Individualisierung von Religion?
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Detlef Lienau
Zusammenfassung
Am Beispiel des Pilgerns wird die Annahme einer Individualisierung von Religion erörtert. Ergebnisse einer qualitativ-empirischen Studie zur religiösen Erfahrung von Pilgern werden in die für Individualisierung relevanten theoretischen Konzepte Subjektivität, Sozialität und Autonomie eingebracht. Religion wird als selbst gemachte Erfahrung, also subjektiviert, sichtbar. Autonomie wird zwar gegenüber sozialen Ansprüchen behauptet, zugleich aber aufgehoben im Sich-Ausliefern an und Aufgehen in den Dingen und Eindrücken. Die soziologischen Konzepte zu Privatisierung und Entscheidungscharakter von Religion bestätigen sich im Pilgern nicht. Die Frage nach der Individualisierung von Religion ist für das Pilgern mithin differenziert zu beantworten: Religion ereignet sich im je einzelnen Subjekt, das sich hinsichtlich der sozialen Einbindung pragmatisch verhält, während es eine gewissheitsstiftende ent-individualisierende Einbindung in scheinbar vorsoziale Dinge wie Natur und den eigenen Leib sucht.
Abstract
The assumption of an individualization of religion is discussed by using the example of pilgrimage. Results of a qualitative-empirical study of religious experiences of pilgrims are discussed with reference to the theoretical concepts of subjectivity, sociality and autonomy which are relevant to individualization. For pilgrims, religion is indeed mainly experience made by oneself, thus subjectivized. Autonomy is maintained in view of normative social standards but, at the same time, revoked in one’s surrender to and unfolding in things and impressions. The sociological concepts of privatization and decisional nature of religion should be modified for pilgrimage. Privatization is confirmed insofar as the subjective relevance is decisive, but not in the sense that religion, as a result, disappears from public communication. The question regarding individualization of religion for pilgrimage needs to be answered in a differentiated way: religion occurs within the individual subject that behaves pragmatically with respect to social embeddedness. At the same time, that individual seeks a certainty and de-individualizing involvement in seemingly pre-social things such as nature and the own body.
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© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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- Rezensionen
- Lucia Traut und Annette Wilke, Hg.: Religion – Imagination – Ästhetik. Vorstellungs- und Sinneswelten in Religion und Kultur (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2015), 555 S. mit 43 Abb. und 11 Farbtafeln, ISBN 978-3-525-54031-2, € 130,00.
- Bettina E. Schmidt: Einführung in die Religionsethnologie. Ideen und Konzepte (Berlin: Reimer, 2., durchgesehene Auflage 2015), 232 S., ISBN 978-496-01539-0, € 24,95.
- Lukasz Niesiołowski-Spanò: Goliath’s Legacy. Philistines and Hebrews in Biblical Times, Philippika 83 (Wiesbaden: Harrassowitz, 2016), xiii + 321 S., ISBN 978-3-447-10346-6, € 68,00.
- Johannes Graul: Nonkonforme Religionen im Visier der Polizei. Eine Untersuchung am Beispiel der Mazdaznan-Religion im deutschen Kaiserreich, Religion in der Gesellschaft 37 (Würzburg: Ergon, 2013), 377 S., ISBN 978-3-89913-988-4, 48,00 €.
- Erratum
- Erratum zu: Das religionswissenschaftliche Dreieck. Elemente eines integrativen Religionskonzepts
- English Summaries
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