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Erholung als Urlaubshandlung – Determinante eines gesundheitsförderlichen Tourismus

  • Dennis Hürten

    Dennis Hürten ist Professor für Tourismuswirtschaft, insbesondere Gesundheitstourismus im Studiengang Gesundheits- und Tourismusmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er ist Spezialist für empirische Tourismusforschung und interessiert sich neben dem Gesundheitstourismus vorwiegend für aktiv- und kulturtouristische Fragestellungen.

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    and Katharina Kimmich

    Katharina Kimmich ist verantwortlich für die Bereiche Marktforschung und Innovationsentwicklung bei der Heilbäder und Kurorte Marketing GmbH Baden-Württemberg und unterstützt die Interessen der Heilbäder und Kurorte in Baden-Württemberg durch zielgerichtete Forschung. Gemeinsam mit den Mitgliedsorten setzt sie die Forschungsergebnisse darüber hinaus in die Praxis um und fördert die Weiterentwicklung der (Gesundheits-)Tourismusdestinationen.

Published/Copyright: March 17, 2023

Zusammenfassung

Die hohe Bedeutung der Erholung während des Urlaubs ist allgemein bekannt und wohl erforscht. Weniger gut zu beantworten ist jedoch die Frage, welches Verständnis die deutsche Wohnbevölkerung von diesem sehr subjektiven Begriff hat, v. a., welche spezifischen Erlebnisse sie damit verknüpft. Aus diesem Grunde führte die Heilbäder und Kurorte Marketing GmbH Baden-Württemberg in den Jahren 2020 und 2021 eine Untersuchung durch, anhand der konkrete Anknüpfungspunkte für die Planung erholsamer Erlebnisse, die Schaffung erholungsförderlicher Rahmenbedingungen und die Konzeption eigenfinanzierter Erholungsangebote aufgezeigt werden. Die Basis der theoriegeleiteten Untersuchung bilden verschiedene psychologische Ansätze. Im Zentrum der Analyse steht die Annahme, dass Erholung kein ausschließlich autoregulativer Prozess ist, sondern auch als planvoll ausgeführte Urlaubshandlung betrachtet werden kann.

Abstract

The high importance of recreation during holidays is generally known and well researched. Less easy to answer, however, is the question what the German resident population’s understanding of this very subjective term is, especially, what specific experiences they associate with it. For this reason the Heilbäder und Kurorte Marketing GmbH Baden-Württemberg conducted a survey in 2020 and 2021on the basis of which concrete connecting points for the planning of recovering experiences, the creation of recovery-promoting basic conditions and the conception of self-financed recovery offers were identified. Psychological approaches form the basis for this theory-led approach. At the centre of the analysis is the assumption that recreation is not an exclusively autoregulatory process, but can also be seen as a planned holiday action.

1 Gesundheitstourismus und Erholung

Im Jahr 2018 führte die Heilbäder und Kurorte Marketing GmbH Baden-Württemberg erstmals ihre „Motiv- und Zielgruppenanalyse deutscher Heilbäder und Kurorte“ durch. Das zentrale Ziel dieser quantitativen empirischen Studie bestand darin, den 56 Heilbädern und Kurorten in Baden-Württemberg fundierte aktuelle Informationen über das gesundheitsorientierte Urlaubsreiseverhalten der deutschen Wohnbevölkerung zur Verfügung zu stellen (vgl. Hürten & Kimmich, 2020). Als ein wesentliches Ergebnis trat hierbei zutage, dass das wichtigste Reisemotiv wie auch der primäre Grund für freizeitlich motivierte Aufenthalte in den deutschen Kurorten und Heilbädern die Erholung darstellt. Aus diesem Grund wurde sich im Jahr 2020 dafür entschieden, die Fortschreibung[1] der zuvor genannten Motiv- und Zielgruppenanalyse vorwiegend der Erforschung des Erholungsverhaltens der in Deutschland lebenden Bevölkerung zu widmen. Wie schon im ersten Durchlauf der Studie werden die neu gewonnenen Ergebnisse von den höher prädikatisierten Kurorten und Heilbädern Baden-Württembergs in den kommenden Jahren für die Entwicklung eigenfinanzierter gesundheitstouristischer Angebote genutzt.

Dass der Erholung während des Urlaubs eine zentrale Bedeutung zukommt, darf sicherlich nicht als neue Erkenntnis betrachtet werden. Vielmehr steht dieses Ergebnis im Einklang mit einer Vielzahl von Studien der Tourismusforschung und musste daher keiner weiteren Prüfung unterzogen werden (vgl. FUR, 2018, S. 64; FUR, 2020, S. 58). Völlig offen blieb jedoch, was die deutsche Wohnbevölkerung konkret unter Erholung versteht. Diese ungeklärte Frage bildete daher den inhaltlichen Rahmen für die im Jahr 2020 durchgeführte Untersuchung. Innerhalb dieses Rahmens wurden mehrere Detailfragen formuliert, von denen die vier folgenden im Verlauf dieses Beitrags näher betrachtet werden:

  1. Inwieweit unterliegt die von der deutschen Wohnbevölkerung angestrebte Erholung einem planvoll gestalteten Prozess?

  2. Wodurch kann sich die deutsche Wohnbevölkerung in Alltag und Urlaub am besten erholen bzw. welchen Erlebnissen misst sie einen erholsamen Wert bei?

  3. Durch welche Rahmenbedingungen können die Heilbäder und Kurorte in Baden-Württemberg den Erholungsprozess ihrer Tages- und Urlaubsgäste gezielt unterstützen?

  4. Wo liegen konkrete Ansatzpunkte, um den Erholungsprozess der Tages- und Urlaubsgäste der Heilbäder und Kurorte in Baden-Württemberg gezielt zu unterstützen?

Wie bereits der Auftakt der Motiv- und Zielgruppenanalyse im Jahr 2018 folgte auch die zwei Jahre später durchgeführte Fortschreibung einer deduktiven Forschungslogik. Bei den zuvor dargestellten Detailfragen handelt es sich somit nicht um offene Forschungsfragen. Stattdessen wurden diese theoriegeleitet untersucht. Die im Einzelnen verwendeten Theorien und die daraus abgeleiteten Konstrukte werden im folgenden Kapitel näher vorgestellt.

2 Gesundheitshandeln und Erholung

Für die Erforschung des urlaubsbezogenen Erholungsverhaltens bedarf es einer geeigneten theoretischen Fundierung, die über die Betrachtung der Erholung als allgemeines Reisemotiv hinausgeht. Als besonders wichtig wird in diesem Zusammenhang erachtet, die grundlegenden Prozesse zu betrachten, die eine erholsame Wirkung entfalten. Da die Erholung ganz unterschiedliche Lebensbereiche tangiert, gibt es gleich mehrere Forschungsdisziplinen, die sich mit diesem Phänomen und dessen Vorgängen, Wirkweisen und Rahmenbedingungen näher befasst haben. Zur Bearbeitung der vorliegenden Fragestellung wurde insbesondere auf Erkenntnisse der Erholungsforschung, der allgemeinen Psychologie, der „Occupational Health Psychology“ sowie der Gesundheits- und der Naturpsychologie zurückgegriffen (vgl. Wieland-Eckelmann et al., 1994; Allmer, 1996; Sonnentag & Fritz, 2007; Faltermaier, 2017; Flade, 2018). Die für die Durchführung der Untersuchung relevanten Grundlagen werden im Folgenden kurz vorgestellt.

2.1 Gesundheitsverhalten, Gesundheitshandeln und Aktivierung

Ein zentrales Thema der Gesundheitspsychologie stellt die Erforschung des gesundheitsbezogenen Verhaltens – oder kurz – des Gesundheitsverhaltens dar. Dieser in der gesundheitspsychologischen Literatur nicht ganz einheitlich verwendete Begriff umfasst alle Verhaltensweisen, die sich in direkter oder indirekter Weise auf die Gesundheit des Menschen auswirken. Je nach Definition werden dabei sowohl gesundheitsförderliche als auch gesundheitsschädliche Verhaltensweisen (Risikoverhalten) mit erfasst (vgl. Salewski & Opwis, 2018, S. 31 ff.; Brinkmann, 2014, S. 40 ff.). In Abgrenzung zu dem bereits im Jahre 1954 von dem amerikanischen Medizinsoziologen Earl Lomon Koos verwendeten Begriff des „health behavior“ entwickelte der deutsche Gesundheitspsychologe Toni Faltermaier im Jahr 1994 den Begriff des Gesundheitshandelns („health action“). Hierunter „wird das subjektiv bedeutsame Handeln von gesunden oder kranken Menschen verstanden, das mehr oder weniger bewusst mit dem Ziel der Gesunderhaltung und im alltäglichen sozialen Kontext erfolgt“ (vgl. Faltermaier, 2020). Gesundheitsverhalten und Gesundheitshandeln „deuten [laut Faltermaier] unterschiedliche Denktraditionen an. […] Gesundheitsverhalten verweist [nach seiner Auffassung] auf ein beobachtbares und umgrenztes Verhalten, auf eine Betrachtung des Individuums in spezifischen Situationen und auf eine Kombination kognitiver Variablen, die Verhaltensweisen voraussagen […]“ (2017, S. 221). Das Gesundheitshandeln ist insofern komplexer und kann von dem Gesundheitsverhalten anhand mehrerer Merkmale unterschieden werden. Für die Durchführung der im Laufe dieses Beitrags dargestellten Untersuchung sind insbesondere folgende Aspekte von Bedeutung:

  • Gesundheit kann durch jedes handelnde Subjekt und die darauf bezogenen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen aktiv hergestellt werden.

  • Menschen denken bewusst über ihre Gesundheit nach und erhalten und/oder fördern ihre Gesundheit in gezielter reflexiver und kompetenter Weise.

  • Die individuellen Gesundheitsvorstellungen verdichten sich innerhalb des subjektiv (für das Selbst) bedeutsamen Gesundheitsbewusstseins (vgl. Faltermaier, 2017, S. 220 ff.).

Wie die vorherigen Ausführungen verdeutlichen, beinhaltet das Gesundheitshandeln eine motivationale Komponente und setzt daher eine entsprechende Aktivierung voraus. Nach dem Verständnis der Regulationsfokustheorie des amerikanischen Psychologen Edward Tory Higgins werden diesbezüglich mit dem Präventions- und dem Promotionsfokus zwei voneinander unabhängige Aktivierungszustände bzw. Motivationssysteme unterschieden. Während Personen, die sich in einem Promotionsfokus befinden, ihr Handeln an möglichen Erfolgen ausrichten und Misserfolge vermeiden wollen, handeln in einem Präventionsfokus befindliche Personen nach einem anderen Prinzip: sie streben danach, Nicht-Verluste zu erreichen und somit Verluste zu vermeiden (vgl. Higgins, 1997, S. 1281 ff.; Sassenberg & Vliek, 2019, S. 53 ff). Bezüglich des Gesundheitshandelns lassen sich folglich zwei Aktivierungszustände unterscheiden, die durch spezifische Handlungsweisen gekennzeichnet sind. Diese werden im Folgenden präventive und gesundheitsförderliche Aktiviertheit genannt und anhand einiger ausgewählter Merkmale kurz vorgestellt (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1: Zwei Arten der Aktivierung: pathogenetisch vs. gesundheitsförderlich
Abbildung 1:

Zwei Arten der Aktivierung: pathogenetisch vs. gesundheitsförderlich

Es ist davon auszugehen, dass der dem Präventionsfokus zuzuordnende Zustand präventiver oder pathogenetischer Aktiviertheit spezifischen Auslösern unterliegt. Hierzu zählen z. B. von einem selbst wahrgenommene Beschwerden wie Schwindel oder Fieber. Auch der Befund eines Arztes oder von Dritten bemerkte Symptome können pathogenetische Aktiviertheit zur Folge haben. Je nach Schwere der Symptomatik liegt ein unterschiedlicher Grad der Aktivierung vor, der bis zur Panik (Maximum der Aktiviertheit) reichen dürfte (vgl. Trommsdorff & Teichert, 2011, S. 43). Diese panikartigen Zustände sind vermutlich insbesondere bei akuten und besonders gravierenden gesundheitlichen Problemen wie Krebserkrankungen oder Schlaganfällen gegeben. Unabhängig von der Stärke der Aktiviertheit sind an diesem Prozess stets eine Reihe negativer Emotionen, wie Furcht oder Scham beteiligt. Nach dem Verständnis des biomedizinischen, an der Pathogenese ausgerichteten Modells zielen die entsprechenden Handlungen vorwiegend darauf ab, möglichst (schnell) wieder den gefühlten Normalzustand zu erreichen, der durch Symptom- und Beschwerdefreiheit gekennzeichnet ist (vgl. Faltermaier, 2017, S. 53 ff.). Auf dem Weg dorthin geht es u. a. darum, Risikofaktoren zu meiden. Das autonome Handeln der betroffenen Person wird in der Regel durch einen von außen angeleiteten Prozess ergänzt oder ersetzt. Der Handelnde wird somit oft zum Behandelten, der als Patient oder Patientin den Gesetzmäßigkeiten des ersten Gesundheitsmarktes unterliegt. Die autonome Motivation des Handelnden wird somit für die Dauer dieses Prozesses durch eine kontrollierte (introjizierte) Form der Motivation ergänzt oder abgelöst. Im Erleben der jeweiligen Person kann dies dazu führen, etwas als auferlegt bekommen wahrzunehmen und die entsprechende Handlung umsetzen zu müssen (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 225 ff.; Roth 2019, S. 40 f.).

Auch die an den Promotionsfokus geknüpfte gesundheitsförderliche Aktiviertheit hat ihre auslösenden Momente. Diese sind jedoch ganz anderer Art und entsprechen z. B. dem Freud’schen Lustprinzip oder dem insbesondere durch den amerikanisch-ungarischen Psychologen Mihály Csíkszentmihályi geprägten Flow. Es wird jedoch nicht nur das Belohnungssystem aktiv, auch körperliche Reaktionen wie eine verbesserte Ausdauer und Fitness können typische Auslöser darstellen. Die Aktivierungsstärke fällt hierbei insgesamt moderater aus (Böhringer et al., 2010, S. 445; Pfeifer et al., 2014, S. 66) und wird als optimale Beanspruchung erlebt (Rheinberg & Engeser, 2018, S. 439). Dies führt zu positiven handlungsbegleitenden Emotionen (Freude, Begehren etc.). Die Handlungen sind in diesem Fall auch nicht wie bei der Pathogenese auf ein zu erreichendes Ziel (z. B. Symptomfreiheit) ausgerichtet („do“ goals), sondern zielen vielmehr darauf ab, eine bestimmte Art von Person sein zu wollen („be“ goals) (vgl. Carver & Scheier, 2000, S. 47 ff.). „Be“ goals sind somit auf (eine gewisse) Dauer angelegte handlungsleitende Standards. Das „Ziel“ besteht hierbei darin, einem anvisierten Referenzwert möglichst nahe zu kommen (Boldero & Francis, 2002, S. 232 ff.). Dieser kann z. B. darin bestehen, sportlich aktiv sein zu wollen. Derartige Handlungsstandards sollen hier im Sinne des biopsychosozialen Gesundheitsmodells als salutogenetische Ressourcen verstanden werden. Dieser Ansicht liegt eine am Subjekt orientierte Gesundheitsförderung zugrunde, die die individuellen Handlungskompetenzen stärkt (vgl. Faltermaier, 2017, S. 381). Auch diesbezüglich kann durchaus auf Unterstützung von Dritten zurückgegriffen werden; diese kann sowohl unentgeltlicher Art sein als auch aus dem Gesundheitsmarkt kommen. Wird der hieraus resultierende Handlungsprozess von der jeweiligen Person insgesamt als selbstbestimmt wahrgenommen, ist davon auszugehen, dass autonome (intrinsische) Motivation vorliegt (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 225 ff.). „Research in the last three decades has demonstrated that autonomous motivation has an advantage over controlled motivation in many respects, including better psychological health and better quality of behavior (e. g., flexible behavior versus rigidity)” (Roth, 2019, S. 40).

2.2 Erholung als Handlung

An die Ausführungen des vorherigen Abschnitts anknüpfend wird im Folgenden dargestellt, dass auch Erholung als Handlung verstanden werden kann. Diesbezüglich wird auf Überlegungen des deutschen Sport- und Gesundheitspsychologen Henning Allmer zurückgegriffen, der Erholung wie folgt definiert: „Ausgehend von handlungspsychologischen Modellvorstellungen wird Erholung als intentional gesteuerter Prozeß konzipiert, der die aktive Auseinandersetzung einer Person mit ihrer Umwelt ebenso einschließt wie die grundsätzliche Kontrollierbarkeit des Erholungsprozesses“ (Allmer, 1996, S. 24, Hervorheb. im Original). Da Erholung von ihm zudem als „beanspruchungsregulierende und gesundheitsförderliche Ressource“ (Allmer, 1996, S. 4, Hervorheb. im Original) betrachtet wird, lässt sich diese als eine typische, durch gesundheitsförderliche Aktiviertheit ausgelöste Handlung verstehen. Wenngleich Erholung durchaus auch auf die Vermeidung negativer gesundheitlicher Konsequenzen abzielen und somit präventiv eingesetzt werden kann, wurde im Rahmen der durchgeführten Studie davon ausgegangen, dass Erholung vorwiegend gesundheitsförderlichen Zwecken dient (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Erholung als Handlung (Quelle: Eigene, ergänzte Darstellung nach Allmer, 1996, S. 24 f.)
Abbildung 2:

Erholung als Handlung (Quelle: Eigene, ergänzte Darstellung nach Allmer, 1996, S. 24 f.)

Wird Erholung als intentional gesteuerter Prozess bzw. als Handlung verstanden, entsteht daraus die Frage, wie dieses Erholungshandeln konkret reguliert wird. Wie Abbildung 2 verdeutlicht, sind hierbei eine automatische, eine emotionale und eine kognitive Ebene zu berücksichtigen (Allmer, 1996, S. 24). Mit der automatischen Regulation sind autonome Regulationsprozesse des menschlichen Organismus gemeint. Wenngleich diese überwiegend[2] keinen direkten willkürlich kontrollierbaren Einflüssen unterliegen, ist es dennoch möglich, Rahmenbedingungen für einen gelingenden Erholungsprozess zu schaffen. Das einfachste Beispiel hierfür dürfte wohl der erholsame Schlaf sein, der eben von gewissen Voraussetzungen (Ruhe, Dunkelheit, Zeit etc.) abhängt. Insofern kann auch bei dieser automatisch ablaufenden Regulation des Erholungsprozesses bereits ein Handlungsbezug unterstellt werden. Dieser wird jedoch noch deutlicher, wenn man die zwei weiteren Regulationsebenen betrachtet. Während unter emotionaler Regulation die individuell empfundene Erholungsbedürftigkeit verstanden wird, umfasst die kognitive Regulation die planvoll und somit aktiv angestrebte Wiederherstellung der eigenen Handlungsvoraussetzungen. Diese beiden Regulationsebenen sind somit nicht losgelöst voneinander zu betrachten, sondern in der Form miteinander verbunden, dass die jeweilige Emotion bestimmte Handlungsalternativen wahrscheinlicher werden lässt (vgl. Allmer, 1996, S. 24 ff.). Emotionen stellen in dieser Hinsicht den Kompass dar, der der Kognition hilft, einen geeigneten Weg zum angestrebten Ziel zu finden. Durch das emotionale Erleben von Müdigkeit, Niedergeschlagenheit oder Gereiztheit entsteht überhaupt erst der Gedanke an Erholung, auf den hin die individuell präferierten, erholungsspezifischen Handlungen initiiert werden. Erholung kann somit nicht nur als autoregulativer, sondern auch als selbstregulativer Prozess verstanden werden. Dies bedeutet, dass Emotionen als ein wichtiger Teil eines körpereigenen Feedbacksystems zu betrachten sind, durch das der Handlungsprozess reguliert wird (vgl. Carver & Scheier, 2000, S. 51 ff.). Erholung „geschieht“ folglich nicht ausschließlich von alleine, sondern kann durch eigene Entscheidungen und Handlungen begünstigt werden. Eine nach diesem Verständnis planvoll angestrebte Erholung kann durch das Konstrukt der Erholungsplanung näher beschrieben werden. „In der Erholungsplanung werden die Aktivitäten, die zur Erholung führen sollen konkret vorbereitet und die situationsabhängigen Bedingungen unter welchen das angestrebte Verhalten umgesetzt werden soll berücksichtigt“ (Gnau, 2009, S. 77). Innerhalb der durchgeführten Motiv- und Zielgruppenanalyse bestand dieses Konstrukt inhaltlich aus fünf Dimensionen: die Beständigkeit und die Reflektion der eigenen Erholungsplanung, das Interesse an neuen Erholungspraktiken, die Intention, sich künftig mehr Freiräume für Erholung zu schaffen und die Erfüllung der eigenen Pflichten als Voraussetzung für einen gelingenden Erholungsprozess (vgl. Gnau, 2009, S. 162 ff.). Da davon auszugehen ist, dass Menschen, die ihren Erholungsprozess planvoll gestalten, einem Handlungsstandard im Sinne einer salutogenetischen Ressource folgen, dürfte es sich bei einer zeitlich stabilen Erholungsplanung um einen wichtigen Indikator für gesundheitsförderliche Aktiviertheit handeln (vgl. Kap. 2.1).

2.3 Erholungserleben und erholsame Umwelten

Menschen, die darum bemüht sind, ihre Erholung selbst zu regulieren, gehen innerhalb dieses Prozesses bestimmten Erholungsaktivitäten nach. Es ist daher wichtig zu erforschen, bei welchen Aktivitäten Erholung besonders gelingt. Problematisch ist hierbei jedoch, dass es sehr viele Erholungsaktivitäten gibt, die potenziell von Nutzen sein könnten. Ein vollständiges Bild scheint hier kaum möglich. Darüber hinaus konnte durch eine Reihe von Studien bereits verdeutlicht werden (vgl. Fritz & Sonnentag, 2005, S. 187 f.; Sonnentag & Fritz, 2007, S. 204 ff.; Gnau, 2009, S. 80 f.), dass diese Vorgehensweise nicht zielführend ist: für das handelnde Subjekt steht weniger die jeweilige Erholungsaktivität, als vielmehr die mit dieser Aktivität verbundene Erfahrung – so genanntes Erholungserleben (engl. „recovery experience“) – im Vordergrund (Gnau, 2009, S. 44 ff.). „Going beyond the specific activities and examining the underlying experiences is crucial for getting more insight into the psychological processes leading to recovery“ (Sonnentag & Fritz, 2007, S. 204). Da man eine ganze Reihe von Erholungserfahrungen machen kann, handelt es sich beim Erholungserleben um ein mehrdimensionales Konstrukt. Durch den von Sabine Sonnentag und Charlotte Fritz entwickelten „recovery experience questionnaire“ lassen sich die vier Dimensionen „psychological detachment“ (die Erfahrung, die Arbeit hinter sich gelassen bzw. sich mental davon gelöst zu haben – wird subjektiv als „being away“ wahrgenommen), „relaxation“ (das Erleben von Entspannung, das mit einem geringen Aktivierungsgrad und positivem Affekt einhergeht), „mastery experiences“ (sich angemessenen Herausforderungen stellen und eigene Kompetenz erleben wollen) und „control during leisure time“ (das Erleben von Kontrolle und Selbstbestimmung während der Freizeit, in der die Erholung stattfindet) messen (2007, S. 205 ff.). Für die durchgeführte Untersuchung war die zuletzt genannte Dimension nicht von Relevanz. Stattdessen wurden mit „Regeneration“ (Rückgewinnung körperlicher, psychischer und seelischer Kräfte), „Stimulation“ (Erhöhung der Reizintensität/Überwindung der Monotonie des Alltags) und „Flow“ (Aufgehen in einer Tätigkeit und Verlust des Zeitgefühls) drei andere Dimensionen betrachtet (vgl. Allmer, 1996, S. 176 ff; Gnau, 2009, S. 46).

Eine letzte Determinante des Erholungsprozesses, die hier betrachtet werden soll, ist das Setting, in dem Erholung stattfindet. Ob Aktivitäten auch tatsächlich als erholsam erlebt werden, hängt immer auch von räumlichen und situationalen Faktoren ab. Nach Erholung strebende Personen werden daher nach Möglichkeit versuchen, die hiermit verbundenen Aspekte ihren Vorstellungen entsprechend auszugestalten. Ein Ansatz, der auch die Gegebenheiten von Raum und Situation berücksichtigt, ist das auf die amerikanischen Umweltpsychologen Rachel und Stephen Kaplan zurückgehende Konzept der „restorative environments“ (vgl. Kaplan, 1995, S. 172 ff.). Erholsame Umwelten sind so beschaffen, „dass das Wohlbefinden und die kognitive und körperliche Leistungsfähigkeit wieder kehren“ (Flade, 2018, S. 68). Während der erholsame und gesundheitsförderliche Effekt der Natur schon vielfach beschrieben wurde (vgl. Hartig et al., 2014), bleiben „restorative environments“ nicht auf natürliche oder naturnahe Umwelten begrenzt (Kaplan, 1993, S. 196): auch Kureinrichtungen, Spas oder Klöster können erholsame Umwelten darstellen (Flade, 2018, S. 68 f.). Gemäß der „Attention Restoration Theory“ verfügen erholsame Umwelten über vier verschiedene Eigenschaften, die „restorative experiences“ hervorrufen und dadurch den Erholungsprozess begünstigen. Für die erste erholungsförderliche Komponente verwenden die Kaplans den Begriff des „being away“. Dieser umfasst die physische und psychologische Distanzierung von Arbeit und Alltag und weist insofern eine starke inhaltliche Überschneidung mit der im Rahmen des Erholungserlebens vorgestellten Dimension des „psychological detachment“ auf. Neben diesem „being away from“ sind hierin aber auch zwei Arten des „being away to“ enthalten: das Bedürfnis, sich an einen Ort zu begeben, an dem es keine Verpflichtungen und lästigen Aufgaben gibt, sowie der Wunsch in ein „Anderswo“ einzutauchen und Außergewöhnliches zu erleben. Die zweite Komponente erholsamer Umwelten besteht in der Faszination, die von solchen Orten ausgeht, und bei dem Betrachtenden eine unwillkürliche (anstrengungslose) Aufmerksamkeit weckt, die gemäß der Aufmerksamkeitserholungstheorie der wichtigste, Erholung begünstigende Faktor ist. Die letzten beiden Komponenten, die berücksichtigt werden, sind Weite und Kompatibilität. Während sich die Weite auf die befreiende Wirkung offener ausgedehnter Landschaften bezieht, wird anhand der Kompatibilität bemessen, inwiefern der jeweilige Ort zu den eigenen Motiven passt (vgl. Kaplan, 1995, S. 172 ff., Flade, 2018, S. 69 ff.). Da die von den Kaplans beschriebenen erholsamen Erfahrungen in erholsamen Umwelten gemacht werden, ist zu berücksichtigen, über welche Aktivitäten der Raum erschlossen wird bzw. bei welchen Aktivitäten die vier zuvor beschriebenen Eigenschaften erholsamer Umwelten erfahren werden. „Understanding the restorative potential of a physical activity could be considered a function of a person-by-environment-by-activity interaction” (Norling et al., 2008, S. 192).

2.4 Erholung in Alltag und Urlaub

Anhand der vorangegangenen Ausführungen konnte aufgezeigt werden, in welcher Form Erholung und Verhalten miteinander verknüpft sind. Aus diesem Grund stellte das individuelle Erholungsverhalten eine wichtige Betrachtungsebene für die durchgeführte Untersuchung dar. Da anzunehmen ist, dass sich Menschen gezielt erholen wollen, stand v. a. das auf die Erholung bezogene intentionale bzw. motivierte Verhalten (Handeln) (vgl. Deci & Ryan, 1993, S. 224) im Mittelpunkt der Betrachtung. Derartige Erholungshandlungen können in ganz unterschiedliche Situationen und Kontexte eingebunden sein. Von diesen wurden im Rahmen der Untersuchung nur der Alltag und der Urlaub berücksichtigt. Die Alltagssituation wurde hierbei als die grundlegendere Kategorie aufgefasst, in der sich vermutlich der Großteil des Erholungshandelns abspielt und in der wahrscheinlich viele Erholungsgewohnheiten gebildet werden. Der Alltag wurde somit gewissermaßen als das Fundament betrachtet, auf dem ein großer Teil des Erholungshandelns während des Urlaubs aufbaut. Die alltagsbezogene Erholung wurde daher im Rahmen der Studie sehr sorgfältig betrachtet. Hierfür kamen u. a. die zuvor eingeführten Konstrukte der Erholungsplanung und des Erholungserlebens zum Einsatz.

Im Gegensatz zum Alltag dürfte es sich beim Urlaub vielmehr um eine besondere Erholungssituation handeln, die durch spezifische Bedingungen gekennzeichnet ist. Während sich viele erholsame Alltagspraktiken auch auf den Urlaub übertragen lassen, ist der umgekehrte Fall hingegen nicht immer gegeben: Ein erholsamer Spaziergang am Strand ist für die meisten wohl nur im Urlaub zu haben. Für die Erforschung der urlaubsbezogenen Erholung wurde sich daher auf solche Aspekte fokussiert, die über die Alltagssituation hinausgehen. Hierzu zählen die zuvor beschriebenen erholsamen Umwelten inklusive der die Erholungserfahrung vermittelnden Aktivitäten (vgl. Kap. 2.3), aber auch weitere Indikatoren wie die Mindestdauer eines erholsamen Urlaubs oder die für Erholung geeigneten Unterkünfte.

3 Studiendesign und Methode

Die Fortschreibung der Motiv- und Zielgruppenanalyse deutscher Heilbäder und Kurorte dient als Grundlage für die Entwicklung gesundheitstouristischer Angebote und bietet konkrete Anknüpfungspunkte zur Ansprache erholungssuchender Personen und Förderung des Erholungsprozesses der Gäste. Das Fragebogendesign wurde auf die in Kapitel 1 dargestellte Fragestellung sowie die dort beschriebenen Detailfragen ausgerichtet. Der Befragungsschwerpunkt wurde auf den Erholungsbedarf und das -handeln in Alltag und Urlaub gelegt (vgl. Kap. 2). Des Weiteren beinhaltet der Fragebogen noch Indikatoren zur Erforschung des persönlichen Befindens und zur Erfassung der Erfahrungen, der Besuchsmotivation sowie der Einstellungen bezüglich höher prädikatisierter Orte in ihrer Funktion als Freizeit- und Urlaubsdestinationen (2. Gesundheitsmarkt).

Die Messung der im vorherigen Kapitel beschriebenen Konstrukte erfolgte anhand neu entwickelter Item-Batterien. Für die Entwicklung der einzelnen Items wurde sich an vorhandenen Messinstrumenten orientiert. Im Einzelnen handelt es sich dabei um den „Recovery Experience Questionnaire“ (vgl. Sonnentag & Fritz, 2007, S. 213), die „Perceived Restorativeness Scale“ (vgl. Hartig et al., 1997, S. 18), die „Perceived Restorativeness for Activities Scale“ (vgl. Norling et al., 2008, S. 190), die Aussagen zur Messung der „Einstellungen und Gewohnheiten im Bereich der Erholung“ (vgl. Gnau, 2009, S. 162 ff.) sowie die Skala zur Erholungsplanung (vgl. Hoederath, 2010, S. 150). Dass die Original-Werkzeuge nicht selbst zum Einsatz kamen, begründet sich in deren Umfang. Die Befragungsdauer des Anfang Oktober 2020 durchgeführten Pretests (n = 102) lag im Durchschnitt bei 27 Minuten. Der vorliegende Fragebogen war damit um sieben Minuten zu lang und musste deutlich gekürzt werden. Der durch die Kürzung entstehende Nachteil, nicht von der Reliabilität und Validität der Original-Maße profitieren zu können, ließ sich aus diesem Grund nicht vermeiden.

Die Befragung (Stichprobengröße: n = 3031) erfolgte zwischen dem 23. Oktober und dem 09. November 2020. Die durchschnittliche Befragungsdauer lag im Full Launch bei 18,49 Minuten. Als Befragungsmodus wurde eine Online-Erhebung gewählt, bei der das Panel der Norstat Deutschland GmbH genutzt wurde. Als Grundgesamtheit diente die deutschsprachige Wohnbevölkerung der Bundesrepublik Deutschland im Alter von 18 bis 75 Jahren, die gemäß dem Zensus 2011 quotiert wurde. Das Stichprobenauswahlverfahren basierte dabei auf einer Kreuzquotierung anhand der Merkmale Alter (18–29 Jahre, 30–39 Jahre, 40–49 Jahre, 50–59 Jahre und 60–75 Jahre), Geschlecht (männlich/weiblich) und Herkunft nach Bundesland. Da die für die Quotierung erforderlichen Soll- und Istwerte teilweise voneinander abwichen, wurde anhand der 160 gebildeten Quoten eine Gewichtung erstellt. Bezüglich der drei zuvor genannten Quotierungsmerkmale kann die Stichprobe somit als repräsentativ betrachtet werden. Aus diesem Grund werden die nachfolgend dargestellten Ergebnisse auf die deutsche Wohnbevölkerung bezogen.

4 Erholungshandeln in Alltag und Urlaub – empirische Befunde

Der zentrale Begriff zur Beantwortung der vier eingangs beschriebenen Forschungsfragen ist das Erholungshandeln. Wie in Kapitel 2 dargestellt wurde, sind damit noch eine Reihe weiterer Konstrukte in direkter Weise verknüpft. Auch diese werden im Folgenden dazu genutzt, die im Mittelpunkt der Untersuchung stehenden Fragen möglichst differenziert zu beantworten.

4.1 Planung erholsamer Erlebnisse

Anhand der theoretischen Vorüberlegungen wurde deutlich, dass der Erholungsprozess nicht ausschließlich automatisch abläuft, sondern auch planvoll gestaltet werden kann. Um zu messen, inwiefern der Erholungsprozess bereits kognitiv reguliert wird, lässt sich das in Kapitel 2.2 beschriebene Konstrukt der Erholungsplanung nutzen. Wie Abbildung 3 verdeutlicht, überlegte sich zum Zeitpunkt der Befragung rund die Hälfte der deutschen Wohnbevölkerung sehr genau, wie sie sich am besten erholen kann (Antworten „trifft eher zu“ und „trifft zu“). Ähnlich viele gaben an, dass Erholungspausen einen festen Bestandteil ihres Alltags darstellen. Dass, wie von Allmer beschrieben (vgl. Kap. 2.2), ein direkter Zusammenhang zwischen emotionaler und kognitiver Regulation besteht, lässt sich anhand der Korrelationen (Bravais-Pearson) der Indikatoren „emotionales Befinden (Gefühle) – (sehr schlecht, schlecht, mittelmäßig, gut, sehr gut)“ und „aktuelles Erholungsbedürfnis – (ich bin aktuell überhaupt nicht erholungsbedürftig, sehr gering, gering, mittel, hoch, sehr hoch)“ mit der Aussage „Erholungspausen sind ein fester Bestandteil meines Alltags“ verdeutlichen: während sich im erst genannten Fall eine leicht positive Korrelation in Höhe von r = 0,24 ergibt, verdeutlicht der zweite Korrelationskoeffizient (r = –0,29[3]), dass hier ein schwacher negativer Zusammenhang vorliegt. Nicht jedem scheint es somit bereits zu gelingen, sich ausreichend Zeit für Erholung einzuplanen. Immerhin 45 % haben die feste Absicht, sich hierfür künftig mehr Freiräume zu schaffen. Zudem wird der Erholungsprozess auch nicht als voraussetzungslos betrachtet: zwei Drittel gaben an, sich erst dann richtig erholen zu können, wenn sie ihre Pflichten erledigt haben. Eine hinreichende Erledigung, der unmittelbar vor der Abreise anfallenden Aufgaben dürfte daher eine wichtige Voraussetzung für einen gelingenden Erholungsprozess während des Urlaubs darstellen.

Abbildung 3: Erholungsplanung
Abbildung 3:

Erholungsplanung

Wenngleich sich innerhalb der durchgeführten Studie nicht in detaillierter Weise mit den präventiven und gesundheitsförderlichen Aktivierungsgraden (vgl. Kap. 2.1) auseinandergesetzt wurde[4], finden sich jedoch erste Hinweise für eine hohe Bedeutung dieser beiden Konstrukte (siehe auch Kap. 4.3). Da, wie bereits erwähnt, davon ausgegangen wird, dass eine in zeitlicher Hinsicht stabile Erholungsplanung auf eine hohe gesundheitsförderliche Aktiviertheit hindeutet, wurde diese zentrale Annahme anhand der beiden Aussagen „Erholungspausen sind ein fester Bestandteil meines Alltags“ und „ich überlege mir sehr genau, wie ich mich am besten erholen kann“ (Antworten jeweils „trifft zu“) operationalisiert. Eine geringe gesundheitsförderliche Aktivierung wurde hingegen bei denjenigen angenommen, die ihre Erholung kaum planen und die beiden zuvor genannten Aussagen jeweils mit „trifft eher nicht zu“ oder „trifft nicht zu“ beantwortet hatten. Wie Tabelle 1 verdeutlicht, bestehen bezüglich der dort dargestellten Indikatoren nennenswerte Unterschiede zwischen den beiden auf Grundlage dieser Operationalisierung gebildeten Gruppen. Diejenigen, die ihre Erholung gemäß eigener Aussage kaum planen (dies entspricht 8,5 % der deutschen Wohnbevölkerung), haben zum Befragungszeitpunkt eine deutlich höhere Stressbelastung und ein höheres Erholungsbedürfnis als die Personen, deren Erholungsplanung sich als stabil erweist (dies trifft für rund 6 % der deutschen Wohnbevölkerung zu). Diese beiden Ergebnisse spiegeln sich auch im Befinden wider, das von letzterer Gruppe insgesamt besser bewertet wird. Wie der Welch-Test[5] verdeutlicht, handelt es sich hierbei jeweils um signifikante Mittelwertunterschiede. Die höchste ermittelte Effektstärke (Cohens d) liegt bei der derzeitigen Stressbelastung vor.

Tabelle 1:

Aktivierungsanalyse

Mittelwerte

Derzeitige

Stressbelastung

Aktuell. Erho-lungsbedürfnis

Befinden

Insgesamt

Stimulation

„Mastery“

1 „überhaupt keine Stressbelastung“ bis 6 „sehr hoch“

1 „überhaupt nicht erholungsbedürftig“ bis 6 „sehr hoch“

1 „sehr schlecht“ bis 5 „sehr gut“

1 „trifft nicht zu“ bis 5 „trifft zu“

1 „trifft nicht zu“ bis 5 „trifft zu“

Kaum Erho-lungsplanung

n (gew.) = 259

4,04

4,3

3,38

2,82

2,45

Stabile Erho-lungsplanung

n (gew.) = 182

2,91

3,57

3,99

3,75

3,36

Welch-Test

Sig. (2-seitig)

Cohens d

0,000

0,87

0,000

0,49

0,000

0,67

0,000

0,76

0,000

0,70

Eine weitere, aus der Analyse der Erholungsplanung abgeleitete Erkenntnis besteht darin, dass Erholung Abwechslung benötigt: rund die Hälfte gab an, sehr gerne mal etwas Neues zur Erholung ausprobieren zu wollen (vgl. Abb. 3). Wie in Kapitel 2.3 bereits dargelegt, sind hierbei weniger die konkreten Aktivitäten, sondern vielmehr die durch diese vermittelten Erfahrungen (sog. Erholungserleben) von Bedeutung. Die sechs, im Rahmen der Analyse abgefragten Dimensionen des Erholungserlebens sind in Abbildung 4 dargestellt. Zwischen diesen bestehen große Unterschiede: Während 87 % solchen Aktivitäten eine Erholungseignung zusprechen, durch die sie sich entspannen können, sehen nur 26 % eine Erholungsaktivität als geeignet an, wenn sie durch diese herausgefordert werden. Dieses Ergebnis sollte jedoch nicht lediglich auf der Ebene der Gesamtverteilung betrachtet, sondern weiter differenziert werden. Auch hierfür lässt sich wieder die gesundheitsförderliche Aktiviertheit nutzen. Anhand dieses Konstrukts wird deutlich, dass wesentliche Unterschiede zwischen denjenigen bestehen, bei denen eine stabile Erholungsplanung vorliegt, und Personen, die ihre Erholung weniger planvoll angehen. Während Personen mit stabiler Erholungsplanung den in Abbildung 4 dargestellten Aussagen durchweg mehr Bedeutung beimessen, liegen die größten Mittelwertdifferenzen bei den insgesamt als weniger bedeutsam bewerteten Dimensionen „Stimulation“ und „mastery“ (siehe Tab. 1) vor. Dieses Ergebnis deutet darauf hin, dass es sich bei den für die Erholungsplanung aktivierten Personen um erfahrene „Erholungsprofis“ handelt, die Erholung als komplexes Phänomen begreifen, das nicht ausschließlich aus Entspannung und Distanzierung besteht.

Abbildung 4: Dimensionen des Erholungserlebens
Abbildung 4:

Dimensionen des Erholungserlebens

Die zuerst genannte Forschungsfrage ist nun dahingehend zu beantworten, dass sich zum Befragungszeitpunkt etwa die Hälfte der deutschen Wohnbevölkerung planvoll mit ihrer Erholung auseinandersetzte. Besonders große Unterschiede bestehen hierbei zwischen denjenigen, die Erholung kaum planen und den Personen, die sich bereits durch eine stabile Erholungsplanung auszeichnen. Letztere Gruppe, die bezüglich ihres Erholungshandelns als gesundheitsförderlich aktiviert betrachtet werden kann, entspricht jedoch nur rund 6 % der deutschen Wohnbevölkerung. Die zweite Forschungsfrage wurde, wie dargelegt, nicht anhand von Erholungsaktivitäten, sondern mithilfe des Erholungserlebens untersucht. Als die beiden wichtigsten Erlebensdimensionen traten hierbei die Entspannung und das „being away“ zutage. Differenziert man auch hier wieder nach dem Aktivierungsgrad, wird deutlich, dass gesundheitsförderlich Aktivierten die sechs abgefragten Dimensionen insgesamt wichtiger sind und sie sich daher auch stärker für Stimulation und „mastery“ interessieren. Während innerhalb der deutschen Wohnbevölkerung somit zwei Erholungserfahrungen dominieren, strebt ein kleiner Teil besonders Erholungserfahrener nach abwechslungsreicheren Erholungserlebnissen. Da bei diesem Personenkreis eine intrinsische Motivation vorausgesetzt werden kann, sollten die Heilbäder und Kurorte zu deren direkten Ansprache Angebote konzipieren, die Spaß machen und den Aufbau eigener Ressourcen durch positive Emotionen fördern (vgl. Kap. 2.1).

4.2 Erholungsförderliche Rahmenbedingungen

Neben erholsamen Erlebnissen, die sich jeder selbst schaffen kann, gibt es auch spezifische Rahmenbedingungen, von denen ein erholungsförderlicher Effekt ausgeht. Im Mittelpunkt dieser Betrachtung steht die in Kapitel 2.2 vorgestellte automatische Regulation der Erholung. Erholungsförderliche Rahmenbedingungen, die im Rahmen der Untersuchung näher betrachtet wurden, sind die Mindestdauer eines Urlaubs, die Mindestreiseentfernung, die erholsame Wirkung der Natur als Ganzes (inkl. der für Erholung geeigneten Landschaftsmerkmale), die Beurteilung des Urlaubsortes als erholsame Umwelt, die in dieser ausgeführten Aktivitäten und die für Erholung geeigneten Unterkünfte. In Ergänzung zu diesen, die Urlaubserholung begünstigenden Faktoren wurden auch die entsprechenden Störfaktoren ermittelt.

Anhand der für die Erholung erforderlichen Mindesturlaubsdauer wird deutlich, dass für 86 % der deutschen Wohnbevölkerung ein Kurzurlaub nicht ausreicht, um sich optimal zu erholen. Ein Urlaub in „Kurlänge“ ist jedoch für die Konzeption von Erholungspauschalen in den Heilbädern und Kurorten auch nicht erforderlich. So stellt die Urlaubslänge von fünf bis 15 Tagen für 76 % der deutschen Wohnbevölkerung das präferierte Zeitintervall für die optimale Erholung dar. Dies entspricht im Durchschnitt 10,09 Tagen. Neben der Urlaubsdauer stellt auch die physische Distanz zum Alltag eine wichtige Determinante der Urlaubserholung dar. Für das Gefühl des „being away“, als zweitwichtigster Dimension des Erholungserlebens (siehe Abb. 4), ist jedoch nicht direkt eine Fernreise erforderlich. Vielmehr beträgt die durchschnittliche Mindestreiseentfernung 270 km bzw. 2,36 Stunden. So geben nur 15 % (Antworten „trifft eher zu“ und „trifft zu“) der deutschen Wohnbevölkerung an, sich im Deutschlandurlaub nicht optimal erholen zu können.

Neben dem zeitlichen und räumlichen Abstand zum Alltag darf es zur Erholung gerne auch etwas ruhiger zugehen. Als den mit Abstand erholungsförderlichsten Ort nennen 92 % der deutschen Wohnbevölkerung die Natur. Besonders erholsame Landschaftsmerkmale sind das Meer (78 %), Wälder (78 %) und Seen (73 %). „Echte“ Natur wird gestalteter Natur wie Parks oder Stadtgrün (37 %) vorgezogen. Gemeinsam haben diese erholsamen Umwelten v. a., dass sie frei von Aufgaben, weit weg von Problemen und Sorgen und kompatibel mit den eigenen Vorstellungen sind (siehe Abb. 5). Es wird an dieser Stelle somit deutlich, dass die autoregulativ wirkenden erholungsförderlichen Rahmenbedingungen immer auch emotional und kognitiv bewertet bzw. eingeordnet werden. Die Rahmung des Erholungsprozesses wirkt sich folglich in direkter Weise auf die beiden selbstregulativen Ebenen der Erholung aus (vgl. Kap. 2.2).

Abbildung 5: Beurteilung des Urlaubsortes als erholsame Umwelt
Abbildung 5:

Beurteilung des Urlaubsortes als erholsame Umwelt

Während Bewegung und Sport alle Eigenschaften erholsamer Umwelten erlebbar machen, wirken sich diese insbesondere auf die Facetten „Erlebtes Weitwegsein“ und „Orte, die frei von Aufgaben sind“ des „being away“ aus (siehe Abb. 6). Ähnliches gilt auch für das Liegen in der Sonne bzw. am Wasser, wobei hier der Faszination eine deutlich geringere Bedeutung zukommt. Diese Komponente und die Facette „in ein Anderswo eintauchen“ des „being away“ sind hingegen besonders wichtig für Unternehmungen rund um die Themen Sightseeing und Kultur. An dieser Stelle zeigt sich somit, dass mit den erläuterten Eigenschaften erholsamer Umwelten unterschiedliche Aktivitäten verknüpft sein können (vgl. Kap. 2.3).

Abbildung 6: Aktivitäten in erholsamen Urlaubs-Umwelten (TOP 10)
Abbildung 6:

Aktivitäten in erholsamen Urlaubs-Umwelten (TOP 10)

Hinsichtlich der Unterbringung werden Unterkünfte der Hotellerie, aber auch der Parahotellerie als besonders für die Erholung geeignet angesehen. Insbesondere Hotels mit 4 (60 %) oder 5 Sternen (47 %), aber auch Ferienwohnungen (60 %) und Ferienhäuser (53 %) sind erholsame Unterkünfte. Vergleichsweise geringe erholungsförderliche Rahmenbedingungen bieten hingegen Hotels garnis (15 %), Kurkliniken (12 %), Kurheime (10 %) und Jugendherbergen/Hütten (10 %). Dieses Ergebnis verdeutlicht, dass u. a. Unterkünfte, die den „Kur-Bezug“ präsent im Namen tragen, von Kundinnen und Kunden weniger mit erholsamen Einrichtungen gleichgesetzt werden. Hinsichtlich der Ansprache erholungssuchender Gäste ist es entsprechend empfehlenswert, althergebrachte Terminologien der Kurorte neu und marktorientiert anzupassen. Als gutes Beispiel für eine solche terminologische Anpassung ist der Kurbetrieb Bad Wurzach aus Baden-Württemberg zu nennen, der in der Außenkommunikation als „FeelMoor – Das Gesundheitsresort“ auftritt und so das ortsgebundene Heilmittel zeitgemäß in den Mittelpunkt stellt (vgl. Städtischer Kurbetrieb Bad Wurzach 2022).

Neben den erholungsförderlichen Rahmenbedingungen bewirkt eine Vielzahl unterschiedlicher Einflüsse das genaue Gegenteil. Hervorzuheben ist diesbezüglich zunächst, dass auf die entsprechende Frage durchschnittlich acht Antworten abgegeben wurden. Keine weitere Frage wurde ähnlich umfassend beantwortet. Dies verdeutlicht die Fragilität des urlaubsbezogenen Erholungsprozesses, der durch eine Vielzahl an Faktoren gestört werden kann. Die häufigsten Nennungen entfielen auf: Mangelnde Sauberkeit (69 %), Menschenmassen (68 %), Lärm (68 %), schlechtes Essen (67 %) sowie unfreundlichen Service (62 %).

Zur Beantwortung der dritten Forschungsfrage können die Rahmenbedingen, die den Erholungsprozess der Tages- und Übernachtungsgäste der baden-württembergischen Heilbäder und Kurorte unterstützen, wie folgt zusammengefasst werden: Erholung stellt sich vorwiegend in naturnahen Räumen ein. Die Eigenschaften dieser erholsamen Umwelten lassen sich dabei durch unterschiedliche Aktivitäten erlebbar machen. Bedingt durch die enge Verknüpfung der auto- und selbstregulativen Prozesse unterstützen die erholungsförderlichen Rahmenbedingungen im Idealfall auch die emotionale und kognitive Regulation. Damit sich diese Prozesse auch voll entfalten können, ist auf eine große Fülle störender Faktoren zu achten. Bei der aktiven Vermarktung der Heilbäder und Kurorte als erholsame Umwelten ist es demzufolge empfehlenswert, die – wenn zutreffend – ländliche Lage und die Nähe zur Natur in den Vordergrund zu stellen. Die auf Grundlage der Ergebnisse der ersten Motiv- und Zielgruppenanalyse (vgl. Hürten & Kimmich, 2020) entwickelte Imagekampagne, die die Heilbäder und Kurorte Baden-Württembergs unter dem Slogan „natur.erholt.“ als erholsame Orte in der Natur verortet, wurde mittels der Fortschreibung entsprechend bestätigt.

4.3 Ansatzpunkte für erholungsbezogene Unterstützungsangebote

Eine wichtige Voraussetzung für die gezielte Suche nach erholungsbezogener Unterstützung stellt die bereits beschriebene Aktivierung dar. Je nach Art der Aktivierung dürften unterschiedliche Unterstützungsangebote für die Tages- und Urlaubsgäste der Heilbäder und Kurorte in Baden-Württemberg von Interesse sein: so wird vermutet, dass präventiv Aktivierte vorwiegend nach einer Lösung aktueller Probleme suchen, während sich Personen mit gesundheitsförderlicher Aktivierung mehr für einen Aufbau neuer Ressourcen interessieren (vgl. Kap. 2.1). Da diese Thematik zu komplex ist, um sie an dieser Stelle ausführlich zu diskutieren, soll im Rahmen dieses Beitrags je Aktivierungsart nur ein konkretes Beispiel für die Konzeption von Unterstützungsangeboten betrachtet werden. Ausgewählt wurden hierfür zum einen die der Erholung entgegenwirkende Stressbelastung, die zum Befragungszeitpunkt von einem guten Fünftel der deutschen Wohnbevölkerung als hoch bis sehr hoch eingestuft wurde, und zum anderen Erholungsaktivitäten, die der Erholungserlebens-Dimension „Entspannung“ zugeordnet werden können.

Wird das Stresslevel im Alltag als hoch oder sehr hoch erlebt, dürfte die betreffende Person präventiv aktiviert sein. Gelingt es nicht, die durch den Stress induzierten Probleme selbst zu lösen, können Hilfestellungen von außen interessant werden, die dazu geeignet sind, den Stress selbst oder die durch diesen ausgelösten Symptome zu reduzieren. Exemplarisch zu nennen sind Unterstützungsangebote, die den besseren Nachtschlaf oder auch die gezielte Erholung während stressiger Phasen fördern (siehe Abb. 7).

Abbildung 7: Suche nach Unterstützung bei Stress (Stressbelastung hoch bis sehr hoch)
Abbildung 7:

Suche nach Unterstützung bei Stress (Stressbelastung hoch bis sehr hoch)

Im Mittelpunkt der Unterstützungsangebote steht die Erholung als selbstregulative Handlung. Je nach persönlicher Situation ergeben sich bezüglich der in Abbildung 7 dargestellten Aussagen unterschiedliche Unterstützungsbedarfe. Diese liegen umso höher,

  • je größer die gegenwärtige Stressbelastung („überhaupt keine“ bis „sehr hoch“),

  • je schlechter das aktuelle Gesamtbefinden („sehr schlecht“ bis „sehr gut“) und

  • je dichter die Wohnbebauung des jeweiligen Wohnortes („sehr dicht mit sehr geringem Grünanteil“ bis „sehr locker mit sehr hohem Grünanteil“) ist[6].

Der Aspekt des Wohnumfeldes verdeutlicht erneut den Einfluss der Umgebung auf das Erholungshandeln. Wie in Kapitel 2.3 aufgezeigt, hängen erholungsspezifische Handlungen auch maßgeblich von dem jeweiligen Raum und der konkreten Situation ab, in der sich eine Person befindet. Hierbei scheint es so zu sein, dass es nicht nur gesundheitsförderliche Rahmenbedingungen im Sinne der erholsamen Umwelten gibt, sondern unser alltägliches Umfeld durchaus auch eine „nicht-erholsame Umwelt“ darstellen kann. Es wird diesbezüglich vermutet, dass die mangelnde Affordanz (vgl. Flade, 2018) derartiger Wohnumfelder weniger zum Erholen einlädt und das Erholungshandeln dort folglich weniger aktiviert wird.

Während das erste Beispiel den erholungsbezogenen Unterstützungsbedarf bei stressbedingten Problemen abbildet, bezieht sich das zweite Beispiel auf den Ressourcenaufbau in Form neuer Erholungsaktivitäten, die eine entspannende Wirkung ausüben. Da diese Art von Ressourcenaufbau, wie zuvor dargelegt, insbesondere bei gesundheitsförderlich Aktivierten zu erwarten ist, werden im Folgenden wieder nur die rund 6 % der deutschen Wohnbevölkerung betrachtet, die sich durch eine stabile Erholungsplanung kennzeichnen. Eine weitere Begrenzung besteht zudem darin, dass bei einer Vielzahl möglicher Entspannungsaktivitäten eine Auswahl getroffen werden musste. Die in Abbildung 8 dargestellte Auswahl entspannender Erholungsaktivitäten wurde vor dem Hintergrund getroffen, dass die jeweilige Person dazu bereit sein sollte, selbst aktiv entsprechende Kompetenzen aufzubauen. Zudem sollte diese Art der Erholungsaktivität bereits im Angebotsportfolio der Heilbäder und Kurorte enthalten sein oder leicht in dieses aufgenommen werden können. Wie die vorliegende Abbildung verdeutlicht, werden die Aktivitäten Achtsamkeitsübungen, Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobsen, Waldbaden und E-Bike fahren bereits von ca. einem Fünftel bis einem Drittel der Personen mit stabiler Erholungsplanung zur Erholung genutzt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass hier kein weiteres Potenzial mehr bestünde: Ca. ein Fünftel bis ein Viertel dieser gesundheitsförderlich Aktivierten würde diese Aktivitäten künftig gerne mal ausprobieren, um sich zu erholen.

Abbildung 8: Ausgewählte Erholungsaktivitäten (Erholungserlebens-Dimension „Entspannung“)
Abbildung 8:

Ausgewählte Erholungsaktivitäten (Erholungserlebens-Dimension „Entspannung“)

Interessant ist auch, dass selbst bei einem „Erholungsklassiker“ wie Schwimmen/Baden gehen, das bereits von 52 % der Personen mit stabiler Erholungsplanung unternommen wird, noch weiteres Potenzial besteht. Der umgekehrte Fall liegt dann bei verhältnismäßig neuen Aktivitäten wie dem Stand-Up-Paddling vor, das erst von 7 % der gesundheitsförderlich Aktivierten zur Erholung genutzt wird, und von weiteren 21 % gerne dafür ausprobiert werden würde.

Basierend auf den gewonnenen Erkenntnissen ist die vierte Forschungsfrage dahingehend zu beantworten, dass sich für die Entwicklung erholungsbezogener Unterstützungsangebote unterschiedliche Ansatzpunkte berücksichtigen lassen. Entscheidend für die Unterstützung des Erholungsprozesses der Gäste der Heilbäder und Kurorte ist es dabei, die unterschiedlichen Arten der Aktivierung zu berücksichtigen. Die Konzeption und Vermarktung von Unterstützungsangeboten für präventiv aktivierte Personen scheint v. a. dann besonders vielversprechend, wenn es erstens gelingt, durch die Ausgestaltung des jeweiligen Angebots konkrete Probleme wie Schlafstörungen zu lösen, und zweitens, der im Alltag oft fehlenden Erholungsaffordanz in den Heilbädern und Kurorten gezielt entgegenzuwirken. Dies dürfte v. a. dann gelingen, wenn diese aus Sicht der Tages- und Urlaubsgäste als erholsame Umwelten erlebt werden. Für gesundheitsförderlich aktivierte Personen steht wie dargelegt weniger die Lösung aktueller Probleme im Mittelpunkt des Interesses. In diesem Fall bietet Ressourcenaufbau in Form von aktiv gestalteter Entspannung den vielversprechenderen Anknüpfungspunkt für die Angebotskonzeption. Dies erfordert jedoch das Vorhalten flexibel kombinierbarer Angebotsbausteine in den Heilbädern und Kurorten. So kann die angestrebte Positionierung der Heilbäder und Kurorte als Orte der selbstregulativen Erholungsplanung gelingen.

5 Nachhaltige Erholung

Für viele Freizeit- und Urlaubsdestinationen war und ist es von großer Bedeutung, sich als erholsame Umwelt zu vermarkten. Es sollte daher weiterhin gezielt erforscht werden, wie diese destinationsbezogene Erholung konkret gelingen kann. Die durchgeführte Studie konnte diesbezüglich bereits andeuten, dass ein erholsamer Urlaub ganz wesentlich davon abhängt, wie Erholungs-erfahren jemand ist. Neben der grundlegenden Frage nach der Aktivierung für die eigene Erholung ist in diesem Zusammenhang das Erholungserleben von großer Bedeutung. Erholung ist demnach mehr als Entspannung und Abstand zum Alltag. Nicht jeder hat jedoch bereits die nötige Kompetenz entwickelt, im Urlaub etwas Neues in sich anzuregen oder sich gar herauszufordern. Hier sind die Anbieter gefragt, den Erholungsprozess ihrer Gäste gezielt zu unterstützen und weiterzuentwickeln. Wie die erzielten Ergebnisse gezeigt haben, können diesbezüglich auch die örtlichen Rahmenbedingungen förderlich sein, indem es einem im Urlaub z. B. gelingt, die Gedanken an die Arbeit hinter sich zu lassen und offen für neue Erfahrungen zu sein. Wird dieses erholsame Setting jedoch wieder verlassen, stellt sich oft bereits nach kurzer Zeit ein so genannter „fade out effect“ ein, der die Urlaubserholung rasch verblassen lässt (vgl. de Bloom et al., 2009). Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die während des Urlaubs in Anspruch genommenen erholungsbezogenen Unterstützungsangebote dazu geeignet sind, sich auch im Alltag besser erholen zu können. Gelingt den Heilbädern und Kurorten in Baden-Württemberg die Konzeption solcher Angebote bzw. wird durch deren Inanspruchnahme die Erholungskompetenz auch tatsächlich erhöht, können diese Freizeit- und Urlaubsdestinationen einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Erholung ihrer selbstzahlenden Tages- und Urlaubsgäste leisten.

About the authors

Prof. Dr. Dennis Hürten

Dennis Hürten ist Professor für Tourismuswirtschaft, insbesondere Gesundheitstourismus im Studiengang Gesundheits- und Tourismusmanagement an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen. Er ist Spezialist für empirische Tourismusforschung und interessiert sich neben dem Gesundheitstourismus vorwiegend für aktiv- und kulturtouristische Fragestellungen.

Katharina Kimmich

Katharina Kimmich ist verantwortlich für die Bereiche Marktforschung und Innovationsentwicklung bei der Heilbäder und Kurorte Marketing GmbH Baden-Württemberg und unterstützt die Interessen der Heilbäder und Kurorte in Baden-Württemberg durch zielgerichtete Forschung. Gemeinsam mit den Mitgliedsorten setzt sie die Forschungsergebnisse darüber hinaus in die Praxis um und fördert die Weiterentwicklung der (Gesundheits-)Tourismusdestinationen.

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Published Online: 2023-03-17
Published in Print: 2023-03-13

© 2023 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 7.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/tw-2022-0010/html
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