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Wettbewerbspolitik und Industriepolitik unter einem Hut

  • Tomaso Duso ORCID logo and Martin Peitz EMAIL logo
Published/Copyright: September 1, 2025

Zusammenfassung

Handelskonflikte, geopolitische Spannungen, digitale Disruption und Klimakrise stellen Deutschland und Europa vor große Herausforderungen. Wie beispielsweise im Draghi-Bericht gefordert, können die Staaten in Reaktion darauf industriepolitische Maßnahmen ergreifen, um die Ökonomie neu auszurichten und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern und die Resilienz zu stärken. In diesem Beitrag weisen Tomaso Duso und Martin Peitz Wege, wie sich die Wettbewerbspolitik im Blick auf industriepolitische Ziele neu ausrichten lässt. Sie präsentieren Optionen, wie Gesetzgeber und Wettbewerbsbehörden auf die aktuellen Herausforderungen reagieren, Zielkonflikte entschärfen und den Entscheidungsrahmen anpassen können. Anschließend betrachten sie Elemente einer wettbewerbsorientierten Industriepolitik, die sie als einen evidenzbasierten zielgerichteten Ansatz verstehen, in dem der Wettbewerb sowohl als Leitbild als auch als Steuerungsgröße dient.

JEL Classification: L40; L50; L52; K21

1 Industriepolitische Entwicklungen in der EU

Handelskonflikte, geopolitische Spannungen, digitale Disruption und Transformation der Energiesysteme stellen Deutschland und die ganze Europäische Union (EU) vor vielfältige industriepolitische Herausforderungen. Wegen der weiterhin bestehenden Fragmentierung des Binnenmarktes und in der Vergangenheit geringen Investitionen befindet sich die EU aber in einer schlechten Ausgangslage. Zudem ist das Vertrauen der Bürger zur Handlungsfähigkeit des Staates in einigen EU-Ländern gering.[1]

Der Draghi-Bericht (Draghi 2024a, 4b), der Letta-Bericht (Letta 2024) und die Mission letters der Europäischen Kommission weisen auf Defizite der Wettbewerbsfähigkeit in der EU im Vergleich zu anderen Wirtschaftsräumen wie den Vereinigten Staaten, China und anderen Teilen Asiens hin.[2] Mario Draghi (2024a, S. 1) warnt: „Europe is stuck in a static industrial structure with few new companies rising up to disrupt existing industries or develop new growth engines.“ Der im Draghi-Bericht vorgeschlagene Maßnahmenkatalog lässt sich als Agenda einer aktiven weitreichenden Industriepolitik sehen und als Reaktion auf die strukturellen Schwächen der europäischen Wirtschaft und ihrer Wettbewerbsfähigkeit verstehen.[3] Zur Stärkung von Wettbewerbsfähigkeit ist die Rolle der Wettbewerbspolitik von zentraler Bedeutung.

Das hat die Europäische Kommission in der Vergangenheit auch immer wieder zum Ausdruck gebracht. So schrieb sie vor gut 20 Jahren: „Ein wettbewerbsfreundlicher und offener Binnenmarkt bietet für europäische Unternehmen die beste Voraussetzung zur Steigerung ihrer Effizienz und ihres Innovationspotenzials. Intensiver Wettbewerb ist daher die zentrale Antriebskraft für Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum. Wettbewerbspolitik […] ist ein wesentliches Element einer kohärenten und integrierten Politik, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu stärken […]“ (Europäische Kommission 2004, S. 2). Der Einsatz wettbewerbsrechtlicher Instrumente soll nicht nur den Missbrauch marktbeherrschender Stellungen verhindern, sondern auch den Binnenmarkt stärken.

Darüber, ob und wie Wettbewerbsrecht und -praxis einer Anpassung bedürfen, wird kontrovers diskutiert. So schlägt Draghi (2024b, S. 299) vor, einen neuen Ansatz in der Wettbewerbspolitik zu verfolgen, der einen neuen „Industrial Deal“ unterstützt. In der Fusionskontrolle wäre künftig nicht nur die momentane Marktsituation, sondern es wären auch das Innovationspotenzial und die langfristige Wettbewerbsfähigkeit zu berücksichtigen (Draghi 2024b, S. 299). Die Verwirklichung der Vorschläge im Draghi-Bericht würde allerdings teilweise eine Schwächung des Wettbewerbsrechts bedeuten. Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, kann ähnlich interpretiert werden, wenn sie in ihrem Mission letter an Teresa Ribera Rodríguez vom 17. September 2024 schreibt: „Europe needs a new approach to competition policy – one that is more supportive of companies scaling up in global markets […] and is better geared to our common goals, including decarbonisation and a just transition“ (von der Leyen 2024, S. 5). Damit stellt sich die Frage, ob und wie die Wettbewerbspolitik angepasst oder gar neu ausgerichtet werden soll, um im weiteren Sinne industriepolitischen Zielen gerecht zu werden.

Auch wenn funktionierender Wettbewerb für die Bewältigung der Herausforderungen insbesondere im Zuge der gleichzeitigen digitalen und ökologischen Transformation – der „twin transformation“ – eine Schlüsselrolle spielt, ist er kein Allheilmittel. Denn neben Marktmacht können auch noch weitere Marktversagensgründe vorliegen. Das fehlende Internalisieren externer Effekte, ungelöste Koordinationsprobleme und mithin unzureichende Investitionen in Kollektivgüter wie Infrastruktur für Innovation, Dekarbonisierung und kritische Infrastruktur begründen wirtschaftspolitische Eingriffe. Diese sind Teil einer Technologie-, Infrastruktur-, Regional- und Handelspolitik. Welche Rolle spielt hierbei die Industriepolitik? Dazu bedarf es einer Begriffsbestimmung.

Wir definieren Industriepolitik als ein Bündel von Strategien und Maßnahmen des Staats, die zum Ziel haben, die Struktur und Entwicklung der Wirtschaft zu beeinflussen (vgl. Criscuolo et al. 2022). Ziele können beispielsweise sein, das Wirtschaftswachstum zu beschleunigen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Innovation zu erhöhen oder gewünschte Verteilungseffekte zu erreichen. Mögliche Instrumente sind Subventionen, Zölle, Steueranreize, Garantien, die Beschleunigung von Genehmigungsverfahren, staatliche Beteiligungen, Infrastrukturinvestitionen, regulatorische Eingriffe und die Gestaltung des Schutzes des geistigen Eigentums sowie öffentlicher Vergabeverfahren. Technologie-, Infrastruktur-, Regional- und Handelspolitik sind damit Teil der Industriepolitik.

In der Diskussion über die Industriepolitik wird zwischen horizontalen und vertikalen Ansätzen unterschieden. Horizontale Industriepolitik bezieht sich auf Maßnahmen, die alle Unternehmen unabhängig von Branche oder Sektor betreffen. Beispiele hierfür sind die Schaffung eines stabilen rechtlichen Rahmens, die Förderung von Bildung und Forschung sowie die Bereitstellung von anderen Kollektivgütern. Diese Maßnahmen zielen darauf, die allgemeinen Rahmenbedingungen für sämtliche Unternehmen zu verbessern und so das gesamte Wirtschaftswachstum zu fördern. Vertikale Industriepolitik hingegen fokussiert sich auf spezifische Branchen, Sektoren oder Technologien. Hierbei ergreift der Staat Maßnahmen, um bestimmte Industrien zu fördern, beispielsweise in Form von Subventionen, Steuererleichterungen oder direkten Investitionen. Ziel ist es, strukturelle Schwächen in bestimmten Branchen zu beheben, technologische Fortschritte zu erzielen oder strategische wirtschaftliche Ziele wie die Sicherung von Arbeitsplätzen zu erreichen. Das bedeutet, dass der Staat Wachstumsbranchen fördern kann. Alternativ kann er aber auch schwache Branchen unterstützen, um Schrumpfungsprozesse abzufedern.

Man könnte meinen, dass die Industriepolitik, wenn sie europäische Champions heranzieht, Eintrittsbarrieren für ausländische Unternehmen errichtet, ausgewählte Unternehmen oder Investitionen im Inland subventioniert, den Wettbewerb verzerrt und verringert, und dass damit Industriepolitik und Wettbewerbspolitik notwendig im Widerspruch zueinander stehen. In diesem Beitrag schildern wir hingegen, wie Industriepolitik und Wettbewerbspolitik einander sinnvoll und widerspruchsfrei ergänzen können.

Indem sie Märkte offenhält, schafft Wettbewerbspolitik die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Industriepolitik (vgl. OECD 2024a und Aghion et al. 2025). Industriepolitik wiederum ist am wirksamsten, wenn sie in einem wettbewerbsorientierten Umfeld angewandt wird, da der Wettbewerb sicherstellt, dass die öffentlichen Mittel effizient zugewiesen werden und die Vorteile der Innovation den Verbrauchern zugutekommen. Es ist also entscheidend, die Industriepolitik so zu formulieren, dass es nicht zu Wettbewerbsverzerrungen und zu einer Bevorzugung bestimmter Unternehmen kommt.[4] Aus EU-Binnenmarktperspektive bedarf es einer kohärenten europäischen Standortpolitik, die den Wettbewerb fördert und mittels Beihilfenkontrolle sicherstellt, dass Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Mitgliedstaaten vermieden werden.

2 Ziele und Instrumente der Wettbewerbs- und Industriepolitik

2.1 Ziele und Instrumente der Wettbewerbspolitik

Die Wettbewerbspolitik im Sinne des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verfolgt zwei wesentliche Ziele. Zum einen dient sie dem Schutz des Wettbewerbs als Institution. Im Sinne der ordoliberalen Tradition geht es um die Wahrung des Wettbewerbs als konstituierendes Element der Marktwirtschaft und als Garant wirtschaftlicher Freiheit. Zum anderen zielt die Wettbewerbspolitik auf den Schutz von Konsumenten und anderen Marktteilnehmern. Man geht davon aus, dass funktionierende Wettbewerbsmärkte zu niedrigeren Preisen, einer größeren Produktvielfalt und höherer Qualität sowie mehr Innovation führen, als das auf Märkten der Fall wäre, auf denen marktmächtige Unternehmen arbeiten und auf denen der Marktzu- und -austritt begrenzt ist. Zudem schützt das Wettbewerbsrecht andere Marktteilnehmer vor der missbräuchlichen Ausnutzung überlegener Marktmacht.

Auf europäischer Ebene sind die Ziele des Wettbewerbsrechts in den Artikeln 101 und 102 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verankert. Sie bestehen darin, einen unverfälschten Wettbewerb im Binnenmarkt sicherzustellen, indem wettbewerbswidrige Vereinbarungen und der Missbrauch marktbeherrschender Stellungen verhindert werden. Dies dient dem Schutz der Verbraucher sowie der Förderung von Innovation und wirtschaftlichem Fortschritt.

Das Wettbewerbsrecht in der EU und in Deutschland enthält eine Reihe von Instrumenten, die das Funktionieren des Wettbewerbs fördern; in Wirtschaftssektoren mit besonderen strukturellen Herausforderungen kann eine spezifische Sektorregulierung das Wettbewerbsrecht ergänzen.

Die Fusionskontrolle ist ein präventives Instrument, das eine übermäßige Marktkonzentration durch Unternehmenszusammenschlüsse verhindern soll. In Deutschland prüft das Bundeskartellamt, auf EU-Ebene die Europäische Kommission, ob geplante Zusammenschlüsse den wirksamen Wettbewerb erheblich behindern würden. Wenn ja, sind sie zu untersagen, oder das Amt kann, um eine Untersagung abzuwenden, geeignete Nebenbestimmungen (Bedingungen und Auflagen) akzeptieren, die aus verhaltensorientierten und strukturellen Vorgaben wie der Veräußerung von Unternehmensteilen des fusionierten Unternehmens bestehen können.

Das Kartellverbot untersagt Absprachen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb einschränken, wie Preisabsprachen oder Marktaufteilungen. Die Missbrauchskontrolle richtet sich gegen marktbeherrschende Unternehmen, die ihre Stellung zum Nachteil von Wettbewerbern oder Verbrauchern ausnutzen. Hierunter fallen zum Beispiel überhöhte Preise, Lieferverweigerungen oder die Erzwingung unangemessener Geschäftsbedingungen.

Mit dem Instrument der Sektoruntersuchung können die Wettbewerbsbehörden in Deutschland und der EU proaktiv Branchen oder Märkte analysieren, in denen Wettbewerbsprobleme vermutet werden. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis von Marktstrukturen und Marktdynamiken, was die Grundlage für spätere Einzelfallverfahren oder regulatorische Anpassungen bilden kann. Seit der 11. GWB-Novelle, die im November 2023 in Kraft trat, kann das Bundeskartellamt auch ohne Feststellung eines kartellrechtlichen Verstoßes nach einer Sektoruntersuchung Abhilfemaßnahmen treffen (§ 32 f GWB). Der Gesetzgeber hat dem Bundeskartellamt damit ein Instrument zur Verfügung gestellt, mit dem es beispielsweise Zutrittsschranken auf verkrusteten Märkten entgegenwirken kann.[5] Auf EU-Ebene gibt es diese Möglichkeit nicht.

Zu guter Letzt ist die Beihilfenkontrolle als ein spezifisches Instrument im europäischen Wettbewerbsrecht zu nennen. Sie dient dem Ziel, Wettbewerbsverzerrungen durch staatliche Subventionen zu verhindern und auf diese Weise faire Wettbewerbsbedingungen im EU-Binnenmarkt zu gewährleisten. Auf diese kommen wir im Abschnitt 4 zu sprechen.

Neben dem Wettbewerbsrecht lässt sich auch das Regulierungsrecht als Antwort auf Wettbewerbsprobleme einsetzen. Sektorspezifische Regulierung ist besonders dann eine Option, wenn die Instrumente des Wettbewerbsrechts an ihre Grenzen stoßen. So haben Vermachtungstendenzen auf digitalen Märkten zu neuer Regulierung oder Quasi-Regulierung geführt (Regulierung durch den Digital Markets Act (DMA) auf EU-Ebene und Quasi-Regulierung nach § 19a GWB in Deutschland). In netzbasierten Industrien wie Telekommunikation, Bahn und Energie wird oft eine Zugangsregulierung angewandt, da aufgrund von Skaleneffekten natürliche Monopole[6] in Teilen der Wertschöpfungskette bestehen und weil ohne Zugangsregulierung auch andere Teile der Wertschöpfungskette monopolisiert würden (oder es zu einer Duplizierung von Teilen der benötigten Infrastruktur käme). Eine Zugangsregulierung kann hier darauf abstellen, Wettbewerbern diskriminierungsfreien Zugang zur Infrastruktur zu gewährleisten. Das ermöglicht funktionierenden Wettbewerb auf vor- und nachgelagerten Märkten und vermeidet eine wirtschaftlich nicht tragfähige oder gesellschaftlich unerwünschte Duplizierung von Teilen der Infrastruktur.

2.2 Ziele und Instrumente der Industriepolitik

Traditionell ist die Industriepolitik eng mit der Förderung nationaler Champions verbunden, also großer Unternehmen, die mit staatlicher Unterstützung ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit erlangen oder stärken sollten. Im Rahmen der Diskussionen über die Wettbewerbsfähigkeit der EU wird seit einigen Jahren von „European Champions“ gesprochen. Dabei soll staatliche Förderung diesen Unternehmen helfen, eine führende Rolle auf den Weltmärkten einzunehmen oder zur strategischen Autonomie der EU beizutragen. Eine solche Förderung wird häufig kritisiert (vgl. Monopolkommission 2005), da staatliche Eingriffe zu Wettbewerbsverzerrungen führen können und die Förderung nationaler Champions kleinere Unternehmen benachteiligt. Zudem besteht die Gefahr, dass die Konzentration auf wenige große Akteure langfristig die Innovationsdynamik verringert und wirtschaftliche Abhängigkeiten innerhalb Europas verstärkt.

Es erscheint daher zielführend, sich in der Industriepolitik auf die grundsätzlichen Ziele zu konzentrieren, beispielsweise auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit durch Skalen- und Verbundeffekte oder durch die Erlangung strategischer Autonomie. Ob dies durch die Schaffung nationaler Champions zu erreichen ist, kann dann untersucht werden. Wir verstehen Industriepolitik entsprechend als eine Politik, die darauf zielt, Marktversagen zu beheben, die gesamtwirtschaftliche Effizienz zu steigern und andere gesamtgesellschaftliche Anliegen zu verfolgen wie strategische Souveränität, verteilungspolitische Ziele oder Grundrechte auf bestimmte Versorgungsleistungen (Universal services).[7]

Marktversagen kann viele verschiedene Formen annehmen. Es kann auf externen Effekten und Kollektivgütereigenschaften beruhen, aber auch auf Ineffizienzen aufgrund von Informations- und Koordinationsproblemen. So können positive oder negative Externalitäten dazu führen, dass Unternehmen die gesellschaftlichen Kosten oder Nutzen ihrer Aktivitäten nicht vollständig internalisieren, beispielsweise mit Blick auf Umweltverschmutzung oder Wissenstransfer durch Innovation. Unternehmen haben möglicherweise unzureichende Anreize, Risiken in globalen Lieferketten einzukalkulieren. Ebenso werden Good-Jobs-Externalitäten oft nicht berücksichtigt, das heißt, Unternehmen beziehen als Arbeitgeber den gesellschaftlichen Wert hochwertiger Arbeitsplätze nicht in ihre Entscheidungen ein. Fehlende oder ineffizient bereitgestellte Kollektivgüter wie kritische Infrastruktur oder Grundlagenforschung stellen ebenfalls ein Marktversagen dar. Koordinationsprobleme können Investitionen hemmen, wenn beispielsweise vernetzte Entscheidungen in Technologie oder Infrastruktur nicht aufeinander abgestimmt werden. Diese vielfältigen Formen von Marktversagen zeigen, dass industriepolitische Maßnahmen nicht nur auf klassische wirtschaftliche Fehlentwicklungen reagieren, sondern auch strukturelle und langfristige Herausforderungen ins Visier nehmen können.

Industriepolitische Maßnahmen können zur Stärkung der wirtschaftlichen Resilienz im Sinne technologischer Souveränität beitragen. Eine auf Resilienz ausgerichtete Industriepolitik beschränkt die technologischen Abhängigkeiten von einzelnen Unternehmen, Transportwegen oder Ländern. Sie ist eine Antwort auf globale Unsicherheiten und bestehende strukturelle Abhängigkeiten. Vor diesem Hintergrund ist technologische Souveränität in einer zunehmend wissensbasierten Wirtschaft von zentraler Bedeutung, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Um industriepolitische Ziele zu erreichen, kann sich der Staat einer Vielzahl möglicher Instrumente bedienen. Drei beispielhafte und nicht immer trennscharfe Bestandteile einer Industriepolitik verdienen in diesem Zusammenhang besondere Aufmerksamkeit: (1) Innovations- und Technologiepolitik, (2) Infrastrukturpolitik und (3) Regionalpolitik und sogenannte Place-based Policies (vgl. Rat für Forschung und Technologieentwicklung 2021).

Zentraler Bestandteil moderner Industriepolitik ist die Technologiepolitik, mit der Innovationen gefördert werden, um positive Externalitäten zu internalisieren und Koordinationsprobleme zu lösen. Bei Forschung und Entwicklung (F&E) treten häufig Spillover-Effekte auf: Unternehmen generieren neues Wissen, von dem nicht nur sie selbst, sondern auch andere Wirtschaftsakteure profitieren. Diese Externalitäten rechtfertigen eine staatliche Unterstützung, die darauf zielt, das gesamtwirtschaftliche Innovationspotenzial besser auszuschöpfen.

Staatliche Innovationsförderung kann sowohl durch direkte Forschungsförderung als auch durch steuerliche Anreize erfolgen. Während direkte F&E-Förderprogramme unmittelbar auf strategische Schlüsseltechnologien ausgerichtet werden können, tragen steuerliche Anreize dazu bei, eine breitere Innovationsdynamik in der Wirtschaft zu stimulieren. Eine differenzierte Förderung bestimmter Technologien kann insbesondere dann gerechtfertigt sein, wenn diese zur Bewältigung komplexer gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen. Beispiele hierfür sind der Klimawandel, der demografische Wandel und die Resilienz kritischer Infrastruktur.

Vor dem Hintergrund des globalen Technologiewettbewerbs kommt Investitionen in transformative Technologien wie intelligente Robotik, künstliche Intelligenz oder Quantentechnologien eine zentrale Bedeutung zu. Der Aufbau entsprechender industrieller Fähigkeiten erfordert einen Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. Neben der reinen F&E-Förderung solcher transformativen Technologien kann eine Förderung auf Skalierung und industrielle Anwendungen zielen. Somit umfasst Technologiepolitik nicht nur F&E-Förderung, sondern auch die Verwirklichung und Verbreitung technologischer Innovationen in Wertschöpfungsketten.

Angesichts großer Unsicherheit über das Potenzial verschiedener Technologien erscheint meist ein technologieoffener Ansatz sinnvoll, der eine Vielfalt an Innovationspfaden ermöglicht. Allerdings kann bei ausgeprägten Netzwerkeffekten oder Skalenerträgen eine gezielte Förderung bestimmter Technologien eher effizient sein als ein technologieoffener Ansatz. Eine wichtige Rolle spielt auch die Etablierung verlässlicher Standards und interoperabler Systeme beispielsweise für die Einspeisung erneuerbarer Energien oder bei der Harmonisierung digitaler Infrastruktur, um Skaleneffekte zu realisieren und Fragmentierungen zu vermeiden. Die Kombination aus staatlichen Investitionen, steuerlichen Anreizen und verlässlichen regulatorischen Rahmenbedingungen kann dazu beitragen, privates Kapital zu mobilisieren und Ineffizienzen zu reduzieren.

Ein in der EU wichtiger Anwendungsbereich der Innovations- und Technologiepolitik ist die Förderung einer nachhaltigen Wirtschaftsstruktur. Industriepolitische Maßnahmen können die ökologische Transformation unterstützen und beschleunigen, zum Beispiel durch die Förderung erneuerbarer Energien in der Stromerzeugung oder durch die Unterstützung von Unternehmen bei der Einführung energieeffizienter Technologien und umweltfreundlicher Produktionsprozesse. Industriepolitik wird hier zum Vehikel der Klima- und Umweltpolitik. Investitionen in Energienetze, digitale Gigabit-Infrastruktur oder nachhaltige Mobilitätslösungen entfalten nicht nur branchenspezifische Wirkungen, sondern stärken die gesamte Volkswirtschaft. Leistungsfähige Infrastrukturnetze fördern die Verbreitung von Innovationen, erhöhen die Standortattraktivität und steigern die Wettbewerbsfähigkeit.[8]

Wir sehen auch die Regionalpolitik als Teil der Industriepolitik, wenn damit versucht wird, regionale Entwicklungs-, Innovations- und Technologiepotenziale zu mobilisieren. Ein potenziell wirksames Instrument ist die Clusterförderung: Sie stärkt regionale Netzwerke, erleichtert den regionalen Wissens- und Technologietransfer und kann die industrielle Wertschöpfung auch in strukturschwachen Gebieten fördern. Zugleich kann Regionalpolitik eine wichtige verteilungspolitische Funktion erfüllen. In vom Strukturwandel besonders betroffenen Regionen – beispielsweise im Zuge des Kohleausstiegs – kann der Staat Fördermaßnahmen ergreifen, um ökonomische Perspektiven zu schaffen, die Beschäftigung zu sichern und langfristige wirtschaftliche Entwicklungspfade zu eröffnen.[9]

Industriepolitische Instrumente können von der Europäischen Kommission, ihren Mitgliedstaaten oder auf subnationaler Ebene eingesetzt werden. Die EU-Kommission ist hierbei Wächter über den EU-Binnenmarkt: Durch ihre Beihilfenkontrolle soll sie sicherstellen, dass Beihilfen nicht zu Wettbewerbsverzerrungen führen und den Binnenmarkt beeinträchtigen.

2.3 Industriepolitik und Wettbewerbspolitik: Zielkonflikt oder Zielkongruenz

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie schreibt auf seiner Webseite: „Der Schutz des Wettbewerbs hat sich als ein Kernelement deutscher Wirtschafts- und Ordnungspolitik bewährt. Er ist eine wesentliche Voraussetzung für Wohlstand, Nachhaltigkeit und soziale Teilhabe in Deutschland. Wettbewerb fördert angemessene Preise, eine hohe Produktqualität und Innovationen“ (BMWE 2025). Auf Basis dieser Einschätzung ist Wettbewerbspolitik als im Allgemeinen kongruent mit einer Industriepolitik zu sehen, die dem Ziel dient, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.

Im Einzelfall kann es allerdings zu einem Konflikt zwischen industriepolitischen und wettbewerbsrechtlichen Zielen kommen. In Abschnitt 3 behandeln wir, inwiefern Wettbewerbspolitik im Einklang mit industrieökonomischen Zielen steht und wie gegebenenfalls wettbewerbspolitische Entscheidungen aufgrund von Forderungen angepasst werden können, die im weiteren Sinne als industriepolitisch zu bezeichnen sind. Hier betrachten wir unterschiedliche institutionelle Ansätze bei Zielkonflikten. In Abschnitt 4 untersuchen wir Bestandteile einer wettbewerbsorientierten Industriepolitik und gehen der Frage nach, ob und inwieweit Wettbewerb sowohl als Zielgröße als auch als Steuerungsmechanismus in eine moderne Industriepolitik zu integrieren ist.

3 Wettbewerbspolitik bei (industrie)politischen Ambitionen

3.1 Anpassungen des Wettbewerbsrechts

Geleitet vom Primat der Politik, also von der Auffassung, dass politische Zielsetzungen grundsätzlich Vorrang vor rein ökonomischen oder administrativen Erwägungen haben,[10] sind die Grenzen rein wettbewerbsrechtlich geleiteter Entscheidungen zu bestimmen. Das Parlament entscheidet über Änderungen im nationalen Wettbewerbsrecht und delegiert lediglich konkrete Fallentscheidungen an die nationale Wettbewerbsbehörde, die dann diese Entscheidungen auf Basis ihres Mandats unabhängig trifft. Neue Herausforderungen wie das möglicherweise wettbewerbsschädigende Verhalten von marktmächtigen Digitalunternehmern kann der Gesetzgeber aufgreifen – so geschehen mit der Einführung von § 19a ins GWB (vgl. Franck und Peitz 2021). Auch Entwicklungen oder zutage getretene Defizite allgemeinerer Art können durch eine Gesetzesnovellierung angegangen werden. Ein Beispiel der jüngsten Vergangenheit ist die Möglichkeit des Bundeskartellamtes, nach einer Sektoruntersuchung verstoßunabhängig Abhilfe zu schaffen nach § 32 f GWB (vgl. Franck und Peitz 2024a, b).

Grundsätzlich kann der Gesetzgeber also eine unabhängige Wettbewerbsbehörde mit einem klaren Mandat ausstatten, um wettbewerbspolitische Ziele mit bestimmten zur Verfügung stehenden Instrumenten zu verfolgen. Unabhängigkeit der Wettbewerbsbehörde bedeutet, dass sich Gesetzgeber und Regierung verpflichten, einzelne Verfahren nicht zu beeinflussen und kein Weisungsrecht auszuüben.[11] Betroffenen Unternehmen steht der Rechtsweg offen.

Eine solche Lösung kann als technokratischer Ansatz bezeichnet werden. Es bleibt aber die Option, die Rechtslage durch Gesetze und Verordnungen mit Wirkung für die Zukunft zu ändern. Insbesondere kann das Parlament das Wettbewerbsrecht bei neuen Herausforderungen oder veränderten politischen Realitäten nach eigenem Ermessen anpassen. Neben der Beschneidung oder Ausweitung von Instrumenten und der Begrenzung oder Ausweitung des Adressatenkreises von wettbewerbspolitischen Eingriffen im Rahmen des Wettbewerbsrechts[12] entscheidet der Gesetzgeber auch über die Zuweisung von Mitteln.

Er kann auch ex post eingreifen, indem er nach konkreten Erfahrungen selbst tätig wird und ein bestimmtes unternehmerisches Verhalten unterbindet. In Deutschland beschloss beispielsweise das Parlament das Lex Apple Pay (§ 58a ZAG) in Reaktion darauf, dass Apple Drittanbietern den Zugriff auf NFC-Chip und Softwareapplikationen verweigerte, um die Schnittstelle für kontaktlose Zahlungen allein kontrollieren zu können. Ein anderes konkretes Beispiel ist das Verbot von Preisparitätsklauseln auf Hotelbuchungsportalen durch den französischen Gesetzgeber.[13]

Der Gesetzgeber beabsichtigt aber möglicherweise nicht nur, den Wettbewerb zu fördern und die Konsumentenwohlfahrt zu steigern,[14] er mag auch industrie-, regional- oder sicherheitspolitische Absichten hegen. Es gibt verschiedene Wege, wie er diese Ziele auch in der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts verfolgen kann. Erstens kann er die Wettbewerbsbehörde anhalten, bei der wettbewerblichen Prüfung andere Ziele insofern mit zu berücksichtigen, als der wettbewerblich relevante Sachverhalt in einem bestimmten Kontext oder nach einem bestimmten Maßstab geprüft wird. So kann man Resilienz durch geeignete kontrafaktische Szenarien berücksichtigen, wie wir weiter unten im Fall der Fusionskontrolle näher erläutern. Regionalpolitische Ziele lassen sich teilweise berücksichtigen, indem man ein Balancing untersagt, also das Aufsummieren der Änderungen der Konsumentenwohlfahrt über verschiedene regional definierte Märkte hinweg.

Zweitens kann der Gesetzgeber die Wettbewerbsbehörde mit einem breiteren Mandat und einem größeren Zielkatalog als bisher ausstatten. Eine solche „aufgeladene“ Wettbewerbsbehörde müsste verschiedene im konkreten Fall in Konflikt stehende Ziele gewichten und damit über eventuell bestehende Zielkonflikte entscheiden.[15] Damit ist womöglich eine größere Unsicherheit in der Entscheidungspraxis (und damit ein Verlust an Rechtssicherheit) sowie eine stärkere Politisierung der Behörde verbunden. Das wirft auch die Frage auf, wie unabhängig die Behörde arbeiten kann und welche Art von Weisungen aus der Politik sie erhalten würde. Wie Tirole (2023) betont, ist es zur Wahrung der Unabhängigkeit einer Behörde erforderlich, dass diese begrenzte und festgelegte Befugnisse hat.

Drittens könnte der Gesetzgeber entscheiden, selbst einzugreifen oder Dritte zu legitimieren, auf Basis außerhalb des Wettbewerbsrechts verankerter Ziele und eines wohldefinierten Verfahrens Entscheidungen zu revidieren oder vorrangige Entscheidungen zu treffen. Das heißt, der Gesetzgeber, eine Behörde, ein Ministerium und/oder nach Klage ein Gericht könnte aufgrund industriepolitischer oder anderer gesamtwirtschaftlicher Ziele einschreiten und eine Entscheidung der Wettbewerbsbehörde revidieren, wenn die Verfolgung anderer Ziele im konkreten Fall wichtiger erscheint. Eine solche Intervention kann unter Umständen parallel zur Arbeit der Wettbewerbsbehörde erwogen werden oder andernfalls sukzessive erfolgen. Ein Beispiel für eine parallele Prüfung ist die Möglichkeit, Fusionen auf Basis des Außenwirtschaftsgesetzes wegen sicherheitspolitischer Bedenken zu untersagen. Ein Beispiel für sukzessive Prüfung ist die Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle. Auf beides gehen wir noch weiter unten näher ein.

Viertens können ex ante Ausnahmebereiche definiert werden, in denen das Wettbewerbsrecht nicht oder nur eingeschränkt zur Anwendung kommt, womit eine Beschränkung des Adressatenkreises erfolgt – aus Gründen, die außerhalb des Wettbewerbsrechts liegen. Wir untersuchen im Folgenden diese Optionen und geben konkrete Beispiele in der Fusionskontrolle. Anschließend betrachten wir Absprachen zwischen Wettbewerbern und vertikale Vereinbarungen.

3.2 Fusionskontrolle

Die Europäische Kommission prüft Fusionen mit Relevanz für den Binnenmarkt,[16] das Bundeskartellamt Fusionen mit nationaler oder regionaler Relevanz in Deutschland.[17] Die Fusionskontrolle ist ein wesentlicher Bestandteil der Wettbewerbspolitik. Das Grundmodell der Fusionskontrolle auf EU-Ebene und in den Mitgliedstaaten ist eine präventive Ex-ante-Kontrolle. Im Einzelfall wird geprüft, ob eine geplante Fusion den Wettbewerb so stark beeinträchtigen würde, dass sie untersagt werden muss, oder ob geeignete Abhilfemaßnahmen die Wettbewerbsbedenken ausräumen können.[18]

Eine vorausschauende Fusionskontrolle berücksichtigt nicht nur die Auswirkung einer Fusion auf Preise, sondern auch auf Produktvielfalt und Qualität sowie Investitionen und Innovation. In der wettbewerbspolitischen Diskussion spielt eine solche dynamische Betrachtung eine zunehmende Rolle (vgl. Federico et al. 2020 sowie Duso et al. 2025c). Eine derart ausgerichtete Fusionskontrolle kann als vorteilhaft für die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit erscheinen. Zu erwartende Marktentwicklungen können bei der Untersuchung einer Fusion in verschiedenen Formen berücksichtigt werden. Beispielsweise entspricht es gängiger Praxis, es als Rechtfertigung einer Fusion gelten zu lassen, wenn damit zu rechnen ist, dass das Unternehmen, das von einem anderen übernommen werden soll, anderenfalls aus dem Markt ausscheiden wird: Das ist die sogenannte Failing-firm defense.[19]

Auch andere sich abzeichnende oder wahrscheinliche Entwicklungen können für die Bewertung einer Fusion relevant sein.[20] Aufgrund von Handelssanktionen, Unterbrechungen der Transportwege oder direkten politischen Interventionen als Reaktion auf einen Krieg können Importe wegfallen. Das bedeutet, dass ausländische Unternehmen plötzlich – ganz oder teilweise – aus dem relevanten Markt „verschwinden“. Eine vorausschauende Fusionskontrolle kann die Möglichkeit, dass solche externen Schocks eintreten, in ihre Analyse einbeziehen. Das gilt auch, wenn die fusionierenden Unternehmen inländische Unternehmen sind, die ausschließlich im Inland produzieren und damit selbst dem Risiko gar nicht ausgesetzt sind.

Bei Fusionen auf Märkten mit bedeutenden Importen aus Risikoländern (oder mit umfangreicher Produktion von Unternehmen mit Hauptsitz in Risikoländern) sehen Motta et al. (2024) eine vorausschauende, auf Resilienz bedachte Fusionskontrolle darin, das potenzielle Ausscheiden oder die verringerte Reichweite von ausländischen Wettbewerbern bei der Bewertung einer Fusion in die Analyse miteinzubeziehen. Das Marktergebnis sowohl ohne als auch mit Fusion wird demnach so bestimmt, als sei der Wettbewerb durch das Ausscheiden bereits geschwächt.[21] Je weniger kompetitiv der Markt nach dem Ausscheiden wäre, desto eher ist davon auszugehen, dass die Fusion die Verbraucher schädigt. Die Fusionskontrolle wird entsprechend verschärft.[22] Dies kann als Teil einer Gesamtstrategie gesehen werden, den EU-Binnenmarkt widerstandsfähiger gegen externe Schocks zu machen.

Es liegt in der Natur der Fusionskontrolle, dass mögliche positive und negative Entwicklung des Marktes hinsichtlich seiner Wettbewerbsintensität asymmetrisch berücksichtig werden: Wie erläutert, hat die Wettbewerbsbehörde bei einer vorausschauende Fusionskontrolle Risiken zu berücksichtigen. Dagegen kann sie mögliche, für die Bewertung einer Fusion positive Entwicklungen auf dem Markt, die nicht immanent sind, typischerweise ignorieren, weil ein Zusammenschluss auch noch zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt beantragt werden kann. Bei der dann folgenden Bewertung kann die Behörde die neuen Entwicklungen zugrunde legen.

Wenn industriepolitische (oder andere gesamtgesellschaftliche) Ziele in der Fusionskontrolle mehr Berücksichtigung finden sollen, könnte man das Mandat der Wettbewerbsbehörde entsprechend verändern: Die Behörde könnte verpflichtet werden, auch solche Ziele zu verfolgen und dieser dann in der Gesamtbewertung einer Fusion Rechnung zu tragen.[23] Dagegen spricht allerdings die mögliche Überforderung der Behörde, ebenso wie eine zunehmende Politisierung der Fusionskontrolle.[24]

Es bestehen mehrere Alternativen zu einem solchen Vorgehen. Zum einen kann der Gesetzgeber vorgeben, dass die Untersagung einer Fusion (oder die Nebenbestimmungen, mit denen sie genehmigt wird) durch die Wettbewerbsbehörde von einer anderen Institution (beispielsweise dem Wirtschaftsministerium) aufgrund überragender industriepolitischer oder anderer gesamtgesellschaftlicher Ziele aufgehoben werden kann. Umgekehrt ist grundsätzlich auch denkbar, dass eine Institution die Freigabe einer Fusion aus nicht-wettbewerblichen Gründen überprüft und gegebenenfalls revidiert.[25]

In Deutschland gibt es die Möglichkeit der Ministererlaubnis: „Die Bundesministerin oder der Bundesminister für Wirtschaft und Energie erteilt auf Antrag die Erlaubnis zu einem vom Bundeskartellamt untersagten Zusammenschluss, wenn im Einzelfall die Wettbewerbsbeschränkung von gesamtwirtschaftlichen Vorteilen des Zusammenschlusses aufgewogen wird oder der Zusammenschluss durch ein überragendes Interesse der Allgemeinheit gerechtfertigt ist“ (§ 42 Abs. 1 Satz 1 GWB). Im Folgesatz steht ausdrücklich, dass „auch die Wettbewerbsfähigkeit der beteiligten Unternehmen auf Märkten außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes zu berücksichtigen“ ist. Das deckt sich im Geiste mit den industriepolitischen Forderungen im deutsch-französischen Manifest aus dem Jahr 2019 nach einer Anpassung der Fusionskontrolle auf europäischer Ebene, nach welcher der Wettbewerb auf globalen Märkten stärker zu berücksichtigen ist (BMWE 2019). Ein wichtiger Unterschied ist allerdings, dass nach dem GWB eine solche Berücksichtigung nur im Ausnahmefall einer Ministererlaubnis erfolgt und nicht als Teil des Verfahrens im Bundeskartellamt.

Vor dem Erteilen einer Ministererlaubnis ist eine Stellungnahme der Monopolkommission einzuholen, die öffentlich zugänglich gemacht wird. Dies hat vermutlich zum Zweck, die unabhängige Expertise der Monopolkommission zu nutzen und im Fall, dass eine Ministererlaubnis trotz gegenteiliger Empfehlung der Monopolkommission erfolgt, die politischen Kosten zu erhöhen.[26]

Über die Praxis der Ministererlaubnis wurde in der deutschen Öffentlichkeit kontrovers diskutiert, so im Fall von Eon/Ruhrgas aus dem Jahr 2002 und Edeka/Tengelmann aus dem Jahr 2016. Budzinski und Stöhr (2019) bezeichnen die Ministererlaubnis als „vieldiskutierten Sonderfall“ der deutschen Wettbewerbspolitik und unterziehen sie einer kritischen ökonomischen Analyse. Auf Basis der bis dahin 22 Fälle erkennen sie Spannungen zwischen politischer Motivation und dem wettbewerblichen Schutzziel des GWB. Budzinski und Stöhr (2023) nehmen die Eon/Ruhrgas-Fusion unter die Lupe und erläutern rückblickend, wie die Fusion der Resilienz der deutschen Energiewirtschaft geschadet hat. Die jüngste Ministererlaubnis wurde 2019 im Fall Miba/Zollern unter Auflagen erteilt und insbesondere von der Monopolkommission kritisiert (vgl. Konrad 2020).

Budzinski und Stöhr (2019) sowie Stöhr und Budzinski (2019) plädieren, um die Ministererlaubnis weniger anfällig für Fehlentscheidungen zu machen, für eine Reform des § 42 GWB insbesondere hinsichtlich der Entscheidungsstruktur und der zulässigen Erlaubnisgründe. Denkbar wäre eine parlamentarische Kontrolle, wie sie beispielsweise Konrad (2023) erörtert. Auf einer abstrakteren Ebene stellt sich die Frage, welche Legitimation (Legislative, Exekutive oder Judikative) für ein Aufweichen der wettbewerbsrechtlichen Fusionskontrolle erforderlich sein sollte und wie hoch die politischen Kosten einer Erlaubnis nach Untersagung durch das Bundeskartellamt sein sollten.

Auf EU-Ebene gibt es kein Verfahren dafür, dass industriepolitische und andere gesellschaftliche Ziele in der Fusionskontrolle der Europäischen Kommission gesondert Berücksichtigung finden können.[27] Die Kommission hat den Auftrag ausschließlich nach wettbewerblichen Gesichtspunkten auf Basis der Fusionskontrollverordnung zu entscheiden.[28] Ihre Entscheidungsfindung birgt allerdings erhebliche Risiken einer politischen Einflussnahme. Ein von der Generaldirektion Wettbewerb erarbeiteter Beschlussentwurf muss vom Kollegium aller 27 Kommissarinnen und Kommissare bestätigt werden; die Beratung erfolgt vertraulich. In der Regel folgt das Kollegium dem Vorschlag der Wettbewerbskommissarin weitgehend unkritisch. In politisch sensiblen Fällen ist allerdings unklar, ob der Schutz des Wettbewerbs nicht möglicherweise doch zur Disposition steht.[29]

Verfechter einer industriepolitischen Agenda, die auf europäische Champions fokussiert ist, können sich zum einen für eine Änderung der Leitlinien der Kommission für die Bewertung horizontaler Unternehmenszusammenschlüsse einsetzen, so dass beispielsweise stärker der globale Wettbewerb berücksichtigt wird.[30] Zum anderen könnten auch auf EU-Ebene Verfahren so geändert werden, dass im Anschluss zu einer Entscheidung der Kommission, die diese allein auf Basis der geltenden Fusionskontrollverordnung fällt, immer noch Ziele außerhalb des Wettbewerbsrechts zur Geltung kommen können, beispielsweise durch eine Intervention des Europäischen Parlaments oder des Europäischen Rates oder durch eine Einbeziehung weiterer Ziele bei der gerichtlichen Überprüfung einer Untersagung.

Während die Ministererlaubnis und die genannten Alternativen Reaktionen auf die Untersagung einer Fusion durch die Wettbewerbsbehörde sind, kann in umgekehrten Fällen auch eine Untersagung gewünscht sein, selbst wenn die Behörde keine hinreichenden wettbewerblichen Bedenken hat, die eine Untersagung rechtfertigen würde. Hierzu gehören sicherheitspolitische Bedenken und Resilienzüberlegungen im Hinblick auf den Erwerb inländischer Unternehmen durch Nicht-EU-Unternehmen. Die sicherheitspolitische Dimension hat in den zurückliegenden Jahren erheblich an Bedeutung gewonnen und steht möglicherweise in einem Spannungsverhältnis zu wettbewerbspolitischen Erwägungen. Der Erwerb inländischer durch ausländische Unternehmen bedarf deshalb nicht nur der Fusionskontrolle durch die Wettbewerbsbehörde, sondern eventuell auch einer Überprüfung nach sicherheitspolitischen Aspekten.[31]

Im deutschen Außenwirtschaftsrecht ist der Erwerb inländischer Unternehmen durch ausländische Investoren geregelt. Damit sind aktuell die Vorgaben im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) und in der Außenwirtschaftsverordnung (AWV)[32] relevant. Nach § 55 AWG kann der Erwerb von Mehrheitsbeteiligungen oder signifikanten Minderheitsbeteiligungen an inländischen Unternehmen durch ausländische Investoren genehmigungspflichtig sein. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um Unternehmen handelt, die in sicherheitsrelevanten Bereichen tätig sind oder kritische Infrastruktur betreiben. In diese Rubrik können Unternehmen in den Bereichen Energie, Wasser, IT-Sicherheit und Gesundheit fallen. Die Prüfung und Genehmigung eines Erwerbs obliegt dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWE). Damit soll sichergestellt werden, dass keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung entsteht (§ 60 AWV). Damit gilt in Deutschland, dass der Erwerb eines inländischen Unternehmens aufgrund wettbewerblicher Bedenken (nach FKVO und GWB) oder aufgrund sicherheitspolitischer Bedenken in separaten Verfahren untersagt werden kann.[33]

Der Gesetzgeber hat auch die Möglichkeit, Ausnahmebereiche von der Fusionskontrolle zu definieren und damit Sektoren von der Fusionskontrolle ganz oder teilweise zu befreien – so geschehen im Krankenhaussektor. Mit dem Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG) vom 5. Dezember 2024 wurde auch § 187 GWB geändert: § 187 Abs. 10 GWB beinhaltet eine befristete Ausnahmeregelung von der Fusionskontrolle für Krankenhäuser.[34] Demnach obliegt die Prüfung eines Zusammenschlusses vorrangig den Landesbehörden, die für die Krankenhausplanung zuständig sind, und erfolgt vor allem auf Basis gesundheitspolitischer Erwägungen (die Landesbehörde bestätigt, dass sie den Zusammenschluss zur Verbesserung der Krankenhausversorgung für „erforderlich“ hält). Generell denkbar sind Ausnahmeregelungen eine Option besonders in Sektoren, die nicht oder nicht primär marktwirtschaftlich organisiert sind.

3.3 Das Kartellverbot bei Absprachen zwischen Wettbewerbern

Im Allgemeinen untersagt Artikel 101 AEUV Vereinbarungen zwischen Unternehmen, die den Wettbewerb einschränken können. Dazu zählen insbesondere Absprachen zwischen Konkurrenten, die Preiserhöhungen nach sich ziehen könnten. Alle Mitgliedstaaten der EU sind verpflichtet, verfahrensrechtliche Vorschriften zu schaffen, die eine wirksame Rechtsdurchsetzung des Kartellverbots nach Artikel 101 AEUV ermöglichen. In Deutschland ist das Kartellverbot explizit im GWB verankert (§ 1 GWB). Im Zusammenhang einer Gesamtstrategie, die industriepolitische und andere gesamtgesellschaftliche Ziele berücksichtigt, kann die Frage aufgeworfen werden, ob und gegebenenfalls wie das allgemeine Kartellverbot interpretiert und eventuell gelockert beziehungsweise aufgeweicht werden soll (vgl. OECD 2024a).

Insbesondere stellt sich die Frage, in welchen Fällen Kooperationen zwischen Unternehmen, die nicht der Preis- oder Mengenkoordinierung dienen, erlaubt sind. Hierzu besteht die Möglichkeit der Einzelfreistellung gemäß Art. 101 Abs. 3 AEUV und § 2 GWB. Das GWB nennt außerdem explizit Mittelstandskartelle, deren Teilnehmer Absprachen getroffen haben, die nach § 3 GWB „die Rationalisierung wirtschaftlicher Vorgänge durch zwischenbetriebliche Zusammenarbeit zum Gegenstand haben“. Solche Absprachen sind erlaubt, wenn „die Vereinbarung oder der Beschluss dazu dient, die Wettbewerbsfähigkeit kleiner oder mittlerer Unternehmen zu verbessern“.

In der EU stecken horizontale Gruppenfreistellungsverordnungen Ausnahmebereiche ab. Diese erlauben Absprachen (themen-)gruppenweise zwischen Wettbewerbern unter bestimmten Bedingungen. Das gilt für FuE-Vereinbarungen, Spezialisierungsvereinbarungen und Technologietransfers, weil man hiervon Effizienzsteigerungen, aber keine erheblichen Beeinträchtigungen des Wettbewerbs erwartet.[35] FuE-Vereinbarungen können auch Nachhaltigkeitsziele beinhalten.[36] Falls weitere Ausnahmen zur Verwirklichung der umweltpolitischen Ziele der EU geschaffen werden sollen, ist dies nachvollziehbar zu begründen.

Die Europäische Kommission kann die Anwendung des Kartellverbots in der Agrarwirtschaft beschränken (Art. 42 AEUV). Seit Dezember 2023 sieht Artikel 210a der EU-Verordnung über eine gemeinsame Organisation der Märkte für landwirtschaftliche Erzeugnisse vor, dass Kartellabsprachen in der Agrarwirtschaft zulässig sind, sofern die beteiligten Parteien glaubhaft darlegen können, dass diese Absprachen Nachhaltigkeitsziele unterstützen. Im Dezember 2024 schlug die Europäische Kommission vor, die bestehenden Ausnahmeregelungen um drei Punkte zu erweitern: die Förderung der wirtschaftlichen Tragfähigkeit kleiner, überwiegend familiengeführter landwirtschaftlicher Betriebe, die Ermutigung und Unterstützung von Jungbauern und die Verbesserung der Arbeits- und Sicherheitsbedingungen in Landwirtschaft und Verarbeitung. Damit würden noch weiter gehende Ausnahmeregelungen vom Kartellverbot in der Agrarwirtschaft gelten. Aufgrund der angeblichen Dringlichkeit gab es weder eine Evaluierung der bestehenden Ausnahmen noch eine Folgenabschätzung des Vorschlags. Insgesamt bewegt sich damit die Agrarwirtschaft in Richtung weniger Wettbewerb. Ob das Aufheben von Kooperationsverboten zu mehr Nachhaltigkeit, besseren Angeboten für Konsumenten und mehr Resilienz führt, ist eine offene Frage.[37] Insgesamt ist zu bemerken, dass hier die selektive Aufweichung des Wettbewerbsrechts mit im weiteren Sinne industriepolitischen Zielen begründet wird.

Bis ins Jahr 2005 konnte der Bundeswirtschaftsminister aus „überwiegenden Gründen der Gesamtwirtschaft und des Gemeinwohls“ (§ 8 Abs. 1 GWB) oder bei unmittelbarer „Gefahr für den Bestand des überwiegenden Teils der Unternehmen eines Wirtschaftszweigs“ (§ 8 Abs. 2 GWB) eine Ausnahme vom allgemeinen Kartellverbot aussprechen (vgl. Budzinski und Stöhr 2020). Durch die 7. GWB-Novelle wurde diese Ausnahmeregelung – das sogenannte Ministerkartell – ersatzlos gestrichen. Wie Budzinski und Stöhr (2020) zu Recht argumentieren, birgt ein Ministerkartell insofern geringere Gefahren für den Wettbewerb im Vergleich zu einer Ministererlaubnis in der Fusionskontrolle, als Kartelle reversibel sind und außerdem eine zeitliche Befristung ausgesprochen werden kann. Ob deshalb ein Ministerkartell das kleinere Übel ist, hängt davon ab, ob mögliche Effizienzgewinne bei einer Fusion auch in einem Ministerkartell realisiert werden können und inwieweit das Marktergebnis bei einem Ministerkartell dem eines Monopolmarktes entspräche. Eine Wiedererweckung des Instruments eines Ministerkartells erscheint zumindest mit Blick auf Hardcore-Kartelle untauglich, also im Fall von Absprachen zwischen Wettbewerbern über Produktions- oder Verkaufsmengen, Preise oder die Aufteilung von Kundengruppen oder Absatzgebieten. Es wäre zudem anfällig für politisch motivierte Interventionen, die nicht dem Gemeinwohl dienen.

3.4 Ausnahmetatbestände bei vertikalen Vereinbarungen

Die vertikale Gruppenfreistellungsverordnung der EU regelt die gruppenweise Freistellung vertikaler Vereinbarungen zwischen Unternehmen vom Kartellverbot unter bestimmten Bedingungen (Artikel 101 AEUV).[38] Die Gruppenfreistellung erlaubt solche Vereinbarungen, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen und nicht den Wettbewerb erheblich beeinträchtigen. Das soll insbesondere die Lieferkettenkoordination zur Effizienzsteigerung ermöglichen.

Ausgenommen von einer möglichen Freistellung sind im allgemeinen Hardcore-Beschränkungen wie Fest- und Mindestpreise oder Gebietsbeschränkungen. Eine solche Hardcore-Beschränkung ist zum Beispiel die Buchpreisbindung, weil die Verlage damit Festpreise im Handel setzen. Dennoch ist sie von den EU-Wettbewerbsregeln ausgenommen, da Bücher als Kulturgüter gelten.[39] Die Buchpreisbindung ist in einer Reihe von EU-Staaten (und auch in einigen Nicht-EU-Staaten) zugelassen. In Deutschland verpflichtet das Buchpreisbindungsgesetz Verlage, einen festen Ladenpreis für deutschsprachige Bücher zu setzen.[40] Alle Händler, einschließlich Online-Händler, müssen dann den vom Verlag festgelegten Ladenpreis erheben, was einen Preiswettbewerb im Handel unmöglich macht. Die Buchpreisbindung wird hinsichtlich der Wettbewerbswirkungen in der ökonomischen Literatur meist negativ gesehen (vgl. beispielsweise Monopolkommission 2018 sowie Budzinski et al. 2024). Zu einer positiven Bewertung aus Konsumentensicht kommen allerdings Genakos et al. (2025) in einer neuen Arbeit über den italienischen Buchmarkt.

Von Markenartikelherstellern festgelegte Ladenpreise waren in der Bundesrepublik lange üblich, wurden aber mit der 2. GWB-Novelle zum 1. Januar 1974 illegal. Der Grund ist, dass aus Wettbewerbssicht der Preiswettbewerb auch auf Händlerebene im Allgemeinen als wünschenswert gilt. Bisher wurden unseres Wissens noch keine Stimmen laut, aus industriepolitischen Erwägungen vom allgemeinen Verbot von Festpreisen abzurücken. Entsprechendes gilt für die anderen Hardcore-Beschränkungen. Bei der Frage illegaler Koordinierungen sind den Mitgliedstaaten die Hände durch Artikel 101 AEUV ohnehin weitgehend gebunden.[41]

Auch im Hinblick auf den Tatbestand eines Missbrauchs von Marktmacht (im Sinne von Artikel 102 AEUV) ist nicht erkennbar, dass sich Ausnahmeregelungen in der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts mit legitimen industriepolitischen Überlegungen rechtfertigen lassen. Wenn beispielsweise Wettbewerber den Marktzugang eines potenziellen Konkurrenten behindern, lässt sich das nicht dadurch rechtfertigen oder relativieren, dass nur ausländische Wettbewerber davon betroffen sind.

3.5 Anwendung des Wettbewerbsrechts nach industriepolitischen Eingriffen

Bis zu diesem Punkt haben wir mögliche Einschränkungen des Wettbewerbsrechts aufgrund industriepolitischer Überlegungen betrachtet. Umgekehrt lässt sich eine Schädigung des Wettbewerbs, die aufgrund industriepolitischer Interventionen entstanden ist oder verschärft wurde, eventuell mit dem Wettbewerbsrecht heilen. Dies ist in Deutschland denkbar, indem das Bundeskartellamt Abhilfemaßnahmen nach einer Sektoruntersuchung auf Basis von § 32 f GWB anordnet.[42]

Ein ähnliches Instrument besteht in Großbritannien bereits seit 2002. Ein prominentes Beispiel, wie mit einem strukturellen Eingriff der Wettbewerb gestärkt werden kann, ist die Entflechtung von Flughäfen. Nach ihrer Privatisierung besaß die British Airports Authority (BAA) vier Flughäfen im Südwesten von England mit mehr als 90 Prozent des dortigen Passagieraufkommens und drei Flughäfen in Schottland mit 84 Prozent des dortigen Passagieraufkommens. Auf Basis einer 2009 abgeschlossenen Untersuchung verpflichtete die Wettbewerbsbehörde das Unternehmen BAA, drei ausgewählte Flughäfen (Gatwick, Edinburgh und Stansted) zu verkaufen. In der Folge verkaufte BAA 2009 Gatwick, 2012 Edinburgh und 2013 Stansted. Eine Ex-post-Evaluierung der Behörde aus dem Jahr 2016 ergab, dass die Entflechtung den Flugreisenden zugutegekommen ist.

4 Evidenzbasierte und wettbewerbsorientierte Industriepolitik

4.1 Evidenzbasierte Industriepolitik

Moderne Industriepolitik folgt einem evidenzbasierten und vorausschauenden Politikansatz, bei dem politische Entscheidungen nicht in erster Linie auf normativen Leitbildern oder historischen Präzedenzfällen beruhen, sondern auf der Analyse der Wirksamkeit verschiedener Instrumente zum Erreichen klar definierter Ziele. Der erste Schritt besteht in der Formulierung wirtschaftspolitischer Ziele, beispielweise der Korrektur von Marktversagen, der Sicherung technologischer Souveränität oder der Förderung regionaler Resilienz. In einem zweiten Schritt erfolgt die Auswahl von Maßnahmen auf Basis wirtschaftstheoretischer Einsichten,[43] empirischer Evidenz und unter Berücksichtigung, wie wirksam sie sein können, um ihr Ziel zu erreichen. Zielkonflikte zwischen gesamtwirtschaftlicher Effizienz und anderen gesellschaftlich relevanten Kriterien können systematisch identifiziert und analysiert werden. Kosten-Nutzen-Analysen bieten die Möglichkeit, unterschiedliche Zielgrößen vergleichbar und damit einer Abwägung zugänglich zu machen. Bei beiden Schritten kann Wettbewerb auf dem Markt eine zentrale Rolle spielen, sowohl als Ziel der Industriepolitik als auch als Mechanismus, um die definierten Ziele in effizienter Weise zu erreichen.

Industriepolitik ist weder per se Teil einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik, welche die Wettbewerbsfähigkeit stärken soll, noch per se verfehlt, wie neuere empirische Forschung belegt (vgl. auch CMA 2025). Ihre Wirksamkeit hängt entscheidend vom institutionellen Rahmen und von der konkreten Ausgestaltung der eingesetzten Instrumente ab. Wenn Ziele jenseits der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit mit im Spiel sind, hängt der Erfolg auch von der Kohärenz der politischen Ziele ab.

Juhász et al. (2023) dokumentieren einen deutlichen Anstieg von industriepolitischen Maßnahmen: Zwischen 2017 und 2022 erhöhte sich die Zahl solcher Eingriffe von 228 auf 1.568, wobei ein Großteil davon in hochentwickelten Volkswirtschaften wie den Vereinigten Staaten, Deutschland und Japan stattfand. Die Wirkung ist stark kontextabhängig. Während zum Beispiel in Südkorea die koordinierte Förderung der Schwer- und Chemieindustrie erfolgreich als Katalysator der industriellen Entwicklung diente (Lane 2025), zeigen andere Beispiele, dass industriepolitische Maßnahmen unter Bedingungen schwacher Governance und mangelnder Rechenschaftspflicht zu ineffizientem Ressourceneinsatz führten und dass Wachstumsimpulse ausblieben. Auch die chinesische Industriepolitik für den Schiffbau wird ambivalent bewertet: Zwar kam es zu einer deutlichen Ausweitung der Markteintritte und Produktionskapazitäten, gleichzeitig aber auch zu strukturellen Überkapazitäten und niedrigen Kapitalrenditen (Barwick et al. 2025). Criscuolo et al. (2019) zeigen, dass Investitionssubventionen die Beschäftigung im verarbeitenden Gewerbe um 10 Prozent steigern, jedoch nur im Fall kleiner Unternehmen, während große Unternehmen ihre Aktivität nicht erhöhen.

Zum Thema der Innovation von Großunternehmen im Vergleich zu kleineren Unternehmen zeigen beispielweise Argente et al. (2020) anhand von amerikanischen Daten, dass der private Wert von Patenten für Großunternehmen besonders hoch ist. Sie erklären das damit, dass solche Patente hohe Marktanteile von bestehenden Produkten schützen. Demnach sind Patente nicht so sehr als innovationsfördernd, sondern eher als Schutzmechanismus zu sehen. Akcigit und Goldschlag (2023) dokumentieren, dass in den Vereinigten Staaten verstärkt Großunternehmen Erfinder einstellen. Das ist kompatibel mit der Sicht, dass sich solche etablierten Unternehmen strategisch die knappe Ressource von bestimmtem Humankapital sichern, den Innovationswettbewerb behindern und die gesamtwirtschaftliche Innovationsdynamik bremsen (vgl. auch Fernández-Villaverde et al. 2025). Diese empirischen Ergebnisse unterstreichen die Relevanz einer evidenzbasierten, transparenten und lernfähigen (und insofern adaptiven) Industriepolitik, die sich an klar definierten Zielen orientiert und über geeignete Evaluierungs- und Anpassungsmechanismen verfügt.

Die Auswahl und Umsetzung industriepolitischer Maßnahmen in die Praxis sollte daher von einer kontinuierlichen Überprüfung begleitet sein. Dazu bieten sich Evaluationsmechanismen an, die über den gesamten Politikzyklus hinweg angelegt sind – von der Ex-ante-Bewertung geplanter Maßnahmen über begleitende oder Zwischen-Evaluationen, auf deren Basis Maßnahmen angepasst werden können, hin zu Ex-post-Evaluationen.[44] Digitale Technologien und moderne Datenanalysemethoden eröffnen dabei neue Möglichkeiten, die Wirksamkeit industriepolitischer Instrumente effizient, zeitnah und mit hoher Präzision zu erfassen. Unabhängige, wissenschaftlich fundierte Expertise kann in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle spielen. In Deutschland verfügen Institutionen wie der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (SVR), die Monopolkommission, die Expertenkommission Forschung und Innovation (EFI) sowie politikberatende Institute der Leibniz-Gemeinschaft und Universitäten über das analytische Know-how, um eine evidenzbasierte Politik fachlich zu unterstützen.

Eine lernfähige, adaptive Industriepolitik erfordert institutionalisierte Feedback-Mechanismen, eine kontinuierliche Datenerhebung (verbunden mit einer Verknüpfung unterschiedlicher Datensätze, soweit möglich in der gesamten EU) und klare Kriterien für Anpassungen. Ein vielversprechender Ansatz zur Verwirklichung dieser Prinzipien sind sogenannte Policy Sandboxes oder auch Reallabore – kontrollierte Experimentierräume, in denen man neue Technologien, Geschäftsmodelle oder Förderinstrumente unter realen Bedingungen und begrenztem regulatorischem Risiko testen kann.[45] Die vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten „Reallabore der Energiewende“ sind einschlägige Beispiele.[46] Hier werden innovative Technologien wie Wasserstoffanwendungen, sektorübergreifende Energiesysteme und Carbon-Capture-Verfahren in einem geschützten regulatorischen Umfeld erprobt. Ziel ist es, regulatorische Barrieren frühzeitig zu erkennen, Wirkungsmechanismen besser zu verstehen und die Skalierung erfolgreicher Ansätze vorzubereiten. Solche Sandboxes ermöglichen nicht nur eine evidenzbasierte Anpassung, sondern sie stärken auch die Legitimität industriepolitischer Maßnahmen, indem sie Lernprozesse fördern und Fehlsteuerungen früh eindämmen. Eine systematische Integration solcher Testumgebungen kann einen entscheidenden Beitrag zur Modernisierung und Wirksamkeit auch der europäischen Industriepolitik leisten.

Angesichts zunehmender technologischer Unsicherheiten und beschleunigter Transformationsprozesse kann eine erfolgreiche Industriepolitik nicht auf statischen, dauerhaft fixierten Maßnahmen beruhen. Vielmehr muss sie Teil einer lernorientierten und adaptiven Politikgestaltung sein, die auf neue Evidenz reagiert, ohne deshalb in Aktionismus zu verfallen. Wie die Evaluationsforschung zu Kaufanreizen im Automobilsektor beispielhaft zeigt, hängt der Erfolg politischer Interventionen wesentlich von ihrer konkreten Ausgestaltung, dem Timing sowie den Marktgegebenheiten wie beispielsweise der Nachfrageelastizität ab (vgl. Adda und Cooper 2000 sowie Grigolon et al. 2016).

Eine moderne Industriepolitik konzentriert sich auf Investitionen in zukunftsgerichtete technologische Entwicklungen, statt bestehende Industrie- und Kostenstrukturen langfristig zu stützen. Besonders effektiv sind Maßnahmen, die sich in der Wertschöpfungskette auf technologische oder Infrastruktur-Engpässe richten, die potenziell systemumspannende Spillover-Effekte erzeugen (Siegloch et al. 2025). Investitionen in zentrale Basistechnologien wie Halbleiter (Goldberg et al. 2024), Batterieproduktion und digitale Netze (Duso et al. 2021) können aufgrund ihrer breiten Anwendbarkeit branchenübergreifende Innovationsdynamiken fördern und zu einer Steigerung der gesamtwirtschaftlichen Produktivität beitragen.

Ein wichtiger Grundsatz für eine moderne Industriepolitik ist die Berücksichtigung der Komplementarität verschiedener Instrumente: Maßnahmen wie Forschungsförderung, Infrastrukturinvestitionen und Qualifizierungsprogramme entfalten häufig im Zusammenspiel eine bessere Wirkung (vgl. Criscuolo et al. 2022). Die Herausforderung besteht darin, die industriepolitischen Maßnahmen nicht isoliert zu entwickeln, sondern sie im Rahmen einer integrierten Industriestrategie zu gestalten, die unterschiedliche Politikfelder und Ziele miteinander verknüpft (vgl. Abschnitt 4.4 und Coyle 2024).

4.2 Wettbewerbsorientierter Ansatz

Einige empirische Untersuchungen zeigen die Bedeutung wettbewerblicher Rahmenbedingungen für die Wirksamkeit industriepolitischer Maßnahmen. So haben Aghion et al. (2015) herausgearbeitet, dass industriepolitische Interventionen vor allem dann positive Wirkungen entfalten, wenn sie mit funktionierenden Wettbewerbsmechanismen kombiniert werden (vgl. auch Aghion et al. 2025). Wettbewerb stellt sicher, dass Subventionen nicht zur Sicherung ineffizienter Strukturen beitragen, sondern tatsächlich Innovationsanreize setzen und dem technischen Fortschritt zugutekommen. Eine solche Industriepolitik ist dann kein Gegenspieler der Wettbewerbspolitik, sondern agiert in einem wettbewerbspolitischen Rahmen (vgl. Piechucka et al. 2024). Das deckt sich mit der offiziellen Position der EU, die das Verhältnis zwischen Industriepolitik und Wettbewerbspolitik als komplementär bezeichnet: „Both competition policy and industrial policies are policy tools that can foster industrial competitiveness and economic growth. […] They are complementary because industrial policy interventions are more effective when deployed on competitive markets and because industrial policies can, on the one hand, address market failures to improve the functioning of competitive markets and, on the other hand, unintendedly undermine competition and competitiveness of poorly designed. Hence the need for pro-competitive industrial policies“ (OECD 2024b, S. 3).

Eine erfolgreiche Industriepolitik verfolgt daher einen wettbewerbsorientierten Ansatz (Duso et al. 2025a). Dieser Ansatz bildet das Fundament einer industriepolitischen Strategie, die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft und funktionierenden Wettbewerb auf dem Markt nicht als miteinander im Konflikt stehende, sondern als komplementäre Prinzipien begreift. Zum einen stellt der Wettbewerb als Instrument zur Begrenzung wirtschaftlicher Machtkonzentrationen ein eigenständiges ordnungspolitisches Ziel dar und kann daher durch industriepolitische Maßnahmen unterstützt werden. Zum anderen fungiert der Wettbewerb als ein zentrales Gestaltungsprinzip industriepolitischer Instrumente. Dabei geht es nicht nur um den Wettbewerb zwischen den Begünstigten, sondern auch um die Offenheit der betroffenen Märkte insgesamt. Eine wettbewerbsfreundliche und transparente Gestaltung staatlicher Förderung verringert Marktverzerrungen und nutzt den Wettbewerb als treibende Kraft für Innovation, Effizienz und strukturelle Erneuerung.

Als Vorbild für einen wettbewerbsorientierten Ansatz kann die Beihilfenkontrolle dienen. Der in der EU-Beihilfenkontrolle angewandte „Balancing Test“ schafft einen analytischen Rahmen, der hilft, staatliche Fördermaßnahmen mit dem Prinzip der Wettbewerbsneutralität in Einklang zu bringen (vgl. Duso et al. 2025b). Dieser Test dient der Abwägung zwischen den positiven Effekten staatlicher Beihilfen, insbesondere im Hinblick auf Marktversagen, externe Effekte oder Verteilungsziele, und ihren potenziellen negativen Auswirkungen auf den Wettbewerb. Konkret werden drei zentrale Fragen untersucht: Ist die Beihilfemaßnahme notwendig, um ein klar definiertes Marktversagen zu beheben oder ein politisches Ziel zu erreichen? Ist sie verhältnismäßig, also auf das zur Zielerreichung notwendige Maß beschränkt? Überwiegen die positiven Auswirkungen der Beihilfe die Wettbewerbsverzerrungen, die sie möglicherweise verursacht?

In einer wettbewerbsorientierten Industriepolitik rücken auch nachfrageseitige Instrumente in den Blick, zum Beispiel öffentliche Beschaffung, Standardisierung und CO2-Bepreisung. Diese Instrumente können den Wettbewerb fördern, indem sie die Marktdynamik steigern und monopolistischen Strukturen entgegenwirken. Die Kombination solcher Instrumente mit angebotsseitiger Förderung, beispielsweise in Form einer projektbezogenen Finanzierung oder der Förderung industrieller Schlüsseltechnologien, bietet Potenziale für eine effektive Transformationspolitik.

Wettbewerbsorientierte Vergabeverfahren wie Green procurement, Innovation procurement oder Defence procurement lassen sich einsetzen, um Innovationsimpulse zu setzen und Markthochläufe zu unterstützen (Krieger et al. 2024 sowie Chiappinelli et al. 2025). Ebenso haben sich Auktionsverfahren als effiziente Instrumente zur Ressourcenallokation und zur Sicherung des Wettbewerbs bewährt, beispielsweise zur Vergabe von Emissionszertifikaten und Frequenzspektren oder für den Zugang zur Netzinfrastruktur. Die Anwendung wettbewerbsorientierter Kapazitätsmechanismen kann zudem die Resilienz (Versorgungssicherheit) stärken (Fabra et al. 2022).

Regulatorische Maßnahmen wie Open-Access-Pflichten, Interoperabilitätsstandards und die Vermeidung exklusiver Nutzungsrechte sind von zentraler Bedeutung, um sicherzustellen, dass staatlich geförderte Technologien und Infrastruktur auch für Dritte zugänglich sind und keine neuen Markteintrittsbarrieren entstehen (Duso et al. 2025b). Eine Industriepolitik, die Wettbewerb nicht nur zulässt, sondern diesen systematisch in ihre Gestaltung einbezieht, erhöht nicht nur die ökonomische Effizienz, sondern auch die Resilienz gegenüber externen Schocks und technologischen Umbrüchen. Sie schafft die institutionellen Voraussetzungen für eine langfristig dynamische, innovationsgetriebene Marktstruktur.

Die Verwirklichung eines wettbewerbsorientierten Ansatzes in der Industriepolitik erfordert eine institutionelle Verankerung. Institutionen wie die Bundesagentur für Sprunginnovationen (SPRIND) in Deutschland bieten ein Modell dafür. SPRIND hat zum Ziel, besonders innovative Technologien zu fördern, und verfolgt dabei einen offenen, wettbewerblichen Ansatz: Durch Ideenwettbewerbe, flexible Finanzierungsinstrumente und experimentelle Förderformate fördert sie die Vielfalt technologischer Lösungsansätze, statt vorab technologische Pfade festzulegen. Diese wettbewerbsorientierte Struktur begünstigt bahnbrechende Innovationen und senkt gleichzeitig die Eintrittsbarrieren für Startups und forschungsintensive kleine und mittlere Unternehmen (KMU). Durch ihre institutionelle Autonomie und experimentelle Ausrichtung ist SPRIND ein Beispiel für eine adaptive, lernfähige Förderpraxis. Das Modell ist skalierbar – zum Beispiel wenn man zentrale Prinzipien auf andere Politikfelder wie die Verteidigung überträgt. Entscheidend ist die Bereitschaft, mit Unsicherheit umzugehen und Raum für Experimente zu schaffen.

4.3 Supranationale Koordination

Für die Mitgliedstaaten der EU ergeben sich Vorteile, wenn industriepolitische Maßnahmen innerhalb der Ländergemeinschaft stärker koordiniert, Entscheidungsprozesse beschleunigt und Investitionen in strategisch relevanten Bereichen gebündelt werden. Möglich ist dies unter anderem durch einen verbesserten Finanzrahmen für Startups, Skalierungen und technologische Innovation sowie ein effizientes EU-Forschungsprogramm.

Die Integration des EU-Binnenmarktes und, wie in Abschnitt 3 ausgeführt, eine konsequente Anwendung des Wettbewerbsrechts stärken die Wettbewerbsfähigkeit der EU-Wirtschaft. Der Abbau interner Handelshemmnisse und die Harmonisierung von Vorschriften beseitigen Transaktionskosten innerhalb der EU, was die Ressourcennutzung verbessert und Skaleneffekte schafft. Dies wiederum fördert die Effizienz und Innovationsfähigkeit der Unternehmen. Die Wettbewerbspolitik stellt sicher, dass Marktmacht nicht missbraucht wird und dass Märkte dynamisch und innovationsfreundlich bleiben. Eine wettbewerbsorientierte europäische Industriepolitik ermöglicht die strategische Ausrichtung auf globale Herausforderungen wie die digitale Transformation und den Klimawandel. Koordinierte Maßnahmen wie der European Green Deal Industrial Plan oder der European Chips Act können als Versuche gelten, Wettbewerbsfähigkeit mit Nachhaltigkeits- und Souveränitätszielen zu verbinden.

Entscheidend für den Erfolg solcher Initiativen im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit ist, dass sie nicht von protektionistischen Überlegungen geprägt sind, sondern den internationalen Wettbewerb und offene Märkte als Treiber von Innovation und Effizienz verstehen. Es gilt die richtige Balance zwischen strategischer Autonomie und offenen Märkten, zwischen Förderung und Wettbewerbsneutralität zu finden. Wie im Draghi-Bericht gefordert, kann es in einer zunehmend multipolaren Weltwirtschaft für die EU wichtig sein, strategische Partnerschaften zur Sicherung von Lieferketten in bestimmten Bereichen aufzubauen, um resilienter zu werden und die eigene Wettbewerbsfähigkeit nicht zu gefährden (Draghi 2024a, S. 7). Mit Blick auf kritische Rohstoffe oder digitale Schlüsseltechnologien gilt es die Abhängigkeiten und damit auch die strukturelle Verwundbarkeit der europäischen Wirtschaft zu verringern. Hier ist die EU als Ganzes gefordert, nicht nur einzelne Mitgliedstaaten.

Ein prominentes Beispiel für einen koordinierten europäischen Ansatz sind die Important Projects of Common European Interest (IPCEI). Diese ermöglichen die Förderung strategisch bedeutsamer Technologien und Wertschöpfungsketten durch mehrere EU-Mitgliedstaaten. IPCEIs bieten einen rechtlichen Rahmen, der den Beihilferegeln der EU entspricht und zugleich flexiblere Unterstützungsmöglichkeiten für Schlüsseltechnologien eröffnet. So wurden in den Bereichen Mikroelektronik, Batteriezellproduktion und Wasserstofftechnologie gemeinsame Projekte initiiert, die darauf zielen, die europäische technologische Souveränität zu stärken und kritische Abhängigkeiten zu reduzieren (vgl. OECD 2024b). Die IPCEI-Projekte gehen über das hinaus, was einzelne Unternehmen oder Mitgliedstaaten leisten könnten. Sie sollen positive Spillover-Effekte für die gesamte EU-Wirtschaft generieren. Hierbei ist die Transparenz der Verfahren und die offene Beteiligung von Unternehmen ein zentrales Element, das wettbewerbsverzerrende Effekte so gering wie möglich halten soll. Das vor kurzem eingerichtete und aus Vertretern von EU-Kommission und Mitgliedstaaten gebildete „Joint European Forum for IPCEI“ (JEF-IPCEI) dient dazu, strategische Bereiche für künftige IPCEI zu identifizieren sowie die Gestaltung und Verwirklichung dieser Projekte möglichst effizient zu machen.

Supranationale Koordination und Verbünde sind nicht notwendig auf EU-Mitgliedstaaten begrenzt. Sie können auch andere europäische und/oder nicht-europäische Länder einbeziehen.[47]

4.4 Whole-of-government-Ansatz

Eine effektive wettbewerbsorientierte Industriepolitik erfordert einen integrierten Whole-of-government-Ansatz (vgl. Aoki et al. 2024), der verschiedene Politikbereiche systematisch zusammenführt. Durch eine bereichsübergreifende Koordination sollen die vielfältigen und komplexen Herausforderungen wie der digitale und ökologische Wandel bewältigt werden. Klima-, Energie-, Handels- und Verbraucherpolitik werden mit Industrie- und Wettbewerbspolitik gemeinsam gedacht und konzipiert, mit dem Ziel, Synergien zu nutzen und Widersprüche zu vermeiden. Die fragmentierte Betrachtung einzelner Politikbereiche kann dagegen zu inkonsistenten Anreizstrukturen und ineffizienter Ressourcenallokation führen.

Der wirksame Wettbewerb ist dabei eines der Leitprinzipien, an dem sich alle wirtschaftspolitischen Entscheidungen ausrichten.[48] Ein Kernelement des integrierten Whole-of-government-Ansatzes könnte mithin eine systematische Ex-ante-Analyse der Wettbewerbsfolgen (ein „Wettbewerbscheck“) sein, durchgeführt von einer unabhängigen externen Institution. Diese würde industriepolitische Maßnahmen auf potenzielle Wettbewerbsverzerrungen und dynamische Markteffekte prüfen, bevor sie auf den Weg gebracht werden – ähnlich wie im Fall der Gesetzesfolgenabschätzung. Dieser institutionalisierte Mechanismus würde dazu beitragen, dass industriepolitische Eingriffe tatsächlich den definierten gesellschaftlichen Zielen dienen und nicht von Partikularinteressen oder opportunistischen tagespolitischen Erwägungen getrieben werden. Zudem könnte die Beteiligung externer Institutionen – beispielsweise des Sachverständigenrats, der Monopolkommission oder spezialisierter wissenschaftlicher Einrichtungen – die Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit der Bewertung stärken.

Im Rahmen einer kohärenten industriepolitischen Strategie gilt es auch die Rolle staatlicher Beteiligungen kritisch zu reflektieren. Staatsbeteiligungen bergen Risiken politischer Einflussnahme im Unternehmen und bei der Vergabe von Subventionen, die zu Marktverzerrungen, ineffizienter Ressourcenallokation und Innovationshemmnissen führen können.[49] In strategisch wichtigen Sektoren könnten als Sonderform sogenannte Golden shares verwendet werden, um staatlichen Einfluss zu sichern, ohne dass damit eine umfassende unternehmerische Kontrolle oder eine finanzielle Einflussnahme verbunden ist. Diese spezifischen Anteilsrechte ermöglichen es dem Staat, in vorab klar definierten strategischen Entscheidungen ein Vetorecht auszuüben,[50] während die operative Führung und wirtschaftliche Ausrichtung des Unternehmens ansonsten weiterhin unabhängig erfolgen.

Der Einsatz eines solchen Instruments bedarf jedoch einer Begrenzung auf klar definierte strategische Bereiche sowie transparenter Governancestrukturen. Nur so kommt es nicht zu einer schleichenden staatlichen Kontrolle oder industriepolitischem Mikromanagement. Alternativ kann der Staat eine Rechtsgrundlage schaffen, aufgrund derer der Erwerb inländischer durch ausländische Unternehmen im Fall sicherheitspolitischer Bedenken blockiert werden kann, wie in Deutschland im Außenwirtschaftsrecht geregelt (vgl. Abschnitt 3.2). Solche Eingriffsmöglichkeiten können für mehrere als kritisch erachtete Sektoren gelten und nicht nur Übernahmen, sondern auch Beteiligungen und Direktinvestitionen betreffen, wie in Italien.[51]

Bei der Koordinierung verschiedener wirtschaftspolitischer Instrumente dürfen ihre Risiken nicht übersehen werden. Wenn industriepolitische oder geopolitische Erwägungen die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts beeinflussen, kann dies die rechtliche Integrität und Glaubwürdigkeit der Regulierung selbst untergraben. In Abschnitt 3 haben wir erläutert, wie man diese Risiken minimieren kann.

Nicht zu übersehen ist auch, dass eine Anpassung der wettbewerbspolitischen Praxis (einschließlich der Vergabepraxis) aufgrund industriepolitischer Ambitionen Gegenmaßnahmen internationaler Partner provozieren und letztlich den Ruf der EU als regelbasierter Akteur schädigen kann. Ein Beispiel hierfür ist die Diskussion über die Durchsetzung von Wettbewerbspolitik und Regulierung im digitalen Bereich (DMA und Digital Services Act, DSA) als strategische Reaktion auf die Handelsstreitigkeiten, welche die Einführung neuer Zölle durch die Trump-Regierung im April 2025 ausgelöst hat. Auch wenn geopolitische Erwägungen durchaus die breitere Industrie- oder Innovationspolitik der EU beeinflussen können, erscheint es problematisch, diese in die Durchsetzung des Wettbewerbs- und Regulierungsrechts (wie DMA und DSA) einfließen zu lassen. Dies würde die Rechtsunsicherheit erhöhen, und die Behörden wären größerem politischen Druck von außen durch Unternehmen und ausländische Regierungen ausgesetzt (vgl. unter anderem Franck et al. 2025).

5 Industriepolitik in unsicheren Zeiten: Fazit und Ausblick

In Zeiten großer Unsicherheit und Herausforderungen steht Europa vor der Aufgabe, seine industriepolitische Ausrichtung neu zu definieren. In diesem Beitrag haben wir untersucht, wie eine zukunftsfähige wettbewerbsorientierte Industriepolitik ausgestaltet werden könnte, die traditionelle ordnungspolitische Grundsätze mit pragmatischen Ansätzen zur Stärkung industrieller Kapazitäten und technologischer Souveränität verbindet. Bei der Ausgestaltung einer europäischen Industriepolitik stellt das deutsche und europäische Wettbewerbsrecht einen Anker zur Verfügung. Damit kann ein Abdriften in den Dirigismus ebenso vermieden werden wie eine Korporatokratie, wo die Macht vom Staat auf große Unternehmen übergeht.

Die Wettbewerbspolitik ist als ein unverzichtbarer Bestandteil einer umfassenden Industriepolitik zu verstehen, da die institutionelle Stabilität und Berechenbarkeit wettbewerblicher Rahmenbedingungen einen oft unterschätzten, aber entscheidenden Standortfaktor darstellen. Wenn dagegen das Wettbewerbsrecht selektiv angewendet oder politisch beeinflusst wird, gefährdet dies den Leistungswettbewerb. Empirische Studien belegen, dass transparent durchgesetzte Wettbewerbsregeln Produktivität (Buccirossi et al. 2013) und Innovationsrate (Aghion et al. 2005) steigern.[52] Industriepolitische Maßnahmen, welche die Funktion der Märkte hemmen, können langfristig die Innovationsfähigkeit der Wirtschaft mindern. Wettbewerbspolitik sichert langfristig Wettbewerbsfähigkeit.

Industriepolitische Ziele und wettbewerbsrechtliche Prinzipien lassen sich miteinander in Einklang bringen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, das Wettbewerbsrecht an neue Herausforderungen oder Marktveränderungen anzupassen, beispielsweise durch Gesetzesnovellierungen, die neue Tatbestände berücksichtigen oder den Handlungsrahmen der Wettbewerbsbehörden anpassen. Auch die Integration industriepolitischer, regionalpolitischer oder sicherheitspolitischer Ziele in die Wettbewerbsprüfung ist denkbar, solange die Funktionsfähigkeit wettbewerblicher Märkte nicht gefährdet wird. In Einzelfällen mag erwünscht sein, die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde zu revidieren, beispielsweise im Bereich der Fusionskontrolle.

Eine moderne Industriepolitik wird sich an mehreren Zielgrößen orientieren müssen: Wettbewerbsfähigkeit, strategische Resilienz und sicherheitspolitische Robustheit. Diese Politik wird sowohl Effizienz als auch Innovation fördern, gleichzeitig jedoch auf die Reduzierung kritischer Abhängigkeiten ausgerichtet sein und damit auf geopolitische Herausforderungen reagieren. Die vielleicht wichtigste Herausforderung liegt darin, potenzielle Konflikte zwischen diesen Zielgrößen innerhalb eines kohärenten institutionellen Rahmens aufzulösen, der den bestehenden institutionellen und wirtschaftlichen Strukturen in Europa gerecht wird.

Eine wettbewerbsorientierte Industriepolitik basiert auf evidenzgestützten Ansätzen und integriert den Wettbewerb sowohl als Ziel als auch als Mechanismus zur effizienten Allokation von Fördermitteln. Digitale Technologien und moderne Analysemethoden helfen, die Wirksamkeit industriepolitischer Maßnahmen präzise und rasch zu messen. Policy Sandboxes können die Wirksamkeit der Maßnahmen erhöhen. Eine solche Industriepolitik berücksichtigt die angestrebten Ziele, ohne die Funktionsfähigkeit der Märkte signifikant zu beeinträchtigen – im besten Fall stärkt sie diese vielmehr. Der Balancing-Test aus der EU-Beihilfekontrolle, der dazu dient, Marktversagen zu identifizieren, die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen zu prüfen und Wettbewerbseffekte abzuwägen, bietet ein analytisches Instrumentarium für die Strukturierung industriepolitischer Maßnahmen.

Für die Verwirklichung einer wettbewerbsorientierten Industriepolitik auf EU-Ebene ist eine Koordination zwischen den Mitgliedstaaten und den europäischen Institutionen erforderlich. Dabei empfiehlt sich ein zweigleisiger Ansatz: Zum einen bleibt die Beihilfenkontrolle wesentlich, um eine Fragmentierung in Form von 27 voneinander unabhängigen Formen nationaler Industriepolitik zu vermeiden. Ein gemeinsamer europäischer Rahmen für eine koordinierte Industriepolitik kann zur Kohärenz und Effizienz beitragen. Zum anderen gewinnt eine Ex-ante-Perspektive an Bedeutung, in der die EU industriepolitische Leitlinien für strategische Sektoren formuliert. Programme wie die IPCEI zeigen, dass koordinierte Investitionen in Schlüsseltechnologien wie Mikroelektronik, Wasserstoff und Batteriezellfertigung möglich sind, ohne dass der Wettbewerb erheblich leiden muss.

Im globalen Wettbewerb braucht Europa ein eigenständiges tragfähiges Konzept. Ein groß angelegter Subventionswettlauf mit Akteuren wie China und den Vereinigten Staaten birgt die Gefahr fiskalischer Belastungen und allokativer Fehlanreize für private Investitionen. Deshalb ist es besonders wichtig, strukturelle Standortfaktoren zu stärken, was langfristig günstige Rahmenbedingungen für privatwirtschaftliche Aktivitäten schafft und die Wettbewerbsfähigkeit stärkt. Zu diesen Standortfaktoren zählen auch die Tiefe und Integration des EU-Binnenmarktes, die ordnungspolitische Gestaltungskraft sowie institutionelle Rahmenbedingungen, die Innovationsprozesse und eine effiziente Ressourcenallokation unterstützen. Teil einer ganzheitlichen europäischen Industriepolitik kann auch sein, präferenzielle Handelsabkommen mit Drittstaaten abzuschließen, Direktinvestitionen in rohstoffreichen Ländern zu koordinieren, strategische Vorräte in ausgewählten kritischen Bereichen aufzubauen und industrielle Partnerschaften zu entwickeln, um die Lieferketten für Schlüsseltechnologien zu sichern. Das Zusammenspiel von Industrie- und Handelspolitik verdient einen eigenen Beitrag.

Danksagung

Die Autoren danken Oliver Budzinski, Thiemo Engelbracht, Harald Fadinger, Jens-Uwe Franck, Claudia Steinwender und Oliver Zierke für hilfreiche Anregungen. Martin Peitz dankt der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) für Unterstützung durch den CRC TR 224 (Projekt B05).

  1. Ethik-Erklärung:

  2. Beiträge zur Veröffentlichung: Die Autoren haben die Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Manuskripts übernommen und dessen Einreichung genehmigt. Tomaso Duso ist Vorsitzender der Monopolkommission. Die in diesem Artikel präsentierten Inhalte spiegeln seine persönliche Meinung wider, nicht die der Monopolkommission.

  3. Interessenkonflikte: Die Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  4. Forschungsfinanzierung: Martin Peitz: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) über CRC TR 224 (Projekt B05).

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Online erschienen: 2025-09-01
Erschienen im Druck: 2025-09-02

© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 9.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/pwp-2025-0016/html?licenseType=open-access
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