilweise selbst nicht überblickt werden, bestätigen.

Über den Autor / die Autorin

Katharina Bock

Dr.in Katharina Bock, geb. 1982, Studium der Linguistik und Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Promotion 2017 an der Universität Hildesheim mit einer ethnographischen Untersuchung der Skateboardszene. Zuletzt wissenschaftliche Mitarbeiterin am SFB 1472 „Transformationen den Populären“ an der Universität Siegen.

Arbeitsschwerpunkte und Forschungsinteressen: Kultur-, Wissens- und Kommunikationssoziologie, Ethnographie und Ethnographisches Schreiben, Sozio-Materialität.

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Kontakt via Researchgate: https://www.researchgate.net/profile/Katharina-Bock

Danksagung

Für ihre inspirierenden wie konstruktiven Anmerkungen und Überarbeitungsvorschläge danke ich Michael Corsten sowie den Herausgebenden und anonymen Gutachtenden dieser Zeitschrift.

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Online erschienen: 2024-08-22
Erschienen im Druck: 2024-08-30

© 2024 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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