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Deutungsmodelle von Arbeit im Spiegel kolonialer und geschlechtlicher Dimensionen:

Kategorisierungsprozesse von „Zwangsarbeit“ während der Zwischenkriegszeit
  • Theresa Wobbe

    Theresa Wobbe, Prof. em., Historikerin und Soziologin, geb. 1952 in Borken/Westf. Promotion und Habilitation in Soziologie Freie Universität Berlin. DAAD Prof. Duke University/NC, 1996. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, 1998–2000. Professorin für Soziologie und Geschlechtersoziologie Universität Erfurt, 2000–2009. Professorin für Geschlechtersoziologie Universität Potsdam, 2009–2017. Forschungsschwerpunkte: Historische Wissenssoziologie sozialwissenschaftlicher Begriffsbildung; historische Soziologie der Geschlechter-Arrangements; Klassifikationssoziologie; Globalisierung und Weltgesellschaft. Aktuelle Publikation: Free Versus Unfree Labor. Challenging Their Boundaries. S. 105–118 in: L. Herzog & B. Zimmermann (Hrsg.), Shifting Categories of Work. Unsettling the Ways We Think about Jobs, Labor, and Activities. New York: Routledge 2022 (mit L. Renard).

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    , Léa Renard

    Léa Renard, geb. 1991 in Valence, Frankreich. Studium der Politikwissenschaft und Soziologie in Grenoble. Promotion in Potsdam und Grenoble. 2016–2017 wiss. Mitarbeiterin Universität Potsdam, 2020–2022 Freie Universität Berlin; seit 2023 wiss. Mitarbeiterin (Post-Doc) Max-Weber-Institut für Soziologie, Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Historische Soziologie, Wissenssoziologie. Wichtige Publikationen: Vergleichsverbot? Bevölkerungsstatistiken und die Frage der Vergleichbarkeit in den deutschen Kolonien (1885–1914). Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2021, 73: 169–194; (Hrsg.), Categories in Context. Gender and Work in France and Germany, 1900-Present. New York 2019 (mit I. Berrebi-Hoffmann, O. Giraud, T. Wobbe); The Category of ‘Family Workers’ in International Labour Organization Statistics (1930s–1980s): A Contribution to the Study of Globalized Gendered Boundaries between Household and Market. Journal of Global History 2017: 340–360 (mit T. Wobbe).

    , Nicola Schalkowski

    Nicola Schalkowski, geb. 1991 in Hamburg, Deutschland. Studium der Soziologie in Hamburg und Berlin. Seit 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin (Prae-Doc) an der Freien Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Wissenssoziologie, häusliche Dienstbarkeit in historischer Perspektive, soziale und räumliche Organisierung von Haushaltsarbeit, feministische Arbeitssoziologie, gewerkschaftliche Organisierung. Aktuelle Publikation: Informal Work. A Relational Category. S. 119–133 in: L. Herzog & B. Zimmermann (Hrsg.), Shifting Categories of Work. Unsettling the Ways We Think about Jobs, Labor, and Activities, New York: Routledge 2022 (mit M. Braig).

    and Marianne Braig

    Marianne Braig, geb. 1953 in Kirchheim am Neckar. Studium der Soziologie und Volkswirtschaft an der Freien Universität Berlin (FUB) und der Politik- und Geschichtswissenschaft an der Universidad Nacional Autónoma de México. Promotion und Habilitation in Soziologie an der FUB. 1997–2002 Professorin für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Seit 2002 Universitätsprofessorin am Lateinamerika-Institut der FUB mit Schwerpunkt Politik Lateinamerika. Forschungsschwerpunkte: Transregionale und globale Verflechtungen und Ungleichheiten, Transformation und Entwicklung in verschiedenen Ländern Lateinamerikas, politische Kultur und Staatlichkeit, Fragen der geschlechtsspezifischen Segmentierung von Arbeitsmärkten und ihrer politischen Einbettungen in Lateinamerika. Aktuelle Publikation: Las Voces del Centro Histórico. La Lucha por el Espacio en la Ciudad de México. Mexiko: Colegio de México 2022 (mit C. Alba Vega).

Published/Copyright: June 2, 2023
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Zusammenfassung

Aus wissenssoziologischer Perspektive fragt dieser Beitrag nach Deutungsmodellen von Arbeit, die historisch-soziologisch aus Debatten über freie vs. unfreie Arbeit erschlossen werden. Um das Begriffs- und Referenzfeld dieser Unterscheidung zu analysieren, verwenden wir O. Pattersons Soziologie der Sklaverei und der Freiheit als theoretischen Bezugsrahmen. Sie wird durch die historische Wissenssoziologie und die vergleichstheoretische Perspektive spezifiziert. Empirisch basiert der Beitrag auf einer explorativen Studie zur Kategorisierung von Zwangsarbeit durch die International Labour Organization (ILO), die den instruktiven Fall einer frühen internationalen Beobachtungsordnung bildet. Die Ergebnisse zeigen, dass die Kategorisierung in den kulturellen Rahmen der europäischen Zivilisierungsmission eingebettet war. Zwangsarbeit wurde im Spiegel kolonialer und geschlechtlicher Differenzierung von der Sklaverei unterschieden und am Kriterium der freien Lohnarbeit verglichen. Der heuristische Gewinn des Beitrags liegt darin, die Wissenskultur und historische Kontingenz freizulegen, in der heutige soziologische Begriffe von Arbeit, Differenzierung und Geschlecht entstanden sind.

Abstract

From a sociology of knowledge perspective, this article explores interpretative models of work in the light of debates about free vs. unfree work. To analyze this distinction, we draw on O. Patterson’s sociology of slavery and freedom as the theoretical framework. The historical sociology of knowledge and the sociology of comparison are specifying the analysis. Empirically, the article builds on an exploratory study of the categorization of forced labour at the International Labour Organization (ILO) as the instructive case of an early international observational order. The results suggest that the categorization was embedded in the cultural framework of the European civilizing mission. The ILO discerned forced labor from slavery in the mirror of colonial and gender differentiation and compared it along the criterion of free wage labor. The article’s heuristic value is to expose the knowledge culture and historical contingency in which today’s sociological concepts of work, differentiation, and gender emerged.

1 Einleitung

In den letzten Jahrzehnten ist in der Geschichtswissenschaft eine umfangreiche Forschung zu Arbeitsformen entstanden, die durch Zwang (coercion) und Gewalt in unterschiedlichen historischen Konstellationen und regionalen Kontexten bestimmt sind.[1] Daraus wird zunächst die historische Kontingenz von Arbeitsformen und das Verständnis von Arbeit deutlich. Demnach gewann seit dem späten 18. Jahrhundert während der Auseinandersetzungen über das rechtliche Verbot der Sklaverei und über arbeitsrechtliche Entscheidungen die Opposition von freier und unfreier Arbeit an Bedeutung (Engerman 1999; Steinfeld 1991, 2001). Für die Zeit um 1900 wird die ‚Erfindung‘ bzw. die ‚Produktion‘ von Arbeit in ihrer formalisierten und kodifizierten Form festgestellt (Conrad et al. 2000; Wadauer 2016, 2023). Ferner verdeutlicht die globalhistorische und transnationale Forschung, dass unfreie Formen der Arbeit weder unter dem Gesichtspunkt einer zeitlichen Rangfolge von früher/später auf spezifische Epochen festzulegen sind, noch sich räumlich und kulturell strikt voneinander trennen lassen.[2] Sie bilden kein Relikt aus ‚vormodernen’ Zeiten, die lediglich in außereuropäischen Weltregionen jenseits moderner Marktbedingungen vorkommen (vgl. Beckert 2015; Stanziani 2020; Van der Linden & Rodríguez García 2016; Zimmerman 2010). In dem Bemühen um eine Dezentrierung, Deessentialisierung und Horizontverschiebung von Arbeitspraktiken und -deutungen (Bernet et al. 2016) fokussiert diese Forschung die verschiedenen Differenzierungslinien in kolonialer, geschlechtlicher und sozialer Dimension (Conrad 2006; Rodet 2014; Zimmermann 2018).

Der Beitrag schließt an diese, in der Soziologie bislang kaum wahrgenommene Forschungsdiskussion an und geht über sie hinaus, indem aus wissenssoziologischer Perspektive bei der Frage nach Deutungsmodellen von Arbeit angesetzt wird. Wir fragen, welches abstrakte Verständnis von Arbeit sich im Licht von freien und unfreien Arbeitsformen erschließen lässt.

Wenn wir im Folgenden diese Vorgehensweise wählen, greifen wir zum einen auf die historische Wissenssoziologie sozialwissenschaftlicher Begriffe zurück (Somers 1999; Somers & Gibson 1994). Mit ihren Grundsätzen der Reflexivität, Historizität und Relationalität lässt sich die Einbettung von Begriffen in Wissenskulturen erschließen. Die wissenssoziologische Analyse ist zum anderen an der vergleichstheoretischen Perspektive ausgerichtet (vgl. Heintz 2010, 2016), die eine differenzierte Analyse sozialer Kategorisierungs- und Vergleichsprozesse der Akteure im Untersuchungsfeld erlaubt (vgl. 2.2).

Der Beitrag stützt sich empirisch auf eine explorative Studie zu den Kategorisierungsprozessen von Zwangsarbeit in der International Labour Organization (ILO) während der Zwischenkriegszeit. Die ILO wird als instruktiver Fall einer frühen internationalen Beobachtungsordnung präsentiert, an der sich Deutungsmodelle von Arbeit rekonstruieren und analysieren lassen. Die Funktion der ILO, die nach dem Ersten Weltkrieg im Rahmen der Friedensverträge unter dem Dach des Völkerbunds gegründet wurde, besteht bis heute darin, international vergleichbare Standards für Arbeitsbedingungen zu schaffen und diese in Form von Konventionen (internationale Abkommen), Empfehlungen usw. rechtlich abzusichern. Insgesamt bilden diese Rechtsinstrumente ein Referenzfeld für das nationale und internationale (Arbeits-)Recht und (Arbeits-)Politiken.

Während der Zwischenkriegszeit führte die ILO allerdings auch partikularistische Regeln für Arbeitsbedingungen der „native labour (Eingeborenenarbeit)“[3] in den kolonialen Territorien ein. Sie behandelte diese als einen Sonderbereich, der von dem der internationalen Arbeitsstandards getrennt wurde (Maul 2007a, b; Rodríguez-Piñero 2005). Dabei agierte sie in einem Spannungsfeld, das durch das Zusammenspiel internationaler und kolonialer Differenzierung geprägt war. Die unter Zwang und Gewalt durchgesetzten Arbeitspraktiken beobachtete die ILO als ein koloniales Phänomen und definierte diese rechtlich als Zwangsarbeit. In der Fallstudie wird untersucht, welche Deutungsmodelle von Arbeit in den Kategorisierungs- und Vergleichsprozessen der Zwangsarbeit zum Tragen kommen. Zu diesem Zweck erforschen wir die Klassifikation und die Vergleichskriterien seitens der Akteure.

Um diese Fragestellung wissenssoziologisch angemessen untersuchen zu können, ist es erforderlich, das Begriffs- und Referenzfeld der Kategorie Zwangsarbeit auszuleuchten. So stellte sich im Laufe des Untersuchungsprozesses zum einen heraus, dass die europäische Zivilisierungsmission des 19. Jahrhunderts den entscheidenden kulturellen Rahmen für die Kategorisierung darstellte. Zum anderen war der Bezug auf die Sklaverei im semantischen Feld der Arbeit von grundlegender Bedeutung. Dabei zeigte sich, dass dieses Feld durch binäre Oppositionen wie Sklaverei und Freiheit, Unfreiheit und Freiheit, Rückständigkeit und Entwicklung bestimmt war. Die Oppositionen waren auf einer zeitlichen Achse (vorher/nachher) dichotomisch strukturiert und hierarchisiert.

Die Soziologie des aus Jamaika stammenden US-amerikanischen Soziologen Orlando Patterson bietet einen theoretischen Rahmen, um die binäre Opposition von Freiheit und Sklaverei, wie sie im Untersuchungsfeld wirksam wurde, soziologisch zu erschließen. In seinen beiden grundlegenden Werken „Slavery and Social Death“ (Patterson 2018 [1982]) und „Freedom in the Making of Western Culture” (Patterson 1991) argumentiert er, dass das europäisch-westliche Freiheitskonzept aus der Erfahrung der Sklaverei entstanden sei. Aus dem interrelationalen Zusammenhang von Sklaverei und Freiheit sei die Auffassung von Freiheit als Ideal und als dichotomer Gegensatz zu Unfreiheit hervorgegangen. In diesem Konzept schwingt eine Überlegenheit anderen Kulturen gegenüber mit, die in der europäischen Selbstbeschreibung der Zivilisierungsmission des 19. Jahrhunderts allgegenwärtig war. Patterson zeigt diese spezifische Bedeutung des in der europäischen Antike konstruierten Verständnisses von Freiheit sowie die kulturellen Rahmen auf, in denen sich dieses weiterhin als höchste Wertschätzung aktualisieren lässt (Patterson 2005).

Im Folgenden argumentieren wir, dass die Kategorisierung von Zwangsarbeit auf Debatten zwischen Deutungsmodellen freier und unfreier Arbeitsformen verweist, die in dem kulturellen Rahmen der Zivilisierungsmission eingebettet waren. An der Kategorisierung und Regulierung der Zwangsarbeit lassen sich ebenfalls die faktischen Spaltungen der Arbeitswelt der Zwischenkriegszeit herauslesen.

Der Beitrag ist in vier Schritten aufgebaut. Nach der Einleitung stellen wir Pattersons These zur Interrelation von Sklaverei und Freiheit als Analyserahmen vor, skizzieren die beiden wissenssoziologischen Zugriffe und erläutern das methodologische Vorgehen (2). Der empirische Teil präsentiert die Ergebnisse der Fallstudie. Diese zeigen, inwiefern die Kategorie Zwangsarbeit von der Sklaverei unterschieden, durch koloniale und geschlechtliche Differenzierungen spezifiziert und am Kriterium der freien Lohnarbeit orientiert war (3). Die Ergebnisse der empirischen Analyse werden abschließend auf den kulturellen Rahmen der Zivilisierungsmission des 19. Jahrhunderts bezogen und im Hinblick auf den Erkenntnisgewinn der wissenssoziologischen Perspektive diskutiert (4).

2 Theoretischer Rahmen und methodisches Vorgehen

In diesem Teil stellen wir zunächst das theoretische Gerüst Orlando Pattersons zum interrelationalen Verhältnis von Sklaverei und Freiheit vor (2.1), erläutern anschließend unser Vorgehen mit Hilfe der historischen Soziologie der Begriffsbildung sowie der Vergleichstheorie (2.2) und schließen mit der Darlegung von Material, Methode und Auswertung (2.3).

2.1 Pattersons Erforschung der Interrelation von Freiheit und Sklaverei

In seinem Grundlagenwerk „Slavery and Social Death“ entfaltet Patterson ein Verständnis von Sklaverei als interpersonale Machtbeziehung und menschlichem Parasitismus (human parasitism) (Patterson 2018 [1982]: 1–14, 17–34, 334–342).[4] Sein Argument über Sklaverei als eine spezifische Herrschaftsform und Institution des „sozialen Tods“ hat die Tür für das Verständnis der soziokulturellen Bedingungen der Sklaverei in komplexen menschlichen Gemeinschaften geöffnet (Greenland & Steinmetz 2019; Bodel & Scheidel 2017; Lenski & Cameron 2018; Ismard et al. 2021).

Aus dieser Perspektive scheint es nicht überzeugend, die Sklaverei ausschließlich auf ökonomische Prinzipien der Ausbeutung oder auf den rechtlichen Status des Eigentums zu verengen (vgl. Patterson 2017b; Lewis 2017). Aus einer sozio-kulturellen Perspektive charakterisiert Patterson die Sklaverei als die extremste Form einer Herrschaftsbeziehung, die sich von verwandten Formen der Herrschaft und Unfreiheit durch die absolute Macht über Leben und Tod unterscheidet (Patterson 2018 [1982], 2017a: 68 ff.). Die Sklaverei weist als „quintessentially carnal” (Patterson 2012: 326) durch die Zentralität der Körperlichkeit eine enge Verknüpfung zur patriarchalischen Verfügungsgewalt über Frauen auf (vgl. Harper 2011, 2017).

Zudem umfasst die Sklaverei Patterson zufolge eine spezifische Form der Exklusion, da Sklavinnen und Sklaven als nicht-Personen (non-persons) ohne sozial anerkannte Existenz gelten. Diese Form der Exklusion bezeichnet er als „natal alienation” (Patterson 2018 [1982]: 10, 68 f.), nämlich als Ausschluss von den Herkunftsrechten und den Rechten der Gemeinschaft, in die sie verbracht wurden. Dieser Ausschluss wird darüber hergestellt, dass Frauen und Männer gewaltsam aus ihren Herkunftszusammenhängen herausgerissen (deracination), von diesen isoliert und sozial entwurzelt werden.[5] Im Unterschied zu allen anderen Herrschaftsformen bestimmt Patterson die Sklaverei daher als „the permanent, violent domination of natally alienated and generally dishonored persons” (ebd.: 13). Hiermit gewinnen wir ein Verständnis, mit dem sich die Sklaverei in ihrer sozio-kulturellen Spezifik beschreiben lässt, statt sie in den Kontrast zum Ideal der Freiheit zu stellen.

In „Freedom in the Making of Western Culture” (Patterson 1991) argumentiert Patterson, dass die soziale Konstruktion dieser Bedeutung von Freiheit nicht nur durch die Sklaverei ermöglicht wurde, vielmehr sei die Sklaverei konstitutiv für das Verständnis von Freiheit als höchste Wertschätzung in der westlichen Kultur geworden: „People came to value freedom, to construct it as a powerful shared vision of life, as a result of their experience of, and response to, slavery or its recombinant form, serfdom, in their roles as masters, slaves, and non-slaves” (ebd.: xiii). Insofern umfasst das in der Antike geschaffene Verständnis von Freiheit das Bestreben, als ehrenhafte Person anerkannt zu werden und einen sozialen Status zu erlangen und zu festigen.

Demgegenüber wurde laut Patterson in außereuropäischen Gesellschaften, in denen Sklaverei ebenfalls bestand, die Freiheit jedoch nicht als höchstes Ideal und als gesellschaftlicher Wert konstruiert (ebd.: 20–44). Vielmehr war in den außereuropäischen Kulturen, die das Wort Freiheit kannten, dieses negativ mit Verlust, Scheitern und Deklassierung konnotiert, als etwas, „das nur von gescheiterten Existenzen angestrebt wurde“ (Patterson 2005: 168). Wie Patterson in seiner Untersuchung herausarbeitet, wurde im antiken Griechenland und Rom aus historisch kontingenten Faktoren heraus ein neuartiges Freiheitsverständnis ermöglicht (Patterson 1991: 47–145, 202–344). An dieser Stelle lassen sich die Konzepte von Freiheit im antiken Griechenland und in Rom nur in aller Kürze gebündelt darlegen. Das griechische Verständnis zeichnet sich durch die Koppelung von Freiheit und Macht aus, die Patterson in Folge der Perserkriege als „konzeptionelle Verschmelzung der kollektiven Freiheit der Griechen mit der Freiheit jedes Einzelnen“ charakterisiert (Patterson 2017a: 78). Für das 5. und 6. Jahrhundert v.u.Z. beobachtet er eine „dreigliedrige kulturelle Einheit“ der Freiheitsidee, nämlich die persönliche, individuelle Befreiung; Freiheit als demokratische Partizipation der freien männlichen Bürger; und die souveräne Freiheit, die Möglichkeit alle Wünsche und Ziele zu verwirklichen, „und zwar sowohl für sich selbst als auch für das und im eigenen Gemeinwesen“ (ebd.). Die Idee der souveränen Freiheit war sowohl im Hinblick auf das Individuum als auch auf das Gemeinwesen an die (männliche) Ehre (areté) und Macht geknüpft.

Im römischen Recht wurde das negative Verständnis der Freiheit rechtlich als libertas verankert, als „nicht in Sklaverei befindlich“ (ebd.: 81). Dieses Motiv erhielt durch den Aufstieg des Christentums, das die spirituelle Freiheitsidee und den Erlösungsgedanken in den Mittelpunkt der Theologie stellte, eine spezifische Schubkraft, die die Universalisierung des westlichen Freiheitsideals ermöglichte und weiterhin prägt (Patterson 1991: 203–344).[6]

Insofern lässt sich der abolitionistische Kampf zur Abschaffung der Sklaverei dahingehend verstehen, dass er kulturell in die lange europäische Tradition dieses Freiheitsmotivs eingebettet war und dieses um 1800 in einem historisch-spezifischen Kontext aktualisierte. Der US-amerikanische Historiker Seymour Drescher kommt zu dem Ergebnis, dass sich diese Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei „as the inevitable and heroic extension of Europe’s freedom principle to global dominance” präsentierte (Drescher 2017: 397, 2009). Während des 19. Jahrhunderts fand Drescher zufolge ein bemerkenswerter Wandel in der Selbstbeschreibung der europäischen Kolonialmächte statt: „Under the aegis of a civilizational ideology, European empires of New World slavery consensually became empires of Old World antislavery“ (Drescher 2017: 388). Dieser Wandel in der Selbstbeschreibung der europäischen Kolonialmächte wurde vom internationalen Recht abgestützt und spezifiziert (ebd.; vgl. Koskenniemi 2004 [2001]: 11–178). Wir werden in Teil 3 sehen, welche Bedeutung dieser Zivilisierungsdiskurs für die Klassifikation von Zwangsarbeit hatte. Der von Drescher untersuchte Paradigmenwechsel hatte dramatische Auswirkungen auf das Selbstverständnis westlicher Akteure und ihr Verhältnis zu anderen Teilen der Welt, und prägt diese bis heute. Koloniale Projekte wurden im 19. und frühen 20. Jahrhundert u. a. unter dem Vorzeichen der Befreiung von der Sklaverei als dem größten Übel der Menschheit legitimiert (Miers 2003), während die in Europa verbreitete industrielle Lohnarbeit mit Freiheit assoziiert wurde.

Es lassen sich zwei Stränge der Soziologie Pattersons als Orientierungspunkte für die Fragestellung des Beitrags herausstellen:

Erstens hat das Verständnis von Freiheit als höchstes und allen anderen Kulturen überlegenes Ideal die europäisch-westliche Kultur grundlegend geprägt. Hiermit bietet sich eine vorwärtsweisende Perspektive, um unproduktive Dichotomien zwischen Freiheit und Unfreiheit aufzubrechen (vgl. Renard & Wobbe 2022), indem wir die kulturellen Rahmen erforschen, in die diese Dichotomien weiterhin eingebettet sind. Denn die Sklaverei bildet nicht einen der fundamentalen Gegensätze zur westlichen Kultur, wie der Abolitionismus propagierte (vgl. Drescher 2009), und wie aktivistische Bewegungen gegenwärtig unter dem Motto „Free the slaves“ neu beanspruchen (vgl. dazu kritisch O’Connell Davidson 2010, 2015). Die kulturelle Bedeutung von Freiheit und ihre Rahmen lassen sich soziologisch vielmehr in differenzierter Weise rekonstruieren, um die Kontinuität alter Binaritäten zu erschließen. Aus methodologischer Perspektive entstehen dabei neue Fragen wie die nach der Kontingenz unseres Verständnisses von Freiheit (vgl. Greenland 2019), das in der soziologischen Gesellschaftstheorie weithin unthematisiert bleibt (vgl. Kärtner 2016).

Zweitens bietet Pattersons Analyse der Sklaverei als spezifische Herrschaftsform interessante Hinweise für diesen Beitrag. Hiermit wird eine neuartige Perspektive auf Formen erzwungener Arbeit (coercive work) und auf solche, die unter Androhung und Ausübung von Gewalt praktiziert werden, eröffnet (vgl. Rossi 2021a, b). Als spezifisches Herrschaftsverhältnis wird Sklaverei nicht auf Arbeit begrenzt, wie dies in verschiedenen Forschungsansätzen der labour history die Annahme ist (vgl. De Vito et al. 2020; Van der Linden 2016; vgl. kritisch dazu Rossi 2021a). Pattersons Vorschlag bietet demgegenüber die Möglichkeit, Sklaverei von anderen Formen der Unfreiheit und unfreien Arbeitsformen wie z. B. Zwangsarbeit (forced labour) zu unterscheiden (vgl. Patterson & Zhuo 2018). So zeigt sich im Untersuchungsfeld der ILO, wie Akteure die Differenz zwischen Sklaverei und unfreien Formen der Arbeit bestimmen und entsprechende Unterscheidungen vorzunehmen versuchen (vgl. 3.1. Der soziologische Erkenntnisgewinn besteht darin, die verschiedenen Formen von Arbeit in ihren Differenzdimensionen und Praktiken nuanciert zu analysieren. Diese Herangehensweise steht auch im Kontrast zur heutigen Sicht der ILO, die „modern slavery“ als einen generischen Begriff für alle modernen Formen der Arbeitsausbeutung bestimmt (vgl. ILO et al. 2022).

2.2 Wissenssoziologie der historischen Begriffsbildung und des Vergleichs

Für die Herausbildung des internationalen (Arbeits-)Rechts nach dem Ersten Weltkrieg hatte die ILO eine maßgebliche Funktion, nämlich rechtlich durch die Etablierung international vergleichbarer Arbeitsstandards und durch international vergleichbare Arbeitsstatistiken eine neue Beobachtungsebene im Funktionskontext Arbeit zu schaffen. Insofern fungiert sie bis heute als internationale Beobachtungsordnung für die Kategorisierung und den Vergleich, kurz: für Deutungen von Arbeit (vgl. Wobbe 2020). Daher bilden ihre Deutungsmodelle in der Zwischenkriegszeit keineswegs nur historische Artefakte. Vielmehr umfassen sie historische und historisch geladene Begriffe, die in ihrer Wirkmächtigkeit für unsere heutige Sicht auf Arbeit weiterhin konstitutiv sind.

Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden zum einen an die historische Soziologie der sozialwissenschaftlichen Begriffsbildung (Somers 1999) angeschlossen, die durch drei Prinzipien geleitet ist. (1) Mit dem Grundsatz der Reflexivität erlaubt sie den reflektierenden (Rück-)Bezug auf wissenschaftlich und sozial verwendete Begriffe und Konzepte (vgl. dazu auch Steinmetz 2021 mit Referenz auf Bourdieu). (2) Das Prinzip der Historizität zielt auf die historische Kontingenz von Begriffen und Konzepten. (3) Mit dem Prinzip der Relationalität soll der Sinn von Begriffen in ihrer wechselseitigen Verknüpfung erschlossen werden, die in Konfigurationen von Konzepten eingebettet sind (Somers 1999: 133). Diese Felder semantischer Relationen sind Somers zufolge oftmals durch binäre Codierungen – wie in unserem Beispiel durch freie und unfreie Arbeit – bestimmt. Das Instrument erlaubt es, die Einbettung des Begriffs der Arbeit in den kulturellen Rahmen der Zivilisierungsmission des 19. Jahrhunderts wissenssoziologisch zu erschließen.

Zum anderen wird die Vergleichstheorie (Heintz 2010, 2016) für die Analyse genutzt. Der Ausgangspunkt des vergleichstheoretischen Zugriffs ist die Annahme, dass Vergleiche nicht auf eine sozialwissenschaftliche Methode einzuengen sind oder eine wissenschaftliche Besonderheit der Soziologie darstellen. Mit dem Vorschlag zu einer Soziologie des Vergleichs macht Bettina Heintz (ebd.) den Vergleich als soziales Geschehen und allgegenwärtiges Phänomen erstmals systematisch zum Untersuchungsgegenstand der Soziologie. Demnach laufen im Vergleich zwei Operationen zusammen: die Einstufung eines Vergleichsobjekts als vergleichbar (Gleichheitsunterstellung) und die Verwendung eines Vergleichskriteriums (Differenzbeobachtung) (Heintz 2010: 164). Soziale Vergleiche bilden indes nicht nur eine Unterscheidungstechnik, indem sie differenzieren. Vielmehr wirken sie als Relationsinstrument auch integrierend, weil sie zuvor unverbundene soziale Entitäten – ob Bildungssysteme oder Arbeitstätigkeiten – in einen neuen sozialen Sinnzusammenhang und einen gemeinsamen Vergleichsrahmen bringen. Die soziale Technik des Vergleichs findet oftmals öffentlich statt und bildet eine Form des Wissens und der Kommunikation, auf die sich Politik und Wissenschaft gleichermaßen stützen (Mayntz 2017).[7] Daher lässt sich dieser Ansatz für die Fragestellung nach den Kategorisierungs- und Vergleichsvorgängen in der ILO mobilisieren.

2.3 Material, Methode, Auswertung

Die Ergebnisse wurden auf Grundlage der Analyse verschiedener Dokumente von ILO und Völkerbund unter dem Gesichtspunkt ihrer Relevanz für die Kategorisierungsprozesse gewonnen. Anhaltspunkte hierfür wurden aus der intensiven Beschäftigung mit der Forschungsliteratur generiert. Für die Materialauswahl und die Auswertung war leitend, dass die ILO und der Völkerbund erst im Entstehen begriffene Beobachtungsordnungen darstellen, die soziologisch noch kaum untersucht werden. Als internationale Bürokratie zielte das International Labour Office, das ständige Sekretariat der ILO, darauf ab, nach standardisierten Verfahren vorzugehen. Doch diese mussten in den 1920er Jahren noch entwickelt werden. Sie materialisierten sich in Papierform, z. B. in Protokollen, Berichterstattung oder in Korrespondenz. Darüber hinaus sind auch die Rechtstexte, die von der International Labour Conference, dem Parlament der ILO, verabschiedet wurden, für die Untersuchung der Deutungsschemata von Relevanz. Den Materialkorpus bilden also Dokumente, d. h. schriftliche Texte, „die als Aufzeichnung oder Beleg für einen Vorgang oder Sachverhalt dienen“ (Wolff 2008: 502). Sie bilden „institutionalisierte Spuren“ (ebd.: 503) öffentlicher Kommunikationsprozesse und umfassen insofern institutionelle Definitions- und Dokumentationsprozesse sowie Techniken ihrer Erstellung, die für die Auswertung relevant sind. Ihr Herstellungsprozess ist eingebettet in ein komplexes Regelsystem von entstehenden Routinen, d. h. „organisatorischer Strategien und konzeptioneller Schemata“ (Prior 2003: 31).

Konkret wurden Quellen aus dem Archiv und dem Publikationsbestand der ILO und des Völkerbunds herangezogen (beides Genf, zum Teil digitalisiert und online zugänglich), darunter internationale Konventionen, Empfehlungen, Protokolle der Sitzungen der Verwaltungsräte, der Expertenausschüsse und der Versammlungen, deren Berichte und Unterlagen sowie interne und externe Korrespondenz.

Aufgrund der zum Teil noch nicht festgelegten und standardisierten Form der Dokumente in der emergierenden Beobachtungsordnung erfolgte die Auswertung ohne Unterstützung spezieller Softwares zur qualitativen Daten- und Dokumentenanalyse. Hinweise aus der historischen Forschung zu ILO und Völkerbund waren instruktiv für die ersten Sortierungsversuche des Materials. Die Codes wurden deduktiv aus den konzeptionellen Vorüberlegungen (v. a. aus der klassifikations- und der vergleichssoziologischen Literatur) zu Kategorisierung und Vergleichskriterien den binären Differenzierungen der Textausschnitte zugeordnet, sowie induktiv aus dem Material heraus entwickelt. Die Analyse zielte darauf ab, den Entstehungsprozess der rechtlichen Definitionen zunächst explorativ und sequenziell zu rekonstruieren. Danach wurden Kommunikationszusammenhänge rekonstruiert, die Aufschluss über die Argumente der Akteure für die Kategorisierung von Phänomenen als Zwangsarbeit oder Sklaverei geben.

3 Die Kategorisierung der Zwangsarbeit im Spiegel geschlechtlicher, kolonialer und internationaler Differenzierung

Taucht man in Archivakten des Völkerbunds und der ILO ein, erscheinen zentrale Begriffe wie Sklaverei, Frauenhandel[8] oder Zwangsarbeit als das Ergebnis konflikthafter und ungewisser Kategorisierungsprozesse. In internationalen Kreisen – wie den transnationalen abolitionistischen Bewegungen – der Zwischenkriegszeit wurden Phänomene zwar unter diesen Labels angeprangert, doch deren genaue Konturen und Unterschiede für die rechtliche Institutionalisierung in Konventionen waren Gegenstand wiederkehrender und spannungsreicher Verhandlungen in internationalen Versammlungen und Kommissionen.

Dies geschah in der neuen institutionellen Architektur von Völkerbund und ILO, die beide zwischen universalistischer Rhetorik und der der Zivilisierungsmission manövrierten (vgl. Pedersen 2015; Maul 2007a). Mit dem Ende des Ersten Weltkriegs schuf der Völkerbund das „Mandatssystem“, das die „Vormundschaft“ für Teile des Osmanischen Reichs und die ehemaligen deutschen Kolonien u. a. an das französische, das britische und das belgische Empire übertrug.[9] Die unter dem Mandat stehenden Gebiete seien „von solchen Völkern bewohnt“, die „noch nicht imstande sind, sich unter den besonders schwierigen Bedingungen der heutigen Welt selbst zu leiten“ (Völkerbundsatzung 1919: Art. 22).[10] In dieser Formulierung wird die binäre Opposition der semantischen Selbstbeschreibung der Kolonialmächte im Programm der Zivilisierungsmission manifest. Diese Opposition wird über die zeitliche (vorher/nachher; noch nicht/bereits) sowie die soziale Unterscheidung (unselbständig/selbstständig; fremd-verwaltet/selbstverwaltet) dichotomisch strukturiert und hierarchisiert.

In der Verfassung der ILO fand die Differenz und Hierarchisierung zwischen Metropole und Kolonie im Verfahrensbereich der rechtlichen Normierung ihren Niederschlag. Die sog. Kolonialklausel räumte den Kolonialmächten die Möglichkeit zur Anwendung (in geänderter Form) oder Nicht-Anwendung von internationalen Konventionen in den Kolonien ein (Völkerbundsatzung 1919: Art. 22; vgl. Zimmermann 2015: 360 f.). Sie stellte die Anwendung von Konventionen somit in den Ermessensspielraum der Imperien, was deren Anspruch spiegelte, „in kolonialen Angelegenheiten keinerlei Rechenschaft geben zu müssen“ (Maul 2007a: 35).

Im Sinne dieser Differenz und Hierarchisierung wurde Zwangsarbeit von der ILO als ein koloniales Phänomen diskutiert, das möglicherweise Ähnlichkeiten mit Sklaverei vorweisen würde. Auf diese Weise wurde die koloniale Differenz mittels der Beziehungen zwischen Arbeitsformen und Arbeitenden in der Kolonie und der Metropole in einem rechtlichen Sonderbereich der ILO verankert und aus dem Bereich der internationalen Standards ausgeklammert.

Im Unterschied zur kolonialen Differenz hat die Zwangsarbeit von Frauen und damit die geschlechtliche Differenz in den Archivakten des Völkerbunds und der ILO kaum Spuren hinterlassen. Die wenigen Stellen, an denen die Rolle von Frauen im Zusammenhang mit Zwangsarbeit angesprochen wird, regen allerdings dazu an, der Frage der geschlechtlichen Dimension der Zwangsarbeit, gestützt auf einige neuere Studien der Forschungsliteratur, nachzugehen. Die ersten Hinweise, die sich daraus ergeben, werden weiter unten (3.2) präsentiert.

3.1 „Get rid of the servile attitude of mind among the backward races“[11] – Die koloniale Differenz in der Kategorisierung von Zwangsarbeit

Nachdem 1922 die Frage der Sklaverei unter dem Einfluss der britischen Anti-Slavery Society vor die Völkerbundversammlung gebracht wurde (Miers 2003), beauftragte der Völkerbundrat im Frühjahr 1924 eine ad hoc Kommission.[12] Die acht Mitglieder der Temporary Slavery Commission (im Folgenden: TSC) des Völkerbunds – darunter Harold Grimshaw für das International Labour Office – nahmen ihre beratende Arbeit im Juli 1924 auf.[13] In der ersten Sitzung diskutierten die Kommissionsmitglieder über das thematische Spektrum und die Reichweite ihrer Aufgabe. Sie einigten sich darauf, folgende Phänomene zu untersuchen: „enslaving“, „slave-raiding and the slave trade“, „slave dealing“, „slavery or serfdom (domestic or predial)“; „practices restrictive of the liberty of the person, or tending to acquire control of the person in conditions analogous to slavery”;[14] „system of compulsory labour, public or private, paid or unpaid”.[15] Diese Praktiken wurden als „restraint of human freedom” kontrastiv der Freiheit gegenübergestellt. Auf der Basis von konkreten und signifikanten Beispielen sollten zunächst Kriterien für die systematische Sortierung, Bewertung und Klassifikation entwickelt werden.[16] Die TSC sollte außerdem bestehende Maßnahmen zur Förderung der „transition from servile or compulsory labour to free wage labour or independent production” evaluieren.[17]

Die Kommissionsmitglieder und insbesondere der ILO-Vertreter Grimshaw betonten die sachliche Nähe zwischen Sklaverei und Zwangsarbeit: Nach der Abolition wären neue „servile Arbeitsformen“ an die Stelle von Sklaverei getreten, deren Auswirkungen zum Teil „schwerwiegender“ seien.[18] Ohne rechtliche Rahmung würden Zwangsarbeitspraktiken, die zwar unter bestimmten Bedingungen von der TSC als „annehmbar“ (admissible) und notwendig deklariert wurden, Gefahr laufen, in „mehr oder weniger verschleierte Formen der Sklaverei“ zu münden.[19] Aus Grimshaws Überlegungen spricht das Interesse der ILO daran, als Arbeitsorganisation für die Regulierung der Arbeitsstandards zuständig zu sein. Die TSC verstand Sklaverei und Zwangs- bzw. Pflichtarbeit als unterschiedliche Stufen serviler Praktiken, ihre Grenzen mussten allerdings noch durch das Instrument des Völkerrechts festgelegt werden. Doch gleichzeitig betonten die Mitglieder der TSC einvernehmlich einen grundlegenden Unterschied: Die Sklaverei wurde nicht als ein europäisches Problem angesehen. Sie sei als Institution und Praxis in Europa verschwunden und würde nur noch als Herrschaftsverhältnis der natives untereinander existieren. Die Zwangsarbeit hingegen würde unter der Aufsicht der europäischen Kolonialadministration und von europäischen Unternehmen in den Kolonien ausgeübt werden. So konnten sich Kolonialmächte wie Großbritannien und Frankreich als Verfechter des Kampfs gegen die Sklaverei und den Sklavenhandel stilisieren, während ihre Verwaltung in den Kolonien Zwangsarbeitsmaßnahmen durchführte.

In ihrem Schlussbericht 1925 schlug die TSC einige Maßnahmen vor, mit deren Hilfe die „servile or compulsory labour“ durch freie Lohnarbeit (free wage labour) ersetzt werden sollte: Durch Bildung und die Beteiligung als Arbeitende in Kolonialunternehmen sollten natives von ihren „unterwürfigen Denkgewohnheiten“ (servile attitude of mind) befreit werden. Außerdem sei das System des Privateigentums in der Landwirtschaft (individual property) einzurichten, um der Institution der Leibeigenschaft (serfdom) ein Ende zu setzen. Schließlich wurde eine generelle Monetarisierung von Transaktionen (use of currency) empfohlen, um „die Idee der Lohnarbeit zu popularisieren“ (popularising the idea of wage-labour).[20] Die Monetarisierung und die Einführung der Lohnarbeit waren Teil ein und desselben Programms, das auf die Etablierung eines Kreislaufs von Konsum und Produktion abzielte (vgl. Miers 2003: 115). Obgleich diese Fragen in der TSC diskutiert wurden, erklärten sich die Mitglieder für Arbeitsregulierungen nicht zuständig und delegierten die Aufgabe an die ILO.[21]

Mögliche Verbindungen zwischen Sklaverei und Zwangsarbeit wurden in der Sklaverei-Konvention, die 1926 von der Völkerbundversammlung beschlossen wurde, festgehalten.[22] In Anlehnung an die geltenden Regelungen in den Mandatsgebieten wurden darin Grundprinzipien wie die Ablehnung von Zwangsarbeit für private Zwecke festgeschrieben.[23] Allerdings blockierten die Kolonialmächte (v. a. Portugal) auch bei der Redaktion der Konvention jeglichen Versuch, weiterführende Regelungen über koloniale Zwangsarbeit einzuführen (Miers 2003: 123). Letztendlich wurde eine eher organisatorische als thematische Trennung – zwischen Sklaverei im Handlungsfeld des internationalen Strafrechts[24] (und des Völkerbunds) einerseits und Zwangsarbeit im Handlungsfeld der Standardisierung von Arbeitsbedingungen (und der ILO) andererseits – erst durch die Verhandlungen der TSC geschaffen und durch die Konvention verfestigt.

Parallel und ergänzend zum Verfahren im Völkerbund hatte Grimshaw in der Diplomatischen Abteilung des International Labour Office (im Folgenden: Office) bereits 1922 angefangen, Material über Arbeitsbedingungen in den Kolonien (darunter auch Sklaverei) zu sammeln und aufzubereiten.[25] Unter dem Label native labour wurde die Arbeit in der Kolonie von der ILO als eine von der Arbeit in der Metropole gesonderte Form eingeführt. Die Kategorie wurde dadurch bestimmt, dass Arbeitende in den Kolonien keine Kontrolle und Mitbestimmungsmöglichkeiten über ihre Arbeitsbedingungen hätten.[26] Hierbei wurde eine grundsätzliche koloniale Differenzierung vollzogen, die getrennte Maßnahmen und Regulationen begründen sollte.

Vor dem Hintergrund der TSC wurde die ILO 1926 vom Völkerbundrat mit der Untersuchung der „best means for preventing forced or compulsory labour from developing into conditions analogous to slavery“ beauftragt (League of Nations 1927: § 1827). Im selben Jahr entschied sich das Office dafür, sich aufgrund der Dringlichkeit des Themas auf die Regelung von Zwangsarbeit zu fokussieren, statt an einer Charta für native labour im Allgemeinen zu arbeiten (International Labour Office 1926: 300; vgl. auch Newbury & Newbury 1976: 315 f.; Rodríguez-Piñero 2005: 33). Im Anschluss an die Arbeiten des 1927 einberufenen Expertenkomitees über Native Labour (im Folgenden: NLC)[27] wurde das Thema Zwangsarbeit auf die Agenda der International Labour Conference (ILC) gesetzt, mit dem Ziel der Verabschiedung einer Konvention.

Die ansonsten kontroversen Diskussionen auf der ILC fanden in der Semantik der Zivilisierungsmission einen gemeinsamen Nenner. Es galt die Frage zu klären, ob Zwangsarbeit für diese Mission eher ein Hindernis (vgl. bspw. International Labour Conference 1929a: 50) oder eine legitime Methode darstelle. Beide Positionen enthielten verschiedene Annahmen über die Bevölkerung der Kolonien, nämlich ob sie erst zur freien Arbeit (mittels Gewalt) ‚erzogen‘ werden müsste oder nicht (vgl. International Labour Conference 1929a: 44). Die erstgenannte Position fußte auf rassistischen Einstellungen, wonach natives von Natur aus der Arbeit fern wären (International Labour Conference 1929a: 58). Die kolonialen Prämissen einer zivilisatorischen Rangfolge, einer grundlegenden Differenz unter Menschen und der Überlegenheit Europas wurden allerdings bei beiden Positionen kaum in Frage gestellt. Die Redner aus Britisch-Indien und Niederländisch-Indien (heute Indonesien), die sich zu diesen Prämissen und zum Kolonialismus kritisch äußerten, wurden von anderen Teilnehmenden abgewiesen (vgl. International Labour Conference 1929a: 45 ff., 68 ff., 403 ff.). Der Klassifikationsprozess der Zwangsarbeit ist also zutiefst in imperialen Annahmen verankert, die zur Zwischenkriegszeit in der ILO vorherrschten. Zwangsarbeit wurde als Übergangsform zwischen Sklaverei und freier Arbeit verstanden, die zwar an sich nicht wünschenswert, jedoch für natives (unter der Voraussetzung eines gesetzlichen Rahmens) zumutbar wäre.

So wurde 1930 schließlich die Konvention Nr. 29 von der ILC verabschiedet. Die in Art. 2(1) enthaltene Definition von „Zwangs- bzw. Pflichtarbeit“ (forced or compulsory labour)[28] hat noch heute im internationalen Recht Geltung:

„all work or service which is exacted from any person under the menace of any penalty and for which the said person has not offered himself voluntarily.“

Obwohl die Diskussionen im NLC und auf der ILC vorwiegend Arbeitsbedingungen in den Kolonien im Blick hatten, wurde die Bestimmung allgemein gehalten und nicht speziell auf den kolonialen Kontext eingeschränkt (International Labour Conference 1930: 127 f.). Allerdings fand genau über diejenigen Artikel und Paragrafen eine kontroverse Diskussion statt, welche die Ausnahmen zum allgemeinen Verbot der Zwangsarbeit in den Kolonien regelten. Im Rahmen der Konvention sollten Grad und Bedingungen der Akzeptanz von kolonialen Zwangsarbeitsformen genauer festgelegt werden. Vor allem die Dauer der Beschäftigung und der Lohn sollten als Kriterien eingeführt werden, um die Grenze zwischen Sklaverei und akzeptabler Zwangsarbeit zu symbolisieren, zu markieren und zu untermauern (vgl. International Labour Conference 1929b: 267, 269). So verbot die Konvention zwar Zwangsarbeit für private Zwecke, für öffentliche Zwecke war sie jedoch in einer Übergangsphase weiterhin erlaubt. Zwangsarbeit wurde dadurch erst rechtlich kodiert, reguliert und legalisiert.[29] In der Praxis änderte sich nach der Verabschiedung der Konvention bis zur Dekolonisierung nur wenig für die Arbeitenden in den Kolonien (vgl. Cooper 2000; Tiquet 2019).

In den 1930er Jahren beschloss die ILO weitere Konventionen und Empfehlungen, die u. a. spezifische Regelungen für die Rekrutierung von „indigenous workers“[30] (Nr. 50, 1936) und deren Verträge (Nr. 64, 1939) vorsahen (Alcock 1971: 94 ff). Somit schuf sie einen getrennten rechtlichen Rahmen für die Kolonien, der von Luis Rodríguez-Piñero (2005: 32 ff.) als „Colonial Code“ bezeichnet worden ist. Im Gegensatz dazu wurden jene Konventionen, die sich mit den Arbeitsbedingungen in „industrialisierten“ Ländern beschäftigten, nicht weiter spezifiziert und zu allgemeinen, internationalen Standards erklärt – obwohl auch sie nur in bestimmten Teilen der Welt Anwendung fanden (Wobbe 2020: 150). Aus heutiger Sicht lässt sich sagen, dass die rechtliche Bestimmung der Zwangsarbeit durch die ILO der freien Lohnarbeit als Maßstab von Arbeit zur Durchsetzung verhalf (vgl. Ricciardi 2019: 570). Gleichzeitig signalisierte sie einen offiziellen Bruch mit der Sklaverei – ohne tatsächliche Arbeits- und Lebensrealitäten zu berücksichtigen.

Das Verhältnis von Sklaverei, Zwangsarbeit und Lohnarbeit lässt sich vergleichstheoretisch folgendermaßen zusammenfassen: Sklaverei wurde in der Zwischenkriegszeit von international agierenden Akteuren als „traditionelles“ Phänomen außereuropäischer Gesellschaften bewertet, dessen Abschaffung die europäischen Kolonialmächte im Kontext der Zivilisierungsmission und im Sinne der abolitionistischen Bewegung vorantreiben würden. Insofern wurde Sklaverei von der Zwangsarbeit, als Ausprägung kolonialer Arbeit, unterschieden. Mit der Zuordnung der Zwangsarbeit zum Referenzfeld Arbeit, wurde sie im Zuständigkeitsbereich der ILO platziert und zunehmend regulierungsbedürftig. Der Zwang der Kolonisierten zu Arbeitsleistungen für die Kolonialverwaltung und/oder Kolonialunternehmen wurde in dieser Zeit von manchen Akteuren (noch) als eine notwendige Vorstufe auf dem Weg zur angeblich freien Lohnarbeit gefördert, die als Vergleichskriterium diente. Die sozialen und ökonomischen Strukturen außereuropäischer Gesellschaften sollten sich laut Völkerbund und ILO im Zuge eines colonial development westlichen Institutionen wie Lohnarbeit, Privateigentum etc., die als Ausdruck eines höheren Freiheitsanspruchs im Westen stilisiert wurden, annähern (Maul 2007a). So wurde die Dichotomie frei/unfrei im emergierenden internationalen System reproduziert und mit der Idee der Zivilisierungsmission europäischer Imperien verbunden.

3.2 „You cannot call these forced labour“[31] – Die geschlechtliche Differenz in der Kategorisierung von Zwangsarbeit

Auffällig ist, dass diejenigen Frauen, welche als natives aus einem kolonialisierenden Blick heraus beobachtet wurden, geringe Beachtung in offiziellen Dokumenten der ILO zur Zwangsarbeit gefunden haben. Ihre Thematisierung im Zusammenhang mit kolonialer Zwangsarbeit findet in der Sekundärliteratur ebenfalls bislang kaum statt. Aus den wenigen neueren historischen Studien geht jedoch hervor, dass Frauen an den Arbeitsstätten kolonialer Projekte präsent waren und dort arbeiteten (Rodet 2014; Miers 2003; Seibert 2016: 200, 207). Daran anschließend geben die folgenden Überlegungen erste Anhaltspunkte für die Relevanz geschlechtlicher Differenzierung im Diskursfeld der Zwangsarbeit. Sie beleuchten und problematisieren die auf entlohnte Arbeit von Männern zentrierte Kategorisierung der Zwangsarbeit. Zugleich sollen sie zur methodologischen Reflexion anregen, denn die wissenssoziologische Erforschung der Zwangsarbeit von Frauen erfordert einen kreativen Umgang mit Archivbeständen von Kolonialverwaltungen und internationalen Organisationen, deren Leerstellen den Beobachtungsradius und die Blindflecken der Akteure widerspiegeln.[32]

In der Zwischenkriegszeit verfolgte die ILO in Bezug auf industriell-gewerbliche Arbeit in Europa die Linie eines frauenspezifischen Arbeitsschutzes, in welchem Frauen als schutzbedürftige Personengruppe adressiert wurden, die einer gesonderten Regulierung bedürfe (siehe dazu Boris et al. 2018: 18; Wobbe et al. 2019). In Art. 11(1) der Konvention Nr. 29 von 1930 werden die Personen, die zur Zwangsarbeit herangezogen werden dürfen, als männliche Erwachsene (ohne Behinderung) bestimmt.[33] Frauen und Kinder werden davon ausgenommen. Die ILO Empfehlung Nr. 36 zur Umsetzung der Konvention enthält die Vorgabe, wonach bei der Anwendung von Zwangsarbeit sichergestellt werden soll, dass dies „keinesfalls mittelbar zu ungesetzlicher Heranziehung von Frauen und Kindern zur Zwangs- oder Pflichtarbeit führt“ (ILO 1930b: III). Wie lässt sich diese Formulierung verstehen und was verrät sie über die Kategorisierung von Zwangsarbeit?

Das Office beschäftigte sich im Hinblick auf den rechtlichen Rahmen der Zwangsarbeit mit den Bedingungen von native labour und der Frage nach den „categories of natives liable to forced labour” (International Labour Office 1926: 28). Eine Ausnahme der Rekrutierung von Frauen bestand bereits in nicht-selbstverwalteten Gebieten.[34] Im Verlauf der Diskussionen zwischen Office und NLC fand eine Verständigung über die Bezeichnung von Arbeitstätigkeiten von Frauen im kolonialen Kontext der Zwangsarbeit statt. Erstens wurden Tätigkeiten, die von den Experten als alltägliche Aufgabe für die Gemeinde betrachtet wurden und die in einem beträchtlichen Ausmaß von Frauen und Kindern ausgeführt wurden, von der Definition der Zwangsarbeit ausgeklammert. Zweitens wurde über Frauen, die an der Arbeitsstätte kolonialer Projekte wie z. B. Straßenbau, Palmöl- und Baumwollanbau oder in den Arbeitsunterkünften als Köchinnen tätig waren, lediglich vermittelt als „Begleitpersonen“ ihrer Ehemänner gesprochen (Rodet 2014). Tatsächlich verließen viele Frauen und Kinder mit der Rekrutierung der Männer die Dörfer (Seibert 2016: 155). Schließlich waren an den kolonialen Baustellen eine Vielzahl von Praktiken anzutreffen: von freiwillig Beschäftigten, über Militär- und Verwaltungsrekruten bis hin zu „families of workers“ (Rodet 2014: 111), die zwar nicht offiziell rekrutiert worden waren, doch zur unverzichtbaren Erledigung der den Männern aufgezwungenen Arbeitslast beitrugen. So waren bei der (Zwangs-)Rekrutierung die familienangehörenden Frauen und Kinder oft mitgemeint, die zudem die Reproduktion der Arbeitskräfte, z. B. durch Zubereitung von Mahlzeiten, gewährleisten würden.[35] Office und NLC beschäftigten sich zwar mit unterschiedlichen Tätigkeiten von Frauen, bezeichneten diese allerdings nicht als Arbeit, sondern chiffrierten sie über Ehe, Familie und Privatsphäre.

Welche Tätigkeiten unter die Kategorie Zwangsarbeit fielen und welche nicht, wurde vom NLC 1927 präzisiert. Laut kolonialer Experten führten in Afrika vor allem Frauen und Kinder wichtige „local work“ aus.[36] Diese Arbeit umfasste Transport- und Wartungsarbeiten, Wasserversorgung und andere Aufgaben zur Aufrechterhaltung des Familien- und Gemeindelebens. Hierauf bezog sich Frederick Lugard, ehemaliger Gouverneur der britisch-nigerianischen Protektorate, in seinem Plädoyer, diese Tätigkeiten der Frauen ‚offiziell‘ nicht als Zwangsarbeit zu bezeichnen und zu regulieren:

„We are asked to agree that only adult males should be engaged on forced labour, but work of the kind to which I refer is done largely by women and children in the African village. […] You cannot call these forced labour.“[37]

Wie die Ausführungen Lugards verdeutlichen, war die Zuschreibung zu Zwangsarbeit nach geschlechtsspezifischen Gesichtspunkten strukturiert. In dieser Hinsicht stellen seine Äußerungen nicht nur Beschreibungen von Sachverhalten dar und Behauptungen auf: Sie enthalten – wie im letzten Satz – auch die Aufforderung, die lokale Arbeit von Frauen nicht als Zwangsarbeit zu verstehen. In diesem kommunikativen Kontext wurden die diskutierten Arbeiten somit vergeschlechtlicht und anschließend gesondert in verschlüsselter Form unter dem Label minor communal services (kleinere kommunale Dienste) (ILO 1930a) verbucht. Aus dem Bedeutungsfeld von Arbeit wurden sie ausgeklammert und durch die Etikettierung der kleinen Dienste als aufgezwungene Arbeit unsichtbar gemacht, denn sie seien mit Tätigkeiten von Männern unvergleichbar. Lugards appellative Rede verdeutlicht, dass bei den Experten das Wissen über die spezifischen Modi der erzwungenen Rekrutierung von Frauen im kolonialen Kontext vorhanden war. Dieses Wissen wurde im Einverständnis zwischen den Experten für ihr Manövrieren zwischen den Interessen der Kolonialmächte und den Ansprüchen der ILO – offiziell die Zwangsarbeit zu normieren – verwendet.

Im Interesse verschiedener Regierungsvertreter erschienen diese Dienste für die Gemeinde in der Konvention Nr. 29 zunächst ohne weitere Erläuterung. Allerdings erhielten sie den Zusatz „normal civic obligations“, wodurch sie zu einer üblichen Verpflichtung normalisiert wurden (siehe ILO 1930a: Art. 2(2); vgl. Zimmermann 2018: 234). Wo die Linie zwischen diesen Praktiken und solchen, die rechtlich als Zwangsarbeit galten, genau verlief, bestimmte die jeweilige lokale Kolonialverwaltung und lag somit in ihrem Ermessen.[38] Die damit geschaffene Grauzone sollte vom Personal der Kolonialverwaltung weiträumig interpretiert werden (vgl. Cooper 2000: 131, 135).

In diesem Zusammenhang ist die Perspektive der europäischen ILO Experten aufschlussreich. Sie beobachteten zwar die Arbeitspraktiken in der Kolonie dahingehend, dass neben den zur Zwangsarbeit rekrutierten Männern die Ehefrauen in denselben kolonialen Projekten arbeiteten, um das von der Kolonialverwaltung aufgezwungene Pensum erfüllen zu können. Entlang von Geschlechter- und Verwandtschaftslinien wurde mit der Arbeit der Frauen zur Ausführung der Zwangsarbeit somit gerechnet. Doch ihre Arbeitspraktiken wurden Gewohnheiten der natives zugeschrieben. Wie die Diskussionen im NLC zeigen, wurde diese Praxis in Kauf genommen und als „native customs“[39] verschlüsselt, an die die Frauen ‚gewöhnt seien‘.[40] Darüber hinaus offenbaren diese Diskussionen, dass und wie die Kooperation zwischen Kolonialverwaltung und lokalen Autoritäten verlaufen sollte, und dass das dem zugrunde liegende Wissen für die Aufrechterhaltung eines Verständnisses von Zwangsarbeit als entlohnte Arbeit männlicher Personen entscheidend war. So betonte Grimshaw, dass die Kolonialverwaltung durch die Konvention Nr. 29 das Recht erhielt, Männer zu öffentlichen Zwecken zur Zwangsarbeit zu rekrutieren – in dem Wissen darum, dass diese die Verpflichtung an Ehefrauen oder Kinder weitergeben könnten:

„It is not that I intend that all this local work should be done by males only. I know it is done in practice by the women and children. But there is a difference between that and between empowering the local authorities to exact it from the women and children. […] The local authority would not be able to say to the child: ‚you must do thisʻ. It must say to a man: ‚this must be done; either you do it yourself or your wife or your children do it; that is a matter of indifference to us; but it is you who are responsible for its being carried out.ʻ“[41]

Aus Grimshaws Formulierung wird zum einen die lokale Verständigung in der Kolonie über die ‚delegierte‘ Zwangsarbeit von Kindern und Frauen deutlich. Dabei verweist er auf die Kommunikation zwischen den Beamten der Kolonialverwaltung und den lokalen Autoritäten, in deren Verantwortung es gelegt wurde, die Durchführung der aufgezwungenen Arbeitslast an die erwachsenen männlichen Einwohner weiterzugeben, d. h. die Zuständigkeit an diese zu externalisieren. Schließlich besteht Grimshaws Aufforderung an die Experten darin, sich gegenüber diesen Praktiken – trotz des gemeinsamen Wissens darum – indifferent zu verhalten.

Wie die Historikerin Marie Rodet unterstreicht, waren solcherart Praktiken und die Sprachregelung über sog. Abhängige (dependents) in familialen und dörflichen Sozialzusammenhängen bei internationalen Experten und Kolonialbeamten verbreitet. ILO Experten übersahen die erzwungenen Arbeitstätigkeiten von Frauen und Kindern, solange diese praktisch entlang der Machtdifferenz zwischen den Geschlechtern im kolonialen Kontext – weit weg von Genf – erfolgten und weder offiziell kommuniziert noch in rechtlichen Normierungen formalisiert wurden. Insofern wurden die zur Zwangsarbeit rekrutierten Männer gleichzeitig als Ehemann und Familienoberhaupt innerhalb der Dorf- und Familienstrukturen adressiert, so dass die ‚Erledigung’ von Zwangsarbeit an die „abhängigen“ Frauen und Kinder weitergegeben werden konnte.

Diese von Rodet beleuchtete Sprachregelung der Experten über Abhängige und die Externalisierung von Verantwortung und Zuständigkeit zieht sich durch die Beratungen der ILO. So auch in der Debatte des NLC, die zur Regulierung der in der Konvention normierten Zwangsarbeit durch eine Empfehlung der ILO stattfand. Die Vorschläge bewegten sich zwischen dem ‚Schutz‘ der Frauen und Kinder auf der einen Seite und der Charakterisierung der Pflichtarbeit von Frauen als „native customs“[42] auf der anderen Seite.[43] In einem Bericht, der allen Mitgliedern der ILC 1929 zur Verfügung stand, schilderte das Office die Praktiken hinter dem Begriff native customs: „the work exacted is of a light nature, and perhaps also in other cases, the male adult will be assisted in his work by his family, possibly acting under his compulsion“. Dies falle eigentlich in die Zuständigkeit der kolonialen Behörde, doch sei „also clear that the authorities themselves should not be directly responsible for the compulsory labour of women and children, and should confine their exactions to adult able-bodied men” (International Labour Conference 1929b: 283).

Nach Zustimmung der Regierungen wurde in die (nicht-bindende) Empfehlung Nr. 36 eingefügt, dass „alle möglichen Maßnahmen ergriffen werden, um sicherzustellen, daß die Auferlegung solcher Arbeit keinesfalls mittelbar zu ungesetzlicher Heranziehung von Frauen und Kindern zur Zwangs- oder Pflichtarbeit führt“ (ILO 1930b: III). Offiziell sollte eine indirekte Rekrutierung von Frauen und Kindern zur Zwangsarbeit verhindert werden (ebd.). Tatsächlich fand aber diese Praxis statt. Trotz Kenntnissen darüber sahen die ILO Experten im Einverständnis miteinander jedoch darüber hinweg und verhielten sich indifferent.

Die Vorgabe in der Empfehlung konnte sich für die Legitimierung der tatsächlichen Zwangsrekrutierung von Frauen für die koloniale Wirtschaft als funktional erweisen. Zugleich wurden die Arbeitstätigkeiten der Frauen in den kolonialen Projekten durch die Chiffrierung ‚Begleitung der Männer‘ unsichtbar gemacht (siehe z. B. International Labour Office 1926: 28). Kolonialbeamte waren vorsichtig, welches Vokabular sie in offiziellen Dokumenten gebrauchten (Rodet 2014: 111; vgl. Keese 2014). So analysiert Rodet, wie auch in Berichten kolonialer Arbeitsinspektoren (und einer Inspektorin) von „begleitenden Ehefrauen und Töchtern“ (Rodet 2014: 112) gesprochen wurde, um geltendes Recht einzuhalten. Auf diese Weise fanden gezielte Auslassungen statt, sodass sich in vielen kolonialen Archiven nur indirekte Spuren der Arbeit von Frauen finden lassen. Sie spricht bei den kolonialen Quellen daher von „a masculinist representation of labor“ (ebd.: 111).[44]

Schließlich führte die geschlechtsdifferenzierende Klassifizierung die Unterscheidung zwischen einer sog. traditionellen, gemeindebezogenen, privaten Sphäre und der sog. öffentlichen Sphäre der Arbeit ein. Diese Abgrenzung erfolgte vor dem Hintergrund der sich um 1900 in Europa und Nordamerika durchsetzenden sozio-kulturellen Tendenz, die öffentlich, marktbezogene Lohnarbeit von privat, häuslichen Tätigkeiten zu differenzieren und letztere als Nicht-Arbeit abzuwerten (vgl. Bock & Duden 1977; Folbre 1991; Wobbe 2012, 2021).

3.3 Ergebnisse der empirischen Analyse

Wie die empirische Analyse zeigt, ist die Kategorie Zwangsarbeit das Ergebnis von ambivalenten und kontingenten Klassifizierungs- und Vergleichsprozessen während der 1920er Jahre. Diese fanden in einer internationalen Beobachtungsordnung statt, die an imperialen und internationalen Gesichtspunkten sowie geschlechtsspezifischen Unterscheidungen von Arbeitsformen und -praktiken ausgerichtet war. In diesem Kontext unterschieden die Experten des Völkerbunds und der ILO das Phänomen erzwungener und gewaltsamer Arbeitsformen einerseits von der Sklaverei, die aus ihrer Sicht nur noch unter natives verbreitet sei; sie betrachteten Zwangsarbeit andererseits als eine Ausformung von native labour an dem Vergleichskriterium industriell-gewerblicher Lohnarbeit.

Die Kategorisierung von Zwangsarbeit war in einen weiterreichenden – seit dem 19. Jahrhundert im europäischen Kontext – aufgekommenen Diskurs über freie und nicht-freie Arbeit eingebettet (vgl. Petersson 2005). Bisherige Studien stellen die Kategorie der Zwangsarbeit zwar in den kolonialen Kontext, ohne freilich die Differenzierungsprozesse und ihre sozio-kulturellen Dimensionen zu beleuchten (vgl. aber Rodet 2014; Zimmermann 2018). Mit der wissenssoziologischen Analyse können wir zeigen, dass die explizite Unterscheidung von colonial, native, forced/compulsory gegenüber der industriell-gewerblichen (Lohn-)Arbeit im Klassifikationsprozess allererst erzeugt und durch die rechtliche Institutionalisierung abgestützt wurde. Erst aus dieser Perspektive lässt sich die Bedeutung der Konvention Nr. 29 im Spiegel kolonialer und geschlechtlicher Dimensionen erschließen.

Die koloniale Dimension beruhte auf der bereits älteren relationalen Opposition von Kolonie und Metropole. Diese wurde erstmals im Hinblick auf Arbeit spezifiziert, indem erzwungene und gewaltsame Formen der Arbeit auf die Kolonie begrenzt und als eine Ausformung von native labour betrachtet wurden. Dieses Verständnis schlägt sich auch in der Konvention Nr. 29 nieder. Der Eingangsartikel führt Zwangsarbeit in allgemeinen Termini ein und sanktioniert sie. Die anschließenden Ausnahmen legen verschiedene erzwungene Arbeitspraktiken als spezifische Ausprägungen von native labour fest. Wie sich an den Kriterien der administrativen Überwachung, der Umsetzung und Regulierung von legitimer Zwangsarbeit nachzeichnen lässt (Art. 3–24), boten sich durchaus Verständigungsmöglichkeiten zwischen männlichen Kolonialbeamten und lokalen Autoritäten zur Ausführung bestimmter Arbeiten an.

Aus diesem Zusammenhang wird die patriarchalische und die Geschlechterdimension der Kategorisierung von Zwangsarbeit deutlich. Die erzwungenen Arbeitstätigkeiten von Frauen wurden in der Konvention implizit unter kommunalen Aufgaben aufgeführt. Darin bleibt zum einen die ‚Weitergabe‘ der den Männern aufgezwungenen Arbeitslast an die Frauen unbenannt, zum anderen bleiben die verschiedenen Arbeitspraktiken von Frauen in kolonialen Projekten sowie die Zusammenarbeit von Kindern, Frauen und Männern an diesen Arbeitsstellen unsichtbar. Wie sich aus den Verhandlungen rekonstruieren lässt, geschah dies praktisch im Einverständnis zwischen den internationalen Experten. Ihre kolonialen und geschlechtlichen Zuschreibungen beruhten insgesamt auf dem paternalistischen Blick, in dem Arbeitende in den Kolonien schon von der TSC als „children to be protected“ betrachtet wurden (Miers 2003: 115).

Die Ergebnisse der empirischen Analyse weisen auf die geschlechtliche Imprägnierung des ILO Konzepts der Zwangsarbeit hin, die – bis auf wenige Ausnahmen in neueren Studien – bislang weitgehend unbemerkt geblieben ist. Unreflektiert bleibt damit nicht nur die geschlechtliche Dimension der Kategorie Zwangsarbeit. Unreflektiert bleiben ebenfalls die geschlechtsspezifisch geprägten Annahmen in dem europäischen Verständnis der Arbeit als freie Arbeit, die seit dem 19. Jahrhundert auf männliche Personen zentriert waren. Darin eingeschlossen ist ein Verständnis der Arbeit von Frauen als wirtschaftlich nebensächliche, bestenfalls ‚zusätzliche‘, insbesondere häusliche Angelegenheit. Eine Auseinandersetzung mit diesen Konzepten freier und unfreier Arbeit sowie mit ihrer kulturellen Einbettung in die europäische Moderne steht noch aus.

4 Diskussion der Ergebnisse – Deutungsmodelle von Arbeit

In diesem Beitrag haben wir aus wissenssoziologischer Perspektive gefragt, welche Deutungsmodelle von Arbeit sich aus den Auseinandersetzungen über freie und unfreie Arbeitsformen erschließen lassen. Wie die Ergebnisse der empirischen Analyse (3.3) zeigen, waren die Klassifikations- und Vergleichsprozesse der Zwangsarbeit durch die Differenz und Hierarchisierung zwischen Metropole und Kolonie sowie geschlechtliche Differenzierung bestimmt. Die binäre Opposition der semantischen Selbstbeschreibung der Kolonialmächte wurde im Programm der Zivilisierungsmission manifest: Sie war auf einer zeitlichen Achse (vorher/nachher) sowie in einer sozialen Dimension (selbstständig/unselbständig; selbstverwaltet/fremd-verwaltet) dichotomisch als Hierarchie strukturiert. Vor diesem Hintergrund diskutieren wir die Ergebnisse im weitreichenden Zusammenhang der Zivilisierungsmission, in deren kulturellen Rahmen die europäische Selbstbeschreibung von Arbeit im 19. Jahrhundert eingebettet war (vgl. Barth & Osterhammel 2005; Petersson 2005). Erst im Rückbezug hierauf lassen sich die Deutungsmodelle erklären, die im Begriffsfeld der Kategorisierung von Zwangsarbeit relevant sind, und auch die unausgesprochenen, doch stets mitschwingenden Annahmen. Hierfür schließen wir an den theoretischen Bezugsrahmen der Interrelation von Sklaverei und Freiheit (Patterson 1991) und die historische Wissenssoziologie sozialwissenschaftlicher Begriffe an (Somers 1999).

Wie alle Gegenbegriffe enthält auch der exklusiv verwendete Begriff der Zivilisierung ein Gegenüber, aus dem er allererst Sinn und Bedeutung erhält: Das nicht-Zivilisierte, das Wilde und ungeformte Andere, das es zu zivilisieren gilt. Die Bauweise dieser Unterscheidung bildet eine asymmetrische Begriffsbildung (Koselleck 1979), die als binäre Opposition bzw. relationale Opposition funktioniert (Somers 1999; Somers & Gibson 1994). Der Begriff der Mission verweist auf die christlich bestimmte Bedeutungsdimension, diesen Auftrag zu verbreiten.[45]

Das herausragende Charakteristikum des modernen, europäischen Kolonialismus sehen Jürgen Osterhammel und Jan C. Jansen (2021: 21) nicht nur in einem strukturell beschreibbaren Herrschaftsverhältnis, vielmehr baue der Kolonialismus „zugleich auf eine besondere Interpretation dieses Verhältnisses“ (ebd.) auf. Nur der moderne, europäische Kolonialismus habe diese Herrschaftsform mit einem ideologischen Programm versehen und spezifiziert. Hier habe „ethnozentrischer Hochmut die Form umfassender Missionierungsprogramme“ angenommen, die sich kategorisierend, hierarchisierend und ausgrenzend auswirkten (ebd.).

Der Anspruch der europäischen Höherwertigkeit, die Anderen zu zivilisieren, wurde im neuen standard of civilization manifest. In einem normativen Geflecht von Privateigentum, freiem Markt und freiem Vertrag zusammen mit der erfolgreichen (Selbst-)Zivilisierung freier Personen wurde die moralische Autorität und die ökonomische Überlegenheit Europas repräsentiert.

Eng gekoppelt an diesen Superioritätsanspruch war der Diskurs über die Sklaverei, die Überlegenheit freier gegenüber unfreier Arbeit und schließlich die Anti-Sklaverei-Bewegung. Obwohl in diesen Diskurs verschiedene Stränge einflossen, beruhten sie auf einer Gemeinsamkeit, nämlich auf dem „contrast of free labor with slavery and serfdom“ (Engerman 1999: 10). Gestützt auf Pattersons Soziologie der Freiheit und Sklaverei lässt sich diese Gemeinsamkeit als eine Aktualisierung des in der europäischen Antike geschaffenen Freiheitsverständnisses analysieren. Der fundamentale Gegensatz von Sklaverei und europäischer Kultur der Freiheit in Form der Zivilisierung gewann im 19. Jahrhundert eine besondere Schubkraft (Drescher 2017: 397, 2009). Vor diesem Horizont wird die anhaltende Wirkmächtigkeit dieser kulturellen Orientierung in Völkerbund und ILO verständlich. Darin ist das Konzept von freier (voluntary) Arbeit als Deutungsmodell der spezifisch europäischen Entwicklungsstufe eingebettet (Petersson 2005).

Die Durschlagkraft des Deutungsmodells freier Arbeit ist erst zu erklären, wenn wir das Recht und die Ökonomie als zwei Instrumente einbeziehen, die als „gentle civiliser of nations“ (Koskenniemi 2004 [2001]) die Zivilisierungsmission erfolgreich umsetzten und befestigten. Das Recht schafft Märkte, die ihre eigene besondere Regulierung benötigen, und Märkte wurden als natürlicher Mechanismus der Zivilisierung und des Wachstums angesehen (vgl. Osterhammel 2006). Um die Welt nach diesem europäischen Vorbild zu verbessern, war die Abschaffung von als Traditionen konstruierten Praktiken erforderlich, die diesem Programm im Wege standen.

Wie die Ergebnisse der empirischen Analyse zeigen, wurde die Zwangsarbeit in den Kolonien als eine Ausprägung kolonialer Arbeitspraktiken bestimmt, die solcherart Hürden darstellten, und die stattdessen an die Lohnarbeit, das Privateigentum und die Monetarisierung angeschlossen werden sollten. Die geschlechtliche Dimension der Kategorisierung von Zwangsarbeit stand somit auch im Kontext der europäischen „Ordnung der Geschlechter“ (Honegger 1991) als Zivilisierung. Insofern stellt die Zivilisierungsmission eine generalisierte Hintergrunderwartung an die Kategorisierung der Zwangsarbeit dar.

Der Beitrag gelangt zu einem Deutungsmodell von Arbeit als freier Arbeit, das zutiefst in die koloniale Struktur verstrickt war. Daraus entstand Mitte des 20. Jahrhunderts auf der rechtlichen Ebene das Verständnis der gewerblich-industriellen freien Loharbeit als ein internationaler Standard.

Diese Ergebnisse lassen sich produktiv mit der historischen Wissenssoziologie sozialwissenschaftlicher Begriffe verbinden (Somers 1999; Somers & Gibson 1994). Die Diskussion der Experten in der ILO verweist auf die Historizität ihres Kategorisierungsprozesses. Wie ihre Auseinandersetzung über die Arbeit von Frauen in der Kolonie zeigen, verfügten sie über das Wissen, durch welche Praktiken die Frauen zur Arbeit veranlasst werden konnten. Die Frauen sollten diese Praxis (customs) hinnehmen. Das Wissen darüber wurde im Einverständnis zwischen den Experten verschlüsselt, gleichzeitig war die Ächtung der Zwangsarbeit als Verbesserung der Welt für die ILO zu verbuchen. Dieses Ergebnis war kontingent: es war nicht zwingend und hätte auch anders aussehen können. Die Grenzziehung zwischen Sklaverei und Zwangsarbeit ist ebenfalls das Resultat von Aushandlungsprozessen im Rahmen der TSC. Kategorisierung und Vergleich bildeten somit keineswegs neutrale Operationen. Sie basierten vielmehr auf Bewertungen, die in die relationale Opposition von Metropole und Kolonie eingebettet waren.

Der heuristische Gewinn der wissenssoziologischen Perspektive liegt darin, die besondere, historisch situierte Wissenskultur freizulegen, in der die Kategorisierungsprozesse verankert waren. Hiermit lässt sich darlegen, wie bestimmte Konzepte (Arbeit und Zwangsarbeit) überhaupt als Kandidaten für Wahrheitsansprüche in Betracht gezogen werden konnten, welche Annahmen ihnen zugrunde lagen (Freiheit und Sklaverei) und durch welches kulturelle Schema (Zivilisierungsmission) sie übertragen wurden. Mit anderen Worten: Es ist erforderlich, ihre Entstehung, Umstrittenheit und Resonanz über die Zeit zu rekonstruieren, um zu verstehen, wie Konzepte ihre Währung und Legitimität gewinnen und unter bestimmten Bedingungen sogar überdauern (Somers 1999).

Der Aufsatz bietet einen Ausgangspunkt, um nach der Bedeutung dieser untersuchten Wissenskultur für die Herausbildung soziologischer Begriffe wie Differenzierung, Geschlecht, Gesellschaft, Rationalisierung und ihrer Konzeptualisierung von Arbeit zu fragen. Zum Teil hatten sie die Merkmale von Gegenbegriffen, sie waren auf einer zeitlichen Achse und in einer sozialen Dimension dichotomisch strukturiert – wie z. B. freie und unfreie Arbeit. Dieser Beitrag untersucht zunächst die Möglichkeitsbedingungen, unter denen die Kategorisierung von Zwangsarbeit ein spezifisches Deutungsmodell von Arbeit international normierte, und zeigt die kulturellen Rahmen auf, um diese Prozesse verstehen und erklären zu können. Hiermit möchten wir im reflexiven Rückgriff auf die Wissenskultur im frühen 20. Jahrhundert einen Zugriff auf die Erforschung von Begriffsfeldern wie Sklaverei, Freiheit, Arbeit, Markt, Geschlecht bieten. Wir hoffen, mit diesem Aufsatz zu einer Dezentrierung und Deessentialisierung dieser Begriffe und ihrer Horizontverschiebung beizutragen.


Anmerkung

Dieser Beitrag beruht auf dem von der DFG geförderten Projekt „Der globale Wandel der Kategorie ‚Zwangsarbeit‘“ (Freie Universität Berlin/Universität Potsdam). Für die ausführlichen und hilfreichen Kommentare danken wir den zwei anonymen Gutachterinnen bzw. Gutachtern sowie dem Herausgeberkreis der Zeitschrift für Soziologie. Wir danken den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des internationalen Workshops „Terms of Work – Shifting Boundaries of ‚Free‘ and ‚Un-free‘ Work“ (FU Berlin, 21.07.2021–23.07.2021) für ihre theoretischen und methodologischen Impulse. Ebenfalls möchten wir Ulrike Davy und Julia Burova für ihre unverzichtbaren Hinweise aus der Perspektive des internationalen Rechts danken, sowie Theresa Feißt und Raffaela Pfaff für ihre Unterstützung bei der Recherche, beim Lektorat und in den Projektdiskussionen. Für die Unterstützung und Orientierung im Archiv der ILO möchte sich Léa Renard bei Jacques Rodriguez und Remo Becci bedanken. Theresa Wobbe dankt Gerdien Jonker für die klarsichtigen Kommentare und Sigrid Wadauer für ihre nachdrücklichen Hinweise.


About the authors

Theresa Wobbe

Theresa Wobbe, Prof. em., Historikerin und Soziologin, geb. 1952 in Borken/Westf. Promotion und Habilitation in Soziologie Freie Universität Berlin. DAAD Prof. Duke University/NC, 1996. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, 1998–2000. Professorin für Soziologie und Geschlechtersoziologie Universität Erfurt, 2000–2009. Professorin für Geschlechtersoziologie Universität Potsdam, 2009–2017. Forschungsschwerpunkte: Historische Wissenssoziologie sozialwissenschaftlicher Begriffsbildung; historische Soziologie der Geschlechter-Arrangements; Klassifikationssoziologie; Globalisierung und Weltgesellschaft. Aktuelle Publikation: Free Versus Unfree Labor. Challenging Their Boundaries. S. 105–118 in: L. Herzog & B. Zimmermann (Hrsg.), Shifting Categories of Work. Unsettling the Ways We Think about Jobs, Labor, and Activities. New York: Routledge 2022 (mit L. Renard).

Léa Renard

Léa Renard, geb. 1991 in Valence, Frankreich. Studium der Politikwissenschaft und Soziologie in Grenoble. Promotion in Potsdam und Grenoble. 2016–2017 wiss. Mitarbeiterin Universität Potsdam, 2020–2022 Freie Universität Berlin; seit 2023 wiss. Mitarbeiterin (Post-Doc) Max-Weber-Institut für Soziologie, Universität Heidelberg. Forschungsschwerpunkte: Historische Soziologie, Wissenssoziologie. Wichtige Publikationen: Vergleichsverbot? Bevölkerungsstatistiken und die Frage der Vergleichbarkeit in den deutschen Kolonien (1885–1914). Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 2021, 73: 169–194; (Hrsg.), Categories in Context. Gender and Work in France and Germany, 1900-Present. New York 2019 (mit I. Berrebi-Hoffmann, O. Giraud, T. Wobbe); The Category of ‘Family Workers’ in International Labour Organization Statistics (1930s–1980s): A Contribution to the Study of Globalized Gendered Boundaries between Household and Market. Journal of Global History 2017: 340–360 (mit T. Wobbe).

Nicola Schalkowski

Nicola Schalkowski, geb. 1991 in Hamburg, Deutschland. Studium der Soziologie in Hamburg und Berlin. Seit 2020 wissenschaftliche Mitarbeiterin (Prae-Doc) an der Freien Universität Berlin. Forschungsschwerpunkte: Wissenssoziologie, häusliche Dienstbarkeit in historischer Perspektive, soziale und räumliche Organisierung von Haushaltsarbeit, feministische Arbeitssoziologie, gewerkschaftliche Organisierung. Aktuelle Publikation: Informal Work. A Relational Category. S. 119–133 in: L. Herzog & B. Zimmermann (Hrsg.), Shifting Categories of Work. Unsettling the Ways We Think about Jobs, Labor, and Activities, New York: Routledge 2022 (mit M. Braig).

Marianne Braig

Marianne Braig, geb. 1953 in Kirchheim am Neckar. Studium der Soziologie und Volkswirtschaft an der Freien Universität Berlin (FUB) und der Politik- und Geschichtswissenschaft an der Universidad Nacional Autónoma de México. Promotion und Habilitation in Soziologie an der FUB. 1997–2002 Professorin für Politikwissenschaft an der Goethe-Universität Frankfurt. Seit 2002 Universitätsprofessorin am Lateinamerika-Institut der FUB mit Schwerpunkt Politik Lateinamerika. Forschungsschwerpunkte: Transregionale und globale Verflechtungen und Ungleichheiten, Transformation und Entwicklung in verschiedenen Ländern Lateinamerikas, politische Kultur und Staatlichkeit, Fragen der geschlechtsspezifischen Segmentierung von Arbeitsmärkten und ihrer politischen Einbettungen in Lateinamerika. Aktuelle Publikation: Las Voces del Centro Histórico. La Lucha por el Espacio en la Ciudad de México. Mexiko: Colegio de México 2022 (mit C. Alba Vega).

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Dokumentenverzeichnis

Veröffentlichte Quellen

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League of Nations, 1926: Convention to Suppress the Slave Trade and Slavery, adopted 25 September 1926 (entered into force 9 March 1927).
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Unveröffentlichte Quellen

Archiv der ILO (Genf): Akten L27/4/1, N206/2/01, N206/2/01/1, N206/2/0/7/1, N206/2/1/5, N206/2/2/1.
Archiv des Völkerbunds (Genf, digital): Akten R29bis/1/5322/5322, R66/1/44564/23252, R71/1/37137/34440, R71/1/37141/34440, R72/1/45241/34440.
Published Online: 2023-06-02
Published in Print: 2023-06-02

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

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