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Alles auf einen Blick?: Kontaktbögen zwischen historischer und gegenwärtiger Bildpraxis am Beispiel des „Stern“-Fotoarchivs

  • Miriam Zlobinski EMAIL logo
Veröffentlicht/Copyright: 4. Dezember 2024
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Abstract

Aus der gegenwärtigen redaktionellen Arbeit mit Fotografie sind analoge Materialien und Prozesse nahezu vollständig verschwunden. Dies betrifft zumal die Arbeit mit Kontaktbögen. Wie groß deren Bedeutung zu Zeiten der dominierenden Kleinbildfotografie einst war, zeigt sich daran, dass in analogen Bildarchiven diese auf einem Bogen Kopierpapier zusammengeführten Direktkopien von Negativfilmstreifen in tausenden Exemplaren vertreten sind. Der Kontaktbogen wird gelegentlich als Skizzenbuch der Fotografie bezeichnet, was seine Funktion und Bedeutung innerhalb des kreativen Prozesses der Redaktion hervorhebt. Kontaktbögen enthalten vielfach Spuren nicht nur fotografischen, sondern auch redaktionellen Handelns, indem sie vor allem die Auswahl- und Wertungsprozesse dokumentieren. Wie sich etwa an der Präsentation der „Magnum Contact Sheets“ zeigt, ist die Auseinandersetzung mit ihnen inzwischen etablierter ­Bestandteil der Erzählung über Fotografie. Das analoge „Stern“-Fotoarchiv, eines der größten erhaltenen Pressebildarchive, bewahrt 3 424 Ordner gefüllt mit Exemplaren dieser ‚Schnittstelle‘ zwischen Film und Heftseite. Sie werden seit 2019 durch die Bayerische Staatsbibliothek (BSB) in München digitalisiert, erschlossen und für die öffentliche Nutzung bereitgestellt. Der Beitrag befasst sich mit der Materialität, Symbolik und dem Potenzial des Kontaktbogens am Beispiel dieser Bestände.

Abstract

Analogue materials and processes have almost completely disappeared from image-editing work. This is especially true of contact sheets made by placing negative strips directly onto a sheet of photographic paper. Their importance in the age of small-format photography can be gauged by the many thousands of them held in analogue image archives. That the contact sheet is sometimes called “photography’s sketchbook” emphasises its crucial role in the creative editing process. Since many archived contact sheets bear the marks of not just photographic but also editorial interventions, they provide a record of appraisal and selection processes. As the “Magnum Contact Sheets” presentation shows, the study of contact sheets now has its place in the story of photography. The analogue “Stern” Photo Archive, one of the largest surviving press photo archives in Germany, contains 3,424 folders full of the contact sheets that once formed the ‘interface’ between raw film and magazine page. Since 2019, the Bayerische Staatsbibliothek (BSB) in Munich has been systematically digitising these and preparing them for use by the public at large. This article addresses the contact sheet’s materiality, symbolism and potential, taking some of those stored in the “Stern” Photo Archive as examples

Anmerkungen

[1] Zum picdrop-Kontaktbogen siehe: <https://www.picdrop.com/web/de/faq/the-picdrop-contact-sheet> (zuletzt eingesehen am 29.07.2024).Suche in Google Scholar

[2] Der vorliegende Beitrag basiert auf der Forschungsarbeit der Autorin, die im Rahmen ihrer Dissertation an der Humboldt-Universität zu Berlin (eingereicht 2024) über das Stern-Magazin und dessen Bilderpolitik sowie Bilderalltag mit dem Bestand der Bayerischen Staatsbibliothek (BSB) in München gearbeitet hat.Suche in Google Scholar

[3] Zum Stern-Fotoarchiv, seiner Übernahme durch die BSB und die andauernde Aufarbeitung siehe: <https://www.bsbmuenchen.de/sammlungen/stern-fotoarchiv> (zuletzt eingesehen am 23.09.2024) sowie die drei Beiträge im Rundbrief Fotografie: Cornelia Jahn: „ ‚Stern‘ -Stunde. Die Übernahme des Fotoarchivs des Wochenmagazins durch die Bayerische Staatsbibliothek in München“, in: Rundbrief Fotografie, Vol. 30 (2023), No. 3, N. F. 119, S. 22–30; Regina ­Retter und Carmella Passero Schürmann: „Von Acetat zu ­Bitmap. Der Digitalisierungsprozess des ‚Stern‘-Fotoarchivs an der Bayerischen Staatsbibliothek in München“, in: Rundbrief Fotografie, Vol. 31 (2024), No. 1, N. F. 121, S. 19–29; und im vorliegenden Heft den folgenden Text von Eva Kraus, Ingrid Pérez de Laborda und Fabian Waßer: „Finde die Nadel im Heuhaufen. Erschließungskonzept und Benutzung des ‚Stern‘-Fotoarchivs an der Bayerischen Staatsbibliothek in München“, S. 34–46.10.1515/rbf-2024-1005Suche in Google Scholar

[4] Jahn 2023 (wie Anm. 3), S. 25.Suche in Google Scholar

[5] Nadya Bair: The Decisive Network. Magnum Photos and the Postwar Image Market, Oakland: University of California Press 2020, S. 4.10.1525/9780520971790Suche in Google Scholar

[6] Jahn 2023 (wie Anm. 3), S. 22.Suche in Google Scholar

[7] Ebd., S. 23.Suche in Google Scholar

[8] Retter und Passero Schürmann 2024 (wie Anm. 3), S. 24: Die Ordner sind in der gleichen Reihenfolge und demselben Zustand wie beim Hamburger Verlag Gruner + Jahr weiterhin in der BSB aufgestellt.Suche in Google Scholar

[9] Ebd., S. 22.Suche in Google Scholar

[10] Constanza Caraffa: „Photographs as Documents / Photographs as Objects. Photo Archives, Art History and the Material Approach”, in: Collection and Curation, Vol. 37 (2018), No. 4, S. 146–150, hier S. 149.10.1108/CC-03-2018-0006Suche in Google Scholar

[11] Ralf Beil und Alexander Kraus: Robert Lebeck 1968, Ausst.-Kat. Kunstmuseum Wolfsburg, 3. März – 22. Juli 2018, Göttingen: Steidl 2018.Suche in Google Scholar

[12] Kirsten Lubben (Hg.): Magnum Contact Sheets, Taschenbuchausgabe, London: Thames & Hudson 2017, S. 10.Suche in Google Scholar

[13] Für den Auftrag „Bonn-Portrait“ fotografierte Volker Hinz im gleichen Jahr 953 Aufnahmen. Hinz bezeichnete sich selbst als viel fotografierenden Berufsvertreter.Suche in Google Scholar

[14] Die Themendokumentation verzeichnet im Stern-Fotoarchiv die Aufträge von den fest angestellten Fotografinnen und Fotografen ab 1974 und deckt die jeweilige Beschäftigungsdauer ab. Die Aufzeichnungen gingen mit den Fotobeständen vom Verlag Gruner + Jahr an die BSB über.Suche in Google Scholar

[15] Interview der Autorin mit Volker Hinz in seinem Privatarchiv, Hamburg, 22. Februar 2016.Suche in Google Scholar

[16] Werner Funk (Hg.): Das Bild vom Menschen. 50 Jahre ‚Stern‘: die besten Fotos, Reihe Portfolio. Bibliothek der Fotografie, Bd. 12, Gütersloh: Gruner + Jahr 1998, S. 207.Suche in Google Scholar

[17] Von 1978 bis 1986 arbeitete Hinz als Auslandskorrespondent in New York für den Stern. Die Aufträge sind für die dort tätigen Fotografen jeweils geringer als die Auftragszahlen für ihre Arbeit in anderen Jahren von Hamburg aus. 1982 fotografierte Hinz laut Dokumentation 27 Themen.Suche in Google Scholar

[18] Manfred Knoche und Monika Lindgens: „Grüne, Massenmedien und Öffentlichkeit“, in: Joachim Raschke (Hg.): Die Grünen. Wie sie wurden, was sie sind, Köln: Bund-Verlag 1993, S. 742–768, hier S. 752.Suche in Google Scholar

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[21] Ebd., S. 198.Suche in Google Scholar

[22] Philip Brookman (Hg.): Robert Frank. Storylines, Ausst.-Kat. Tate Modern, London, 28. Oktober 2004 – 23. Januar 2005, London: Tate 2004.Suche in Google Scholar

[23] Siehe dazu die Webseite <https://distribution.arte.tv/fiche/CONTACTS> (zuletzt eingesehen am 21.08.2024).Suche in Google Scholar

[24] Siehe Kristen Lubben (Hg.): Magnum Contact Sheets, Ausst.-Kat. International Center of Photography, New York, 20. Januar – 6. Mai 2012, London: Thames & Hudson 2011.Suche in Google Scholar

[25] Ebd.Suche in Google Scholar

[26] Ebd., S. 14.Suche in Google Scholar

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[29] Klaus Ceynowa: „ ,Etwas Tolleres gab es damals nicht!‘ Das ‚stern‘-Fotoarchiv an der Bayerischen Staatsbibliothek“, in: Bibliotheksmagazin. Mitteilungen aus den Staatsbibliotheken Berlin und München, No. 1 (2020), S. 13–22, hier S. 16.Suche in Google Scholar

[30] Siehe Jahn 2023 sowie Retter und Passero Schürmann 2024 (jeweils wie Anm. 3).Suche in Google Scholar

[31] Pressemitteilung der BSB vom 6. August 2019, siehe <https://www.bsb-muenchen.de/ueber-uns/article/sternfotoarchiv-in-muenchen-eingetroffen-praesentationder-schenkung-in-der-bayerischen-staatsbibliothek-mitstaatsminister-bernd-sibler-3127> (zuletzt eingesehen am 13.08.2024).Suche in Google Scholar

[32] Siehe dazu die Webseite <https://www.bsb-muenchen.de/stern-fotoarchiv/ueber-das-stern-fotoarchiv/#c20047> (zuletzt eingesehen am 22.10.2024).Suche in Google Scholar

[33] Die Auswahl der verfügbaren Bilder von Ihrt und Hinz zeigt 1 258 Best-of-Bilder von insgesamt 176 719 digitalisierten und verfügbaren Bildern im Stern-Bildarchiv. Siehe dazu die Webseite <https://www.stern-fotoarchiv.de/stern/main/thumbnailview> (zuletzt eingesehen am 22.10.2024).Suche in Google Scholar

[34] Vgl. Katja Müller-Helle: Bildzensur. Infrastrukturen der Löschung, Reihe: Digitale Bildkulturen, Berlin: Wagenbach 2022.Suche in Google Scholar

Published Online: 2024-12-04
Published in Print: 2024-12-15

© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Artikel in diesem Heft

  1. Editorial
  2. KI und kein „Ende der Fotografie“
  3. Inhalt
  4. Inhalt
  5. Ein Bild
  6. „Woina“ 1987: Kalter Krieg, Pazifismus und eine Fotografie
  7. Mediengeschichte
  8. Between push of Technology and Pull of the Market: Recollections on the Transition of Photo Archives From Analogue to Digital
  9. Alles auf einen Blick?: Kontaktbögen zwischen historischer und gegenwärtiger Bildpraxis am Beispiel des „Stern“-Fotoarchivs
  10. Erschliessung
  11. Finde die Nadel im Heuhaufen: Erschließungskonzept und Benutzung des „Stern“-Fotoarchivs an der Bayerischen Staatsbibliothek in München
  12. Bestände
  13. Provenienzforschung am Objekt: Recherchen zu Werken der Kamera-Künstlerin Aenne Biermann in der Stiftung Ann und Jürgen Wilde
  14. Fotografien als Quellen der Alltagskultur: Die fotografischen Bestände des Freilichtmuseums Hessenpark Museum für Alltagskultur des Landes Hessen
  15. Ausstellungen
  16. Ein „Platz an der Sonne“: Koloniale Reisefotografie im LWL-Museum Henrichshütte
  17. Berichte
  18. KI und das digitale Bild: Tagung des DFG-Schwerpunktprogramms „Das digitale Bild“ vom 21. bis zum 23. Februar 2024 in München
  19. Forschung
  20. Postalische Verflechtungsgeschichte
  21. Rezensionen
  22. Geschichte muss immer wieder neu geschrieben werden: Cornelia Kemp über die frühen Fotografien und Clichés-verre von Carl August Steinheil und Franz von Kobell
  23. Ein dreifacher Plural für die ­Fotografie: Welten, Geschichten, Anfänge
  24. Was den Blick der Kamera prägt: Hintergrundgespräche zu den Auswirkungen von Covid und Black Lives Matter
  25. Neu eingegangen
  26. Neu eingegangen
  27. Zeitschriftenauswertung
  28. Zeitschriftenauswertung
  29. Personalia
  30. Für T.O. Immisch (1953–2024)
  31. Mitteilungen
  32. Mitteilungen
  33. Call for Papers
  34. Call for Papers
  35. Aktuell
  36. Aktuell
  37. Impressum
  38. Impressum
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