Who Writes Criminal Laws? Actors, Values, and Institutions in Criminal Law-Making / Wer schreibt das Strafrecht? Akteure, Werte und Institutionen der Strafrechts-gesetzbegung
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Andrew Hammel
Abstract
The responses of the U.S. and Europe to increased crime from the 1960s to the 1990s differed starkly: the U.S. enacted a punitive agenda, while penal polity and incarceration rates in Western (and Eastern) Europe remained generally stable. To explain this divergence, many commentators invoke cultural or historical factors such as America’s ‘frontier mentality” or Calvinist religious heritage. This article proposes another focus: differing cultures of criminal law-making. During the Enlightenment, a pattern of expert control over penal law emerged in most European nation-states. The pattern still holds - even today, major changes to penal polity are still entrusted to groups of elite professors, jurists and senior civil servants, who create coherent codes covering the entire national territory. In the United States, no tradition of expert control took hold. Criminal law is made at the state level, there is little emphasis on logical code-drafting and shifting local majorities can pass new criminal laws almost at will This structural difference in who writes criminal laws has far-reaching effects not only on the how crime is defined, but on other factors such as public expectations of the criminal justice system and the values penal legislation is thought to express.
Zusammenfassung
Die Reaktionen der USA und Europas auf einen Anstieg der Kriminalität von den 1960er bis in die 1990er Jahre hinein unterschieden sich extrem: Die USA verordneten ein hartes Strafprogramm, nährend Strafverfolgungspolitik und Inhaftierungsraten in West- und Osteuropa stabil blieben. Um diese Divergenz zu erklären, greifen viele Kommentatoren auf kulturelle oder historische Faktoren zurück, nie etwa die amerikanische „frontier mentality“ oder das religiöse Erbe des Calvinismus. Dieser Artikel setzt einen anderen Fokus: die unterschiedlichen Kulturen der Strafrechtssetzung. Im Zeitalter der Aufklärung entstand in den meisten europäischen Staaten ein Muster, nach dem die Kontrolle über das Strafrecht in den Händen von Experten ruhte. Daran hat sich nichts geändert - selbst heute werden größere Änderungen in der Strafverfolgung elitären Gruppen aus Professoren, Juristen und hohen Beamten anvertraut, welche schlüssige Gesetze für das gesamte Staatsgebiet entwerfen. In den Vereinigten Staaten konnte sich eine ähnliche Tradition nicht etablieren. Strafrecht wird auf bundesstaatlicher Ebene geschaffen, bei Gesetzentwürfen spielt die Logik eine untergeordnete Rolle und wechselnde lokale Mehrheiten können beinahe beliebig neue Strafgesetze erlassen. Dieser strukturelle Unterschied in Entwurf und Entstehung von Strafgesetzen hat nicht nur weitreichende Folgen für die Definition von Kriminalität. Betroffen sind auch andere Faktoren wie etwa die Erwartungen der Öffentlichkeit an das Strafjustizsystem und der Wertekanon, welchen die Strafgesetzgebung widerspiegeln soll.
© 2014 by Lucius & Lucius, Stuttgart
Artikel in diesem Heft
- Inhalt
- Einleitung
- Vorwort
- Strafrecht und Soziologie. Einleitung zum Themenschwerpunkt / Penal law and sociology. Introduction to the special issue
- Die Ordnung des Rechts – zwischen Erwartung und Enttäuschung. Zum Verwandtschaftsverhältnis von law und order / The order of law - between expectation and disappointment. On the relationship of concepts of law and ideas of order
- Genese von Strafgesetzen
- Die Normgenese des Unternehmensstrafrechts. Eine Fallstudie anhand des österreichischen Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) / The law-making process of corporate criminal liability. A case study on the basis of the Austrian corporate responsibility act
- Who Writes Criminal Laws? Actors, Values, and Institutions in Criminal Law-Making / Wer schreibt das Strafrecht? Akteure, Werte und Institutionen der Strafrechts-gesetzbegung
- The End of Impunity? Global Law-Making and Atrocity Crimes / Den Kreislauf der Straflosigkeit durchbrechen: Internationales Strafrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- Die Reichsstrafprozessordnung (1879) zwischen Wahrheitsanspruch und Bürgerrechten - oder: was ändert ein Gesetz an der Rechtspraxis? / The Code of Criminal Procedure (RStPO, 1879) between the rule of law and the search for truth - or: What difference does a bill really make in the courtroom?
- Die Renaissance des repressiven Strafrechts / The Renaissance of repressive criminal law
- Die Feminissierug des Opfers als diskursive Strategie im Kampf um Opferrechte. Eine wissenssoziologisch-diskursanalytische Annäherung an den Prozess der Rechtsentstehung am Beispiel der Opferrechte im österreichischen Strafprozessreformgesetz / The feminisation of the victim as a discursive strategy in the struggle for victims’ rights. Outline of a discourse analytical approach to the process of lawmaking, exemplified by the victims’ rights in the new Penal Procedure Code in Austria
- Wirkung und Durchsetzung von Strafgesetzen
- From Taboo to Illegality: The Ritual Rehab of Child Sex Molesters in Berlin / Vom Tabu zur Illegalität: Die rituelle Rehabilitation von Kindesmissbrauchern in Berlin
- Protokolle von Vernehmungen im Vergleich und Rezeptionswirkungen in Strafverfahren / Records of investigative interviews in comparison and reception-oriented impacts in criminal procedures
- „Vergebliche Gesetzgebung“. Die Reform des Sexualstrafrechts 1997/1998 als Jahrhundertprojekt und ihr Scheitern in und an der sogenannten Rechtswirklichkeit / ,Futile legislation’. How the legislative reforms of sexual offences in 1997–1998 became a centennial project and failed in and due to legal reality
- Das narrative Potential von Strafverfahren. Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Jugoslawien-Tribunal / The Narrative Potential of Criminal Trials
- Diskussionen
- Zunahme der Punitivität? Überlegungen zu einer alternativen Erklärung neuerer Strafrechtsentwicklungen / Increase in punitiveness? Reflections on an alternative explanation of recent developments in criminal law
- Sieben Thesen zu Entwicklung und Gestalt des Strafrechts / Seven topics concerning development and form of criminal law
- Rezensionen
- Nachruf
- Autorinnen und Autoren des Nachrufs und der Rezensionen
- Richtlinien für Autorinnen und Autoren
Artikel in diesem Heft
- Inhalt
- Einleitung
- Vorwort
- Strafrecht und Soziologie. Einleitung zum Themenschwerpunkt / Penal law and sociology. Introduction to the special issue
- Die Ordnung des Rechts – zwischen Erwartung und Enttäuschung. Zum Verwandtschaftsverhältnis von law und order / The order of law - between expectation and disappointment. On the relationship of concepts of law and ideas of order
- Genese von Strafgesetzen
- Die Normgenese des Unternehmensstrafrechts. Eine Fallstudie anhand des österreichischen Verbandsverantwortlichkeitsgesetzes (VbVG) / The law-making process of corporate criminal liability. A case study on the basis of the Austrian corporate responsibility act
- Who Writes Criminal Laws? Actors, Values, and Institutions in Criminal Law-Making / Wer schreibt das Strafrecht? Akteure, Werte und Institutionen der Strafrechts-gesetzbegung
- The End of Impunity? Global Law-Making and Atrocity Crimes / Den Kreislauf der Straflosigkeit durchbrechen: Internationales Strafrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
- Die Reichsstrafprozessordnung (1879) zwischen Wahrheitsanspruch und Bürgerrechten - oder: was ändert ein Gesetz an der Rechtspraxis? / The Code of Criminal Procedure (RStPO, 1879) between the rule of law and the search for truth - or: What difference does a bill really make in the courtroom?
- Die Renaissance des repressiven Strafrechts / The Renaissance of repressive criminal law
- Die Feminissierug des Opfers als diskursive Strategie im Kampf um Opferrechte. Eine wissenssoziologisch-diskursanalytische Annäherung an den Prozess der Rechtsentstehung am Beispiel der Opferrechte im österreichischen Strafprozessreformgesetz / The feminisation of the victim as a discursive strategy in the struggle for victims’ rights. Outline of a discourse analytical approach to the process of lawmaking, exemplified by the victims’ rights in the new Penal Procedure Code in Austria
- Wirkung und Durchsetzung von Strafgesetzen
- From Taboo to Illegality: The Ritual Rehab of Child Sex Molesters in Berlin / Vom Tabu zur Illegalität: Die rituelle Rehabilitation von Kindesmissbrauchern in Berlin
- Protokolle von Vernehmungen im Vergleich und Rezeptionswirkungen in Strafverfahren / Records of investigative interviews in comparison and reception-oriented impacts in criminal procedures
- „Vergebliche Gesetzgebung“. Die Reform des Sexualstrafrechts 1997/1998 als Jahrhundertprojekt und ihr Scheitern in und an der sogenannten Rechtswirklichkeit / ,Futile legislation’. How the legislative reforms of sexual offences in 1997–1998 became a centennial project and failed in and due to legal reality
- Das narrative Potential von Strafverfahren. Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Jugoslawien-Tribunal / The Narrative Potential of Criminal Trials
- Diskussionen
- Zunahme der Punitivität? Überlegungen zu einer alternativen Erklärung neuerer Strafrechtsentwicklungen / Increase in punitiveness? Reflections on an alternative explanation of recent developments in criminal law
- Sieben Thesen zu Entwicklung und Gestalt des Strafrechts / Seven topics concerning development and form of criminal law
- Rezensionen
- Nachruf
- Autorinnen und Autoren des Nachrufs und der Rezensionen
- Richtlinien für Autorinnen und Autoren