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Euro-amerikanische Sicherheitskooperation, weitreichende Mittelstreckenwaffen und nukleare Abschreckung in historischer Perspektive

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Published/Copyright: October 30, 2025
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Zusammenfassung

Im Juli 2024 kündigten die USA, Deutschland, Frankreich, Italien und Polen die Einführung weitreichender konventioneller Abstandswaffen in Europa an. Der Artikel bettet die jüngste Entwicklung infolge dieser Beschlüsse in eine historisch-informierte Perspektive ein. Schwerpunktmäßig geht er auf die politische Direktive der NATO von 1957 zur Einführung von „Mittelstreckenraketen“ in Europa ein und behandelt entsprechende Rüstungskooperationsvorhaben zwischen Frankreich, Deutschland und Italien in den Jahren 1957/1958 sowie einen darauffolgenden Vorschlag der US-Regierung von 1960.

Abstract

In July 2024, the USA, Germany, France, Italy, and Poland announced the introduction of long-range conventional weapons in Europe. This article puts the latest developments following these decisions into a historical perspective. Its main focus is on NATO’s 1957 political directive on the introduction of „medium-range missiles“ in Europe and on related defence cooperation projects between France, Germany, and Italy in the years 1957/1958, as well as a subsequent proposal by the U.S. government in 1960.

1 Einleitung

Am Rande des NATO-Gipfeltreffens von Washington im Juli 2024 gaben die Regierungen der USA, Deutschlands, Frankreichs, Italiens und Polens bekannt, die Abschreckung durch weitreichende Abstandswaffen in Europa stärken zu wollen. Zunächst hielt eine deutsch-amerikanische Erklärung vom 10. Juli 2024 fest: „Die Vereinigten Staaten von Amerika werden, beginnend 2026, als Teil der Planung zu deren künftiger dauerhafter Stationierung, zeitweilig weitreichende Waffensysteme ihrer Multi-Domain Task Force (MDTF) in Deutschland stationieren.“[1] Diese geplante „Erhöhung der Effektivstärke“ der U.S. Army in Deutschland soll die Verteidigungsfähigkeiten in der NATO erhöhen.[2] Am Tag darauf unterzeichneten die Verteidigungsminister von Deutschland, Frankreich, Italien und Polen eine Absichtserklärung, wonach sie Abstandswaffen für Präzisionsschläge mit großer Reichweite gemeinsam entwickeln und damit auch die europäische verteidigungsindustrielle Basis kooperativ stärken wollen. Für diesen Verbund, dem auch andere Partner beitreten können, steht die Bezeichnung European Long-Range Strike Approach (ELSA).[3] Im Oktober 2024 erklärten Großbritannien und Schweden, im ELSA-Verbund mitzuwirken.[4] Die deutsch-amerikanische Erklärung stellte dezidiert auf die Dislozierung weitreichender bodengebundener Flugkörpersysteme der USA in Deutschland ab, die ELSA-Erklärung allgemeiner auf europäische Entwicklung und Produktion weitreichender Abstandswaffen.

Der vorliegende Artikel bettet die Beschlüsse von 2024 in eine historisch-informierte Perspektive ein. Dazu werden zunächst im Wege historischer Analogie vergangene Vergleichsfälle identifiziert und knapp analysiert. Dabei konzentriert sich der Artikel auf die Entwicklung der euro-amerikanischen Sicherheitskooperation in Bezug auf weitreichende Mittelstreckenwaffen in den ausgehenden 1950er und frühen 1960er Jahren. In dieser Sektion des Artikels werden auch ausgewählte Quellen berücksichtigt, die erst in den letzten Jahren zugänglich wurden und präzise Einblicke in damalige Entscheidungsprozesse und Dynamiken bieten. In der darauffolgenden Sektion konturiert der Artikel die allerjüngste Zeitgeschichte, soweit es anhand offen zugänglicher Informationen möglich ist. Thematisiert wird die militärpolitische Entwicklung in Bezug auf die geplante Stärkung von Deep Precision Strike-Fähigkeiten in der NATO im Zuge der Beschlüsse von 2024 unter besonderer Berücksichtigung des ELSA.

 US-Präsident Ronald Reagan und der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, unterzeichnen am 8. Dezember 1987 im Weißen Haus den INF-Vertrag

US-Präsident Ronald Reagan und der Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, Michail Gorbatschow, unterzeichnen am 8. Dezember 1987 im Weißen Haus den INF-Vertrag

Die beiden Bekanntgaben vom Juli 2024 über geplante Stärkungen von Deep Precision Strike-Fähigkeiten waren vor dem komplexen und dynamischen Hintergrund einer drastisch verschlechterten Bedrohungs- und Sicherheitslage zu sehen, welcher der euro-atlantische Raum ausgesetzt ist: Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine dauerte an. Die Frage nach geopolitischen Zielen Russlands im Rahmen seiner strategischen Rivalität mit den USA und ihren europäischen Verbündeten blieb angesichts des fortdauernden Ukrainekrieges virulent.[5] Diese Frage war und ist brisant, wenn man sie im größeren Kontext der im Jahr 2022 erfolgten Proklamation einer sino-russischen „Freundschaft ohne Grenzen“[6] sieht, welche in den Folgejahren wiederholt wurde[7]. Unter Kriegsbedingungen rüstete Russland weit über die Bedarfe der „speziellen militärischen Operation“ hinausgehend auf. Zu wachsenden Spannungen trug auch der fortlaufende Niedergang von Regimen der Rüstungskontrolle bei: Ende des Vertrages über Intermediate-Range Nuclear Forces (INF-Vertrag) 2019, Austritt Russlands aus dem Vertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) 2023, Russlands Suspension des New-START-Vertrages 2023. Damit ging und geht ein hoher Bedrohungsgrad Europas durch land-, luft- und seegestützte Flugkörpersysteme Russlands, einschließlich strategischer und sub-strategischer Kernwaffensysteme, einher.[8] Diese Gesamtsituation stellt sich gut ein Jahr nach dem Washingtoner NATO-Gipfel von 2024 als verschärft dar. Zu viele gäben sich gerade in Deutschland angesichts „der überdeutlichen russischen Bedrohung“ dem Wunschdenken hin, so der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer: „Russland produziert pro Jahr 1000 bis 1500 Kampfpanzer. Das sind doppelt so viele, wie die größten fünf europäischen NATO-Staaten überhaupt im Bestand haben. Deutschland hat davon etwa 300. Dazu kommt in den nächsten Jahren eine Aufstockung der russischen Streitkräfte auf 1,5 Millionen Soldaten – das sind doppelt so viele Soldaten, wie Russland vor dem Ukrainekrieg unter Waffen hatte. Es muss verstanden werden, dass wir in der Lage sein müssen, Russland abzuschrecken.“[9] Zudem seien Vorbereitungen im Gange, die Russland „im Jahr 2029 […] zu einem großmaßstäblichen, konventionellen Angriff auch auf NATO-Gebiet“ befähigen sollen.[10] Diese Einschätzung der Bedrohungslage sei jedoch nicht mit einer Aussage über Risiken zu verwechseln, also darüber, ob und wozu sich die russische Führung „wagen“ würde.[11]

Angesichts dieser Bedrohungs- und Sicherheitslage, welcher der euro-atlantische Raum ausgesetzt ist, entwickeln die NATO-Staaten koordiniert und umfassend die Abschreckungs- und Verteidigungsfähigkeiten der NATO weiter. Dies betrifft alle Dimensionen (Land, Luft, See, Weltraum, Cyberraum) auf diversen Ebenen (Kampfverbände, Versorgungs- und Durchhaltefähigkeiten, Logistik, Intelligence usw.). Vor dem Hintergrund dieses Gesamtpanoramas werden Deep Precision Strike-Fähigkeiten „ein wesentlicher Beitrag zur Abschreckung“ sein, so General Breuer. Der Luftverteidigung komme „absolute Priorität“ zu.[12]

2 Historische Analogie

Der Ansatz, die Abschreckung durch weitreichende Flugkörpersysteme in Europa zu stärken, ist nicht neu. Klammert man die Sondersituation der beiden Atommächte Großbritannien und Frankreich mit ihren Kernwaffenpotenzialen sowie die der Kriegsschiffe der U.S. Navy in den Weltmeeren aus, so kommen vor allem folgende historische Fälle in Betracht, die mittels historischer Analogie analysiert werden können: der NATO-Doppelbeschluss von 1979; der Beschluss der Staats- und Regierungschefs der NATO-Staaten von 1957; sowie, damit im Zusammenhang stehend, rüstungsindustrielle Kooperationsvorhaben in einem Verbund Frankreichs, Italiens und der Bundesrepublik Deutschland („F-I-G“-Verbund, d. h. „France-Italy-Germany“-Verbund) von 1956 bis 1958. Hinzu kommt ein Vorschlag der US-Regierung zur kooperativen europäischen Teilnahme an der Produktion US-amerikanischer Polaris-Systeme aus dem Jahr 1960.

Ein historischer Vergleichsfall zu den Beschlüssen von 2024 ist der NATO-Doppelbeschluss von 1979.[13] Infolge dieses Beschlusses wurden ab Ende 1983 US-amerikanisch produzierte, bodengestützte Mittelstreckenraketen Pershing II und Marschflugkörper (GLCM) BGM-109G Gryphon der USA in der Bundesrepublik Deutschland, Großbritannien, Italien und Belgien stationiert und von US-Streitkräften operiert. Aufgrund des INF-Vertrages von 1987 über bodengestützte Mittelstreckenflugkörper mit Reichweiten von 500 bis 5.500 km wurden diese Systeme, entsprechende Systeme der Sowjetunion und Pershing IA der Bundeswehr abgerüstet. Der INF-Vertrag zerfiel im Jahr 2019. Die anderen historischen Vergleichsfälle, die hier im Vordergrund stehen sollen, betreffen die Gesamtentwicklung der euro-amerikanischen Sicherheitskooperation in Bezug auf weitreichende Mittelstreckenwaffen in den ausgehenden 1950er und frühen 1960er Jahren. Im Vergleich zum NATO-Doppelbeschluss waren diese Entwicklungen weitreichender und komplexer.

Ein Unterschied zwischen diesen historischen Fällen und den Beschlüssen von 2024 sei zunächst genannt: Es ging zwar stets darum, die Abschreckung durch weitreichende Flugkörpersysteme in Europa zu stärken. Aber die Fälle aus dem Kalten Krieg stellten ausschließlich auf Kernwaffensysteme ab. Weitreichende Flugkörpersysteme hatten zu der Zeit eine viel geringere Genauigkeit als moderne Systeme im 21. Jahrhundert. Schon deswegen hätten konventionelle Gefechtsköpfe nicht ausgereicht, um geplante Schadenniveaus bei den jeweiligen Zielen verursachen zu können. Allerdings war schon zu Beginn des „ballistic missile age“, allgemein gesagt, missile nicht gleich missile. Größere Genauigkeit bei Flugkörpern ließ eine geringere Sprengkraft bei Nukleargefechtsköpfen zu.[14] Die Beschlüsse von 2024 betreffen hingegen konventionelle Deep Precision Strike-Fähigkeiten. Hier ergibt sich ein Latenzpotenzial im Blick auf eine potenzielle Ausstattung mit Nukleargefechtsköpfen.

Bevor in dieser Sektion des Artikels abschließend auf Rüstungskooperationsvorhaben im F-I-G-Verbund der Jahre 1956 bis 1958 und den oben genannten Vorschlag der US-Regierung von 1960 eingegangen wird, muss zunächst der Beschluss auf dem NATO-Gipfeltreffen von Ende 1957 thematisiert werden, dem Kommando des obersten militärischen Befehlshabers der NATO in Europa (Supreme Allied Commander Europe – SACEUR) „Mittelstreckenraketen“ zu unterstellen.[15]

Es gibt nämlich interessante Parallelen speziell zwischen diesem Beschluss von 1957 und den Bekanntgaben von 2024. Drei sollen hier möglichst konzis betrachtet werden:

  • Die Position der Europäer und die Rolle der USA als Ordnungsmacht.

  • Sequenzierte Aufstellung weitreichender Mittelstreckenwaffen.

  • Vorhaben zu rüstungsindustrieller Kooperation in Bezug auf Mittelstreckenraketen.

2.1 Die Position der Europäer und die Rolle der USA als Ordnungsmacht

Das Thema long-range strike kann nur dann verstanden werden, wenn man es in die Gesamtentwicklung der euro-amerikanischen Sicherheitskooperation einbettet. Prinzipiell kann nämlich in Abhängigkeit von der politisch gewünschten Ausgestaltung des Gesamtrahmens dieser Kooperation der Aufbau von Mittelstreckenwaffenpotenzialen in Europa dazu dienen, das US-Engagement dauerhaft robuster zu machen oder dieses zu verringern, wenn europäische Staaten von den USA unabhängig(er) werden sollen.[16] Insbesondere die ordnungspolitische Grundsatzfrage, welche Rolle die USA in Europa spielen sollen, und das Thema long range strike wirkten und wirken aufeinander ein.

Auffällig sind zwei wichtige Gemeinsamkeiten und ein fundamentaler Unterschied, wenn man die Entwicklung Ende der 1950er Jahre und die Konstellation der Beschlüsse von 2024 vergleicht: Erstens wurde damals wie heute auf beiden Seiten des Atlantiks das Interesse geteilt, die Position europäischer Verbündeter in der NATO mittels Aufrüstung, auch im Bereich weitreichender Mittelstreckenwaffen, zu stärken.[17] Zweitens verband sich dieses Interesse damals wie heute mit Ungewissheiten über die zukünftige Rolle der USA als raumfremder Ordnungsmacht in Europa. Drittens waren diese Ungewissheiten in den 1950er Jahren erheblich größer als in der Konstellation von 2024/2025, in der Donald J. Trump wiedergewählt wurde und dies zur Bildung der aktuellen US-Regierung führte. Warum führt der historisch-informierte Blick zu diesem Befund?

Erst im Zuge der zweiten Berlin-Krise (1958 bis 1962) wurde weithin – insbesondere auf sowjetischer Seite – von einem auch zukünftig robusten Engagement der USA in Berlin und Westeuropa ausgegangen, solange die strategische Rivalität gegen die Sowjetunion, der Kalte Krieg und die Teilung Europas andauerten. In den „heißen Jahren“ der zweiten Berlin-Krise (1958/1959, 1961/1962) unternahm die Sowjetunion eine Vielzahl provozierender Maßnahmen, um die Kohäsion der NATO zu erodieren und die Weltmachtposition der USA in Berlin und Europa zu erschüttern. Der deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer fasste im Gespräch mit dem französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle Ende 1959 zusammen: Der Partei- und Staatschef in der Sowjetunion, Nikita Chruschtschow, sei „ein fanatischer Kommunist und gleichzeitig ein fanatischer Russe mit dem ganzen Expansionsdrang, der schon zur zaristischen Zeit in Rußland geherrscht hat.“ Aber „Chruschtschow [werde] keinen Krieg beginnen […], solange er die Überzeugung habe, dass die freien Völker genügend stark seien, um in einem solchen Krieg die Sowjetunion zu vernichten oder jedenfalls aufs Schwerste zu schädigen.“[18] In den Jahren der zweiten Berlin-Krise erwiesen sich die USA zusammen mit ihren Verbündeten – hauptsächlich aufgrund von Abschreckungsmaßnahmen – als entschlossen und in der Lage, trotz einschneidender Rückschläge (u. a. Berliner Mauer 1961) und kriegsgefährlicher Krisen (1961/1962) einen stabileren Modus Vivendi im Verhältnis zur Sowjetunion zu produzieren und eigene Interessen zu wahren, ohne dass es wegen der Berlin-Frage zum Krieg kam.

Zudem bewahrheiteten sich pessimistische Zukunftserwartungen in Bezug auf eine mögliche aktive Veränderung der US-Ordnungsrolle durch die USA nicht. Solche meist unbestimmten Zukunftserwartungen bezogen sich darauf, dass die USA zukünftig aus eigenem Antrieb oder aufgrund eigener Schwäche ihre nach dem Zweiten Weltkrieg eingenommene Rolle als Ordnungsmacht in Europa verändern oder beenden könnten. Solche Erwartungen wurden vor allem Ende der 1950er und gelegentlich noch Anfang der 1960er Jahre geäußert, insbesondere von französischen Spitzenpolitikern, Staatspräsident de Gaulle eingeschlossen. De Gaulle, so fasste Adenauer in einer Sitzung des Bundesverteidigungsrates (BVR) der Bundesregierung im April 1959 zusammen, „gehe von dem Gedanken aus, dass Europa unter Umständen einmal für sich selbst einstehen müsse“. Schon deswegen wolle Frankreich „die Verfügungsgewalt über eigene Kernwaffen“. So sehr Adenauer de Gaulle zustimmte, dass europäische Staaten einschließlich „Frankreich nicht völlig abhängig von den Vereinigten Staaten werden“ dürften, so sehr versuchte er, solche Zukunftserwartungen politisch zu kontern: „Man müsse demgegenüber allen NATO-Verbündeten klarmachen, dass es nur eine gegenseitige Abhängigkeit gebe und daraus die Lehre ziehen, dass die Zusammenarbeit im NATO-Rahmen vertieft werden müsse.“[19]

In der Sache sah man in Bonn vage Zukunftserwartungen, die auf eine aktive Veränderung oder Beendigung der US-Rolle als Ordnungsmacht in Europa abstellten, offenbar als sehr unwahrscheinliche Szenarien an. Ausschlaggebend für diese Gesamttendenz in entsprechenden Einschätzungen waren Wahrnehmungen von nationalen Macht- und geopolitischen Interessen der USA: Die USA waren auf euro-atlantische Interdependenz und damit auf kooperierende Sicherheitspartner in Europa angewiesen, deren militärische Fähigkeiten sie im Aufbau möglichst regulieren und einem US-Oberbefehlshaber unterstellen wollten. Die strategische Rivalität gegen den sino-sowjetischen Block und im Kern gegen die Sowjetunion blieb auf absehbare Zeit auf Eindämmung (containment) im globalen Maßstab ausgerichtet. Dabei konnte die dafür notwendige Abschreckung der Sowjetunion in Europa ohne den nuklearen Schutz und die weitere militärische Sicherung durch die USA nicht wirksam organisiert werden. Der damalige Generalinspekteur der Bundeswehr, Adolf Heusinger, erklärte im BVR: „Die USA stützten sich auf Alaska, Kanada, Japan/Formosa, die 6. Flotte im Mittelmeer und Europa.“ Umgekehrt wolle die Sowjetunion diesen „Ring sprengen“. Heusinger weiter: „Wenn Europa verloren ginge, entstehe an der entscheidenden Stelle des amerikanischen Verteidigungsrings ein Loch. Setze sich die Sowjetunion in den Besitz des europäischen Menschen- und Wirtschaftspotentials, sei der Weg für sie nach Afrika eröffnet. In diesem Falle stehe der amerikanische Kontinent alleine. […] Die Bundesrepublik sei aufgrund ihrer geographischen Lage ein Brennpunkt in dem Verteidigungssystem des Westens.“[20] Eine entscheidende Lehre der Weltkriege aus US-Sicht war, so ließe sich diese Argumentation verlängern, dass die strategischen Gegenküsten der USA – gen Osten: West-Europa, damit auch West-Afrika; gen Westen: Japan – sowie die dahinterliegenden geopolitischen Schlüsselregionen nicht unter die Kontrolle bzw. in das Einflussgebiet einer unfreundlichen Großmacht fallen dürften.

Mittlerweile sehen sich die USA wieder vor die Herausforderung gestellt, dem russischen „Expansionsdrang“ in Europa durch Eindämmungspolitik und Abschreckung zu begegnen. Dabei ist offen, ob Russland – ähnlich wie die Sowjetunion unter Chruschtschow oder aggressiver – Krisen im Verhältnis zur NATO provozieren wird, um zu versuchen, die Kohäsion der NATO zu zerbrechen. Andererseits geht es den USA darum, eine Vorherrschaft Chinas in Ostasien und im Westpazifik zu verhindern, weswegen sie auf eine intakte euro-atlantische Sicherheitsordnung angewiesen bleiben.[21] Es erscheint vor diesem Hintergrund als äußerst unwahrscheinlich, dass die USA ihre Rolle als Ordnungsmacht in Europa aktiv so schwächen, dass das Bestehen der NATO gefährdet sein könnte. Die Entwicklung seit 2022 zeigte ein US-Verhaltensmuster, das dem zur Zeit der zweiten Berlin-Krise ähnelt: Die USA stärken ihre Rolle als Ordnungsmacht in Europa, wenn diese – wie im Ukraine-Krieg indirekt der Fall – durch einen strategischen Rivalen herausgefordert wird. Die seit 2022 gestiegene Gesamttruppenpräsenz der USA in Europa beläuft sich mittlerweile auf ca. 90.000 und durch die Beitritte Finnlands und Schwedens zur NATO nahm der „U.S. basing access“ in Europa weiter zu.[22] Auch die US-Regierung in Trumps zweiter Amtszeit und die europäischen NATO-Staaten scheinen bislang „kein Interesse an einer geopolitischen Neuordnung“ zu haben.[23]

2.2 Sequenzierte Aufstellung weitreichender Mittelstreckenwaffen

In den ersten Jahren der Umsetzung der politischen Direktive der NATO von 1957, „Mittelstreckenraketen“ in Europa einzuführen, wurde ein Ansatz verfolgt, der aufgrund der frühen Verfügbarkeit US-amerikanisch produzierter Waffensysteme eine koordinierte zeitliche Sequenzierung bei der Aufstellung entsprechender Systeme in Verbindung mit rüstungsindustrieller Kooperation bei starker europäischer Beteiligung vorsah. Deren Spezifika standen Ende 1957 noch nicht fest.[24]

Weitreichende Mittelstreckenwaffen in Europa aufzustellen, wurde als Kernbestandteil der NATO-Streitkräfteplanung für Europa vorgesehen. Erwartet wurde, dass dieser Kernbestandteil in seiner militärischen Bedeutung zunehmend wichtiger werden würde. Unter anderem sollten angesichts wachsender Luftabwehrfähigkeiten des Warschauer Pakts Kampfflugzeuge unter NATO-Kommando im Laufe der Jahre mehr und mehr durch weitreichende Raketen- und Marschflugkörpersysteme in ihrer „Strike“-Rolle ersetzt werden.[25]

Grundlage war die strategische Konzeption der NATO auf Basis der sogenannten Strategie der massiven Vergeltung. Um die Sowjetunion abzuschrecken, waren der Konzeption zufolge Streitkräfte notwendig, die ein „schnelles Überrennen Europas durch einen feindlichen konventionellen Großangriff mit frühzeitigem Einsatz von Nuklearwaffen verhindern [könnten], bis die strategische Gegenoffensive ihr Ziel erreicht hat“. Aus bundesdeutscher Sicht galt hierbei:

  1. „Ohne USA keine Verteidigung Europas.“

  2. „Festhalten an der glaubwürdigen, abgestuften Abschreckung. Keine Lücke in der Abschreckungsskala.“

  3. „Erhalten eines unkalkulierbaren Risikos für SU.“

  4. Nukleare Abschreckung bleibt notwendig, auch weil die Aufstellung konventioneller Verbände und Fähigkeiten an Grenzen stößt.

  5. „Vorwärtsverteidigung so nahe am Eisernen Vorhang wie möglich.“[26]

Die NATO-Streitkräfteplanung für Europa einschließlich der militärfachlichen Erfordernisse bezüglich der Aufstellung weitreichender Flugkörpersysteme in Europa wurde durch SACEUR und sein Supreme Headquarters Allied Powers Europe (SHAPE) geleitet und koordiniert. Eine erste Gesamtplanung für die Jahre bis 1963 (MC 70) berücksichtigte die Bestimmungen des Gipfelbeschlusses von 1957 und wurde 1958 von den NATO-Staaten politisch verabschiedet.[27] In der Rückschau kann ein Beobachter, der die relevante Überlieferung nicht kennt, nur unterschätzen, für wie wichtig damals die Einführung von Mittelstreckenwaffen in Europa gehalten wurde. Auch weil die USA zu dieser Zeit bereits langsam von der Strategie der „massiven Vergeltung“ (massive retaliation) Abstand nahmen, galten Mittelstreckenwaffen in Europa als notwendig, um die Glaubwürdigkeit der Abschreckung zu erhalten. Um die Sowjetunion also mittel- und langfristig davon abzuschrecken, gefährliche Krisensituationen zu provozieren, die im Krieg, in der Preisgabe wichtiger Interessen oder beidem enden könnten. Beispielsweise erklärte der Direktor der Central Intelligence Agency, Allen Dulles, im Gespräch mit Konrad Adenauer: „Der Friede hänge weitgehend davon ab, dass die NATO mit Raketen mittlerer Reichweite in großer Menge ausgestattet werde, um auf diese Weise einen sowjetischen Angriff zu verhindern.“[28]

Was die konkrete Aufstellung von Mittelstreckenwaffen anging, so wurden zunächst marktverfügbare Mittelstreckenraketen (IRBM) aus US-Produktion aufgestellt: PGM-19 Jupiter in Italien und später in der Türkei sowie PGM-17A Thor in Großbritannien. Jupiter und Thor waren als Übergangslösung gedacht. Diese IRBM waren in festen Abschussvorrichtungen installiert (ortsfest), flüssigstoffgetrieben und erst nach längerer Vorbereitungszeit abschussbereit. Im Rahmen nuklearer Teilhabe unterstanden diese IRBM „dem nationalen Kommando“ der Stationierungsländer, aber „die operative Kontrolle liegt bei SACEUR“.[29] Hinzu kamen ab 1959 weitreichende, ortsfeste TM-76B Mace-Marschflugkörper (GLCM) der U.S. Air Force in der Bundesrepublik, die 1969 deaktiviert wurden. Diese GLCMs waren ursprünglich auch für die deutsche Luftwaffe vorgesehen, die aber stattdessen Pershing-Raketen beschaffte.[30] Sämtliche IRBMs wurden 1963 vollständig abgebaut – pro forma als Modernisierungsmaßnahme, de facto infolge einer geheimen sowjetisch-amerikanischen Absprache während der Kuba-Krise im Oktober 1962.

 Ein MGM-18B Mace-Marschflugkörper wird aus seinem gehärteten Schutzbunker gestartet

Ein MGM-18B Mace-Marschflugkörper wird aus seinem gehärteten Schutzbunker gestartet

In Europa wurden bis zur Umsetzung des NATO-Doppelbeschlusses ab 1983 keine weiteren bodengestützten Mittelstreckenwaffen unter SACEUR-Kommando aufgestellt. Dies stand im Widerspruch zur politischen Direktive von 1957 und entsprechenden SHAPE-Gesamtplanungen für die Aufstellung von Streitkräften in Europa durch die NATO-Staaten. Neben dem Zeitverzug in inkonklusiven Diskussionen der Jahre von 1957 bis 1960 war eine Hauptursache für das Fortbestehen entsprechender Lücken, dass die US-Regierung unter John F. Kennedy (1961 bis 1963) mehr und mehr offen erkennbaren „Widerstand“ gegen die Einführung weitreichender mobiler see- und bodengestützter Mittelstreckenraketen (medium range ballistic missiles – MRBMs) leistete – und mehr noch gegen die Einführung von MRBMs in die Streitkräfte europäischer NATO-Partner, Großbritannien und Frankreich ausgenommen. Gleichzeitig blieb über Jahre hinweg eine „Unlogik“ charakteristisch für die US-Politik, nämlich „dass die Amerikaner zwar die MRBM eigentlich nicht abgeben wollen, andererseits aber bereit sind, die Schaffung einer MRBM-Streitkraft zu unterstützen“. Das setzte eine Vereinbarkeit mit US-amerikanischen Anforderungen voraus, etwa die unklar bleibende Anforderung „multilateraler“ Kontrolle einer solchen „MRBM-Streitkraft“.[31] Dieser politische Schwebezustand hing mit US-Sorgen zusammen, wonach in Abwesenheit wenigstens „konkreter“ Aussichten auf eine kooperative Lösung der MRBM-Problematik in der NATO Druck in der Bundesrepublik Deutschland bis zu dem Punkt führen könnte, dass die Regierung in Bonn eine nationale Atombewaffnung anstreben würde.[32]

Das Gesamtergebnis bezüglich der Aufstellung bodengestützter Mittelstreckenwaffen im Befehlsbereich des SACEUR infolge der politischen Direktive von 1957 war also: Die ursprüngliche Idee einer koordinierten zeitlichen Sequenzierung bei der Aufstellung entsprechender Systeme wurde nicht umgesetzt. Die in Phase I aufgestellten ballistischen Systeme, die aufgrund der US-Produktion zeitnah verfügbar waren (Jupiter und Thor), wurden im Jahr 1963 vollständig abgebaut. Ein Kräfteaufbau in einer Phase II, der ursprünglich unter starker europäischer Beteiligung angedacht war, fand nicht statt, weder vor noch nach 1963, dem Endjahr des Planungszeitraums der MC 70 von 1958.

2.3 Vorhaben zu rüstungsindustrieller Kooperation in Bezug auf Mittelstreckenraketen

Betrachtet man die Geschichte der ursprünglich bezüglich Mittelstreckenwaffen angedachten verteidigungsindustriellen Kooperation bei starker europäischer Beteiligung, wie sie als Absicht auch in der politischen Direktive der NATO von 1957 genannt wurde, so sind zwei Ansätze wichtig, die beide letztlich scheiterten. Erstens das Projekt zur gemeinsamen Entwicklung eigener Mittelstreckenraketen im F-I-G-Verbund in den Jahren 1956 bis 1958. Zweitens das Vorhaben kooperativer europäischer Teilnahme an der Produktion US-amerikanisch entwickelter, mobiler Polaris MRBMs basierend auf einem Vorschlag der US-Regierung von 1960.

Über den F-I-G-Verbund ist manches veröffentlicht worden.[33] Mittlerweile verfügbare Quellen ermöglichen ein Verständnis, das präziser ist, als es der älteren Forschung möglich war. Man kann nun etwas genauer verstehen, was wir aufgrund der schillernden Komplexität der historischen Entwicklung in Verbindung mit einer immer noch stark lückenhaften Überlieferung nicht wissen, während viele Ambivalenzen bleiben. Die folgenden Punkte müssen für die Zwecke dieses Artikels genügen.

Der F-I-G-Verbund entstand in einer besonderen historischen Konstellation: Der Prozess der europäischen Integration gewann an Fahrt (Unterzeichnung der Verträge über die Einrichtung einer Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und einer Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) im Jahr 1957). Die Suez-Krise 1956 hatte die machtpolitische Schwäche Frankreichs und Großbritanniens im Verhältnis zu den USA gezeigt. Die Bedeutung von Kernwaffen und Raketensystemen nahm dramatisch zu, nicht zuletzt in der NATO-Strategie. Die Glaubwürdigkeit des nuklearen Schutzes Europas durch die USA wurde mehr und mehr politisch hinterfragt. In mittel- und langfristiger Perspektive erschien die zunehmende nukleare Bedrohung durch die Sowjetunion als gravierendes Problem (Stichworte: „Sputnik-Schock“ 1957; missile gap-Debatte in den USA). Es war auch offen, welche Rolle kontinentaleuropäische Staaten im entstehenden westlichen System der nuklearen Abschreckung übernehmen würden. Klar war, dass größere Staaten wie Frankreich, Deutschland oder Italien eigene Rollen spielen wollten. Auch in den strategischen Überlegungen der US-Regierung unter Präsident Dwight D. Eisenhower („New Look“) war eine auszugestaltende Mitwirkung europäischer Verbündeter an der nuklearen Abschreckung vorgesehen. Großbritannien war entschlossen, Atommacht zu bleiben. Das, was bis heute „nukleare Teilhabe“ (nuclear sharing arrangements) in der NATO genannt wird, gab es noch nicht. Die nukleare Teilhabe in der NATO wurde auf dem NATO-Gipfeltreffen Ende 1957 auf Basis eines Vorschlags der US-Regierung politisch begründet und erst in den Folgejahren konkret umgesetzt.

Vor und nach diesem Gipfel war nicht nur in Bonn die Auffassung einflussreich, wonach die NATO-Verbündeten auf dem europäischen Kontinent durch Aufrüstung energisch daran mitwirken mussten, damit „das Interesse der USA für Europa lebendig erhalten werde, so lebendig, dass es alle Schwankungen und Wahlen überdauere und zu einem Axiom der amerikanischen Politik werde“.[34] In diesem Rahmen – und nicht als Ansatz zur Abkopplung, Loslösung oder Unabhängigkeit von den USA – wollte die damalige Regierung Adenauer ihre Teilnahme im F-I-G-Verbund verstanden wissen: „Es sei also eine schwierige Aufgabe zu lösen: Erstens müsse man die NATO durch die in Aussicht genommene Zusammenarbeit stärken, ohne jedoch in den Vereinigten Staaten den Eindruck aufkommen zu lassen, Europa brauche ihre Unterstützung nicht mehr in dem gleichen Maße, und andererseits müsse eine Politik betrieben werden, die Europa vor etwaigen Wechseln in der Haltung der USA sichere.“[35]

Ein Ausgangspunkt für die Entstehung des F-I-G-Verbunds war das Ende 1956 an Bundesverteidigungsminister Franz Josef Strauß herangetragene Angebot der französischen Regierung, eine Rüstungskooperation einschließlich „Zusammenarbeit für die […] Entwicklung von Atomwaffen“ anzubahnen.[36] Anfang 1958 zitierte Strauß im BVR aus einem „Zusammenarbeitsvertrag vom 28.11.1957 zwischen Frankreich, Italien und der Bundesrepublik“: „Die Verteidigungsminister Frankreichs, Deutschlands und Italiens vereinbaren eine enge Zusammenarbeit auf dem Gebiet der militärischen Konzeption und der Rüstung zur Herstellung eines einheitlichen Systems insbesondere für Luftwaffengerät, Gruppen von Fernlenkwaffen und dazu gehörige Elektronik sowie für die militärische Anwendung der Kernenergie […].“[37] Monate später, inmitten der „Staatskrise“ der IV. Französischen Republik nach dem Putsch d’Algier (13. Mai 1958) und der nach Berufung von Charles de Gaulle zum Ministerpräsidenten (1. Juni 1958) ausgerufenen Notstandslage in Frankreich, berichtete Strauß im BVR über die zwischenzeitlichen Fortschritte: Ein „Lenkungsausschuss“ habe sechs Gebiete für Rüstungskooperation bestimmt. „Frankreich habe bisher keinen Antrag zur Zusammenarbeit auf dem Gebiete der nuklearen Waffen gestellt, auch nicht gegenüber Italien.“ Frankreich sei entschlossen, „Atomwaffen selbst zu produzieren, wenn die USA nicht genügend atomare Sprengköpfe zur Verfügung stellten und auf der eigenen Verfügungsgewalt bestünden.“ Brigadegeneral Kurt K. F. Bräunig ergänzte Details zu „Projekte[n] für die gemeinsame Entwicklung und Produktion“: Bereits beschlossen seien Rüstungskooperationen unter anderem für unterschiedliche schwere Fahrzeuge, Unterstützungs- und Transportflugzeuge sowie für die „gemeinsame Forschung und Entwicklung einer ballistischen Boden-Boden-Rakete, die in der Lage sei, einen thermonuklearen Sprengkopf zu tragen und eine Reichweite von ungefähr 2.800 km mit Feststoffantrieb erreicht“.[38]

Gemeinsame Forschung und Entwicklung im Bereich Flugkörperbau wurde auch betrieben, schwerpunktmäßig und seit 1958 in einem Institut in Saint-Louis auf französischer Seite im Dreiländereck Deutschland-Schweiz-Frankreich.[39] Aber anstatt der ursprünglich vorgesehenen gemeinsamen Entwicklung einer IRBM produzierte Frankreich solche Flugkörper unabhängig für den nationalen Bedarf der eigenen Nuklearstreitkräfte. Die ersten S2 IRBMs Frankreichs wurden 1968 auf dem Plateau d’Albion aufgestellt.

In Bezug auf die potenzielle Entwicklung und Produktion von Kernwaffen, also jenes Thema, das der Überlieferung zufolge ursprünglich von französischer Seite aufgebracht worden war, stießen schon Vorsondierungen für potenzielle Rüstungskooperationen schnell an harte Grenzen. Zwar hatte Bundesverteidigungsminister Strauß Ende 1957 noch erklärt: „An der Finanzierung der Produktion von Atomsprengköpfen müsse Deutschland sich notwendigerweise auch beteiligen.“[40] Damit meinte Strauß die Produktion von Kernwaffen in Frankreich, sehr wahrscheinlich aber gerade nicht die Produktion von Kernwaffen in Frankreich ausschließlich für nationalen Bedarf bzw. als „nationales Instrument“.[41] Vermutlich in einem ähnlichen Sinne hatte auch Adenauer Ende 1957 bemerkt: „Wir müssen sie produzieren.“[42] Vorsondierungen, die hauptsächlich Strauß mit Billigung Konrad Adenauers in den Folgemonaten mit seinen Amtskollegen Jacques Chaban-Delmas, Pierre Guillaumat und Paolo Taviani unternahm, drehten sich offenbar um potenzielle deutsche und italienische Finanzierungsbeiträge zu einer von Frankreich geplanten Urananreicherungsanlage in Pierrelatte (Département Drôme). Das vorgesehene Anreicherungsverfahren (Isotopentrennung) galt zwar dem von deutschen Wissenschaftlern in Deutschland im Rahmen ziviler Forschung weiterentwickelten Verfahren der zentrifugenbasierten Anreicherung als technisch weit unterlegen. Wie Adenauer es ausdrückte, wurde in Bezug auf die geplante Anlage in Pierrelatte eine „Abmachung“ zu einer Kostenteilung „ins Auge gefasst“ („45 % von den Franzosen, zu 45 % von den Deutschen und zu 10 % von den Italienern“).[43] Entsprechende Diskussionen endeten aber offenbar schroff. Guillaumat behauptete zuletzt, „diese Gespräche hätten nie stattgefunden“.[44] Adenauer vermutete aufgrund von „Informationen aus einer gewöhnlich zuverlässigen Quelle“, dass der neue Ministerpräsident de Gaulle von der „Sowjetunion beträchtliche Mengen Plutonium und technische Erfahrungen über die Herstellung der Atombombe“ angeboten bekommen habe, „wenn Frankreich der NATO und den Vereinigten Staaten den Rücken kehre.“[45] In jedem Falle versuchten französische Regierungen der Zeit, hauptsächlich Unterstützung durch die USA beim Aufbau der französischen Nuklearstreitkräfte zu erlangen. Dies wirft auch die Frage auf, inwiefern diese Vorsondierungen mit Italien und Deutschland als Druckmittel für US-Konzessionen dienen sollten.[46]

Von der bis Mitte 1958 diskutierten Perspektive auf eine gemeinsame europäische Entwicklung und Produktion von Mittelstreckenraketen verliert sich in den Quellen für die Zeit nach der Rückkehr de Gaulles in die Position des französischen Regierungschefs Mitte 1958 die Spur. Parallel zu den Beratungen im F-I-G-Verbund bis Mitte 1958 nahm allerdings die NATO-Streitkräfteplanung (MC 70) den Mittelpunkt in der euro-atlantischen Gesamtdiskussion über Sicherheitskooperation in Bezug auf Flugkörper und nukleare Abschreckung ein. In den Jahren 1958 und 1959 fanden militärfachliche Vorberatungen in Bezug auf das sensible Thema der Einführung mobiler Mittelstreckenraketen (MRBMs) im Befehlsbereich des SACEUR bis 1963 statt. Diese Vorberatungen betrafen also die geplante Phase II, die an die laufende Phase I – die Dislozierung ortsfester Mittelstreckenwaffen (Jupiter, Thor, Mace B) – anschließen sollte.

Anlässlich der Frühjahrstagung 1960 der Verteidigungsminister der NATO-Staaten in Paris unterbreitete die US-Regierung einen Vorschlag. Dieser wurde als „Gates-Plan“ bekannt, benannt nach US-Verteidigungsminister Thomas S. Gates: Die USA boten mobile Polaris-Raketen in see- und landgestützten Varianten (SLBM, GLBM) an. Gewählt werden sollte zwischen einer von zwei Programmversionen: erstens, Herstellung in den USA und Verkauf der Polaris an NATO-Partner bei Fertigung der „Bodenabschuss-Einrichtungen mit technischer Hilfe der USA in Europa“; oder zweitens, „Herstellung von Flugkörpern und Bodenabschuss-Einrichtungen in Europa.“ Die Umsetzung des Vorschlags band die US-Regierung an bestimmte Voraussetzungen: (1) Der NATO-Rat müsste sich auf ein Gesamtprogramm einigen; (2) die MRBMs würden SACEUR unterstellt; (3) den Dislozierungspräferenzen SACEURs würde hinreichend entsprochen; (4) Stationierungsländer wären bereit, die notwendigen Versorgungslager für Nuklearsprengköpfe zu stellen; (5) die Nukleargefechtsköpfe sind Eigentum der Vereinigten Staaten von Amerika und würden operativ im Gewahrsam der US-Streitkräfte bleiben.[47]

Aus verschiedenen Gründen scheiterte dieser Ansatz, bei rüstungsindustrieller Beteiligung und nuklearer Teilhabe europäischer NATO-Partner mobile Mittelstreckenraketensysteme (Polaris SLBM/GLBM plus mobile transporter erector launcher – TEL) herzustellen und im Befehlsbereich von SACEUR einzuführen.[48] Ein Grund war, dass der „Gates-Plan“ noch Ende 1960 durch einen anderen Vorschlag der US-Regierung unter Präsident Eisenhower zur möglichen Gründung einer „multilateralen“ NATO-MRBM-Streitmacht überlagert wurde, auf welchen dann in den Folgejahren bis 1966 andere Schemata folgten. Diese wurden nicht umgesetzt und sie sahen im Unterschied zum „Gates-Plan“ und der politischen Direktive von 1957 keine rüstungsindustrielle Kooperation bei Beteiligung europäischer Verbündeter vor.

 Die Testrakete Polaris AX-1 steht vor ihrem Erstflug am 24. September 1958 auf der Startrampe

Die Testrakete Polaris AX-1 steht vor ihrem Erstflug am 24. September 1958 auf der Startrampe

3 Deep Precision Strike im euro-atlantischen Raum nach der „Zeitenwende“

Die im Juli 2024 erfolgte Verkündung der auf Deep Precision Strike bezogenen Beschlüsse der USA und Deutschlands einerseits sowie Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Polens andererseits waren keine große Überraschung. Die „Nationale Sicherheitsstrategie der Bundesrepublik Deutschland“ von 2023 kündigte bereits an: „Die Bundesregierung wird die Entwicklung und Einführung von Zukunftsfähigkeiten wie abstandsfähige Präzisionswaffen befördern.“[49] Das betraf nicht nur die damals bereits bei MBDA Deutschland in Entwicklung befindliche Joint Fire Support Missile (JFS-M), einen für Artilleriesysteme bestimmten Lenkflugkörper mit flexibler Reichweite bis über 300 km.[50] Bereits im Mai 2024 war bekannt geworden, dass Frankreich und Deutschland weitreichende Abstandswaffen entwickeln wollen.[51] Auch mit Norwegen startete Deutschland eine enge Rüstungspartnerschaft. Die 2023 erzielte deutsch-norwegische Rüstungskooperation zum Bau von U-Booten der Klasse 212CD, die die U-Boote der Klasse 212A der Deutschen Marine ersetzen sollen, wurde ergänzt durch die Entscheidung, einen neuen „supersonischen Lenkflugkörper mit großer Reichweite“ für Fregatten beider Länder zu produzieren, die Super Sonic Strike Missile (3SM) Tyrfing.[52]

3.1 Zum Hintergrund der Beschlüsse von 2024

In Bezug auf den Hintergrund der im Juli 2024 verkündeten Beschlüsse erscheinen vor allem vier Punkte wichtig zu sein: Erstens verfügt bis heute kein europäischer Staat in der NATO – Rumänien, Griechenland und die Türkei eingeschlossen – über bodengestützte Flugkörpersysteme mit Reichweiten über 300 km.[53] Die Precision Strike Missile (PrSM) der U.S. Army kommt in der einsatzbereiten Variante auf eine Reichweite von über 500 km.[54]

Zweitens betreibt Russland bodengestützte Flugkörpersysteme unterschiedlicher Typen und Reichweiten, die Kernwaffen und konventionelle Gefechtsköpfe verbringen und Ziele in ganz Europa bedrohen können. Zu nennen sind etwa 9K720 Iskander-M SRBM (RS-SS-26 Stone, ca. 500 km Reichweite), 9M729 GLCMs (RS-SSC 8 Screwdriver, ca. 2.500 km Reichweite) und die möglicherweise aus einer Modifikation der RS-26 ICBM Rubesch hervorgegangene Überschallmittelstreckenrakete Oreschnik, die testweise erstmals Ende 2024 gegen die Ukraine eingesetzt wurde.[55] Bodengestützte Flugkörpersysteme in Reichweitenbereichen von 500 bis 5.500 km waren laut INF-Vertrag von 1987 verboten. Russland hatte laut wiederholten Feststellungen der USA durch Entwicklung, Produktion und Test speziell der SSC-8 und RS-26 den INF-Vertrag gebrochen und dabei vielfach „gelogen“.[56] Russland leugnete die US-Vorhaltungen und bezichtigte die USA des Vertragsbruchs.

Drittens verfügt – von Frankreich und Großbritannien abgesehen – kein europäischer Staat in der NATO über Flugkörpersysteme mit Reichweiten über 500 km für Präzisionsangriffe gegen Ziele zu Lande. Frankreich und Großbritannien besitzen entsprechende Flugkörper mit Reichweiten im unteren Mittelstreckenbereich: Frankreichs Missile de Croisière Naval (MdCN; Reichweite ca. 1.000 km) und Großbritanniens UGM-109 Tomahawk (Reichweite ca. 1.600 km) können ausschließlich von Fregatten und U-Booten aus verbracht werden. Zudem sind vorhandene Abstandswaffen für Kampfflugzeuge reichweitenbegrenzt. Die US-amerikanisch produzierte AGM-158A Joint Air-to-Surface Standoff Missile (JASSM) in den Luftstreitkräften Finnlands und Polens haben eine Reichweite von ca. 370 km. Auf ca. 500 km kommen französisch produzierte Scalp EG in den Luftstreitkräften Frankreichs, Griechenlands und der Ukraine, schwedisch-deutsch produzierte KEPD-350 Taurus in den Luftstreitkräften Deutschlands, Schwedens und Spaniens sowie britisch produzierte Storm Shadow in den Luftstreitkräften Großbritanniens, Italiens und der Ukraine.

Viertens waren und sind kurzfristig nur die USA rüstungsindustriell in der Lage, weitreichende bodengestützte Flugkörpersysteme zur Verfügung stellen zu können. Etwaige europäische Eigenproduktionen erfordern im Vergleich dazu „viele Jahre“.[57]

3.2 Euro-amerikanische Sicherheitskooperation und die Beschlüsse von 2024

Dieser Hintergrund macht den Fokus auf Deep Precision Strike, also auf weitreichende Flugkörpersysteme, in den im Juli 2024 verkündeten Beschlüssen deutlich. Die deutsch-amerikanische Erklärung vom 10. Juli 2024 präzisierte, dass ab 2026 zeitweilig und „als Teil der Planung zu deren künftiger dauerhafter Stationierung“ bei der U.S. Army in Deutschland Standard Missile (SM)-6-Raketen, Tomahawk GLCMs und eine in Entwicklung befindliche, weitreichende Überschallwaffe eingeführt werden – und zwar allesamt mit konventionellen Sprengköpfen.[58] Hiernach wurde bekannt, dass es sich bei Letzterem um die Long-Range Hypersonic Weapon (LRHW) Dark Eagle handelt und dass der aufnehmende Verband die bereits aufgestellte 2. MDTF mit Hauptquartier in Wiesbaden sein wird, die mobile Systeme für weitreichendes Feuer bündeln soll.[59] Die Wiederaufnahme der Produktion bodengebundener Marschflugkörper mittlerer Reichweite, also von Systemen, die unter dem INF-Vertrag (1987–2019) verboten waren, und mehr noch die Entwicklung von LRHWs ist Teil einer Gesamtentwicklung weitreichender Flugkörperfähigkeiten der USA, um zu prompten konventionellen Präzisionsschlägen auf der ganzen Erde in der Lage zu sein.[60]

Für die kommenden Jahre scheint diese Planung bezüglich bodengestützter weitreichender Präzisionsflugkörper in Europa praktisch zumindest für die Anfangsperiode auf eine Totalabhängigkeit der NATO von den USA hinauszulaufen. Deutschland wird dabei offenbar das einzige Stationierungsland sein. Die deutsche Bundesregierung hat diese offenbar als verteidigungspolitische Notwendigkeit erkannte Anpassungsmaßnahme nicht mit einer Bedingung erschwert, wonach eine „Singularität“ Deutschlands als einziges Stationierungsland vermieden werden müsse.[61] Das Fehlen einer deutschen „Non-Singularitätsbedingung“ in Bezug auf weitreichende Mittelstreckenwaffen ist ein Unterschied zur Handhabung zur Zeit des NATO-Doppelbeschlusses, aber eine Gemeinsamkeit zur Handhabung seitens der Bundesregierung in den 1950er und 1960er Jahren.[62] Im Bereich der seegebundenen weitreichenden Präzisionsflugkörper kommt einstweilen eine Abhängigkeit der NATO von den USA, Großbritannien und Frankreich hinzu. Im Bereich der aktiven defensiven Luftabwehr, die auch „auf absehbare Zeit“ ressourcenintensiver sein wird als die Beschaffung offensiver Luftabwehrfähigkeiten,[63] ist die 2022 von Deutschland mitinitiierte European Sky Shield Initiative (ESSI) geeignet, auf Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, eine enge Kooperation mit den USA zu verfestigen.[64] Dieser Befund gilt noch stärker in Bezug auf das westliche System der nuklearen Abschreckung. Dieses System bleibt in überragender Weise von den USA dominiert, deren Rolle gerade aus einer die Jahrzehnte offenbar bis heute überdauernden Überzeugung der deutschen Bundesregierung praktisch nicht gleichwertig ersetzt werden kann.[65] Zugleich wird dieses System militärpolitisch durch die Beschaffung US-produzierter F-35A durch die deutsche Luftwaffe ebenso stabilisiert wie durch die Einführung von F-35A in die Luftstreitkräfte anderer Partner, Großbritannien eingeschlossen. Die F-35A werden in der Luftwaffe die Dauereinsatzaufgabe der nuklearen Teilhabe von den Tornados IDS übernehmen.

In Bezug auf bodengebundene weitreichende Präzisionsabstandswaffen in Europa ist nun zugleich zu sehen: Die Totalabhängigkeit von den USA, die jedenfalls für die ab 2026 beginnende Anfangszeit angebahnt zu werden scheint, soll durch Indienststellung europäischer Fähigkeiten mittel- bis langfristig reduziert oder gar ersetzt werden. Im Hinblick auf geplante Deep Precision Strike-Fähigkeiten der U.S. Army in Deutschland war mitunter von einer zeitlich vorübergehenden „Brückenlösung“[66] die Rede. Von einer Übergangs- oder Brückenlösung spricht die deutsch-amerikanische Erklärung vom 10. Juli 2024 allerdings nicht. Vielmehr wird darin eine „andauernde“ Dislozierung angedeutet, was nicht mit ewig oder unbefristet zu verwechseln ist. Öffentlich unbekannt sind entsprechende Zeitplanungen, daneben auch, welche eigenen Systeme im Rahmen des europäischen Verbunds ELSA entwickelt und produziert werden sollen.

Gemäß gemeinsamer Absichtserklärung vom 11. Juli 2024 bilden die Regierungen Frankreichs, Deutschlands, Italiens und Polens den Nukleus von ELSA, wobei im Oktober 2024 Großbritannien und Schweden dazukamen. In Bezug auf Vorhaben im ELSA-Verbund war mitunter lediglich von Abstandswaffen „mit mehr als 1000 Kilometern Reichweite“ und in zeitlicher Hinsicht von „mittelfristig“ die Rede.[67] Andere vermuten, es gehe darum, eine GLCM mit einer Reichweite von 1.000 bis 2.000 km zu produzieren.[68] MBDA Frankreich brachte offenbar frühzeitig die Entwicklung einer bodengebundenen Variante der SLCM MdCN ins Spiel.[69] Im Mai 2025 gaben Großbritannien und Deutschland auch „die Entwicklung von Präzisionswaffen mit mehr als 2000 Kilometern Reichweite bekannt“, die im Rahmen von ELSA erfolge.[70] Öffentlich noch nicht erkennbar ist, ob es bei ELSA nur um bodengestützte Systeme gehen soll. Daneben ist fraglich, ob es sich um Cruise Missiles, ballistische Raketen und/oder Überschallflugkörper handeln wird.[71] Die Systeme sollen konventionelle Gefechtsköpfe erhalten.[72]

 LRHW Dark Eagle auf einem TEL der First Multi-Domain Task Force auf der Nellis Air Force Base am 3. August 2024

LRHW Dark Eagle auf einem TEL der First Multi-Domain Task Force auf der Nellis Air Force Base am 3. August 2024

Es bleibt auch abzuwarten, inwiefern politische, militärische, technologische und rüstungsindustrielle Präferenzen der involvierten Partner harmonisiert und vor allem ob und wann erste gemeinsam produzierte Systeme operativ verfügbar gemacht werden können. Die Erfahrung hat auch nach dem Scheitern historischer Ansätze (F-I-G-Verbund 1957/1958, „Gates-Plan“ 1960) gezeigt, wie schwierig die für europäische Rüstungskooperation notwendige Kompromissfindung strukturell sein und wie viel Verspätung bei gemeinsam produzierten Systemen entstehen kann.[73] Es gibt keine europäische Rüstungsindustrie, sondern nationale Rüstungsindustrien in europäischen Staaten, von denen sechs Gewicht haben (Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und Schweden). So sinnvoll Ideen wie Effizienz, Interoperabilität und bündnispolitische Kohäsion durch Kooperation sein mögen: Im Vergleich zu Russland oder den USA bleibt es nach dem Scheitern der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft im Jahr 1954 notorisch schwer, der dominanten Haupttendenz hin zur zersplitterten Heterogenität der Fähigkeitsprofile der Armeen europäischer Staaten entgegenzuwirken.[74] Historisch und aktuell kommt hinzu, dass europäische Staaten erhebliche Rüstungskäufe in Märkten außerhalb Europas tätigen, insbesondere wenn Systeme zügig verfügbar sein sollen.[75] Unkenrufe, wonach „die deutsche Regierung (…) ihren Nationalismus in der Rüstungsindustriepolitik überdenken“ und eine beschleunigte Aufrüstung in Europa anschieben solle, reflektieren diese strukturellen Hemmnisse. Sie verfehlen aber, dass sie praktisch Teil der Rahmenbedingungen bleiben und höchstens graduell abgemildert werden können.[76] Es hat auch im 21. Jahrhundert immer wieder Plädoyers für eine „vollständige Parlaments-, Verteidigungs- und Fiskalunion“ in Europa gegeben.[77] Die Realität ist: Erstens bleibt die Sicherheits-, Verteidigungs- und Rüstungsindustriepolitik in Europa im Kern nationalstaatlich organisiert. Zweitens kann auf dieser Basis Kooperation möglich werden. Drittens war und ist die EU „Teil eines eigenen […] Raums, nämlich des NATO-Gebiets“: „Tatsächlich ist sie militärisch völlig abhängig von den beiden angelsächsischen Mächten, den Vereinigten Staaten und, in geringerem Maße, dem Vereinigten Königreich. Sie ist […] Mieter eines Grundstücks, dessen geopolitisches Eigentum nach wie vor bei den Anglo-Amerikanern […] liegt.“[78] Diese Strukturprinzipien prägen zwangsläufig auch wichtige Spezialthemen der euro-amerikanischen Sicherheitskooperation, das Thema bodengestützter Deep Precision Strike-Fähigkeiten in der NATO eingeschlossen.

3.3 Silhouetten operativer Konzepte und das westliche System der nuklearen Abschreckung

Die operativen Konzepte, die der Einführung US-amerikanischer Mittelstreckenwaffen in Deutschland und perspektivisch auch den aus der ESSI gewonnenen europäischen Kräften zugrunde liegen sollen, sind zwangsläufig nicht öffentlich bekannt. Höchstens waren bislang gewisse Hinweise auf Silhouetten solcher Konzepte greifbar. Erwähnt wurde die Bekämpfung zeitkritischer Elemente von Anti-Access/Area Denial (A2/AD)-Fähigkeiten Russlands – etwa im Oblast Kaliningrad.[79] Anderen Hinweisen zufolge geht es zwecks glaubwürdiger Abschreckung um Fähigkeiten zur Begrenzung etwaiger Schäden, die feindliche russische Systeme bewirken könnten, falls ihr Einsatz in einer Krise oder einem Krieg unmittelbar bevorstünde.[80] Im Englischen spricht man von damage-limitation capability. Hierbei ergänzen sich defensive und offensive Luftabwehrfähigkeiten im Rahmen von Gesamtverteidigung. Aber Abstandswaffen – je nach Ziel mit konventionellem oder nuklearem Gefechtskopf – spielen eine herausragende Rolle. Es ist dabei besonders herausfordernd, im gegnerischen Raum Flugkörper auf mobilen Plattformen wie bodengestützten Abschussgestellen (transporter erector launcher) für Kurz-, Mittel- und Langstreckenflugkörper zu finden, nachzuverfolgen und effektiv zu bekämpfen.[81]

Jedenfalls waren Fähigkeiten zur Schadensbegrenzung seit der Hochzeit des Kalten Krieges wichtig, um die Glaubwürdigkeit der Abschreckung, einschließlich der nuklearen Abschreckung, zu erhalten: „The ability to limit damage is a core requirement of U.S. deterrence strategy and its nuclear guarantee to allies – that the United States could likely save Berlin without losing Boston.“[82] Die Bedeutung von Flugkörpersystemen in Kurz-, Mittel- und Langstreckenreichweiten hat dabei nicht nur aufgrund von „ernst zu nehmende[n] Fähigkeitslücke[n] in Europa“[83] bei bodengestützten konventionellen Abstandswaffen zugenommen, bei denen in den letzten Jahren Disparitäten zwischen Russland und der NATO wuchsen. Der historisch-informierte Blick lässt zudem erwarten, dass Argumente für weitere Verstärkungen offensiver Luftabwehrfähigkeiten mit konventionellen und nuklearen Sprengköpfen auf Seiten der USA und ihrer Verbündeten wahrscheinlich an Bedeutung gewinnen werden, falls bei weiterer nuklearer Aufrüstung Chinas die Anforderungen glaubwürdiger Abschreckung in und ab den 2030er Jahren steigen werden.[84]

In Abhängigkeit etwa von der genauen Ausprägung von Chinas Nuklearaufrüstung und davon, inwiefern Ziele bei der Aufstellung und Stärkung konventioneller Streitkräfte umgesetzt werden (oder nicht), kann sich die Frage ergeben, ob – neben Anpassungen bei konventionellen Deep Precision Strike-Fähigkeiten in Verbindung mit Fähigkeiten zur defensiven Luftabwehr – auch Anpassungen im sub-strategischen nuklearen Potenzial der USA bzw. in der NATO notwendig werden. Manche US-Experten argumentieren längst für eine Vermehrung sub-strategischer Nuklearfähigkeiten, um die aktuell einzige Option – B-61-Bomben auf zertifizierten Kampfflugzeugen – um bis zu fünf weitere Optionen zu ergänzen.[85] Von diesen scheint aktuell eine in der Entwicklung befindlich zu sein.[86] Solche Diskussionen um mögliche zukünftige Schritte zu bedrohungs- und strategieadäquater Kalibrierung des westlichen Systems der nuklearen Abschreckung setzen stillschweigend voraus oder legen nahe, dass Grundpfeiler in der Konstruktion desselben nicht verändert werden, insbesondere die Zahl der Atommächte.

3.4 Deep Precision Strike, nukleare Abschreckung und euro-atlantische Ordnung unter Trump und Merz

Ende Mai 2025 bestätigte der Generalinspekteur der Bundeswehr öffentlich, dass die im Januar 2025 gebildete US-Regierung unter Trump an den in der deutsch-amerikanischen Erklärung vom Juli 2024 genannten Stationierungsvorhaben ab 2026 festhalte. Er teilte auch mit, dass die Bundeswehr „möglicherweise“ vor einer Produktion im ESSI-Verbund „zur Überbrückung eine marktverfügbare Variante“ für sich beschaffen müsse.[87] Im Aussagekontext deutete dies auf ein bodengestütztes Deep Strike System aus US-Produktion hin. Mitte Juli 2025 wurde bekannt, dass die Bundesregierung in den USA ein Kaufgesuch bezüglich Typhon TELs unterbreitete.[88] Das sind LKW-gezogene Container mit einem Mk41-Gestell, das für vier SM-6 (ca. 240 km) oder sechs Tomahawk GLCM (ca. 1.600 km) ausgelegt ist, aber potenziell auch für andere Flugkörper genutzt werden kann.[89] Zudem werde die Anschaffung US-produzierter Tomahawk SLCM für die Deutsche Marine geprüft.[90] Die Luftwaffe wird laut Ankündigung von Ende Juni 2025 Joint Strike Missiles (ca. 500 km) für F-35-Kampfflugzeuge beschaffen.[91] Daneben besteht Interesse an weitreichenden Marschflugkörpern (JASSM-ER) für die F-35 sowie an weitreichenden Drohnen.[92]

Die jüngsten Verlautbarungen sind auch vor dem veränderten politischen Hintergrund aufgrund der Bildung der „schwarz-roten“ Bundesregierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz Anfang Mai 2025 zu sehen. Die neue Regierung sieht die NATO als „unverzichtbar“ an, versteht „Deutschland als zentrale Drehscheibe der NATO“ in Europa, bekräftigt Deutschlands Beitrag zur „nuklearen Teilhabe innerhalb der NATO“ und will „den europäischen Pfeiler der NATO“ stärken.[93] Deutschland beabsichtige, „eng“ mit den USA zu kooperieren, von den USA „unabhängiger“ zu werden und „deutsche und europäische Interessen voranzustellen“.[94] Die Bundeswehr müsse die „konventionell stärkste Armee in Europa“ werden, so Bundeskanzler Merz.[95] Eine wesentliche europapolitische Initiative, die noch unter Merz‘ Vorgänger Olaf Scholz mit parlamentarischer Unterstützung der CDU/CSU mitangestoßen wurde, lag darin, Verteidigungsausgaben von der Defizitkontrolle im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts der EU ausnehmen zu können.[96] Manche sprachen von einer „zweiten Zeitenwende“[97] – dieses Mal allerdings in der EU, die für Verteidigungsausgaben der Ukraine und EU-Mitgliedsstaaten in den nächsten Jahren „fast 800 Mrd. Euro“ zur Verfügung stellen will.[98] Parallel stellte der nationale Gesetzgeber in Deutschland die Weichen dafür, dass Ausgaben für Verteidigung ab einer bestimmten Höhe nicht auf die Schuldenregel des Grundgesetzes angerechnet werden und dass ein neuer „Verteidigungsfonds für Deutschland“ eingerichtet wird.[99]

Die bisherige Gesamtentwicklung lässt dabei nicht erkennbar werden, dass radikaler Rhetorik entsprechende Taten folgen, um – wie Friedrich Merz es formulierte – mit „absolute[r] Priorität (…) so schnell wie möglich Europa so zu stärken, dass wir Schritt für Schritt auch wirklich Unabhängigkeit erreichen von den USA“.[100] Nimmt man solche Äußerungen ernst, so handelt es sich nicht bloß um einen Aufruf zu massiver Wiederaufrüstung. In der Stoßrichtung wäre das nämlich ein Aufruf zur nuklearen Aufrüstung im Rahmen einer solchen Wiederaufrüstung und die weitere Entwicklung bei Deep Precision Strike-Fähigkeiten würde unter völlig veränderten politischen Vorzeichen erfolgen.

Mittlerweile wird stärker öffentlich diskutiert, welche gravierenden Gefahren, Risiken und Kosten mit unterschiedlichen hypothetischen Rahmenlagen verbunden wären, in denen das militärische US-Engagement in Europa mehr oder weniger drastisch abnähme und dies durch europäische Staaten abgefedert werden müsste.[101] Das gilt vor allem für die nukleare Abschreckung.[102] Nach Lage der Dinge waren und sind in der „westlichen“ Welt nur die USA in der Lage, die hohen Anforderungen im Blick auf Abschreckung zu erbringen. Dies ergibt sich angesichts der Größe, Diversität, geografischen Verteilung und Überlebensfähigkeit des russischen Kernwaffenpotenzials in Verbindung mit der räumlichen Weite Russlands und der hohen Opferbereitschaft sowie Folgsamkeit der russischen Bevölkerung.[103]

Allerdings können nationale Nuklearstreitkräfte europäischer Staaten die Abschreckungswirkung der amerikanischen erweiterten nuklearen Abschreckung ergänzend verstärken und dabei zugleich einen Sicherungsmechanismus für extrem unwahrscheinliche Fälle eines „US-Rückzugs“ aus Europa bieten. Es ist dabei kein Naturgesetz und vielmehr ein Produkt der historischen Entwicklung seit den ausgehenden 1950er Jahren, dass Großbritannien und Frankreich über nationale Nuklearstreitkräfte verfügen. Diese verstärken den nuklearen Schutz im Wesentlichen dadurch, dass sie eine teure Zusatzsicherung für die Staatsgebiete Großbritanniens und Frankreichs darstellen.

In der öffentlichen Diskussion wird immer noch selten, aber mittlerweile offener die Idee eingebracht, Verbündete wie Polen oder Deutschland sollten überlegen, Atommacht zu werden. Im Falle Deutschlands würde dies nach Auffassung mancher auch eine „gemeinsame Entscheidung“ Deutschlands, der USA, Frankreichs und Großbritanniens erfordern, um die entsprechende Verbotsbestimmung im Zwei-plus-Vier-Vertrag (Art. 3 Abs. 1) von 1990 aufgrund zwischenzeitlicher Veränderungen in der Welt für aufgehoben zu erklären.[104]

Strategisch wie praktisch relevant sind dabei zwei Aspekte: Erstens würde es eine heikle mehrjährige Phase bis zum Erwerb einer eigenen überlebensfähigen Vergeltungsfähigkeit geben, während der der Schutz durch die USA noch wichtiger wäre als bisher. Zweitens würde eine nationale Nuklearbewaffnung Polens oder Deutschlands kapazitär eine weitere Ergänzung – neben den französischen und britischen Nuklearstreitkräften – im US-dominierten westlichen System der nuklearen Abschreckung darstellen. Das Ergebnis wäre nicht „wirkliche Unabhängigkeit“ von den USA und nicht „strategische Autonomie“[105], sondern ein weiteres unabhängiges nukleares Entscheidungszentrum in der westlichen Welt. Natürlich könnte Deutschland weiterhin im Rahmen der nuklearen Teilhabe mit den USA kooperieren. Eine Diskussion um einen „Plan B für den Fall, dass sich die nukleare Schutzzusage der USA verflüchtigt,“[106] stellt sich insofern eigentlich nicht, auch wenn genau das in vielen öffentlichen Diskussionsbeiträgen der letzten Jahre im Vordergrund stand.

Es geht auch nicht nur um denkbare oder mögliche Anpassungen französischer oder britischer Kernwaffensysteme, auch wenn häufig dieser Eindruck vermittelt wird. Tatsächlich drehte sich der Kern der Diskussion bereits im Kalten Krieg um die mögliche nationale nukleare Aufrüstung als Ergänzung der auch nach einer Proliferationsphase weiterhin notwendigen „erweiterten Abschreckung“ (extended nuclear deterrence) durch die USA, verbunden mit der gleichzeitigen Beseitigung diskriminierender Elemente der bestehenden Sicherheitsordnung. Ein diskriminierendes Element der aktuellen Sicherheitsordnung ist etwa die ungleiche Risikoverteilung speziell für die „Drehscheibe Deutschland“ im Vergleich zu Frankreich oder Großbritannien, falls es zum Verteidigungskrieg in Osteuropa kommt. Großbritannien und Frankreich wären nämlich aufgrund eigener Nuklearstreitkräfte prinzipiell besser in der Lage, sich gegen schlimmste Auswüchse eines solchen Krieges zu immunisieren, als Nicht-Kernwaffenstaaten mit oder ohne nukleare Teilhabe. Und genau das trägt zur Abschreckung bei. Für Deutschlands Verbündete stellte sich in den ausgehenden 1950er und frühen 1960er Jahren latent eine – tatsächlich nie explizit politisch aufgeworfene – strategische Frage, die in der Zukunft möglicherweise an Relevanz gewinnt: Würden sie im Interesse eines robusteren euro-amerikanischen Verteidigungsbündnisses liberal-demokratischer Staaten dem Aufbau nationaler Kernwaffenfähigkeiten durch Deutschland oder mittlerweile auch Polen politisch zustimmen? Im Gespräch mit Konrad Adenauer sagte Frankreichs Staatspräsident Charles de Gaulle Mitte 1960, „dass es eines Tages auch keine Diskriminierung zwischen Deutschland und Frankreich geben werde hinsichtlich der Waffen, über die diese beiden Länder verfügen.“[107] Am Vorabend der Unterzeichnung des deutsch-französischen Freundschaftsvertrages 1963 sagte de Gaulle im Gespräch mit Adenauer: „Er glaube aber, daß, wenn die nukleare Rüstung weitergehe, Deutschland eines Tages Atombomben bauen werde, und Frankreich werde Deutschland daran nicht hindern.“[108] Was sagt das über de Gaulles damalige Auffassungen in Bezug auf die genannte strategische Frage?

Angesichts der atemberaubenden Umwälzungsprozesse der letzten Jahre wie auch in Erwartung zunehmender Herausforderungen für die USA – bei weiterer nuklearer Aufrüstung Chinas – ihre Sicherheits- und Schutzzusagen glaubwürdig zu erhalten, erscheinen mindestens perspektivisch strategische Analysen zur Prüfung dieser Frage unvermeidlich zu werden. Die offene Frage lautet, ob sich im 21. Jahrhundert neben Großbritannien und Frankreich weitere ausgewählte Schlüsselpartner der USA nuklear bewaffnen werden wollen, ohne dabei der Deckung durch die praktisch nicht gleichwertig zu ersetzende erweiterte Abschreckung der USA verlustig zu gehen.

Der russische Angriffs- und Eroberungskrieg gegen die Ukraine und Russlands machtpolitischer Missbrauch von Kernwaffen durch den Versuch, diesen Krieg möglichst abzuschirmen, hat in Verbindung mit einer Vielzahl rhetorischer Drohungen der russischen Führung, Kernwaffen einzusetzen, eine wesentliche Bedingung des – tatsächlich bedingten – Verzichts etwa Deutschlands auf Kernwaffen irreversibel zerstört: die Erwartung von Nicht-Kernwaffenstaaten, dass Kernwaffenstaaten ihre Kernwaffen nicht für Druck und Erpressung anderer – insbesondere der Nicht-Kernwaffenstaaten – missbrauchen. Zudem ist es nicht unwichtig, dass etwa US-Präsident Joe Biden Deutschland gegen Ende seiner Amtszeit als „engsten und wichtigsten Verbündeten“ der USA bezeichnete.[109] NATO-Generalsekretär Mark Rutte bemerkte unlängst im Unterschied zu Lord Hastings L. Ismay, seinem ersten Vorgänger in diesem Amt: „Die Deutschen sind wieder oben“.[110] Als anachronistisch erscheint demnach Ismays Spruch, wonach die NATO gegründet worden sei, um die Sowjets draußen, die Amerikaner drinnen und die Deutschen unten zu halten. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier erklärte jüngst: „Ein schlecht gerüstetes Deutschland ist heute die größere Gefahr für Europa als ein stark gerüstetes Deutschland.“[111] Freilich hat keiner der Vorgenannten auch nur die Möglichkeit erwähnt, die Bundeswehr zukünftig nuklear aufzurüsten. Solche politischen Äußerungen reflektieren wichtige Veränderungen: Deutschland ist der „central geostrategic hub for NATO and the EU in case of conflict“,[112] fokussiert die Bundeswehr systematisch auf Landes- und Bündnisverteidigung und hat mittlerweile höhere Verteidigungsausgaben als Großbritannien oder Frankreich, wobei die Verteidigungsbudgets dieser drei Länder zusammen knapp mehr als 50 % aller Verteidigungsausgaben in Europa ausmachen.[113]

Im Unterschied zu Einzelstimmen, die ungeachtet damit verbundener gravierender Kosten und Risiken den Aufbau einer deutschen Nuklearstreitmacht forderten,[114] ist in keiner Weise erkennbar, dass die neue Regierung unter Merz von sich aus anstrebt, „so schnell wie möglich“ eine „wirklich[e] Unabhängigkeit (…) von den USA“ zu erreichen – wie Merz selbst es formuliert hat. International wahrgenommen wurde Merz‘ Kommentar, dass es für eine nationale Nuklearstreitmacht gegenwärtig keine Notwendigkeit gäbe.[115] Das ließ aufhorchen und hob sich von der Versicherung seines Amtsvorgängers ab, der eine Diskussion um deutsche Kernwaffen als „völlig absurd“ ablehnte.[116] An anderer Stelle bemerkte Merz, es gebe „keine Veranlassung“, über deutsche Kernwaffen nachzudenken.[117]

Anfang Juli 2025 stellte Bundeskanzler Friedrich Merz klar, „dass wir alles tun sollten, um auch für die nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, die nukleare Teilhabe mit den Vereinigten Staaten von Amerika aufrechtzuerhalten“, und dass „wir jetzt zunächst einmal mit den vorhandenen Strukturen die Verteidigungsfähigkeit Europas verbessern müssen“. Das schließe Diskussionen über die Zukunft der nuklearen Abschreckung nicht aus.[118] Zugleich ließ die Regierung Merz offenbar einen „strategischen Dialog über nukleare Sicherheit“ mit Frankreich und Großbritannien beginnen, den sie nicht als Konkurrenz zur NATO oder zum nuklearen Schutz durch die USA verstanden wissen wollte.[119] Parallel deutete der französische Staatspräsident Emmanuel Macron öffentlich Überlegungen an, gegebenenfalls den französischen Nuklearstreitkräften eine gewisse Schutzrolle zugunsten anderer Verbündeter wie Polen und Deutschland zuzuweisen.[120] Und im Juli 2025 entschlossen sich Frankreich und Großbritannien, ihr Sonderverhältnis als Atommächte durch Gründung einer UK-France Nuclear Steering Group weiterzuentwickeln. Diese soll auch der Nichtverbreitung von Kernwaffen dienen.[121] Ähnliche Entwicklungen im anglo-französischen Verhältnis gab es seit Jahrzehnten.[122]

In nicht-offiziellen öffentlichen Diskussionen wurden vermehrt seit der Wiederwahl Trumps Ende 2024 unterschiedliche Reformideen bis hin zur Mitfinanzierung französischer und britischer Nuklearstreitkräfte vorgebracht.[123] Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass manche Beiträge auch die Grenzen des Sagbaren überwachen wollen und versuchen, die selten direkt aufgeworfene Frage nach einer zukünftigen Vermehrung der Zahl von Atommächten als Tabu, als etwas Unverantwortliches, als Thema verrückter Spinner zu brandmarken.[124] Von „strategischer Analyse“ wird man bei vielen Beiträgen nicht sprechen können.[125] Für diese aktuellen Diskussionen relevant bleibt die oben zitierte Klarstellung des damaligen Bundesverteidigungsministers Franz Josef Strauß von Mitte 1958: Es sei nicht im Interesse Deutschlands, die nationale Kernwaffenkontrolle Frankreichs finanziell zu unterstützen.[126] Man mag von solchen politischen Auffassungen politisch halten, was man will. Es muss auch jeder selbst zu einer Auffassung dazu kommen, ob die Zeiten der Vergangenheit angehören sollen, in denen primär politisch, sozial erwünscht oder weltfremd („Welt ohne Kernwaffen“) über nukleare Sicherheit diskutiert wurde. Es sollte aber nicht vergessen werden, dass Waffen, Kernwaffen eingeschlossen, viel weniger wichtig sind als Grundfragen der Politik. Dazu gehört die Frage, ob eine Atommacht eine liberale Demokratie oder eine quasi-Diktatur ist.

 US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzler Friedrich Merz bei einem bilateralen Treffen im Weißen Haus am 5. Juni 2025

US-Präsident Donald Trump und Bundeskanzler Friedrich Merz bei einem bilateralen Treffen im Weißen Haus am 5. Juni 2025

Abschließend sei hier noch angemerkt, dass die öffentlich erkennbare Linienführung der neuen Regierung Merz in Bezug auf euro-amerikanische Sicherheitskooperation in eine sehr ähnliche Richtung zu zeigen scheint wie die öffentlich erklärten Ansichten von Spitzenvertretern der Trump-Regierung – selbst wenn viele Beobachter deren Rhetorik als häufig zugespitzt und sprunghaft aufgefasst haben. US-Vizepräsident James D. Vance erklärte Mitte April 2025: „It’s not good for Europe to be the permanent security vassal of the United States.“ Vance lobte dabei den französischen Staatspräsidenten Charles de Gaulle, unter dem Frankreich in den 1960er Jahren zur Atommacht wurde. Allerdings schränkte Vance ein: Erstrebenswert sei es, wenn europäische Staaten „a little more independent“ würden.[127] In ähnlicher Weise begrüßte US-Präsident Trump eine begrenzte Wiederaufrüstung Deutschlands, wie er im Gespräch mit Kanzler Merz in Washington feststellte: „I think it’s a good thing at least to a certain point. There will be a point when I say please don’t arm anymore.“[128]

Allem Alarmismus zum Trotz scheint auch die zweite Trump-Regierung seit Anfang 2025 nicht im Geringsten ein Interesse daran zu haben, von sich aus aktiv machtpolitische Grundpfeiler der westlichen Sicherheitsarchitektur und damit der US-Weltmachtposition antasten oder „reformieren“ zu wollen. Das schließt etwa das System der US-Militärstützpunkte, die integrierte Befehlsstruktur in der NATO, die Geheimdienstallianz Five Eyes und das westliche System der nuklearen Abschreckung ein, das auch zukünftig von den USA dominiert werden wird. Aus verschiedenen Gründen, vor allem macht- und geopolitischen, sind diese Kontinuitäten alles andere als überraschend und mit den Grundlinien von nun gut 75-jähriger US-NATO-Politik ebenso vereinbar wie mit dem Slogan „America First“, der Trumps „Make America Great Again“-Wahlkampf prägte.

4 Schluss

Am Rande des NATO-Gipfeltreffens von Washington im Juli 2024 kündigten die Regierungen der USA und Deutschlands, gefolgt von den Regierungen Frankreichs, Italiens und Polens, die Einführung weitreichender konventioneller Abstandswaffen in Europa an. Damit soll die offensive Luftverteidigung der NATO und somit die Abschreckung gestärkt werden. In Bezug auf solche Deep Precision Strike-Fähigkeiten wird offenbar ein sequenzieller Ansatz verfolgt: Ab 2026 sollen weitreichende bodengestützte Flugkörpersysteme aus US-Produktion – SM-6, Tomahawk GLCM und Dark Eagle-Hyperschallwaffen – bei der U.S. Army in Deutschland eingeführt werden. Zukünftig sollen diese ergänzt oder sogar ersetzt werden durch weitreichende Abstandswaffen in den Streitkräften europäischer Partner. In einem von Deutschland, Frankreich, Italien und Polen etablierten Verbund, genannt „European Long-Range Strike Approach“ (ELSA), sollen entsprechende Systeme auch gemeinsam durch teilnehmende Partner entwickelt und produziert werden.

Der Ansatz, die Abschreckung durch weitreichende Flugkörpersysteme in Europa zu stärken, ist nicht neu. Bereits im Kalten Krieg gab es entsprechende Vorläufer. Dazu gehörten der NATO-Doppelbeschluss von 1979 und die politische Direktive der Staats- und Regierungschefs der NATO von 1957. Daneben gab es 1957/1958 einen Dreier-Verbund von Frankreich, Deutschland und Italien (F-I-G-Verbund) sowie 1960 basierend auf einem Vorschlag der US-Regierung, Pläne bezüglich einer Einführung mobiler Mittelstreckenraketensysteme, bei deren Produktion auch an eine rüstungsindustrielle Beteiligung teilnehmender europäischer Staaten gedacht war. Ein wichtiger Unterschied zwischen diesen Ansätzen im Kalten Krieg und den Beschlüssen von 2024 ist, dass es in den Alt-Fällen ausschließlich um weitreichende Flugkörper für Kernwaffen ging und in den Beschlüssen von 2024 um offensive Luftverteidigung mit konventionellen Gefechtsköpfen. Perspektivisch stellt sich zusätzlich die strategische Frage, ob und, falls ja, wie das westliche System der nuklearen Abschreckung – und damit Grundpfeiler der euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur – weiterentwickelt werden. Ein Haupttreiber dafür ist die weithin erwartete nukleare Aufrüstung Chinas im Zuge des machtpolitischen Aufstiegs der Volksrepublik.

Aus historischer Perspektive sind die Entwicklungen der ausgehenden 1950er und frühen 1960er Jahre besonders interessant im Hinblick auf gegenwärtige Entwicklungen. Diese historischen Entwicklungen waren komplexer und weitreichender als jene, die mit dem NATO-Doppelbeschluss verbunden waren. Beispielsweise waren die Ungewissheiten über die zukünftige Rolle der USA als Ordnungsmacht in Europa in den ausgehenden 1950er Jahren viel größer als zur Zeit des NATO-Doppelbeschlusses. Sie waren auch viel größer als in der Gegenwart, die durch neue Fragen angesichts der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten gekennzeichnet ist. Interessant ist ferner, dass auch infolge des NATO-Beschlusses von 1957 – jedenfalls in den Jahren bis 1961 – sequenziell vorgegangen wurde: Zuerst wurden zeitnah verfügbare Mittelstreckenraketen aus US-Produktion in Europa stationiert (IRBM Jupiter, Thor). Bis 1963 sollten mobile Mittelstreckenraketen (MRBM) Polaris zu Lande (GLBM) und zur See (SLBM) in Europa hinzukommen. Dieser sequenzielle Ansatz scheiterte damals aber. Im Jahr 1963 wurden die IRBM in Europa abgebaut. Auch der Zusatzvorschlag der US-Regierung von 1960, mobile Polaris-Systeme bei europäischer rüstungsindustrieller Mitwirkung zu produzieren, wurde nicht realisiert. Ferner wurde ein Projekt, die gemeinsame Entwicklung einer IRBM im F-I-G-Verbund, nicht umgesetzt, während Frankreich für seine Nuklearstreitkräfte eigene IRBMs produzierte.

Gegenwärtig bleibt abzuwarten, inwiefern die US-Stationierungszusagen, die 2024 in der Amtszeit von Joe Biden ergingen, unter der neuen US-Regierung Trump umgesetzt, reduziert oder sogar gesteigert werden. Ebenso wird erst die weitere Entwicklung zeigen, inwiefern avisierte Rüstungskooperationen im ELSA-Verbund effektiv gestaltet und der sequenzielle euro-amerikanische Ansatz zur Stärkung der offensiven Luftverteidigungsfähigkeiten in Europa umgesetzt werden kann. Entgegen politischer Rhetorik infolge der Wiederwahl Trumps zum US-Präsidenten scheint indes kein erkennbarer Bezug zu einer Diskussion über die zukünftige Sicherheitsarchitektur im transatlantischen Verhältnis zu bestehen. Die dramatischen Umwälzungsprozesse der letzten Jahre erinnern aber metaphorisch gesprochen daran, dass das, was wir gestern für extrem unwahrscheinlich bis plausibel hielten, morgen weithin akzeptierte Normalität sein kann. Komplexe Entwicklungen gehen zudem mit Überraschungen einher. Daher braucht es perspektivische Offenheit, unerschrockene Zuversicht und eine Bereitschaft, sachgemäß über die Zukunft der Abschreckung nachzudenken.

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Online erschienen: 2025-10-30

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von De Gruyter.

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Downloaded on 3.11.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/sirius-2025-2013/html
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