Home Zum 100. Geburtstag von Igor’ Cholin: Die Werkauswahl der Edition Aspei (Bochum) zwischen Avantgarde und Konzeptualismus
Article Open Access

Zum 100. Geburtstag von Igor’ Cholin: Die Werkauswahl der Edition Aspei (Bochum) zwischen Avantgarde und Konzeptualismus

  • Tatjana Hofmann EMAIL logo
Published/Copyright: March 15, 2022
Become an author with De Gruyter Brill

Summary

The following article was originally meant to be a review of the German Cholin edition. During my correspondence with the editors the text developed in dependence on my reception process: I started to read Cholin in an intertextual chain of (post-)avant-garde art and life practices that are situated around documentarism. Cholin’s poetics builds upon language experiments of Zaumniki and the absurd writing of Obėriu. Besides, I argue, we can also find some references to the simultaneously emerged, yet contrary avant-gardistic movement of Factography. Cholin’s mediators reinforce this tradition as they set in motion the continuation of the factographic discourse via Moscow Conceptualism and its reception aesthetics in (Western) Germany and in Western Europe. The edition by aspei applies practices of publishing, translating and researching next to artistic ones, thus integrating documenting as well as commenting.

Conceptualizing interpretation as a performance between artists and spectators enables us to recognize that, in contrast to the complete world models of any ideology, interpretation as aesthetic process is always fragmentary, contingent on personal interests and motivations, giving us the opportunity to reflect on how meaning is made through language between and across subjects. (Hänsgen 2016: 215)

1 Cholins Poesie als Lupe des Lianozovo-Kreises

„Sehen Sie, wie sich der Kreis immer mehr vergrößert: Diese Leute hatten wieder Bekannte, und so bildete sich aus unserer Gruppe eine ganze kulturelle Schicht heraus.“ („Видите, как круг всё расширяется, у этих людей были свои знакомые, поэтому образовалась культурная группа, культурный слой“), kommentiert Igor’ Sergeevič Cholin vor Sabine Hänsgens Kamera 1996 seine Erinnerungen daran, wie er vom Hauptmann der Roten Armee[1] zu einem der wichtigsten nachstalinistischen Undergrounddichter wurde.

Abb. 1 
          Igor’ Cholin im Armeedienst (s. Fn. 1)
Abb. 1

Igor’ Cholin im Armeedienst (s. Fn. 1)

Die Gruppe, die seine Schriftstellerwerdung begünstigt hat, ist keine geringere als die der Moskauer Konkretisten und Konzeptualisten. Diese holt Cholins Werkschau, erschienen zu Ehren seines 100. Geburtstages, in unser Blickfeld hinein – auf Papier und auf dem Bildschirm. Das Bio-Inter-View mit dem Dichter und Autor auf Video Hi8 via Vimeo-Link, intermedialer Höhepunkt der Hommage, krönt die schlichte, minimalistisch designte Trilogie im Schuber CHOLIN 100.

Alliterationen und Assonanzen gehören nicht zu Cholins Lieblingsstilmitteln. Sein Stil ist subtiler, der brutalen Poesie der Alltagssprache und der banalen Brutalität des Totalitären verpflichtet. Seine lakonische Harmonielosigkeit baut auf unerwarteter Montage verschiedener Sprachcodes auf, dem dokumentierend-parodierenden Verzeichnis und der Sinn-Freiheit semantischer Reihen. Aufeinander bezogene Linien in kommafreien Versen gehen über die sichtbare Schrift hinaus, ihre Banalität hat subversiven Charakter. Plötzliche Brüche und sich dennoch wurzelartig vertiefende Verbindungen kennzeichnen auch Cholins Biografie. Über sie erfahren wir nach den Gedichten und Kurzgeschichten im dritten Heft mehr, so dass fiktionale Texte und eine faktisch authentifizierte Erzählung einander gegenüberstehen.

Neben Sabine Hänsgen gehören zum Kreis deutschsprachiger Rezipient*innen des Lianozovo-Phänomens Wolfram Eggeling, Übersetzer von Cholins Prosa dieses Werkquerschnitts,[2] und Gudrun Lehmann, die Cholins Gedichte sorgfältig ins Deutsche übertragen hat. Wolfram Eggeling kennt die slavistische Welt als Experten zur Kulturpolitik der 1960er Jahre (Eggeling 1994). Gudrun Lehmann ist in Slavistenkreisen als Verfasserin mehrerer Meilensteine zu Daniil Charms, inklusive seiner Biografie, bekannt (Lehmann 2010).

Am liebsten würde ich beide zu einer Inter-View-Aktion treffen. Da dies nicht möglich ist, frage ich per E-Mail nach ihren Motivationen und Erfahrungen bei der Arbeit an der Ausgabe.

Wolfram Eggeling antwortet mir am 22.05.2021, dass Cholins Prosasammlung Aphorismen und rund 450 Kurz- und Kürzesterzählungen enthält, die in den letzten Jahren der sowjetischen und in den ersten Jahren der postsowjetischen Zeit entstanden sind. Die Geschichten dieses letzten Werkzyklus kreisen meist um ein ,unerhörtes Ereignis‘. Während des Umbruchs in der ehemaligen Sowjetunion erleben wir in ihnen

ein Kaleidoskop skurriler, abgründiger und tragikomischer Situationen und Ereignisse. Die Protagonisten versuchen, sich ihrer selbst zu vergewissern. Nicht selten geschieht das auf satirische Weise, manchmal augenzwinkernd – die Personen werden vorgeführt –, zuweilen kreatürlich naturalistisch oder mit Hilfe surrealer Elemente wie Engel, Teufel, nachwirkender Träume und übermenschlicher Fähigkeiten. Das gilt auch für das Kapitel mit Erzählungen über den Zweiten Weltkrieg.

Bei seiner Auswahl habe er sich davon leiten lassen, verschiedene literarische Vorgehensweisen, Stimmungen und Schattierungen exemplarisch unterzubringen. Eggeling faszinieren die Variationen des Zyklus, dessen Bandbreite er dem Publikum vermitteln möchte.

Auch Gudrun Lehmann eröffnet in ihren Nachdichtungen die Augen und Ohren für die Vielfalt der sprachlichen Codes, die hier aufeinandertreffen. Während die Prosa, die in der Aspei-Ausgabe als Bestandteil von Cholins vielfältigem Schaffen vertreten ist, nach der Lianozovo-Zeit entstanden ist – auf diese Zeit setzt der vorliegende Beitrag einen Schwerpunkt –, und an anderer Stelle zusammen mit Cholins Roman Katz und Maus (Koški myški) separat betrachtet werden sollte, haben wir es im Lyrikheft mit Cholins inoffizieller Poesie im Poststalinismus zu tun. Als ich Gudrun Lehmann nach ihrer Arbeit als Übersetzerin und Herausgeberin frage, erzählt sie in ihrer Antwort von 19.05.2021 von den Prätexten, vor allem Obėriu, der Leningrader „Vereinigung realer Kunst“. Diese hatte dem SozRealismus mit ihrem Titel programmatisch den Kampf angesagt:

Unter den Obėriuten (z. B. Olejnikov) findet man häufig ‚Sowjetismen‘, die sie samt dem vulgären, obszönen Sprachgebrauch karikieren, die irrsinnige Lebensform der Kommunalka wird rauf- und runter dekliniert. Vergleichbar verleiht Cholin dem ‚Scheißhaus‘ oder dem ‚Chuj‘ einen gleichen poetischen Rang, wie Gott und dem gesamten Rest der Welt. Tote und Lebende treffen sich auf einer Ebene (und auch das bietet Obėriu). Besonders gut hat mir bei Cholins ‚Erdball‘ gefallen, daß er in seiner abgrundtiefen, fäkalen und stinkenden ‚realsozialistischen‘ Lebenswelt plötzlich die romantische Stimme Puschkins aus dem ,Offʻ einschleust. Da fand ich ausnahmsweise Satzzeichen, ‚unpassende‘ Romantismen und Befindlichkeiten. Bei diesem ‚ready-made‘ handelt es sich um Puschkins Gedicht Erinnerung (Vospominanie) vom 19.5.1828.

Zu Sowjetzeiten hätte man in offiziellen Kreisen das sicher als eine ,Schändungʻ des russischen Kulturgutes ausgelegt. Russen kennen ja ihren Puschkin und auch Cholin war sein Verehrer...

Sehen Sie Verbindungen zwischen Cholin und Charms, über den Sie intensiv gearbeitet haben?

Obėriu und an erster Stelle Charms wurden im Untergrund von Lianozovo wegbahnend wie Kult- und Gegenwartsautoren gelesen. Evgenij Kropivnickij gilt als wichtigster Multiplikator, er verbreitete das ,verboteneʻ Erbe der Obėriuten in Lianozovo. Er wurde Cholins wichtigster Mentor. Am 22. August 1966 notiert der an sich zweifelnde Cholin in sein Tagebuch: „Er lobte mein langes Poem Der Erdball [Endfassung: Es starb der Erdball]. Bin nicht sicher, glaube ihm.“ In Moskau war auch Alisa Poret (Freundin und zeitweilige Geliebte von Charms) eine Vermittlerin, die auch im privaten Kreis Texte von Charms las. Cholin hat ein Treffen mit ihr in seinem Tagebuch vom 8.10.1966 notiert.

Es fällt auf, dass Cholins Erdballzyklus das Kugel- bzw. Schädelmotiv von Velimir Chlebnikov und Daniil Charms wiederholt. Es taucht im späteren sowjetischen Untergrund wieder vermehrt auf, u. a. sprechen Pivovarov und Kabakov von ‚Kolobok‘ und ‚kleinen weißen Kugeln‘.

Wie für Cholin bedeutet für Obėriu die Dichtung, die sie als „real“ apostrophieren, Freisetzung der Wörter von ihrem festgelegten Sinn, Loslösung aus ihren funktionalen und logischen Zuschreibungen und Gebrauchsweisen. Nach Charms stehen hinter Wörtern reale und auch brachiale Dingwelten, Sinn-Fallen, Humor, die Koinzidenz von Leere und Fülle, Hürden von Sein und Nichtsein oder die paradoxale Wortspielverschiebung wie mit ,Nul‘/ ,Nol‘ oder ‚Mir‘/‚Myr‘.

Inwiefern knüpfte der Kreis von Lianozovo an Obėriu an und bereitete das Fundament für die Konzeptualisten vor?

Lianozovo knüpft postavantgardistisch an Obėriu an. Der Titel Der Erdball ist gestorben mutet heute höchst ‚ökologisch‘ an, ist aber konkret als groteske Verballhornung und postavantgardistische Absage an den kosmischen Utopismus der Avantgarde zwischen Realia und Fantasie zu verstehen.

Lianozovo steht für eine ,konkreteʻ, unpathetische Literatur, die zunächst aus eigenem Antrieb entstand und als eine Weiterentwicklung von ‚real‘ (Obėriu) zu ‚konkret‘ (Lianozovo) interpretiert werden kann. Auch bei Lianozovo wird die Sprache von ihrem Sinn und den Gebrauchsformen gelöst. In beiden Fällen gelten die exponierte, dinglich-konkrete (häufig serialisierte) und auch ad absurdum geführte Sprache, ihre grotesken, konterkarierenden, parodierenden Parolen, das Auf-die-Spitze-Treiben und die Adaption von Vulgarismen der (sowjetischen) Hoch- und Massenkultur.

Zusammengefasst finden sich folgende Gemeinsamkeiten von Obėriu und Lianozovo: Kinderliteratur (als Brotberuf), heimliche Textproduktion und Distribution durch Abschreiben (Samizdat); Heftkultur; Graphomanie; Sub-/Untergrundkultur, Gruppe von Schriftstellern, die unter die Zensur fallen und ihre Literatur (für Erwachsene) nicht veröffentlichen dürfen; Andocken an die klassische Avantgarde (Kosmismus, Zaum’ etc.)

Igor’ Cholin, Chronist der Vorortworte und -taten, Überlebensheld mit Rückhalt einer nicht anerkannten Community, ohne Ort in der Literaturgeschichtsschreibung. In dieser Rolle sei er vergleichbar mit Oskar Rabin in der Malerei, bereits seit seinem frühen Zyklus Die Bewohner der Baracke (1956–1965):

Die turpistischen und grotesken Elemente dieser Dichtung, die bewusst primitive, lakonische, stenographische Diktion, mit der hier soziale und psychische Katastrophen geschildert werden, das alles war in einem solchen Maße unvereinbar sowohl mit dem klassizistischen als auch mit dem sentimentalistischen Pathos der offiziellen Literatur, dass es in deren Fokus schlicht und einfach nicht als Literatur existierte. (Hirt & Wonders 1997 b: 123)

Der New Yorker Slavist Mark Lipoveckij sieht in Cholins Dokumentarpoetik, die aus dessen zeitgenössischem Kanon herausfiel, wie Gudrun Lehmann ein paradoxes Koordinatensystem – einerseits mit einer gegenständlichen Achse des Wiedererkennbaren, andererseits mit einer abstrakten, ohne jegliche Verortung (Lipoveckij 2020). Die gegenständliche Achse der Dokumentarpoetik, könnte man ergänzen, kehrt das Beobachtetwerden seitens des KGB und seiner Anhänger und Anhängerinnen um in ein lapidares, niemandem schadendes Verzeichnisprojekt. Für seine These des paradoxen Koordinatensystems bringt Lipoveckij ein Beispielgedicht aus dem oben genannten Zyklus, mit dem Hinweis auf dessen metonymische Rolle in einer Serie einzelner Vorfälle und Gedichtanfänge:

И. Кабакову

Дамба. Клумба. Облезлая липа.

Дом барачного типа.

Коридор.

18 квартир.

На стене лозунг:

МИРУ — МИР!

Во дворе Иванов

Морит клопов.

Он бухгалтер Гознака.

У Романовых пьянка.

У Барановых драка.

Für I. Kabakow

Ein Damm. Ein Beet. Eine Linde ohne Blätter.

Ein Haus

Aus Brettern.

Ein Flur. 18 Türen.

Auf der Wand eine Losung:

„Für den Frieden marschieren!“

Auf dem Hof ist Iwanow

Der Buchhalter vom GOSNAK

Auf Wanzenjagd.

Er ist bei der

Notenbankdruckerei.

Bei Romanows ist Krach.

Bei Baranows ist Krieg. (Hirt & Wonders 1992: 83, Nachdichtung von Hirt & Wonders)

Die Liste ließe sich in ihrer dokumentarischen Reihung fortsetzen. Eine gewisse Serialität haftet auch der diachronen Intertextualität des Gedichts an, das die Privatsphäre nur im Textraum findet. Lipoveckij zeichnet mit Bezug auf die Dichterin und Literaturwissenschaftlerin Ol’ga Sedakova eine Verbindungslinie zum Gedicht Wunder (Čudo) von Boris Pasternak aus dessen Gedichten des Doktor Živago (Stichi doktora Živago) und dem neunten Gedicht aus Nachahmung des Korans (Podraženie Koranu) von Aleksandr Puškin nach, das seinerseits mit dem Lied des Arabers über dem Pferdegrab (Pesnja araba nad mogiloju konja) von Vasilij Žukovskij korrespondiert, sowie zum Gedicht Nikolaj Zabolockijs Waldsee (Lesnoe ozero) aus dem Jahr 1938, das 1956 publiziert wurde und Cholin bekannt gewesen ist (Lipoveckij 2020). Die nicht leicht greifbare Verzahnung der Texte trägt zur hermetischen Stilisierung der inoffiziellen Kultur bei, die allerdings auch schnell der Einweihung weichen kann.

Lipoveckij deutet Cholins Barackendichtung als optimistisch, denn diese baue er sich auf, nachdem er den Krieg und den GULAG überstanden hatte: In der Barackenhölle leuchte Licht, der Himmel sei zu sehen (ebd.). Pëtr Kazarnovskij bescheinigt Cholin hingegen uneindeutige Neutralität. Während andere Dichter aus Lianozovo, vor allem Jan Satunovskij und Vsevolod Nekrasov, eine Sprachwelt aus kritischem Impetus erschüfen, verzichtet Cholin auf eine Bewertung der Welten in seiner Lyrik, diese Neutralität des erzählerischen Ichs kennzeichne Cholins bis heute attraktive Poetik (Kazarnovskij 2021). Der Postavantgardist hebe sich von subversiven Verfahren vieler seiner Kollegen ab, da er die sowjetische Wirklichkeit nicht direkt anprangere, sondern mit schonungslosem Blick und sparsamer Syntax in unvollständigen Sätzen das Schicksal der Vergessenen, Übersehenen und Gedemütigten in ihrer Ausweglosigkeit einfange (ebd.). Cholin führt uns manchen Irrsinn des sowjetischen Soziums wie auch des menschlichen Daseins vor Augen.

Es lassen sich weitere Gründe dafür anführen, dass eine nähere Betrachtung der historischen Position von Cholin 100 aufschlussreich ist: In ihr spiegeln sich die Lebens- und Schaffensverläufe innerhalb der Lianozovo-Gruppe sowie die beinahe ein halbes Jahrhundert währende deutschsprachige Rezeption des Moskauer Konzeptualismus. Ist Igor’ Cholin ein Chronist seines Kreises gewesen, so wurde Sabine Hänsgen zur Dokumentaristin jener literarischen Impulse, die aus dem ,Barackenkreis‘ ausgegangen sind. Schließlich stellt die Werkauswahl Teile jener Gedankenwelt einer jüngeren deutschsprachigen Generation vor, im historischen Kontext und in aktueller Sprache. Damit lädt sie zur Lese- und Sehbegegnung mit beiden Kollektiven ein.

2 Denkstil Lianozovo

In der Lianozovolyrik hortet Cholin so etwas wie Schrifthäuslichkeit, doch wird er vom Textraumbesetzer auf jeder Seite zum Blattbefreier. Bedeutungen gedruckter Worte führen in die Leere der teilweise kaum ausgefüllten Seite. Längst ist er nicht marginales Terroropfer offizieller Diskurse, sondern programmatischer Wort- und Lebenskünstler.

Cholins poetische Welt nimmt jene von Lianozovo unter die Lupe und mit ihr einen wichtigen Teil des nonkonformistischen sowjetischen Milieus. Um diesen analytisch zu greifen, arbeitet die Dresdner Slavistin Klavdia Smola wie Mark Lipoveckij mit dem semiotischen Koordinatensystem aus horizontalem (entgleitenden, frei beweglichen) Syntagma inoffizieller Kulturproduktion mit ihrem Kernelement der leisen Metonymie und mit dem vertikalen, (kontrollierenden, oktroyierenden) Paradigma staatlicher Provenienz, das die pompöse Metapher favorisiert. Mit Rekurs auf Boris Ėjchenbaums und Jurij Tynjanovs Schriften zum literarischen Feld und auf die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas lenkt sie die Aufmerksamkeit auf die Rolle von horizontalen sozialen Gemeinschaften. Diese stärken sich gegenseitig in Produktions- und Rezeptionsprozessen, weisen eine durchlässige Grenze zwischen Teilnehmenden und Zuschauenden auf und sind vermehrt durch Intermedialität und Metatextualität gekennzeichnet (Smola 2018).

Besonders interessant erscheint mir, dass Smolas Analyse der Untergrundkultur einen Konnex betrachtet, dessen Effekte schnell außer Acht geraten, wenn man sich primär auf seine Einzelaspekte wie poetische Verfahren oder auf die Rezeptionsgeschichte fokussiert, ohne beides in einen Zusammenhang zu stellen. Die medienaffine Poetik Lianozovos hängt untermittelbar mit dem dortigen sozialen Milieu zusammen – sie entsteht nicht zufällig am Rande von Moskau.

,Am Randeʻ, der Slogan, mit dem auch Sabine Hänsgen viel arbeitet, umgreift, dass im später berühmtesten Moskauer Vorort jenseits von Peredelkino ein eigener Textraum der Nachkriegssowjetunion gereift ist: abstrakte (Wort-)Kunst und konkrete Kritik an sozialen Problemen des Landes jenseits vom Kanon und von erwarteten Normen. Das Dichtersein unter Umständen ständiger Ausgrenzung hat sich durch das geschriebene und gesprochene Wort, durch heimliche Verbreitung, private Aufführung und verselbständigende Aura seine nachhaltige Existenzberechtigung erobert – in winzigen Zimmern, versteckten Ateliers, in der Natur. „Und es war die denkbar unpoetische Welt der Barackenvorstadt, ihr tristes Alltagsleben, die Atmosphäre von Aggressivität und Kriminalität, die den geeigneten Kontext und das geeignete Material einer Ästhetik der Armut bildeten“ (Hirt & Wonders 1997b). Die Kunst half, die Armut zu überleben, so wie zuvor den Hunger und die Gewalt. Klavdia Smola bringt die Ineinssetzung von Ort und Wort der sog. Barackenpoesie auf den Punkt:

In the shanty town on the outskirts of Moscow poets and painters such as Genrikh Sapgir, Lev Kropivnitskii and Igor’ Kholin gathered around Oskar Rabin and Evgenii Kropivnitskii to metonymically develop a shared barracks-poetics. The real neighborhood inspires the collective symbol of the social outsider. A locus becomes a topos. (Smola 2018: 20)

Die Lianozovo-Welt schafft von der Zensur ungestörte Freiräume sowohl bei der künstlerischen Produktion als auch in den Artefakten, vor allem dank der Nichttrennung zwischen öffentlichen und privaten Räumen, den Verbreitungspraktiken des Sam- und Tamizdat und der gegenseitigen intertextuellen Bezugnahme der Beteiligten. Dazu haben auch performative konspiratorische Akte beigetragen, so die Umwidmung von Genres, hybride Texte aus Brieffragmenten, Zeitungsartikeln, Gedichten und Skizzen sowie die Katalogisierung – eine Form ästhetischer Selbstinstitutionalisierung jenseits kanonischer Literatur- und Kunstgeschichte (Smola 2018: 17, 20, 22, 23). Diese und weitere künstlerische Verfahren entstehen in intersubjektiven Lebenswelten der inoffiziellen Kultur in Moskau und Leningrad – in Laboratorien kommunikativer Praktiken, wie Smola sie nennt, gleichwohl bedauernd, dass diese Lebenswelten bald der Vergangenheit angehören (Smola 2018: 42).

Dem wirkt die deutschsprachige Cholinausgabe entgegen: In gewisser Hinsicht führt der Aspeikreis jenes Laboratorium der Lebenskunst (žiznetvorčestvo, vgl. Schahadat 2004), für die sich sowohl die sprachexperimentelle Avantgarde als auch die Faktographie – letztere unter dem Slogan des Lebenbauens (žiznestroenie)[3] – einsetzten, mit seinen kollektiven Aktionen fort. Die Facetten der alternativen Räumlichkeit haben zusammen mit der ihnen inhärenten Mediensensibilität und sozialer Interaktion den Topos und die Trope (Metonymie) Lianozovo geprägt – ein Gefüge aus Alltags- und Kunstpraktiken, die das Leben im repressiven Regime in Kunst verwandeln und auf diese Weise das modernistische Lebenbauen radikalisieren (Smola 2018: 40).

Diese Metonymie steht nicht nur für den Underground in Moskau und Leningrad, sondern auch für die Ausbreitung rezeptionsästhetischer Effekte nach Westeuropa. Dort, insbesondere in Bochum, entstand ein produktiv-reproduktiver Knotenpunkt. Dies begünstigten mehrere Faktoren: zunächst einmal die Bochumer Ruhr-Universität mit ihrer öffentlichkeitswirksamen Verbreitung von Forschungsergebnissen zum sowjetischen Underground, dann die westdeutsche Verlagslandschaft mit unabhängigen Kleinverlagen wie aspei (indie publishing house) und letztlich die Schaffung einer eigenen ,intimen’ Öffentlichkeit durch die Arbeit am Wort in der Gemeinschaft, die sich um den Aspei-Verlag gebildet hat. Diese ,privateʻ, auf sozialen Beziehungen basierende Öffentlichkeit und das gemeinsame dichterische und künstlerische bzw. herausgeberische und übersetzerische Machen teilt der Aspei-Kreis mit Lianozovo, auch wenn der Kontext in Bochum kein stalinistischer ist, sondern einer linken Selbstorganisation entspringt, bei der sich literarisch, künstlerisch und bildungspolitisch engagierte Akteure jenseits des Mainstreams organisieren. Insofern wäre nicht nur die intersubjektive Lebenswelt Lianozovo auf der Achse der Kontiguität zu verorten, sondern auch die intertextuellen und kulturräumlichen Verbindungen in und außerhalb der Sowjetunion, insbesondere eine vergleichbare Lebensweise ,am Randeʻ.

Von jenem Moskauer Vorort aus verbreitete sich in den 1960er Jahren die prominenteste sowjetische Undergroundkunst. Das Netzwerk aus Dichtern und Dichterinnen, Künstlern und Künstlerinnen, die nach Kriegs- und Lagererfahrungen zueinander gefunden hatten, baute mit geringsten Mitteln und unter größten Schwierigkeiten ihren Lebens- und Schreibstil und eine Vielfalt an Werken aus. Im Zuge dessen entstanden auch Rezeptionsräume außerhalb der gewöhnlichen Kanäle.

Cholins Werkschau führt zurück zum Vor- und Ausgangsort, und sie führt die Wirkung von Denkkollektiven vor Augen. Mit diesem Begriff bezeichnete Ludwik Fleck in seiner Studie Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache (1935) den enormen Einfluss sozialen Austauschs darauf, wie und welches Wissen sich seinen Weg in den Kanon, in die Köpfe und Lexika bahnt. Allerdings verstand bereits Fleck Wissen nicht als rein akademisches Produkt, sondern als Idee, Konzept, gemeinsames Interesse an einer Frage und eine gemeinsame „gerichtete Wahrnehmung“, wenn er Denkkollektiv „als Gemeinschaft der Menschen, die im Gedankenaustausch oder in gedanklicher Wechselwirkung stehen,“ definierte, und die er als „Träger geschichtlicher Entwicklung eines Denkgebietes, eines bestimmten Wissensbestandes und Kulturstandes, also eines besonderen Denkstil[s]“ ansah (Fleck 1935: 54–55). Fleck erkannte Denkkollektive in allen Arten sozialer Gruppierungen, so in ihren Berufen, Parteien und Sportvereinen (Fleck 1983: 114). Sein Ansatz rückt in die Nähe von Edmund Husserls Plädoyer für den Einbezug von Lebenswelten in wissenschaftliche Untersuchungen und lässt sich auf künstlerische Milieus wie Lianozovo und die Aspei-Vereinigung übertragen.

Flecks Werdegang stellt seine Theorie unter Beweis, auch ist sein Arbeitsalltag trotz widrigster Bedingungen mit schöpferischer Arbeit im Sinne des Lebenbauens durchdrungen gewesen, woraus wiederum wichtige Erzeugnisse in die Geschichte eingegangen sind – sein Impfmittel gegen das Fleckfieber und seine Wissenschaftstheorie. Fleck hatte seine Studie während des Zweiten Weltkriegs im Lemberger Ghetto und den Konzentrationslagern Auschwitz und Buchenwald während seiner Forschung am Impfmittel gegen das Fleckfieber am eigenen Körper durchlitten. Darin kann man auch eine wissenstheoretisch produktive Radikalisierung der Forderung von Varlam Šalamov erkennen, Lagerliteratur solle durchlebte, durchlittene Dokumentarliteratur sein (Šalamov 2005: 157).

Im Arbeitslager fand auch der Kern der Gruppe zueinander, die später als Gruppe Lianozovo in die Literatur- und Kunstgeschichte der Sowjetunion eingehen sollte, durch Zufall oder aber durch die Beharrlichkeit eines Außenseiters, der nach sozialem Anschluss an die Moderne suchte: 1949 rennt Cholin vom zermürbenden Wachdienst in die Bücherei des benachbarten Ortes weg, lernt dort die Bibliothekarin Ol’ga Potapova und ihren Mann, den Künstler und Dichter Evgenij Kropovnickij sowie deren Tochter mit ihrem Mann Oskar Rabin kennen.

Weitere Personen, die zu ihnen stoßen, sind ihr Sohn Lev Kropovnickij nach seiner zehnjährigen Lagerhaft, seine Mithäftlinge Boris Svešnikov und Arkadij Štejnberg, später Genrich Sapgir nach seinem Armeedienst. Als Oskar Rabin ein Zimmer in der Barackensiedlung Lianozovo zugewiesen wird, zieht die Familie samt Freunden dorthin um. Lidija Masterkova, Vladimir Nemuchin, Olga Potapova u. a. stellen in Rabins Zimmer ihre Bilder aus, Cholin, Nekrasov, Sapgir und Jan Satunovskij lesen sonntags ihre Gedichte vor. Evgenij Kropovnickij, der Malerei im Pionierpalast unterrichtet, trifft seinen ehemaligen Schüler Jurij Vasil’ev, einen mittlerweile gestandenen Künstler, wieder. Vasil’evs Arbeiten und Bekannte entfalten einen Sog auf Cholin, Rabin und Kropovnickij. Später besuchen Il’ja Ėrenburg, Svjatoslav Richter, Gennadij Ajgi, Josif Brodskij, Ėduard Limonov, Jurij Mamleev und Nadežda Mandel’štam Lianozovo. Ein Mythos verselbständigt sich.

Derweil kellnert Cholin im Hotel Metropol und dichtet mit Sapgir eine Zeit lang für einen Kinderverlag Gedichte zum Broterwerb; später werden seine Gedichte und Kurzprosa an einem Gymnasium in Münster im Russischunterricht gelesen.[4] Cholins Zimmerchen wird ihm immerhin ein Zuhause, das er von klein auf nicht gehabt hatte: Als Jugendlicher zur Adoption freigesetzt, von der Adoptivmutter vertrieben, vagabundierte er durch Russland, hielt es nicht lange an einem Ort aus – weder im Erziehungsheim, noch in der Fabrik, noch in der Armee. Als er nach Kriegsende in der Westukraine gegen Bandera-Anhänger kämpfen musste, quittierte er seinen Militärdienst, geriet für zwei Jahre ins Arbeitslager und begann dort, Gedichte zu schreiben. Vielleicht hallt in ihnen auch eine durchlittene Lager- und Kriegserfahrung nach, worauf es nur Distanz zur Welt geben kann? Sie erscheinen ab den 1960er Jahren im Samizdat, 1980 auch um Tamizdat, darunter die Bände Grani, Apollon-77 und U goluboj laguny. Nach 1989 publiziert Cholin seine Gedichte, Poeme und seinen Roman Koški myški unverdeckt in der Heimat.[5]

In seiner Poesie findet der Kultdichter des Moskauer Underground Einheit und Verbindung in den Namen derer, mit denen er im Geiste und im Schreiben befreundet gewesen ist. Ein Netz aus Ironie, Ernst, aus einem Verzeichnis vollständiger Namen und ihrem Aufbrechen bis hin zur nackten Schrift einzelner Buchstabenfolgen breitet der Gedichtzyklus Es starb der Erdball aus, entstanden zwischen 1965 und 1971. Den Titel dieses Zyklus trägt das Gedichtheft (Cholin 2020c):

FREUNDE DES ERDBALLS

Dichter Genrich Sapgir

Freund des Erdballs

Künstler Oskar Jak. Rabin

Freund des Erdballs

Künstler Evg. Leonidyč Kropivnickij

Freund des Erdballs

Valentina Kropivnickaja

Freundin des Erdballs

Künstlerin

Ol’ga Potapova

Freundin des Erdballs

[...]

Po

Ėt

Gen

Rich

Chu

Dja

Kov

Freund

Des

Erd

Bal

Ls“

Die im Poem eingangs genannten Personen gehören zum Kern der alternativen Kulturszene der 1960er und 1970er Jahre. Wie ihre Vorgänger (Obėriu, Daniil Charms, Osip Mandel’štam u. a.) paaren sie Symptome der totalitären Ordnung mit nachdenklicher Haltung zur Funktion und Funktionalisierung von Sprache und zu sich selbst.

Genrich Sapgir, ein enger Dichterfreund Igor’ Cholins und ebenso ein aufmerksamer Beobachter der Produktionsumstände ihrer Poesie in der Barackensiedlung am Rande von Moskau, erinnert sich, dass dessen Gedichte, kurz wie Epigramme, unter Studierenden bereits seit Mitte der 1950er Jahre im Umlauf gewesen sind, so dass sie zu populären Redewendungen wurden („Стихи стали почти народными, как пословицы“, vgl. Sapgir 1997). Anders als die etablierten Šestidesjatniki kultivierte Igor’ Cholin eine selbstmythologische Art der Stilisierung, und zwar durch Modekult, Eigenwerbung, aber auch Understatement und gezielte Desinformation bei seiner Imagebildung, indem er Gerüchte über seine Person speiste, die sich in der mündlichen Tradierung in Moskau verselbständigten, vererbt und verändert wurden (Hirt & Wonders 1997 b: 122). Angesichts dessen, wie sowjetische Zeitungen über Cholin zu Beginn der 1960er Jahre geschrieben haben – er sei düster, suche die Kehrseite des Lebens, male Schwarz –, zirkulierten seine Gedichte auch in ihren Redaktionen und beim KGB (vgl. Sapgir 1997).

Igor’ Cholins, Genrich Sapgirs und Vsevolod Nekrasovs Poesie des Unschönen wirkte bis in den Moskauer Konzeptualismus und dessen Ausläufer hinein. In ihren absurden kurzen Texten, in ihren privaten Ausstellungen und Ausflügen rettete der Lianozovo-Kreis die russische Sprache vor der Vereinnahmung durch staatliche Rhetorik, auch wenn die meisten Teilnehmenden keine andere Wahl hatten, als gleichzeitig Teil des Systems zu sein und an seinem Rand, zwischen dem offiziellen und inoffiziellen Sprachkanal im sog. Doublespeak (vgl. Fischer 2003) switchend. Kennzeichnend ist dafür nicht zuletzt Cholins Ablehnung des Heldenbegriffs für herausragende Leistungen im Zweiten Weltkrieg, obwohl er selbst ein mehrfacher geroj gewesen ist.

Das distanzierend-verzerrende Umspielen der staatlichen Kultur mit ihren Losungen, Forderungen und ihrer Realitätsferne hat neben der Alltagsrede im Moskauer Vorort die Poesie und die Performancekunst in Osteuropa geprägt, deren Ausstellungen Sabine Hänsgen in den letzten Jahren maßgeblich mitkuratiert hat.[6] Aber auch in Vladimir Sorokins und Dmitrij Prigovs Verfahren des imitierend-tautologischen Nachsprechens klingt ein Echo Lianozovos nach, u. a. der Stimmen-Zyklus Genrich Sapirs, der wie Cholin die Barackenwelt inventarisierte (Wehr 1992). Wie Genrich Sapgir und Vsevolod Nekrasov gehört Cholin zu den ruhigeren Figuren der Lianozovo-Literaten. Anders als Prigov inszenierte er sich knapp, zurückgenommen, fast ein Fremder gegenüber sich selbst, wie auch im Video-Interview von Sabine Hänsgen.

Cholins seitenlange Liste der ,Erdballfreundeʻ enthält bekannte und unbekannte Namen, darunter seine Tochter Ljudmila, Achmatova, Picasso, Kabakov, Charles de Gaulle, Gagarin, Tarkovskij und Enzensberger. Jener von Sabine Hänsgen fehlt. Dabei öffnete sie Cholin das Tor zum Westen – und er ihr ein weiteres Fenster in den zum Schutz abgeschirmten, doch gegenüber westeuropäischen Interessierten offenen Underground. Dessen Mitglied wurde sie selbst mit der Zeit, ihr Name stand oben auf der Performanceliste der Gruppe Kollektive Aktionen (Kollektivnye dejstvija). Wie sich die deutsche Slavistin erinnert, schlug ihre Dokumentationstätigkeit „irgendwann in die Autorentätigkeit um. Das passierte bei den Aktionen einer späteren Phase, in denen auf einer Metaebene bereits das Wechselspiel zwischen Ereignis und Dokumentation reflektiert wurde“ (Martin 2016: 76). Die Einladung zur Teilnahme gefiel ihr mehr als die Aufforderung zum Konsum, die von westlicher Kulturproduktion ausging (ebd.). Seit 1985 nahm sie an den Kollektiven Aktionen teil, seit 1996 gehört sie zur Vereinigung Aspei – Literatur und Kunst zwischen West und Ost.

Bevor ich etwas genauer auf die Medialität der Cholin-Werkschau eingehe und sie als kulturvermittelnde Variation der gemeinschaftsstiftenden künstlerischen Praktiken Kollektiver Aktionen im Umfeld der Bochumer Indie-Plattform Aspei verorte, möchte ich noch einmal an meine These erinnern, dass durch die Cholin-Werkausgabe die textüberschreitenden Raumverbindungen, Medienreflexivität und soziale Lebenswelt Lianozovos in der Rezeption ein Stück weit und mit Rekurs auf die Avantgarde aktualisiert werden.

3 Gemeinschaft Aspei

Gegründet hat Aspei der Germanist und Schriftsteller Martin Hüttel Mitte der 1980er Jahre in Bochum als deutsch-russischen Kreis von Literaturschaffenden und Literaturforschenden. Die Gruppe gibt Künstlerbücher zu u. a. Ėduard Štejnberg, Vladimir Jankilevskij, Fransisko Infante-Arana, Vladimir Nemuchin, Andrej Monastyrskij, Sabine Hänsgen und Martin Hüttel heraus (Schellens 2021: 113), Lyrik- und Prosaübersetzungen von Vsevolod Nekrasov, Dmitrij Prigov und Lev Rubinštejn und regt zu deutsch-russischen (Hänsgen und Monastyrskij) und deutsch-polnischen (Hüttel und Kuczmiński) Kooperationen an. Die Gruppe ist bereits mehrfach Gegenstand von Ausstellungen in Deutschland und Russland geworden, die ihrer Vermittlungstätigkeit gewidmet waren (ebd.: 114). Übersetzung wird hier also als Begegnung, Herausgabe als Teilhabe gelebt.

Sabine Hänsgens wissenschaftliche Kommentierung, künstlerische Komplizenschaft, editorische und übersetzerische Vermittlung und ihre geschichtsbewusste Verbindung zu einzelnen Personen gehören ebenfalls zu jener kulturellen Schicht der alternativen Nachkriegsgemeinschaft, die Cholin anspricht. Geschichtsbewusst, denn ihr Interesse für Cholin rührte von der Begeisterung für die Medialität, Materialität und Mehrfachfunktion von Sprache her: Konkrete und visuelle Poesie der 1970er und Anfang 1980er Jahre erfreuten sich in Westdeutschland heute kaum noch vorstellbarer Beachtung, und zwar als Mittel zur dringenden Entmistung von der Ideologie, mit der die Sprache seit der Nazi-Zeit aufgeladen gewesen ist. Vor diesem Hintergrund hat Hänsgen den Rezeptionskontext für gegenseitigen produktiven Austausch geöffnet. Sie betonte, dass Cholin und sein Kreis ähnliche Herausforderungen wie andere Dichtende nach dem Zweiten Weltkrieg bearbeiten, und sie brachte Cholin zu Aspei nach Bochum.

Aspeis Verleger, Martin Hüttel, nimmt seine eigene Rolle weitgehend zurück: In einer Mail an die Verfasserin vom 22.5.2021 schreibt er, Aspei sei nur nominell mit seiner Person verbunden, de facto aber ein Netzwerk von Künstlern und Literaten, in welchem die Mitglieder als Gruppe und ihr Umfeld wichtig sind. Dabei lernte er den Kreis nonkonformistischer Künstler in Moskau bereits 1978/1979 kennen, als er dort mit einem DAAD-Stipendium gewesen ist, darunter Štejnberg, Jankilevskij, Nemuchin, Infante, Kabakov, Monastyrskij und Bulatov. Hüttel und seine Bochumer Freunde und Bekannten – Gisela Krey, Sabine Hänsgen, Georg Witte, Hans Günther, Andrzej Kuczminski, Igon Rohowski, Wika Mikrut, Wolfram Eggeling, Gudrun Lehmann, Elly Valk-Verheijen, Arkadij Brojido, Bernd Schultheis u. a. – haben daraufhin Ausstellungen organisiert, darunter in Kaliningrad (Königsberg), Petersburg, Tiflis und zuletzt 2018 in Odessa. Wie der Verleger betont, entstand die Initiative zu diesen Ausstellungen im Dialog der Gruppenmitglieder, die sich 1996 als gemeinnütziger Verein konstituiert haben; auch die Ausstellungen basierten auf dem Prinzip des Dialogs zwischen den eingeladenen russischen und den deutschen Künstlern des Ausstellungsortes.

Außer für die bildende Kunst hat sich die Gruppe Aspei für Literatur engagiert, sie hat gruppeninterne Texte ediert und Texte von Autoren aus dem jeweiligen Gastland. Dazu wurden Übersetzungen angefertigt, zumeist aus dem Russischen ins Deutsche und aus dem Deutschen ins Russische, ferner ins Englische, Ukrainische, Georgische und Jiddische. Hüttel sieht die Verlagstätigkeit des Aspei als Teil eines umfassenderen Engagements.

Der Name Aspei verweist auf die Wohngemeinschaft, in der Sabine Hänsgen und er in den 1980er Jahren in Bochum lebten. Heute befindet sich in dieser Straße der Sitz des Vereins. Die Straße liegt in Bochum zwischen der Hustadt, einem sozialen Brennpunkt, und der wissenschaftlichen Hochburg der Ruhr-Universität. Aspei steht, wie Lianozovo, für eine semantisch dichte topographische Metonymie – zwar nicht für den Rand und das Randständige, jedoch für das Dazwischen, auch das zwischen Ost und West, zwischen Literatur und bildender Kunst und den Zwischenraum hoher und niedriger Sprache, wie Gisela Krey, die Schatzmeisterin des Vereins, hinzufügt.

Nebst zahlreichen Editionen, Artikeln und Vorträgen hat Sabine Hänsgen selbst bei Aspei konzeptualistisch inspirierte Gedichtetüden im Duo mit Georg Witte, der nach seiner Bochumer Zeit ab Mitte der 1990er Jahre in Berlin als Slavist und Komparatist lehrte, veröffentlicht.[7] In einer von ihnen treffen wir wie bei der Cholin-Ausgabe auf drei Hefte im Plastikcouvert (Um Um, Begegnungen und Das Letzte) und in den Begegnungen auf Cholin selbst in einem Reigen von Namen, die je auf einer separaten Seite ein Liedchen von Begegnungen zwischen West und Ost singen:

: Cholin trifft Capote

: Ja takaja suka – ne sowjetuju snat

: Ich verstehe nur blood

: Sokolow trifft Wehr

: Ich hab mich zwei sinkenden Sternen geweiht:

Lollipop 1 und und Lollipop 2

: Stella Nabokow und Stella Sokolow

: Ich hab eine Stahlfeder im Bauch

: Celan trifft Kiesewalter

: Und ich schweb dir voraus als ein Blatt

: Und endlich blick ich wie Sie (Sage 2017: 14–18)

In diesen Minimalszenen, die nicht von ungefähr „Stücke“ heißen, sagt das doppelte lyrische Ich (SAGE: SAbine und GEorg) ein popkulturelles Potpourri aus dem russischen und englischen Sprachraum, spielt mit deutscher (Um-)Schrift und mit dem Blatt als Metapher, dessen Leere ins Auge sticht: füll mich aus, sei es mit Unds, triff auf mir jemanden, triff auf mir das falsche Wort, das du gleich wieder mit der nächsten Seite bedecken wirst...

Die Werkschau Cholins steht im Denk- und Schaffenszusammenhang des Konzeptualismus und seiner Rezeption in Moskau und Deutschland. Das BioInter-View im dritten Heft der Cholin-Ausgabe schließt den Rahmen von Hänsgens jahrzehntelanger Videodokumentationstätigkeit in der Moskauer literarisch-künstlerischen Szene. Als sie mit Witte unter dem zum Markennamen avancierten Pseudonym Sascha Wonders & Günter Hirt die Audio- und Textdokumentation Lianosowo herausgegeben hat (Hirt & Wonders 1992), stellte ihnen Cholin Aufnahmen von den verstorbenen Evgenij Kropivnickij und Jan Satunovskij zur Verfügung. Norbert Wehr hat die Ausgabe als das dritte „sprechende Archiv“ der inoffiziellen Moskauer Kultur bezeichnet (Wehr 1992).[8] War S Press die passende Plattform, da sie den russischsprachigen Konzeptualismus mit der konkreten, visuellen und akustischen Poesie im Westen in eine Reihe stellte, und waren mehrere Dossiers im Schreibheft das geeignete Medium für eine Vermittlung ins Deutsche,[9] so verschiebt die Ausgabe bei Aspei nun die Aufmerksamkeit sanft darauf, dass Cholin dort neben Werken von Vsevolod Nekrasov, Andrej Monastyrskij, Andrzej Kuczmiński und Wika Mikrut auch Sabine Hänsgen samt ihrem Poetrypartner Georg Witte begegnet.

Ihre Zusammenarbeit mit Cholin wuchs in jahrzehntelange Freundschaft über. Er hielt sich mehrmals in Deutschland auf, ein letztes Mal im Rahmen der Ausstellung Präprintium. Moskauer Bücher aus dem Samizdat im Neuen Museum Weserburg / Bremen 1998 sowie in Düsseldorf mit der Ausstellung Moskau-Düsseldorf – Russische Kunst vom Samizdat zum Markt im Heinrich-Heine-Institut, organisiert von der Teilnehmerin des Aspei-Kreises Gudrun Lehmann. Seinen Nachlass hat er der Forschungsstelle Osteuropa in Bremen überreicht, was die weitere Rezeption seines Werkes in Westeuropa sichert.

4 Medialität der Ausgabe

Cholins Werkquerschnitt ist buchstäblich gut greifbar. Außer dem Schuber hält das wiedererkennbare Design die Hefte zusammen. Es vereint sie auch mit der Ausgabe von SAGE bei Aspei. Wieder treffen wir auf lustige Lakonie, Liebe des Satzes zur Pause, zum Spatium und zum unbesetzten Schriftraum hinter rhetorischen Schablonen.

Was die Cholin-Jubiläumsausgabe auszeichnet: Sie schließt multimedial an die zum Standardwerk gewordene Lianozovo-Ausgabe in der Edition S Press an, denn wieder handelt es sich um ein Medienpaket. Buchgestaltung, der graphische und zum Vorlesen einladende Text, die Fotographien von Cholin verschiedenen Alters und das Video mit ihm ergänzen einander, die Technikbegeisterung der postavantgardistischen sowjetischen Kunst aufgreifend.

Das Medienpaket von 1992 – ein unkonventioneller Begleitkatalog zur Ausstellung Lianosowo im Kunstmuseum Bochum (kuratiert von Günter Hirt & Sascha Wonders), die nach Bremen gewandert ist, – hat Cholins Verbindung zu Deutschland und zum Aspei-Kreis etabliert, wie jene von Sapgir und Nekrasov: Gemeinsam tourten sie durch die BRD. Erstmals reiste Cholin 1989 nach Bochum, als ihn das Lianozovo-Herausgeberteam zum Festival hier und dort / тут и там im Museum Folkwang Essen eingeladen hatte (Brockhoff 1989).

Abb. 2 
          Igor Cholin, 1990er Jahre, Moskau (Foto: Sabine Hänsgen)
Abb. 2

Igor Cholin, 1990er Jahre, Moskau (Foto: Sabine Hänsgen)

Mit der jüngsten Cholin-Ausgabe vermittelt das Herausgeberkollektiv weiterhin dem westeuropäischen Publikum das Denkkollektiv Lianozovo & Co. Es aktualisiert den (Früh-)Konzeptualismus in seiner experimentellen Kleinverlaginitiative, die als kulturvermittelnde Teilnahme an einem noch andauernden Rezeptionsprozess verstanden werden kann.

Wie Sabine Hänsgen in ihrem – schriftlichen – Rückblick resümiert, haben die Moskauer Konzeptualisten sie und ihren Freundeskreis in ihre Aktionen und Analysen einbezogen und soweit hineingezogen, dass sie diese Methoden für sich versucht haben zu adaptieren: Die Beobachtung als Teilnahme sei ein zentrales Prinzip ihrer Medienausgaben geworden, bei der sie zwischen Außen- und Innenperspektiven die eigene Involviertheit berücksichtigten, wobei es sie faszinierte, dass das Publikum zusah und zugleich teilnahm.[10]

Der Aspeikreis greift dieses Konzept auf. Dazu trägt die Mehrsprachigkeit der Ausgabe bei. Das Transkript des Gesprächs, das Sabine Hänsgen 1996 in Moskau mit Cholin führte, finden wir neben Russisch auch auf Deutsch und Englisch vor. Das Originaltranskript und seine englische Übersetzung wurden für die Ausstellung mit Handschriften und Typoskripten von Cholin und Sapgir („Холин и Сапгир. На правах рукописи“) im Museum Garage 2017 angefertigt.[11] Nun veröffentlicht es das Museum Garage auf seiner Research Website in russischer und englischer Sprache, zusammen mit einem Ausschnitt aus dem Video, einer Einleitung und wissenschaftlichen Kommentaren zu Personen und Ereignissen, die der Leiter der Garage-Bibliothek Valerij Ledenev verfasst.[12]

Abb. 3 
          Beschriftung der DVD, Entwurf von Martin Hüttel.
Abb. 3

Beschriftung der DVD, Entwurf von Martin Hüttel.

Die Edition setzt die Mediendimension minimalistischer als die Lianosowo- oder Präprintium-Bände um, ohne Stick, Chip oder eingelegte DVD (diese gibt es nur in einer Liebhaberauflage von 25 Stück, primär für Bibliotheken gedacht, so dass sie zu einem Kultobjekt werden könnte). Das Passwort für das Video, das man nach der Lektüre der Print-Ausgabe auf https://vimeo.com/438246858 findet, huldigt der porträtierten Person ein letztes Mal, indem es den Namen Cholin ohne Vokale wie bei Heiligennamen auf orthodoxen Ikonen, aber auch in Akronymen von Dateinamen schreibt – CHLN100. Dazu S. Hänsgen in einer E-Mail an die Verfasserin vom 15.5.2020, ergänzt am 31.5.2021:

Diese Medienedition bewegt sich zwischen einer bibliophilen Ausgabe und einer allgemein zugänglichen Internet-Veröffentlichung – deshalb auch ein ,poetisches‘ Password, mit dem ich keine strikte Zugangsbeschränkung anstrebe.

Die Videoaufnahme habe ich aber nicht einfach so ins Netz gestellt. Im Sinne der Aufmerksamkeitsökonomie wird den potenziellen Betrachterinnen und Betrachtern die minimale Anstrengung abverlangt, sich mit dem Aufsuchen des Vimeo-Kanals und der Eingabe des Passwords für das Schauen der Aufnahme zu entscheiden.

An das Interviewtranskript schließen sich Porträts des Autors verschiedenen Alters an; er erinnert zuweilen an Andy Warhol. Die Schweiz-Weiß-Fotoserie mit SovPop-Effekt historisiert seine Präsenz in der Gegenwart. Die Remedialisierung des Bio-Inter-Views übersetzt es in unsere Internetzeit. Auf dem Vimeobildschirm sitzt er uns gegenüber, mit dem Rücken zu seiner Computerröhre, die in den 1990ern zur technischen Elite gezählt haben durfte. Das Video manövriert uns in eine Gesprächssituation mit Cholin: Wir sehen und hören ihm zu, quasi durch das Auge und Ohr der Kamera. Wir können das Video in Dialog zu seinen Gedichten und Kurzerzählungen stellen, zu unserem Wissen über das 20. Jahrhundert, zu anderen Überlebenden und Künstlern.

Als Dialog fasst Sabine Hänsgen ihren Einsatz der Videokamera auf. Anders als die westliche Unterhaltungskultur mit ihren populären Massenmedien wie das Fernsehen, die den Zuschauenden keine Möglichkeit zur Antwort geben, und anders als die ideologische Massenkultur in Osteuropa verwendet sie die Videokamera, um eine Situation des Austauschs zu eröffnen: „video can be regarded as a medium of the dialogic opening up of a situation. It is a question of creating a space of exchange and agreement which is at the same time the prerequisite for developing a ramified, reversible net structure (Vilém Flusser)“ (Hänsgen 2020).

Abb. 4 
          Porträt von Igor’ Cholin, Standbild aus der Videoaufzeichnung von Sabine Hänsgen.
Abb. 4

Porträt von Igor’ Cholin, Standbild aus der Videoaufzeichnung von Sabine Hänsgen.

Im Video wird deutlich, dass Cholin ungern an seine Jugend denkt: Jede Station, die er erwähnt, birgt neue Ungeheuerlichkeiten. In knappen Worten umreisst er sein „Trauma“, das in der Tat eine ganze Reihe von Traumata umfasst, im Bewusstsein dessen, dass das Material an ein deutschsprachiges Publikum gerichtet sein wird. Der widerwillige Beginn nimmt Lebendigkeit an, begünstigt durch behutsam-freundliche Ermunterungen, die seine Interviewerin geschickt in der Pause beim Batterie- und Kassettenwechsel platziert. Erstmalig erhalten die Gerüchte, die er um seine Person gestreut hat, eine Bezeugung aus erster Hand – sein kohärenter Rückblick wirkt authentisch, auch wenn er seine Erinnerung für weitere Mythosbildung als unsicher absichert.

Sabine Hänsgen bemerkt eine Parallele der mündlichen autobiographischen Erzählung zur Dichtung, denn Cholin spreche von seinen Lebensstationen so, als ob er Legenden über sich in Umlauf setzen würde:

Cholin bin ich

Cholin bist Du

Cholin ist Er

Cholin sind Wir

Cholin ist ein Scheusal

Cholin ist ein Scheißkerl

Cholin ist ein Schuft

Cholin ist ein Arschloch

Cholin ist ein herausragender Mensch

Cholin ist ein guter Mensch (Cholin 2020 c: 39)

An der Grenze zwischen Fakt und Fiktion befinden sich auch seine Kurzgeschichten. Seine Biographie könnte auch eine von ihnen sein – über einen Menschen, der den Wirren, Fügungen und Herausforderungen seiner Zeit selbst dann gewachsen gewesen ist, wenn sie ihm über den Kopf gewachsen sind. Mit einer Portion Glück, der heimlichen Erzählinstanz.

Wie die Chronistin der Cholin-Chroniken in einer E-Mail an die Verfasserin vom 14.1.2021 resümiert, authentifiziert die Videoaufzeichnung nicht nur den Text, sondern weist über ihn hinaus, so dass die trockene Intonation Cholins eine eigene Aussagekraft gewinnt – und die Kamera, wie bei Dziga Vertov. Auch wenn sich Sabine Hänsgen als aktive Interviewerin begreift, stellt sie Cholins bilanzierendes Erzählen als eines heraus, das durch das Setting des Interface mit Videokamera in Gang kommt: Die Gesprächssituation entstehe mehr durch die mediale Konstellation als durch Fragen.

Das erklärt den Neologismus, den das dritte Heft wählt: Bio-Inter-View. Zuvor wollte ich wissen, warum Sabine Hänsgen solch eine Bezeichnung für ihr Video-Interview verwendet. Mich hat diese Genrewahl irritiert, denn ein sog. Bio-Interview gab der Faktograph Sergej M. Tret’jakov vor, mit seinem chinesischen Studenten während und nach seiner Gastdozentur an der Universität Peking Mitte der 1920er Jahre geführt zu haben (Tret’jakov 1930). Wahrscheinlicher ist, dass es sich um dessen als echt konstruierte Personifikation handelt. Tret’jakov hielt die Lebensgeschichte des jungen Mannes im Detail fest, als Exempel für die neue chinesische Generation, die gegen patriarchale Strukturen und für sozialistische Ansätze ankämpft, und setzte seinen Namen als Autor des Textes darüber. Daher mailte ich Sabine am 28.6.2020:

‚Bio-Interview‘ ist ein Label, das mehr verspricht, als es hält. Entweder führt man ein Interview und fixiert es als solches oder man nennt das Ergebnis nicht Interview. Ich fürchte, das ist Glatteis...

Bei Treti ist nicht klar, wer was gesagt hat, wie sie sich trotz der Sprachbarriere verständigt haben.

Die Bezeichnung „Bio-Interview“ würde seinen Fauxpas womöglich wiederholen.

Sie antwortete daraufhin am 28.6.2020, am 2.9.2020, ergänzt am 31.5.2021:

Für mich war bei der Form dieses Videointerviews die Auseinandersetzung mit Sergej Tret’jakov inspirierend, der mich zu Beginn meines Slavistikstudiums an der Ruhr-Universität Bochum in den 1970er Jahren begeisterte. Wahrscheinlich habe ich mich von der Begeisterung meiner akademischen Lehrer anstecken lassen: Hans Günther und Karla Hielscher waren damals mit der Übersetzung, Kommentierung und wissenschaftlichen Erforschung seiner Schriften beschäftigt.

Mittlerweile sind mir aber auch die Unterschiede zu Tret’jakovs Position, zu seinem Verständnis des Bio-Interviews in meiner eigenen Haltung bewusst geworden:

Er orientierte sich an den großen Medien, an den Massenmedien Zeitung, Radio, Buch. Ich sehe mich dagegen eher in der Tradition der kleinen Medien, die – wie der russische Samizdat – mit der Selbstorganisation bestimmter Milieus in Verbindung stehen.

Als Videoaufzeichnerin und Übersetzerin habe ich die Rolle einer medialen Autorin gewählt. Auf diese Weise entsteht so etwas wie eine geteilte Autorenschaft aller an der Situation Beteiligten. An die Stelle des selbstbewussten Blicks nach vorn im utopischen Projekt der historischen Avantgarde tritt eine komplexe Retrospektive auf das Leben eines Menschen im 20. Jahrhundert. Dabei wird die Lebenserzählung durch ein mediales Setting, basierend auf einer Interaktion mit einer Videokamera, angeregt.

Daraufhin fragte ich sie, ob es sich evtl. um ein Bio-Inter-View handle. Sie schrieb zurück: „Genau: Bio-Inter-View. Diese andere Schreibweise mit einem Bindestrich kann vielleicht auch auf der Rezeptionsseite zu einem Nachdenken über die Veränderungen in den Einstellungen zwischen Avantgarde und Post-Avantgarde führen.“

Bio-Interview vs. Bio-Inter-View, Post-Avantgarde, Lebens-Rück-Blick und -Mit-Blick, intermediale Zusammenkunft einer medienverehrenden Zunft, die die unbeschwerte Assoziation mit einem dokumentierenden Apparat initiiert anstatt seiner zielgerichteten Anwendung mit bedeutungsschwerer Message wie bei Tret’jakov.

Während die Konzeptualisten nicht durch direkte politische Positionsäußerung intervenierten, sondern eine Haltung der Selbstreflexion kultivierten, strebte Tret’jakov gemäß seinem Credo der aktiven Um- und Mitgestaltung nach unmittelbarstem Eingriff in die politische Steuerung des Landes durch Wort und Tat, und sei es das beobachtend-kontrollierende, gar denunzierende Wort. Die Aspei-Edition geht deutlich horizontaler vor, sie setzt verlegerische, übersetzerische und wissenschaftliche Praktiken neben künstlerische und beharrt auf der Selbstreflexion als aktuell gültiger Haltung, auf dem Dokumentieren und Kommentieren als poetisch-soziale Praxis.

Während Vertov, wie auch Tret’jakov, mit Dokumentaraufnahmen ein enthusiastisches Archiv des sowjetischen Aufbaus errichtete, setzt Sabine Hänsgen das Filmen als ein Gegenarchiv ein, das den gängigen sowjetischen Kanon ergänzt hat – und das nun im Forschungskanon fest verankert ist (mittlerweile gar ein slavistisches Mainstreamthema?).[13] Seit Mitte der 1980er Jahre hat sie in die Verfahren der Moskauer Gruppe Kollektive Aktionen das Video eingeführt, um diese Gruppe im Westen bekannt zu machen. Sie hat ihr Videoarchiv zur Dokumentation der Aktionen sowie zur Erkundung künstlerischer Aspekte von Dokumentation angelegt.

Video sei für sie „an excellent medium for archiving situations which normally are excluded from official memory“ (Hänsgen 2020). Ihre Methode – die sog. Videothek – fordert das traditionelle Verständnis von Kunst als klar abgegrenztes Einzelwerk heraus, da hier die serielle Komposition das in den Vordergrund rückt, was ihr, genauso wie den russischen Früh- und Spätkonzeptualisten am wichtigsten ist – die Ingangsetzung einer offenen Referenzkette:

it makes perceptible the structures of poetic repetition that surpass a linear story and produce in the spectator an aesthetic sensibility for form-building processes. So, to me, the best method of presenting video recordings is through the videotheque, i. e. the space in which not only the video recordings, but also accompanying materials, texts, and images are collected and preserved. (Hänsgen 2020)

Ihre Dokumentationskonzeption erläutert sie in einem Interview mit Andrej Monastyrskij als mehrschichtiges Archiv, das außerhalb von sich selbst auf etwas Anderes verweist, jenseits des Textes, und das Publikum in eine abermals alternative Räumlichkeit, nämlich auf eine „secondary journey across the various layers of the documentary, reconstructing the event and examining her own position“ (Hänsgen 2000) schickt.

Nicht verwunderlich, dass die Videothek, die Verlinkungen zwischen verschiedenen Materialtypen wie Text, Ton, Video und Animation herstellt, über das Internet als Maximierung anonymer Offenheit nachdenkt. Monastyrskijs Kommentar dazu lautet: „Of course it makes no sense to throw all material into the net; hermeticism and temporal succession have to be preserved as principles for text generation“ (ebd.). Dieses Prinzip einer zunächst einmal abgeschirmten Lektüre, die sich – von Heft zu Heft, von gelesenem Transkript zum gesehenen Interview auf Vimeo – mehreren Kontexten und Medien öffnet, löst auch die Cholin-Ausgabe ein.

5 Dokumentationskunstwerk

Hänsgen hat Cholin, gemeinsam mit Witte, Sorokin und Monastyrskij Mitte der 1980er Jahre in Moskau kennengelernt. Die beiden Westdeutschen brachten Cholins Werk zusammen mit jenem von Sapgir und Nekrasov sowie das poetische Gravitationsfeld dieser Troika nach Bochum. Damit legten sie den Grundstein für die Erforschung des Moskauer Konzeptualismus, der einflussreichsten Gruppe innerhalb der russischen Gegenwartskunst: Bochum wurde neben Bielefeld zum geographischen Knoten der Mittlerinstanzen nicht-kanonisierter sowjetischer Kunst, Literatur und Kulturtheorie (Schellens 2021: 79).

Cholin glitt vom Konkretismus – er war Mitglied der Gruppe Konkret – in den Konzeptualismus über mit seiner Alltagspoesie, groteskem Witz und dem Nicht-Verstehen als Voraussetzung der Lyrikerfahrung, seinem Hang zur Selbststilisierung, Mode und für neue Aufzeichnungstechnologien. Das hat Sabine Hänsgen fasziniert, hat doch die junge Austauschstudentin an der Staatlichen Filmhochschule (VGIK) unermüdlich Lesungen marginalisierter Künstler mit Kassetten- und Videorecorder aufgenommen. Vervielfältigungsmedien standen in der Sowjetunion unter Spionageverdacht, die private Videokamera war in den 1980er Jahren kaum jemandem zugänglich und ist umso bedeutsamer in den Händen Hänsgens gewesen, die dem sowjetischen Underground der 1960er Jahre zum Auftauchen in Buchregalen und Vorlesungssälen verholfen hatte.

Cholin war eine Vorläufer- und Kultfigur für die Konzeptualisten und wohl auch für seine konzeptualistischen Rezeptorfiguren. Indem seine deutsche Forscherin in Moskau Undergroundkunst dokumentiert und am Rande des Establishments in der BRD ihre Ergebnisse übersetzt, herausgegeben, erläutert hat, wurden Landesgrenzen und jene zwischen Kunst und Wissenschaft überschritten – ganz im Sinne des Konzeptualismus, dem das Zusammenspiel von Text und Kommentar am Herzen liegt.

Dadurch verlagert sich der künstlerische Mehrwert vom Werk zum Deutungs- und Diskussionszusammenhang, zum Moment der Aufführung und der Rezeption bis hin zur Performance. Sabine Hänsgen spricht von einer Kommunikationsästhetik im Konzeptualismus, die außer den fertigen Werken „die Prozesse der Aufführung, der Diskussion, der Kommentierung dieser Werke“ beleuchtet – und die Videodokumentation, „denn das Video als Medium machte es möglich, diese Kommunikationsprozesse in der Szene zu fixieren und zu erforschen,“ so dass die künstlerischen Austauschprozesse in ein audiovisuelles Dokumentationskunstwerk eingehen (Martin 2016: 72),[14] analog zum Gesamtkunstwerk.

Wenn Videodokumentation eine Form der Gedächtnispolitik ist, die von einer staatlichen Gedächtnispolitik ausgeschlossen wird, gerade in einem Bio-Inter-View, dem durch das Kamerasetting spontan auftauchenden Rückblick auf den eigenen Werdegang, dann ist die Cholin-Werk-Schau auch ein erinnerungskulturelles Statement für die Inklusion des historischen Prätextes, der auf den (Post-)Konzeptualismus noch nachwirkt.

Sabine Hänsgen und ihre Videokameras im gängigen Home-Format (in den 1980er Jahren VHS, in den 1990er Jahren Hi8, später Handycam und digitale Videokamera) stehen bei weitem nicht am Rande, sondern im Zentrum einer für die Slavistik und über sie hinaus wichtigen Vermittlungstätigkeit zwischen Ost und West – und im Zentrum einer eigenen Dokumentationsästhetik. Bis heute beschäftigt sie die prinzipielle Frage wie künstlerische Ereignisse, Kommunikationsformen und die Lebenserfahrung des Undergrounds für die nächste Generation festgehalten werden können (Chensgen 2020: 227).

***

Um im Dialog zu bleiben, erlaube ich mir einen abschließenden Kommentar mit vergleichendem Bezug auf Cholins und Hänsgens Prätexte, die sprachexperimentelle und die faktographische Avantgarde.

Sabine Hänsgen bevorzugt in ihrer Dokumentationsästhetik eine ästhetische Form der teilnehmenden Beobachtung, die das nonkonformistische Milieu (bei Tret’jakov waren es dem Sozialismus gegenüber konforme Künstler, die er porträtiert und übersetzt hat, vgl. Tret’jakov 1936) samt dessen Alltags- und Kunstpraktiken registriert. Diese Art der teilnehmenden Beobachtung realisiert auch Aspei. Im kulturvermittelnden Engagement Aspeis zeigt sich ihr Schaffen als Übersetzerin, Herausgeberin, Interviewerin und Dichterin, wodurch sie exemplarisch die Durchlässigkeit der Rollen als Beobachterin von außen, Mitkünstlerin und analysierende Wissenschaftlerin in der metatextuellen, reflexiven Lebenskunst verdeutlicht.

Dabei agieren die Vermittlerinnen und Vermittler einer Breitenrezeption im durchweg postavantgardistischen Gestus, der an Sprachkunst à la Obėriu anknüpft: Sie setzen Massenmedien künstlerisch ein, lassen sie zusammenspielen und ineinandergreifen, kehren die Materialität der Sprache hervor, tendieren zu ihrer Reduktion und zu ihrer Vervielfachung in offener Serialität, zu Genrekombinationen und zur Inklusion des Publikums, was auch der Vereinsgedanke des kleinen Aspei mitträgt, der Samizdat in deutsche Independent-Strukturen übersetzt.

Sie legen Ziele an den Tag, die auch der faktographische Flügel der frühsowjetischen Avantgarde verfolgt hatte: Das Aufzeichnungsmedium und der -prozess rücken ins Zentrum der Wahrnehmung, werden zum Mitgestalter des Ereignisses. Dieser Prozess schafft ein Kollektiv aus Produzenten und Konsumenten und stellt Produktionsprozesse als gleichberechtigtes Verfahren aus. Die politische Stoßrichtung kommt jeweils von links, wenngleich ihr konträre Loyalitäten innewohnen: Ist bei Tret’jakov die teilnehmende Beobachtung eine Disziplinierungsmaßnahme, so ist sie bei Hänsgen gegenoffizielle sozio-ästhetische Praktik.

Ein entscheidender Unterschied zwischen der Faktographie der 1920er/30er und den (Post-)Konzeptualisten liegt ferner in der Auffassung von Fakten und Repräsentation. Begeistern sich erstere für die sowjetische Wirklichkeit als eine, die jede Fantasie überbiete, so dass es sie nur noch per Stift und Kamera festzuhalten gelte (Tret’jakov 1928), so interessieren sich Letztere für all die Fakten des Alltags, die im offiziellen Narrativ kaum Platz haben (Gewalt, Armut, Alkoholismus etc.). Statt eindeutiger Botschaft, die das Publikum zur Realisierung der Ideale motivieren sollen, rückt die Mehrdeutig- bis Sinnlosigkeit, die Desillusion bezüglich Leistung, Disziplin und sozrealistischer Kunstmaßstäbe in den Vordergrund. Das mimetische Verhältnis zwischen Text/Bild und seiner außermedialen Referenz, woran der Literatur des Fakts gelegen gewesen ist, weicht einem, in dem die Realität mittels Schrift, Foto und Video transzendiert werden soll.

Daraus ergeben sich Konsequenzen für die Raummodellierung: Expeditionen zum ,Raum am Randeʻ bedeuten nicht die aneignende Erschließung, die die sozialistische Ordnung von Moskau aus bis an die Peripherie durchzusetzen versuchte, sondern primär das Ausloten von Arten, Strategien und Bezügen individueller Raumaneignung, auch jener des Dazwischen in prekären Lebensstationen.[15] Dazu gehört zunächst einmal die Suche nach alternativen Orten und Settings statt institutionell zentralisierter Räume: geografisch auf den Fahrten aus der Stadt, in den Wald, in die Natur, in die Wohnung bzw. Baracke, wobei sich hierbei das metonymische Label von Lianozovo als dem Zentrum der Untergrundkunst bildet.

Poetisch äußert sich die Schrifträumlichkeit in der Verbindung diverser Sprachregister, in der Leere des Blattes, im Netz intertextueller und -medialer Verweise, zum Teil in Referenzen auf symbolische Räume und in Allusionen auf Reisen, so z. B. bei Nekrasov.

In kommunikativer Hinsicht werden wir Zeugen von Umwandlungen ästhetischer Praktiken in soziale und vice versa. Das betrifft marginalisierte Genres, z. B. Gebrauchsprosa, Listen, Notizen, und aneignende Umwidmungen, die der vorliegende Text auch vorgenommen hat, wenn er private E-Mails in den öffentlich zugänglichen Text eingewoben hat. Dazu gehören auch performative Akte des Erzählens, Lesens, Interviewens und Reagierens.

Die Präsenz ins Uneindeutige führender Zeichen und Icons, die Feier der Zeichenhaftigkeit, das Aussetzen der Leserschaft in die Leere, in der sie sich Bedeutungen selbst schaffen muss, ohne an die Hand zur gewünschten Message genommen zu werden, würde bei Tret’jakov, der vom politischen Zentrum aus beobachtet, gesprochen und geschrieben hat, obwohl sich sein radikaler Dokumentarismus am ästhetischen Rand befunden hatte, einen abermaligen Entrüstungssturm von Programmtexten auslösen, ebenso die konzeptualistischen Persiflagen der offiziellen Rede, Losungen, Demonstrationspraktiken und der sowjetischen Massenkultur. Für Monastyrskij schafft diese Erfahrung jedoch sogar in ihrer Wiederholung eine meditative, musikalische Atmosphäre: „Sometimes I watch this recording by itself, as a background. To me the experience is the same as listening to classical music in the background“ (Hänsgen 2000).

Die rezeptionssteuernden Signale schicken das Publikum auf eine „sekundäre Reise“ der Kontemplation (Hänsgen, s. o.) – und auf eine Reise der Rezeption. Publikationspragmatisch entstehen eigene Räume der Verbreitung und Rezeption durch abgeschriebene und bemalte Hefte, abgetippte oder kopierte Texte, Samizdat, selbst vorgenommene Katalogisierungen, versammelt, gezeigt und archiviert in den von Aspei initiierten Ausstellungen und ihren medial durchkonzipierten Begleitkatalogen. Sie fetischisieren zwar den Gegenstand zum Kultobjekt, kapitalisieren ihn jedoch nicht als Massenware.

Heute können die kulturellen Praktiken aus dem Kreis von Lianozovo und aus dem Moskauer Konzeptualismus eine Antwort auf den restriktiven Charakter im aktuellen politischen Diskurs der Russischen Föderation sein (Smola & Lipovetsky 2018: 9).

Literaturangaben

Brockhoff, Annette u. a. (eds.). 1989. Hier und dort. Russische und deutschsprachige Poesie. Essen: Rigodon-Verlag. https://monoskop.org/images/4/4d/Tut_i_tam_Hier_und_dort_russische_und_deutschsprachige_Poesie_1989.pdf (Zugriff 23.6.2021).Search in Google Scholar

Certeau, de Michel 1988. Kunst des Handelns. Berlin: Merve Verlag.Search in Google Scholar

Chensgen, Sabine 2020. Video poiesis: voprosy dokumentirovanija v Moskovskom konzeptualizme. In Ičin, K. (ed.), Ėto ne moskovskij konceptualizm. Sbornik statej, 222–234. Belgrad: Filologičeskij fakulťet belgradskogo universiteta.Search in Google Scholar

Cholin, Igor’ 1999. Izbrannoe: stichi i poėmy. V. Kulakov (red.). Moskva: Novoe literaturnoe obozrenie.Search in Google Scholar

Cholin, Igor’ 2000. Izbrannaja proza. V. Kulakov (red.). Moskva: Novoe literaturnoe obozrenie.Search in Google Scholar

Cholin, Igor’ 2020 a. S minusom edinica. I. Achmet’ev (red.). Biblioteka moskovskogo konzeptualizma Germana Titova. Vologda. https://imwerden.de/pdf/kholin_s_minusom_edinitsa_2020__izd.pdf. (Zugriff 23.6.2021).Search in Google Scholar

Cholin, Igor’ 2020 b. Es starb der Erdball. Ein Poem. Aus dem Russ. v. G. Lehmann. In Wolfram Eggeling, Sabine Hänsgen & Gudrun Lehmann, CHOLIN 100. Eine Werkauswahl in 3 Teilen von Igor Cholin, H. 1, 1–46. Bochum: Edition Aspei.Search in Google Scholar

Cholin, Igor’ 2020 c. Ein glücklicher Zufall. Prosa. Aus dem Russ. v. Wolfram Eggeling. In Wolfram Eggeling, Sabine Hänsgen & Gudrun Lehmann, CHOLIN 100. Eine Werkauswahl in 3 Teilen von Igor Cholin, H. 2, 1–36. Bochum: Edition Aspei.Search in Google Scholar

Cholin, Igor’ 2020 d. Bio-Inter-View. Videoaufzeichnung von Sabine Hänsgen. In Wolfram Eggeling, Sabine Hänsgen & Gudrun Lehmann, CHOLIN 100. Eine Werkauswahl in 3 Teilen von Igor Cholin, H. 3. Bochum: Edition Aspei.Search in Google Scholar

Čužak, Nikolaj 2000 [1929]. Pisatel’skaja pamjatka. In Čužak, Nikolaj (ed.), Literatura fakta: Pervyj sbornik materialov rabotnikov LEFa, 9–28 Moskva: Zacharov. Search in Google Scholar

Eggeling, Wolfram 1994. Die sowjetische Literaturpolitik zwischen 1953 und 1970: zwischen Entdogmatisierung und Kontinuität: Dokumente und Analysen zur russischen und sowjetischen Kultur. Bochum: Brockmeyer.Search in Google Scholar

Eggeling, Wolfram, Sabine Hänsgen & Gudrun Lehmann. 2020. CHOLIN 100. Eine Werkauswahl in 3 Teilen von Igor Cholin. Bochum: Edition Aspei. Search in Google Scholar

Fischer, R. 2003. Doublespeak und Doublethink: Die Kunst, nichts oder etwas ganz anderes zu sagen, als zu meinen. In M. Mayer (ed.), Kulturen der Lüge, 99–120. Köln, Weimar & Wien: Böhlau.Search in Google Scholar

Fleck, Ludwig 1980 [1935]. Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache: Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv. Hrsg. von Lothar Schäfer & Thomas Schnelle. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.Search in Google Scholar

Fleck, Ludwig 1983. Erfahrung und Tatsache: gesammelte Aufsätze. Hrsg. v. Lothar Schäfer & Thomas Schnelle. Frankfurt a. M.: Suhrkamp.Search in Google Scholar

Hänsgen, Sabine 2000. Video, Archive, Storage: Moscow Performance Art in the Age of Digital Repetition. Interview with Andrei Monastyrski. Transl. from Russian by S. Spieker and A. Simoyan. In ARTMargins. Contemporary East-Central European Visual Culture, 26.8.2000. https://artmargins.com/video-archive-storage-moscow-performance-art-in-the-age-of-digital-repetition/ (Zugriff 23.6.2021).Search in Google Scholar

Hänsgen, Sabine 2016. Polaroid – Link – Means for a Series, Three Performances from the Videotheque of the Collective Actions Group: Dedications to Inspection Medical Hermeneutics. In U. Jurman, Ch. Erharter & R. Grau (eds.), Extending the Dialogue: Essays by Igor Zabel Award Laureates, Grant Recipients, and Jury Members, 2008-2014, 213–239. Ljubljana: Igor Zabel Association for Culture and Theory.Search in Google Scholar

Hänsgen, Sabine 2020. Video Poiesis. In F. Frimmel et al. (eds.), Doing Performance Art History. Open Apparatus Book I. http://dx.doi.org/10.17892/app.2020.0000.194 (Zugriff 6.10.2021).Search in Google Scholar

Hirt & Wonders. 1987. Schreibheft 29. (Moskau, ein Hörstück für Hauptstadt und Nebenstimmen. Neue russische Literatur).Search in Google Scholar

Hirt & Wonders. 1990. Schreibheft 35. (UM UM / Um den Verstand. Konzeptuelle Literatur aus Moskau).Search in Google Scholar

Hirt & Wonders. 1993. Schreibheft 42. (Bildbeschreibungen. Moskauer Konzeptualismus – Dritte Folge).Search in Google Scholar

Hirt & Wonders. 1994. Schreibheft 44. (Die Räumlichkeit der Rede. Wsewolod Nekrassow).Search in Google Scholar

Hirt & Wonders. 1997 a. Schreibheft 49. (Igor Cholin, Stilisator).Search in Google Scholar

Hirt & Wonders. 1997 b. S. Editorial. In G. Hirt & S. Wonders (Hrsgg.), Schreibheft 49. 121–123.Search in Google Scholar

Hirt & Wonders. 2008. Schreibheft 70. (Dmitri Alexandrowitsch Prigow: Berechnungen und Bestimmungen. Stratifikations- und Konvertierungstexte).Search in Google Scholar

Hirt, Günter & Sascha Wonders (Hrsgg.). 1992. Lianosowo. Gedichte und Bilder aus Moskau. Mit Tonkassette und Fotosammlung. München: Edition S-Press. https://vtoraya-literatura.com/pdf/lianosowo_gedichte_und_bilder_aus_moskau_1992__ocr.pdf (Zugriff 12.10.2021).Search in Google Scholar

Kazarnovskij, Pëtr 2021. Vy ne znaete Cholina? K 100-letiju Igorija Cholina. In Kreščatik 1/2021. https://magazines.gorky.media/kreschatik/2021/1/vy-ne-znaete-holina.html (Zugriff 17.5.2021).Search in Google Scholar

Kholin, Igor 2017. Kholin 66: Diaries and Poems. Engl. by Ainsley Morse & Bela Shayevich. New York: Ugly Duckling Presse.Search in Google Scholar

Lefebvre, Henri 2015 [1974]. The Production of Space. Engl. by Donald Nicholson-Smith. Malden, MA: Blackwell.Search in Google Scholar

Lehmann, Gudrun 2010. Fallen und Verschwinden: Daniil Charms – Leben und Werk. Wuppertal: Arco-Verlag. Search in Google Scholar

Lipoveckij, Mark 2020. Užas, no ne užas-užas: o poėzii Igorja Cholina. Baračnyj cikl kak zerkalo goloj žizni, kotoraja učitsja žit’. In Gorky 1.12.2020. https://gorky.media/context/uzhas-no-ne-uzhas-uzhas-o-poezii-igorya-holina/ (Zugriff 14.5.2021).Search in Google Scholar

Martin, Olga 2016. Sabine Hänsgen. Am Rande, im Verborgenen, im Visier. In Novinki-Redaktion (Hrsg.), Nachgefragt: novinki im Gespräch mit Autor_innen aus Osteuropa, 66–79. Norderstedt.Search in Google Scholar

Sage. 2017. Hrsg. von Günter Hirt & Sascha Wonders. Begegnungen, Stücke, Nr. 2. Bochum: Edition Aspei.Search in Google Scholar

Šalamov, Varlam 2005. O ,novoj prozeʻ. In Sirotinskaja, Irina (ed.), Sobranie sočinenij v šesti tomach, t. 5.: Vsë ili ničego. Ėsse i zametki. Zapisnye knižki 1954–1979, 157–160. Moskva: Terra – Knižnyj klub.Search in Google Scholar

Sapgir, Genrich 1997 „Sapgir o Kropivnickom“. http://rvb.ru/np/publication/sapgir2.htm#25. (Zugriff 14.05.2021).Search in Google Scholar

Sasse, Sylvia 2018. Gespräch mit Tomáš Glanc und Sabine Hänsgen. In Republik, 13.10.2018. https://www.republik.ch/2018/10/13/wenn-buchstaben-ihre-muskeln-zeigen (Zugriff 23.6.2021).Search in Google Scholar

Schahadat, Schamma 2004. Das Leben zur Kunst machen: Lebenskunst in Russland vom 16. bis zum 20. Jahrhundert. Paderborn: Fink.Search in Google Scholar

Schellens, Dorine 2021. Kanonbildung im transkulturellen Netzwerk. Die Rezeptionsgeschichte des Moskauer Konzeptualismus aus deutsch-russischer Sicht. Bielefeld: Transcript Verlag.10.1515/9783839454787Search in Google Scholar

Smola, Klavdia 2018. Community as Device: Metonymic Art of the late Soviet Underground. In Klavdia Smola & Mark Lipovetsky (eds.), Russia – Culture of (Non-)Conformity: From the Late Soviet Era to the Present. Special Issue of the Journal Russian Literature 9698, 1350.10.1016/j.ruslit.2018.05.002Search in Google Scholar

Smola, Klavdia & Mark Lipovetsky. 2018. Introduction: The Culture of (Non) Conformity in Russia: From the Late Soviet Era to the Present. In Klavdia Smola & Mark Lipovetsky (eds.), Russia – Culture of (Non-)Conformity: From the Late Soviet Time to the Present. Special Issue of the Journal Russian Literature 96–98, 1–11.10.1016/j.ruslit.2018.05.001Search in Google Scholar

Tret’jakov, Sergej 1927. „Novyj Lev Tolstoj“. In Novyj LEF 1, 34–38.Search in Google Scholar

Tret’jakov, Sergej 1928. Fotozametki. (Ob iskusstve fotografii). In Novyj LEF 8, 40–43.Search in Google Scholar

Tret’jakov, Sergej 1930. Dėn’ Ši-chua: bio-interv’ju. Moskva: Molodaja gvardija.Search in Google Scholar

Tret’jakov, Sergej 1936. Ljudi odnogo kostra. Moskva: Chudožestvennaja literatura.Search in Google Scholar

Wehr, Norbert 1992. Die Stimmen aus Lianosowo. Das dritte ‚sprechende Archiv‘ der inoffiziellen Moskauer Kultur. In Süddeutsche Zeitung 26./27.9.1992, o. S.Search in Google Scholar

Zykova, Galina, Vladislav Kulakov & Michail Pavlovec (red.). 2021. Lianozovskaja škola: meždu baračnoj poėziej i russkim konkretizmom. Moskva: Novoe literaturnoe obozrenie.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2022-03-15
Erschienen im Druck: 2022-04-05

© 2022 Tatjana Hofmann, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 21.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/slaw-2022-0007/html
Scroll to top button