The End of Impunity? Global Law-Making and Atrocity Crimes / Den Kreislauf der Straflosigkeit durchbrechen: Internationales Strafrecht und Verbrechen gegen die Menschlichkeit
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Susanne Karstedt
Abstract
There was nothing inevitable about the amazing development of international criminal law and justice institutions since the 1990s, and neither about the proliferation of international and domestic procedures to end impunity for gross human rights violations and international crimes, in particular atrocity crimes. As socio-legal researchers engaged with the processes of global lawmaking in the arena of international criminal justice, thy found “recursive” cycles of lawmaking (Halliday 2009), which involved transnational and domestic politics and actors, and were driven by mechanisms resulting from structural characteristics of the global sphere, and the very nature of international law itself The article explores this development through the lens of three “constitutional moments ” and the diagnostic struggles and contestation of the legal and political concept of genocide. Finally it analyses the emerging power of international criminal law through the processes of commitment and compliance, deterrence and expressivism. In a surprising analogy to E.P. Thompson’s study of lawmaking in 18th centuy Britain, the self-binding power of law emerges as a decisive factor in international criminal lawmaking.
Zusammenfassung
Niemand hat die erstaunliche Entwicklung voraussehen können, die das internationale Strafrecht und seine Institutionen seit 1990 genommen haben. Ebenso wenig gab es zu dem Zeitpunkt überzeugende Anzeichen für die dann einsetzende globale Entwicklung von internationalen und nationalen strafrechtlichen und anderen Verfahren, die der Straflosigkeit für Menschenrechtsverletzugen, massive Gewalttaten und Genozid ein Ende setzen sollten. Diese Entwicklungen der strafrechtlichen Rechtssetzung im internationalen Raum haben für die Perspektive auf die einheimische Strafrechtsproduktion durchaus einschneidende Folgen. In der Sphäre internationaler Politik und internationalen Rechts findet die Rechtssoziologie eine neuartige Dynamik vor, die Halliday (2009) als „rekursive Zyklen“ globaler Rechtssetzung bezeichnet. Diese involvieren internationale, transnationale und nationale Akteure, und sie werden durch Mechanismen in Bewegung gesetzt und gesteuert, die einerseits aus den strukturellen Bedingungen der globalen Arena resultieren und andererseits der,Natur‘ des internationalen Rechts geschuldet sind Der Beitrag sondiert diese Entwicklung indem er drei „konstitutionelle Momente “ des internationalen Strafrechts, Konflikte um relevante Deutungsmuster und vor allem die politische und rechtliche Diskussion um Genozid und seine strafrechtliche Verfolgung in den Blick nimmt. Vor diesem Hintergrund wird dann der wachsende Einfluss des internationalen Strafrechts anhand der Prozesse von Verpflichtung (commitment) und Befolgung (compliance) sowie der Funktionen der Abschreckung und Expressivität untersucht. Dabei lässt sich in einer durchaus überraschenden Analogie zu E.P. Thompsons berühmter Studie zum Prozess der Strafrechtsproduktion im England des 18. Jahrhunderts („Whigs and Hunters“) zeigen, dass die normative Bindungskraft des Rechts für alle Akteure ebenso ein entscheidender Faktor in der Sphäre des internationalen Strafrechts ist.
© 2014 by Lucius & Lucius, Stuttgart
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