Zusammenfassung
Die Ausgaben der Sozialen Pflegeversicherung sind in den vergangenen zehn Jahren dramatisch gestiegen, weil die Leistungen stark ausgeweitet wurden und die altersspezifischen Pflegequoten nicht sinken, sondern weiterhin steigen. Wenn nicht gegengesteuert wird, wird die Alterung der Bevölkerung eine Verdopplung des Beitragssatzes bis 2050 nach sich ziehen. Diese Entwicklung, die einen gravierenden Generationenkonflikt auslösen wird, kann nur durch massive Kapitalbildung gemildert werden, die der Babyboomer-Generation in den kommenden 20–30 Jahren helfen wird, ihre Pflegekosten zu tragen. Der 2015 gegründete Pflegevorsorgefonds kann diese Aufgabe nicht erfüllen: Er ist zu klein, seine Mittel wurden renditeschwach investiert, und der Auszahlungszeitraum endet dann, wenn die Pflegequote demographisch bedingt ein Maximum erreichen wird. Vor allem aber ist er nicht vor politischen Zugriffen geschützt, weil sein Ziel die Dämpfung künftiger Beitragssatzanstiege ist und folglich niemand Eigentumsrechte an diesem Fonds hat. Die Behebung dieses Mangels bildet die Grundidee des hier von Friedrich Breyer präsentierten Reformvorschlags. Er plädiert für die Errichtung eines Pflegevorsorgefonds II, bestehend aus überlappenden Teilfonds, von denen jeder durch die Einzahlungen einer Geburtskohorte gespeist wird und zweckgebunden für Pflegeleistungen eben dieser Kohorte zu verwenden ist, so dass die Eigentumsrechte eindeutig spezifiziert und durch Art. 14 Grundgesetz geschützt sind. Der Schutz der Beitragszahler ließe sich durch eine Obergrenze für den Beitragssatz erreichen.
1 Reformbedarf in der Sozialen Pflegeversicherung
In keinem Zweig der deutschen Sozialversicherung sind die (Leistungs-)Ausgaben so steil gestiegen wie in der Sozialen Pflegeversicherung (SPV), und das vor allem im vergangenen Jahrzehnt. Sie benötigten für die erste nominale Verdopplung von 14,3 auf 28,3 Mrd. Euro annähernd 20 Jahre (1997–2016), für die nächste Verdopplung auf 56,9 Mrd. Euro jedoch nur noch sieben Jahre (bis 2023). Das ist umso bemerkenswerter, als die Generation der „Babyboomer“, also der Geburtsjahrgänge der Sechziger Jahre, noch gar nicht in dem Alter angekommen ist, in dem Pflegebedürftigkeit am häufigsten auftritt, jenseits des achtzigsten Lebensjahrs. Hinzu kommt, dass der Anteil der Pflegekosten vor allem in Pflegeheimen, den die SPV übernimmt, mit dem rasanten Anstieg der Kosten selbst nicht Schritt gehalten hat, so dass die Eigenanteile, die die Pflegebedürftigen (oder im Falle der Armut die Sozialhilfe) übernehmen müssen, in den zurückliegenden Jahren überproportional gestiegen sind.
Die Ampelkoalition hat auf diese Entwicklung reagiert. In ihrem Koalitionsvertrag hatte sie eine grundlegende Reform der SPV angekündigt sowie eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe eingesetzt. Zu einem Gesetzentwurf kam es jedoch nicht mehr, und zwar nicht nur, weil die Legislaturperiode vorzeitig endete, sondern vor allem, weil über die Richtung der Reform grundsätzlich unterschiedliche Ansichten bestanden. Die Frage war: Sollen die Leistungen ausgeweitet werden und, wenn ja, mit welchen Finanzierungsinstrumenten?
Dieser Beitrag beginnt mit der Untersuchung, wie sich der Beitragssatz zur SPV in den kommenden Jahrzehnten entwickeln wird, wenn keine durchgreifende Reform vorgenommen wird (Abschnitt 2). Es wird sich zeigen, dass der Anstieg insbesondere im Jahrzehnt ab 2040 so steil zu werden droht, dass die Nachhaltigkeit der Finanzierung nicht nur der SPV, sondern des Gesamtsystems der Sozialversicherung gefährdet ist. Andererseits ist bis 2040 noch Zeit, den drohenden Finanzierungsengpass in der Pflege durch Kapitalbildung zu verringern (Abschnitt 3). Eine solche findet in der SPV sogar schon statt, und zwar in dem 2015 eingerichteten Pflegevorsorgefonds (PVF). Dieser ist jedoch aufgrund seiner Konstruktion nicht geeignet, einen nennenswerten Beitrag zur Lösung des Problems zu leisten. Der zentrale Mangel besteht in den unzureichend definierten Eigentumsrechten an den in diesem Fonds angesparten Mitteln (Abschnitt 4). Von dieser Erkenntnis ausgehend, präsentiere ich in Abschnitt 5 einen Reformvorschlag, der diesen Mangel überwindet, und zeige im Rahmen einer Modellrechnung, welches Potenzial zur Vermeidung von Generationenkonflikten diese Reform beinhaltet. Abschnitt 6 enthält eine zusammenfassende Schlussbemerkung.
2 Modellrechnungen zur Beitragssatzentwicklung bis 2050
2.1 Annahmen
Die im Folgenden dargestellte Modellrechnung zur künftigen Beitragssatzentwicklung basiert auf folgenden Grundlagen und Annahmen:
Alle Geldbeträge werden in realen Größen ausgedrückt, also deflationiert. Als Basisjahr wird 2020 verwendet.
Lorenz, Ihle und Breyer (2020) haben in einer ökonometrischen Analyse von Individualdaten von mehr als 300.000 Versicherten der AOK Hessen über 15 Jahre (2001–2015) untersucht, wie die Ausgaben der SPV für einen Versicherten vom Alter (und der Nähe zum Tod) der Person abhängen.[1] Zusätzlich wurde ein Zeittrend der Ausgaben identifiziert, indem die demographische Zusammensetzung künstlich konstant gehalten wurde. Der Zeittrend kann zum einen Leistungsausweitungen widerspiegeln, zum anderen einen Anstieg der altersspezifischen Pflegequoten. Es wird nun unterstellt, dass sowohl die Abhängigkeit vom Alter als auch der Zeittrend bis zum Jahr 2050 unverändert fortdauern. In der SPV lässt der Zeittrend alle Ausgaben mit der jährlichen Rate von 2,198 Prozent wachsen, die wir als „Pflegeinflation“ bezeichnen (ebenda, Tabelle 6, S. 17).
Die demographische Entwicklung wird der (damals neuesten) 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes entnommen, und zwar in der mittleren Variante (G2, W2, L2).
Zum Zwecke der Berechnung der Beitragssatzentwicklung wird angenommen, dass die Bemessungsbasis für die Beiträge stets mit derselben Rate wächst wie das Bruttoinlandsprodukt.
Das reale Bruttoinlandsprodukt, das im Jahr 2023 3.616,4 Mrd. Euro betrug, wächst bis 2050 mit derselben Rate wie das Produktionspotenzial. Dessen prognostizierte Wachstumsrate wird dem Jahresgutachten 2023 des Sachverständigenrats im Referenzszenario entnommen, die in Tabelle 19 (SVR 2023, S. 148) berechnet wird und im Prognosezeitraum zwischen 0,4 % und 0,8 % pro Jahr variiert.
Zuführungen an den und Auszahlungen aus dem Pflegevorsorgefonds werden in diesen Berechnungen ignoriert. Diese Vereinfachung erscheint legitim, weil die Zuführungen bis zum Jahr 2023 lediglich 0,1 Beitragssatzpunkten entsprachen und in den Jahren 2024 bis 2027 noch geringer ausfallen werden. Folglich – und bedingt durch eine wenig renditeorientierte Anlagestrategie (siehe Abschnitt 4) – werden die Auszahlungen in den Jahren ab 2035 weniger als 0,1 Beitragssatzpunkte ausmachen.
Die Ergebnisse der Modellrechnung sind in Tabelle 1 zusammengefasst.
2.2 Projektion der Ausgaben der Sozialen Pflegeversicherung
Spalte B in Tabelle 1 zeigt, dass die Alterung der Bevölkerung für sich genommen die Ausgaben der SPV bis zum Jahr 2050 um 44,9 Prozent steigern würde, wobei die Entwicklung nicht gleichmäßig verläuft: Während der Anstieg bis zum Jahr 2040 mit einer Jahresrate von etwa 1 Prozent verläuft, beschleunigt sich dieser im Jahrzehnt ab 2040 auf etwa 1,6 Prozent. Hinzu kommt die Fortschreibung der spezifischen Inflation der Pflegekosten mit der Jahresrate von 2,198 Prozent, die in Spalte C dargestellt ist, und die für sich genommen die realen SPV-Ausgaben bis 2050 um 92 Prozent steigern würde.
Beide Faktoren gemeinsam ergeben, wie in Spalte D dargestellt, einen prozentualen Anstieg der SPV-Ausgaben um 38,1 Prozent (90,8 Prozent, 178,2 Prozent) bis 2030 (2040, 2050) und daher die folgende Prognose der Gesamtausgaben, ausgehend vom Basiswert im Jahr 2020 von 45,6 Mrd. Euro (Spalte F in Tabelle 1):
2023: |
50,3 Mrd. Euro |
2030: |
63,0 Mrd. Euro |
2040: |
87,0 Mrd. Euro |
2050: |
126,9 Mrd. Euro. |
Projektion der Beitragssatzentwicklung bis 2050
Ausgaben der Pflegeversicherung (Basisjahr 2020) |
|
SPV-Beitragssatz |
||||||
A |
B |
C |
D |
E |
F |
G |
H |
I |
|
|
|
Ausgaben in Mrd. € |
|
|
|||
Simulation |
||||||||
Jahr |
Alterung |
Pflegeinflation |
beides |
ab 2020 |
ab 2023 |
BIP real in Mrd. € |
Breyer |
IGES |
2020 |
1,000 |
1,000 |
1,000 |
45,6 |
|
3.449,6 |
|
|
2021 |
1,011 |
1,022 |
1,033 |
47,1 |
|
3.577,2 |
|
|
2022 |
1,022 |
1,044 |
1,068 |
48,7 |
|
3.627,3 |
|
|
2023 |
1,033 |
1,067 |
1,103 |
50,3 |
56,9 |
3.616,4 |
3,40 |
|
2024 |
1,044 |
1,091 |
1,139 |
52,0 |
58,8 |
3.630,9 |
3,50 |
|
2025 |
1,056 |
1,115 |
1,177 |
53,7 |
60,7 |
3.645,4 |
3,60 |
|
2026 |
1,067 |
1,139 |
1,215 |
55,4 |
62,7 |
3.660,0 |
3,70 |
3,67 |
2027 |
1,078 |
1,164 |
1,255 |
57,2 |
64,7 |
3.674,6 |
3,81 |
3,77 |
2028 |
1,089 |
1,190 |
1,296 |
59,1 |
66,8 |
3.689,3 |
3,92 |
3,87 |
2029 |
1,100 |
1,216 |
1,338 |
61,0 |
69,0 |
3.704,1 |
4,03 |
3,97 |
2030 |
1,111 |
1,243 |
1,381 |
63,0 |
71,2 |
3.726,3 |
4,13 |
4,07 |
2031 |
1,123 |
1,270 |
1,427 |
65,1 |
73,6 |
3.748,7 |
4,24 |
4,10 |
2032 |
1,136 |
1,298 |
1,474 |
67,2 |
76,1 |
3.771,2 |
4,36 |
4,13 |
2033 |
1,148 |
1,327 |
1,523 |
69,5 |
78,6 |
3.793,8 |
4,48 |
4,16 |
2034 |
1,161 |
1,356 |
1,574 |
71,8 |
81,2 |
3.816,6 |
4,60 |
4,19 |
2035 |
1,173 |
1,386 |
1,625 |
74,1 |
83,8 |
3.839,5 |
4,72 |
4,00 |
2036 |
1,185 |
1,416 |
1,679 |
76,5 |
86,6 |
3.862,5 |
4,84 |
4,00 |
2037 |
1,198 |
1,447 |
1,733 |
79,0 |
89,4 |
3.885,7 |
4,97 |
4,00 |
2038 |
1,210 |
1,479 |
1,790 |
81,6 |
92,3 |
3.909,0 |
5,10 |
4,00 |
2039 |
1,223 |
1,511 |
1,848 |
84,3 |
95,3 |
3.932,4 |
5,24 |
4,12 |
2040 |
1,235 |
1,545 |
1,908 |
87,0 |
98,4 |
3.963,9 |
5,37 |
4,24 |
2041 |
1,256 |
1,579 |
1,983 |
90,4 |
102,3 |
3.995,6 |
5,53 |
4,28 |
2042 |
1,278 |
1,613 |
2,062 |
94,0 |
106,4 |
4.027,6 |
5,71 |
4,32 |
2043 |
1,299 |
1,649 |
2,142 |
97,7 |
110,5 |
4.059,8 |
5,88 |
4,37 |
2044 |
1,321 |
1,685 |
2,225 |
101,5 |
114,8 |
4.092,3 |
6,06 |
4,41 |
2045 |
1,342 |
1,722 |
2,311 |
105,4 |
119,2 |
4.125,0 |
6,25 |
4,45 |
2046 |
1,363 |
1,760 |
2,400 |
109,4 |
123,8 |
4.158,0 |
6,43 |
4,49 |
2047 |
1,385 |
1,799 |
2,491 |
113,6 |
128,5 |
4.191,3 |
6,63 |
4,53 |
2048 |
1,406 |
1,838 |
2,585 |
117,9 |
133,3 |
4.224,8 |
6,82 |
4,58 |
2049 |
1,428 |
1,879 |
2,682 |
122,3 |
138,4 |
4.258,6 |
7,02 |
4,62 |
2050 |
1,449 |
1,920 |
2,782 |
126,9 |
143,5 |
4.292,7 |
7,22 |
4,66 |
Quelle: Spalten B-D: Lorenz et al. 2020, Spalte G: Sachverständigenrat 2023, Tabelle 19, Spalte I: IGES 2024, Tabelle 2
Vergleicht man den ersten Prognosewert für das Jahr 2023 mit den tatsächlichen Ausgaben von 56,9 Mrd. Euro, so erkennt man, dass selbst die pessimistische Prognose von 10,3 Prozent Anstieg in drei Jahren von der Realität übertroffen wurde. Dieser besonders starke Anstieg um 24,8 Prozent in drei Jahren erklärt sich zum einen durch den Sondereffekt der COVID19-Zahlungen an die Pflegeheime, zum anderen aber auch durch die Einführung der Zuschläge zu den pflegebedingten Kosten nach § 43c SGB XI, die gemäß unserer Taxonomie eine Leistungsausweitung darstellt, wie sie im Konzept der „Pflegeinflation“ erfasst ist.
Wenn man als Basiswert für die Simulation des Zeitraums bis 2050 die tatsächlichen Ausgaben von 56,9 Mrd. Euro statt der prognostizierten von 50,3 Mrd. Euro verwendet, so erhöhen sich die geschätzten Werte für die weiteren Jahre entsprechend bis hin zu 143,5 Mrd. Euro im Jahr 2050 (Spalte F). Für die nachfolgende Berechnung der Beitragssatzentwicklung spielt diese Wahl jedoch keine Rolle, weil ich für diese das Jahr 2023 mit dem tatsächlichen (kostendeckenden) Beitragssatz von 3,4 Prozent als Basisjahr gewählt habe und die Wachstumsraten für die Periode 2023–2050 in den Spalten E und F übereinstimmen.
2.3 Projektion der Beitragssatzentwicklung in der SPV
Nachdem die Ausgabenentwicklung vorausberechnet ist, muss nun die Entwicklung der Bemessungsbasis für die Beiträge vorausgeschätzt werden. Ich unterstelle, dass diese Größe in Zukunft mit derselben Jahresrate wächst wie das reale BIP, das in Spalte G zu finden ist. Dieses wächst zwischen 2023 und 2050 nur um 18,7 Prozent auf 4.293 Mrd. Euro. Demnach steigt der kostendeckende Beitragssatz (Spalte H) über 4,13 Prozent im Jahr 2030 auf 5,37 Prozent im Jahr 2040. Anschließend beschleunigt sich der Anstieg bis auf 7,22 Prozent im Jahr 2050.
2.4 Vergleich mit der Beitragssatzprojektion von IGES
In Spalte I sind die Ergebnisse der Beitragssatzprojektion (hier: in der Basisvariante) dargestellt, die das IGES Institut (2024) im Rahmen seines Gutachtens im Auftrag der Bundesregierung vorgenommen hat. Man sieht, dass IGES die Entwicklung des Beitragssatzes – nicht nur wegen der Einbeziehung des Pflegevorsorgefonds – weit weniger dramatisch prognostiziert, insbesondere für die letzte hier erfasste Dekade, in der der Abstand zwischen den beiden Werten von 1,13 Prozent (2040) auf 2,56 Prozent (2050) wächst. Insgesamt steigt der Beitragssatz laut IGES vom Basisjahr 2026 bis 2050 um weniger als einen Prozentpunkt. In Abbildung 1 sind beide Beitragssatzentwicklungen grafisch dargestellt.

Beitragssatzprojektionen IGES und Breyer, in Prozent
Quelle: IGES 2024 und eigene Berechnungen
Diese Abweichungen gehen naturgemäß auf Unterschiede in den Annahmen zurück, die den Projektionen zugrunde liegen, insbesondere für den Modellzeitraum ab 2029. Abstrahiert man von der von IGES unterstellten jährlichen Inflationsrate von 1,5 Prozent und rechnet daher mit realen Größen, so basiert die hier aufgeführte Basisvariante bei IGES auf den Annahmen, dass die Löhne jedes Jahr um 1,5 Prozent steigen, die Pflegesachleistungen jedoch nur um 1,0 Prozent und die Geldleistungen um 0,5 Prozent. Der dennoch prognostizierte Beitragssatzanstieg beruht also ausschließlich auf der aufgrund der Bevölkerungsalterung wachsenden Pflegequote. Diese Annahmen (IGES 2024, S. 48) erscheinen aus folgenden Gründen als unrealistisch:
Eine jährliche Lohnsteigerung von 1,5 Prozent beträgt mehr als das Doppelte der vom Sachverständigenrat vorausgeschätzten Wachstumsrate des Produktionspotenzials über den Zeitraum bis 2050;
eine Anpassung der Leistungen der Pflegeversicherung um nur 1,0 beziehungsweise 0,5 Prozent jährlich würde angesichts des höheren Lohnwachstums eine ständige Senkung des realen Werts dieser Leistungen (beispielsweise in Stunden einer Pflegekraft) bedeuten. Dies widerspricht der Erfahrung aus der Geschichte der Pflegeversicherung, in der die Leistungen pro Jahr um mehr als 2 Prozent gestiegen sind, während die Reallöhne im Zeitraum 2007–2021 nur um 0,66 Prozent jährlich wuchsen (Statistisches Bundesamt o. J.).
2.5 Beitragsentwicklung in den anderen Zweigen der Sozialversicherung
Die Soziale Pflegeversicherung ist nicht die einzige Sozialversicherung, die aufgrund der Alterung der Bevölkerung in den kommenden Jahrzehnten steigende Beitragssätze erfordern wird. So errechnen Holtemöller et al. (2025, S. 7) in ihrem Basisszenario, also ohne das vom Ampelkabinett im Mai 2024 beschlossene Rentenpaket II, einen Anstieg des Beitrags zur Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) von heute (2025) 18,6 Prozent auf 21,4 Prozent im Jahr 2040. Lorenz et al. (2020) berechneten in dem oben zitierten Modell für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) einen Anstieg von heute 17,5 Prozent auf 23,6 Prozent im Jahr 2040. Werding (2021, S. 18) errechnet für dasselbe Jahr einen Gesamtbeitrag zur Sozialversicherung von 49,9 Prozent. Es handelt sich bei diesen Zahlen nicht um Prognosen, sondern um Modellrechnungen, die die Frage beantworten: Was passiert, wenn nichts passiert, also wenn keine nennenswerten Reformen in den Leistungskatalogen dieser Versicherungen vorgenommen werden? Im Folgenden wird es um die Frage gehen, welche Rolle Kapitaldeckung spielen kann, um diese Entwicklungen abzufedern.
3 Nachhaltigkeit der Finanzierung und die Rolle der Kapitaldeckung
3.1 Zum Begriff der Nachhaltigkeit
Der Begriff der Nachhaltigkeit ist zu einem beliebten Schlagwort in der politischen Debatte geworden, was womöglich damit zusammenhängt, dass dafür keine allgemein anerkannte Definition existiert. Man könnte allerdings die Definition aus dem Brundtland-Bericht verwenden und eine nachhaltige Entwicklung so definieren, dass sie „die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können“ (Hauff 1987, S. 46).
Ähnlich fordert der Philosoph James Woodward (1986, S. 819, meine Übersetzung): „Jede Generation sollte für nachrückende Generationen eine Bandbreite an Ressourcen und Chancen hinterlassen, die mindestens gleich groß ist wie die Bandbreite der eigenen Ressourcen und Chancen.“ Im Kontext der Sozialversicherung kann man den Begriff der „Ressourcen und Chancen“ so deuten, dass sich darin sowohl die Leistungsansprüche als auch das Nettoeinkommen nach Abzug der Sozialabgaben widerspiegeln. Eine Entwicklung wäre somit nicht nachhaltig, wenn ein gleichbleibendes Leistungsniveau mit über die Zeit stark steigenden Beitragssätzen verbunden wäre, beispielsweise weil wegen eines Geburtenrückgangs das Zahlenverhältnis von Beitragszahlern zu potenziellen Leistungsempfängern gesunken ist.
Die Nachhaltigkeit kann in dieser Situation dadurch wiederhergestellt werden, dass die „alte“ Generation rechtzeitig Kapital bildet, mit dem die finanzielle Lücke zwischen dem Beitragsaufkommen bei stabilen Beiträgen und den Kosten der Erfüllung der Leistungsansprüche geschlossen werden kann. Daher ist im Folgenden zu fragen, wie ein Vorsorgefonds im Rahmen der SPV zu gestalten wäre, der dieser Aufgabe gerecht wird.
3.2 Varianten des Pflegevorsorgefonds
Grundsätzlich gibt es zwei Möglichkeiten, eine Lücke zwischen (steigenden) Leistungsansprüchen und dem Beitragsaufkommen zu schließen. Man kann
die Leistungsansprüche der alten Generation festschreiben und die angesparten Mittel dazu verwenden, den daraus resultierenden Beitragssatzanstieg zu dämpfen. Das ist der im existierenden Pflegevorsorgefonds implementierte Ansatz, dessen Eignung zur Problemlösung ich in Abschnitt 4 erörtere, oder
den Beitragssatz dauerhaft festschreiben und die Mittel aus dem Fonds dazu verwenden, das Sinken des Leistungsniveaus ganz oder teilweise zu kompensieren. Diese Variante ist Gegenstand von Abschnitt 5.
Allgemeiner gesprochen, kann die langfristige Steuerung einer Sozialversicherung entweder dem Leistungsprimat („defined benefit“) oder dem Beitragsprimat („defined contribution“) folgen. Beim Leistungsprimat werden die Leistungsansprüche vom Gesetzgeber festgelegt, beispielsweise nach dem jeweiligen „Bedarf“, und der zur Finanzierung erforderliche Beitragssatz errechnet sich aus der Budgetgleichung der Sozialversicherung. Beim Beitragsprimat wird der Beitragssatz fixiert und die Leistungen werden so angepasst, dass sie aus dem Beitragsaufkommen finanzierbar sind. Während die GKV zumindest auf mittlere Sicht dem Leistungsprimat folgt, gilt für die SPV weder das eine noch das andere in Reinform, denn der Gesetzgeber legt sowohl die Erstattungssätze der Pflegekassen als auch den Beitragssatz fest.
4 Der Pflegevorsorgefonds: gegenwärtige Struktur und Probleme
Der Pflegevorsorgefonds nach §§ 131–139 SGB XI wurde am 1. Januar 2015 eingerichtet, um „die Finanzierung der aufgrund der demografischen Entwicklung im Zeitverlauf deutlich steigenden Leistungsausgaben gerechter auf die Generationen“ zu verteilen, wie es in der Gesetzesbegründung heißt (Deutscher Bundestag 2014, S. 42). Das Gesetz sieht vor, dass über einen Zeitraum von 20 Jahren (2015–2034) Mittel im Umfang von 0,1 Beitragssatzpunkten von der SPV in ein Sondervermögen eingezahlt werden, das dann über einen weiteren Zeitraum von 20 Jahren (2035–2054) in real gleichen Raten aufgelöst und zur Stabilisierung des Beitragssatzes verwendet werden soll.
Schon im Zuge seiner Gründung wurde diese gesetzliche Maßnahme von Ökonomen (vgl. beispielsweise Breyer 2016) mit verschiedenen Argumenten kritisiert, die man im Wesentlichen so zusammenfassen kann:
zu geringes Ausmaß der Kapitalbildung,
ungeeignetes Timing der Auszahlungen,
Gefährdung der Kapitalbildung im politischen Prozess.
Mittlerweile muss man einen weiteren Kritikpunkt hinzufügen:
nicht renditeorientierte Anlagestrategie.
Der erste Kritikpunkt ist offensichtlich; auf die drei anderen wird im Folgenden detailliert eingegangen, bevor ich in Abschnitt 5 einen Reformvorschlag formulieren kann.
4.1 Warum das Timing der Auszahlungen das Demographieproblem nicht löst
Der vom Bundestag gewählte Zeitraum für die Auflösung des PVF wird in der Gesetzesbegründung (ebenda) wie folgt motiviert: „Der gewählte Ansparzeitraum von 20 Jahren ergibt sich daraus, dass die Geburtsjahrgänge 1959 bis 1967 mit 1,24 Millionen bis 1,36 Millionen Menschen deutlich stärker besetzt sind als die davor und danach liegenden Jahrgänge. Im Jahr 2034 erreicht der erste Jahrgang das 75. Lebensjahr, nach dem die Wahrscheinlichkeit pflegebedürftig zu sein, deutlich ansteigt. Etwa 20 Jahre später ist ein größerer Teil dieses Personenkreises bereits verstorben und die erheblich schwächer besetzten Jahrgänge nach 1967 rücken in das Pflegealter vor. Dementsprechend ist in diesem Zeitraum eine besonders hohe Zahl von Pflegebedürftigen zu versorgen.“
Projektion der Pflegequote älterer Menschen bis 2060
Jahresende |
2025 |
2030 |
2035 |
2040 |
2045 |
2050 |
2055 |
2060 |
Pflege-quote |
Altersgruppe |
Bevölkerung in Millionen |
||||||||
60–64 |
6.601 |
6.181 |
4.823 |
4.908 |
5.261 |
5.661 |
5.227 |
5.236 |
0,04 |
65–69 |
5.509 |
6.248 |
5.872 |
4.594 |
4.691 |
5.042 |
5.441 |
5.032 |
0,06 |
70–74 |
4.499 |
5.076 |
5.789 |
5.461 |
4.288 |
4.401 |
4.747 |
5.140 |
0,10 |
75–79 |
3.481 |
3.973 |
4.517 |
5.183 |
4.914 |
3.879 |
4.008 |
4.343 |
0,17 |
80–84 |
2.761 |
2.839 |
3.269 |
3.755 |
4.343 |
4.145 |
3.298 |
3.443 |
0,31 |
85–89 |
2.270 |
1.843 |
1.966 |
2.290 |
2.676 |
3.135 |
3.021 |
2.436 |
0,54 |
90+ |
947 |
1.314 |
1.221 |
1.301 |
1.541 |
1.865 |
2.261 |
2.367 |
0,81 |
Pflegebedürftige |
4.485 |
4.744 |
4.956 |
5.353 |
5.795 |
6.117 |
6.176 |
6.064 |
|
Bevölkerung |
84.757 |
85.152 |
85.084 |
84.853 |
84.469 |
83.962 |
83.403 |
82.943 |
|
Pflegequote |
5,3 % |
5,6 % |
5,8 % |
6,3 % |
6,9 % |
7,3 % |
7,4 % |
7,3 % |
|
Quelle: Statistisches Bundesamt, 15. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, Pflegequoten: Demographie-Portal des Bundes
Ebenso wie manche Prognosen von Politikern bei der Einrichtung der Pflegeversicherung bezüglich der zu erwartenden Ausgabenentwicklung[2] ist auch diese Prognose fehlerhaft. Das weiß man nicht erst heute, sondern Demographie-Experten haben schon damals darauf hingewiesen. Es wurden mehrere Zusammenhänge übersehen: Zum einen ist nicht der Babyboom als solcher für die Alterung der Bevölkerung ursächlich, sondern vielmehr der nachfolgende Geburtenrückgang („baby bust“), der immer noch andauert. Daher ist der hohe Anteil von über 75-Jährigen kein vorübergehendes Problem. Zum anderen steigt die ferne Lebenserwartung der 65-Jährigen. Damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Männer mehr als 85 und Frauen mehr als 90 Jahre alt werden und somit ein Alter erreichen, in dem die Pflegequote stark wächst. Es gilt also nicht, wie vor einiger Zeit im politischen Raum geäußert wurde, „einen Rentnerberg zu untertunneln“[3]. Vielmehr wird im Laufe des Jahrzehnts ab 2040 bezüglich Altersquotient und Pflegequote ein Plateau erreicht, das einige Jahrzehnte andauern wird, sofern sich nicht in der Zwischenzeit die Geburtenrate massiv erhöht, wofür es derzeit keine Anzeichen gibt.
Zur Illustration sei Tabelle 2 betrachtet, in der die vom Statistischen Bundesamt prognostizierte Zahl der Personen in den Altersgruppen über 60 Jahren zu verschiedenen Zeitpunkten zwischen 2025 und 2060 aufgeführt ist sowie die altersspezifischen Pflegequoten des Jahres 2021.[4] Unterstellt man, dass diese Quoten konstant bleiben, multipliziert man sie mit der jeweiligen Personenzahl und setzt dann die Summe ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung, so sieht man, dass die Pflegequote im Jahr 2035 mit 5,8 Prozent noch keineswegs besonders hoch ist, sondern danach bis 2050 auf 7,3 Prozent steigt und anschließend (mindestens) bis 2060 auf etwa demselben Niveau verharrt.[5] Daraus folgt, dass es keine verantwortungsvolle Politik darstellt, die Beitragssatzentwicklung schon 2035 zu dämpfen und alle Mittel bis 2055 zu verausgaben, wenn die Pflegequote voraussichtlich gerade erst ihr Maximum erreicht.
4.2 Ineffiziente, weil wenig renditeorientierte Anlagestrategie
Die Möglichkeit, den Beitragssatzanstieg in der Auszahlungsphase des PVF zu dämpfen, hängt naturgemäß nicht nur von der Höhe der Einzahlungen in der ersten Phase ab, sondern auch von den während der Anlagephase erzielten Renditen und damit von der Anlagestrategie. Diese ist in § 134 SGB XI wie folgt beschrieben: „Die dem Sondervermögen zufließenden Mittel einschließlich der Erträge sind unter sinngemäßer Anwendung der Anlagerichtlinien für die Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Bundes“, „Versorgungsfonds des Bundes“, „Versorgungsfonds der Bundesagentur für Arbeit“ und „Vorsorgefonds der sozialen Pflegeversicherung“ (Anlagerichtlinien Sondervermögen) zu marktüblichen Bedingungen anzulegen. Dabei ist der in Aktien oder Aktienfonds angelegte Anteil des Sondervermögens ab dem Jahr 2035 über einen Zeitraum von höchstens zehn Jahren abzubauen.“
Kapitalbestand im PVF – real und fiktiv
Jahr |
Zuführung Mio. Euro |
Kapitalbestand in Mio. Euro |
DAX Schlusskurs |
Stückzahl Kauf |
Bestand DAX |
Kapitalwert in Mio. Euro |
2015 |
1.100 |
1.086 |
10.743 |
102.392 |
102.392 |
1.100 |
2016 |
1.288 |
2.444 |
11.481 |
112.185 |
214.578 |
2.464 |
2017 |
1.355 |
3.827 |
12.918 |
104.892 |
319.470 |
4.127 |
2018 |
1.413 |
5.167 |
10.559 |
133.819 |
453.289 |
4.786 |
2019 |
1.477 |
7.188 |
13.249 |
111.480 |
564.770 |
7.483 |
2020 |
1.526 |
9.010 |
13.719 |
111.233 |
676.002 |
9.274 |
2021 |
1.570 |
10.750 |
15.885 |
98.835 |
774.838 |
12.308 |
2022 |
1.629 |
10.451 |
13.924 |
116.992 |
891.830 |
12.418 |
2023 |
0 |
11.642 |
16.752 |
0 |
891.830 |
14.940 |
2023* |
1.720 |
13.362 |
16.752 |
102.674 |
994.504 |
16.660 |
2024 |
2.420 |
14.694 |
19.909 |
121.553 |
1.013.383 |
20.175 |
Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 2024; Werte für 2024 geschätzt
Anmerkung: Die Zuführungen des Jahres 2023 wurden auf 2024 verschoben. Die Zeile 2023* stellt dar, wie die Entwicklung bei einer nicht verschobenen Zuführung verlaufen wäre.
Dazu muss man wissen, dass die in den Anlagerichtlinien festgelegte Aktienquote ohnehin sehr niedrig ist (2015–2016: 10 Prozent, 2017–2020: 20 Prozent) und erst 2021 auf 30 Prozent angehoben wurde. Der weit überwiegende Teil der Anlagen besteht hingegen aus festverzinslichen Wertpapieren, deren Verzinsung in den Jahren 2015–2021 nahezu null betrug und deren Kurswert mit dem Anstieg der Zinsen im Jahr 2022 deutlich unter den Nennwert fiel, was die Rendite vorübergehend noch weiter drückte.
Welchen möglichen Wertzuwachs diese extrem konservative Anlagestrategie verhindert hat, ist in Tabelle 3 dargestellt. Zum 31. Dezember 2023 wies der PVF einen Kapitalbestand von 11,642 Mrd. Euro auf. Das ist nur wenig mehr als die Summe der Zuführungen bis Ende 2022, nämlich 11,358 Mrd. Euro. In der Tabelle ist ebenfalls der fiktive Kapitalbestand dargestellt, der zum selben Zeitpunkt erreicht worden wäre, wenn die Verwalter des Fonds seit 2015 immer am Ende des Jahres alle Zuführungen in einen DAX-ETF investiert hätten.[6] Dazu müssen lediglich die Zuführungen durch den jeweiligen Jahresschlusskurs des DAX dividiert und diese Investitionen aufaddiert werden. Ende des Jahres 2023 hätten dann 891.830 Stück dieses ETF mit einem Marktwert von 14,94 Mrd. Euro in den Büchern gestanden; das sind 28,3 Prozent mehr als mit der tatsächlich gewählten Anlagestrategie. In der Zeile 2023* der Tabelle ist ebenfalls zu ersehen, wie schädlich sich die Verschiebung der für 2023 vorgesehenen Zuführungen ins Jahr 2024 ausgewirkt haben, da der DAX gerade 2024 erhebliche Kursgewinne verzeichnet hat. Mit einer rechtzeitigen Zuführung der 1,72 Mrd. Euro und einer konsequenten Anlage aller Mittel in DAX-ETFs hätte sich der Kapitalbestand Mitte Dezember 2024 auf knapp 20 Mrd. Euro belaufen. Der tatsächliche Kapitalbestand lautet hingegen geschätzt nur etwa 14,7 Mrd. Euro.[7]
Nun könnte man einwenden, dies sei eine typische Ex-post-Betrachtung, weil man die Entwicklung am Aktienmarkt im Jahr 2015 nicht habe vorhersehen können. Dieser Einwand ist aber nicht berechtigt: Über längere Zeiträume rentiert sich Produktivkapital erfahrungsgemäß immer besser als eine Anlage in Staatsschuldverschreibungen. Dies ist auch die Grundidee des im Rentenpaket II des Jahres 2024 befindlichen „Generationenkapitals“, aus dessen Erträgen der Beitragssatz in der Gesetzlichen Rentenversicherung von 2035 an gedrückt werden soll. Ohne die Differenz zwischen den Renditen von Aktienindexfonds und Staatspapieren gäbe es diese Erträge nicht. Entsprechend ist auch der vorgesehene Abbau jeglicher Aktienanlagen bis 2045, also 10 Jahre vor der letzten Auszahlung, kritisch zu sehen.
4.3 Gefährdung des Fonds im politischen Prozess
Als der PVF im Jahr 2015 eingeführt wurde, fühlten sich viele Beobachter an den Joseph Schumpeter zugeschriebenen Spruch erinnert: „Eher legt sich ein Hund einen Wurstvorrat an als eine demokratische Regierung eine Budgetreserve.“ Sie hatten recht: Kurz nach ihrer Nominierung zur Kanzlerkandidatin von Bündnis90/Die Grünen schlug Annalena Baerbock am 30. April 2021 vor, den PVF aufzulösen, um eine bessere Entlohnung der Pflegekräfte durch die SPV zu finanzieren.[8] Während sich diese Forderung am Ende doch nicht im Wahlprogramm ihrer Partei wiederfand, wurde in der laufenden Legislaturperiode von Gesundheitsminister Karl Lauterbach schon 2022 angeregt, den Fonds zwar nicht aufzulösen, aber die Zuführung von Beitragsmitteln eine Zeitlang auszusetzen.[9] Tatsächlich erfolgten im Jahr 2023 keine Zuführungen. Diese wurden zwar 2024 nachgeholt, zugleich beschloss aber Ende 2023 der Bundestag, die Zuführungen für vier Jahre (2024–2027) auf 700 Mio. Euro im Jahr festzusetzen und damit um jeweils mehr als eine Milliarde Euro zu kürzen. Die wegen seiner geringen Höhe und ineffizienten Anlagestrategie schwache Wirksamkeit zur Abflachung der künftigen Beitragssatzkurve wurde damit noch weiter minimiert. Es ist keineswegs sicher, dass – wie in § 61a SGB XI vorgesehen – von 2028 an wieder die volle Zuweisung von 0,1 Beitragssatzpunkten erfolgen wird.
Warum ist diese (prognostizierte) Gefährdung des Fonds im politischen Prozess tatsächlich eingetreten und warum haben sich die jungen Bundestagsabgeordneten nicht genügend dagegen gewehrt? Der Grund dafür liegt meines Erachtens in der unklaren Zielbestimmung – wem kommt konkret eine mögliche Stabilisierung des Beitragssatzes zugute? – oder, anders ausgedrückt, darin, dass es niemanden gibt, der Eigentumsrechte an den im Fonds steckenden Mitteln geltend machen und sich daher wehren kann, wenn der Fonds geschwächt wird. Ein Fonds, der niemandem gehört, ist der Zweckentfremdung ebenso ausgesetzt wie eine intakte Umwelt, die ebenfalls niemandem gehört und daher permanent in Gefahr der Übernutzung schwebt. Eine Reform, die die Funktionsfähigkeit des Fonds im Hinblick auf die Nachhaltigkeit der Pflegefinanzierung wiederherstellen soll, muss deshalb auf der Idee der Schaffung von Eigentumsrechten beruhen.
5 Ein reformierter Fonds für mehr Nachhaltigkeit in der Pflegefinanzierung
5.1 Grundidee: Schaffung eines Fonds mit definierten Eigentumsrechten
Wenn man von der Annahme ausgeht, dass die Steuerung der SPV in den kommenden Jahrzehnten im Sinne der Nachhaltigkeit dem Beitragsprimat folgt, so sind die Leistungen dieser Versicherung nicht mehr politisch frei wählbar. Das ist kein Widerspruch zu den bislang verfolgten Grundsätzen der Pflegeversicherung, denn anders als in der Gesetzlichen Krankenversicherung gibt es in der SPV keinen festen Leistungskatalog, dessen Einhaltung die Versicherten im Zweifelsfall einklagen können. Stattdessen sind die Leistungen in der Regel als feste Geldbeträge je nach Pflegegrad und Versorgungsform definiert – auch wenn sie Pflegesachleistung heißen. Eine Leistungsausweitung besteht, wenn es sich nicht um eine ganz neue Sach- oder Geldleistung handelt, in der Dynamisierung dieser Geldbeträge. Wenn der Beitragssatz festliegt, so ergibt sich daraus, abhängig von den anderen Faktoren wie der Entwicklung der beitragspflichtigen Einkommen oder der Pflegequote, wie häufig und in welchem Ausmaß die Beträge dynamisiert werden können. Die Dynamisierung bleibt jedoch bei stabilen Beitragssätzen deutlich hinter dem Anstieg der Pflegekosten zurück, so dass der reale Wert der Basisleistungen im Zeitverlauf sinkt.
Die dadurch entstehende Lücke zum wachsenden Bedarf an Pflegeleistungen, der unter anderem durch die Alterung der Bevölkerung und die Notwendigkeit einer besseren Vergütung der Pflegekräfte entsteht, könnte nun ein reformierter Pflegevorsorgefonds ganz oder zumindest teilweise schließen. Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (2022, S. 28) schreibt dazu: „Wenn ein öffentlicher Vorsorgefonds einen Ersatz für nicht geborene Kinder darstellen soll, so müsste er zum einen erheblich größer sein und zum anderen für jede Geburtskohorte getrennt angelegt werden, um sicherzustellen, dass mit den Beiträgen dieser Kohorte ausschließlich und ‚verursachergerecht‘ Pflegeleistungen für diese Kohorte finanziert werden.“
Die Grundidee einer Reform besteht darin, neben dem bisherigen Pflegevorsorgefonds (im Folgenden: PVF I) einen PVF II einzurichten, der durch folgende Elemente charakterisiert ist:
Der PVF II wird ebenso wie der bisherige PVF I aus dem regulären Beitrag zur SPV gespeist; allerdings sollte die Zuweisung deutlich höher sein als der bislang in § 135 Abs. 1 SGB XI vorgesehene Anteil des PVF I von 0,1 Beitragssatzpunkten. (In den folgenden Beispielrechnungen wird von 0,5 Beitragssatzpunkten ausgegangen.)
Zweck des PVF II ist es nicht, künftige Beitragszahler zu entlasten, sondern einer wohldefinierten Gruppe von Versicherten die Finanzierung zusätzlicher Pflegeleistungen über die umlagefinanzierten Basisleistungen hinaus zu sichern.
Dazu muss der PVF II aus Teilfonds bestehen, die jeweils für eine bestimmte Geburtskohorte gebildet werden (zu denken wäre etwa an fünf aufeinanderfolgende Geburtsjahrgänge). In jeden Teilfonds fließen nur die Beiträge dieser Gruppe; die Mittel sind zweckgebunden zur Aufstockung der regulären Leistungen an Pflegebedürftige aus dieser Gruppe zu verwenden. Damit ist er durch Art. 14 GG vor Zweckentfremdung geschützt.
Als flankierende Maßnahme könnte der bisherige PVF I dahingehend reformiert werden, dass ihm mit Gründung des PVF II keine weiteren Beitragsmittel mehr zugeführt werden, aber seine Verwendung in § 136 SGB XI so geändert wird, dass damit zusätzliche Pflegeleistungen für die ältesten Geburtskohorten finanziert werden, denen keine ausreichende Zeit für die Kapitalbildung im PVF II zur Verfügung steht.
Kapitalbestand im PFV II bei Durchschnittsalter 82
Kohorte |
1965–69 |
1960–64 |
Zinssatz |
Mio. Euro |
Mio. Euro |
3 % |
36.165 |
20.902 |
4 % |
43.311 |
24.125 |
5 % |
51.980 |
27.884 |
Quelle: eigene Berechnung aus Tabelle 5 im Anhang
Eine Beispielrechnung im Anhang zeigt, welches Ausmaß die Kapitalbildung für die verschiedenen Geburtskohorten erreichen könnte (vgl. Tabelle 4): Bei einer Zuweisung von 0,5 Beitragssatzpunkten und einer jährlichen realen Rendite von 3 Prozent würde die Geburtskohorte 1960–1964 selbst bei einem Nullwachstum der Einkommen in 20 Jahren ein Deckungskapital von 20,9 Mrd. Euro ansparen, das anschließend zur Finanzierung zusätzlicher Pflegeleistungen für die dann im Durchschnitt 82-jährigen Versicherten zur Verfügung stünde. In der Geburtskohorte 1965–1969, die für den gleichen Vorgang fünf Jahre mehr Zeit hat, wären es schon 36,2 Mrd. Euro.[10] Für alle jüngeren Kohorten wären die Finanzmittel noch größer.
5.2 Voraussetzungen für die Umsetzung des Reformvorschlags
Eine entscheidende Voraussetzung für die vorgeschlagene Reform zu mehr Nachhaltigkeit in der Finanzierung von Pflegeleistungen ist die Selbstverpflichtung der Gesellschaft, eine rechtlich bindende Obergrenze für den Beitragssatz einzuführen. Eine solche Obergrenze kann sich als Gleichgewicht aus dem politischen Wettbewerb ergeben. Diese Behauptung widerspricht zwar der These von Sinn und Übelmesser (2002), in einer alternden Gesellschaft zähle die Mehrheit der Wähler aufgrund ihres Alters zu den Nettoempfängern von Renten-, Gesundheits- und Pflegeleistungen und werde somit Leistungskürzungen nicht akzeptieren.
Ein Gegenargument liefern allerdings Breyer und Stolte (2001), die zeigen, dass selbst in einer Gerontokratie, in der die (alten) Wähler das Beitragsaufkommen der Sozialversicherung maximieren, die Arbeitsangebotsreaktionen der Mitglieder der Erwerbsgeneration beachtet werden, die sich zu hohen Abgaben unter anderem durch Auswanderung entziehen können. So kann unter Umständen schon vor der Schwelle von 50 Prozent für den Gesamtbeitrag (vgl. die in Abschnitt 2.5 zitierten Projektionen für 2040) ein „Kipppunkt“ erreicht sein, an dem jede weitere Erhöhung der Beitragssätze eine so starke Abwanderung von Leistungsträgern ins Ausland auslöst, dass man mit einer solchen Erhöhung das Aufkommen dieser Abgaben nicht mehr steigern kann (vgl. Fetzer und Hagist 2024).
Auch um dieser Gefahr vorzubeugen, könnte sich der Gesetzgeber zu einer formalen Obergrenze für den Gesamtbeitrag entschließen, womit die zweite Möglichkeit der Begrenzung des Beitragssatzes angesprochen ist, ihre Verankerung im Grundgesetz. In der politischen Debatte ist die Idee einer entsprechenden Grundgesetzänderung schon geäußert worden. So hat im Oktober 2019 der damalige Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier eine im Grundgesetz abgesicherte Obergrenze von 40 Prozent für alle Sozialversicherungsbeiträge vorgeschlagen (ZEIT online 2019). Statt diese einzuführen, gab die Bundesregierung den Arbeitgebern im Jahr 2020 ein informelles Versprechen mit diesem Inhalt, die sogenannte Sozialgarantie. Mittlerweile (Anfang 2025) haben die Beiträge die 42-Prozent-Linie überschritten, ohne dass es zu massiven Protesten von Arbeitgebern oder Arbeitnehmern gekommen wäre.
Dennoch erscheint es nicht ganz unrealistisch, dass in naher Zukunft eine Obergrenze für die Summe der Beitragssätze in den drei Sozialversicherungen mit Generationentransfers entweder im Grundgesetz verankert oder per Urteil des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber aufgegeben wird. Dafür sprechen zwei Analogien:
Das Grundgesetz enthält bereits in Art. 115 eine Vorschrift zur Begrenzung der expliziten Staatsverschuldung, die sogenannte Schuldenbremse, deren Zweck es ist, nachfolgende Generationen von Steuerzahlern vor einer Überbelastung durch Zins- und Tilgungszahlungen zu schützen. Auch wenn über die Details der Schuldenbremse derzeit heftig gestritten wird, herrscht doch weitgehender Konsens darüber, dass es irgendeiner Form der Begrenzung der expliziten Staatsschuld bedarf. Nun ist nicht zu übersehen, dass kommende Generationen auch durch die implizite Staatsschuld belastet werden, die in den Ansprüchen der älteren Generationen auf Sozialleistungen verkörpert ist. Es wäre daher im Interesse des Ausgleichs zwischen den Generationen konsequent, für die letztere Belastung eine Begrenzung vorzusehen.
Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem viel beachteten Klimaschutz-Beschluss vom 24. März 2021 auf die Rechte künftiger Generationen verwiesen, unter anderem in Satz 4: „Das Grundgesetz verpflichtet unter bestimmten Voraussetzungen zur Sicherung grundrechtsgeschützter Freiheit über die Zeit und zur verhältnismäßigen Verteilung von Freiheitschancen über die Generationen.“ Man kann sich daher durchaus vorstellen, dass eine Verfassungsklage Erfolg haben könnte, die sich dagegen wendet, dass den Arbeitnehmern ein zu großer Anteil des erwirtschafteten Einkommens in Form von Zwangsabgaben zur Finanzierung von Renten und Pflegeleistungen überwiegend älterer Mitbürger entzogen wird.
Am Rande sei bemerkt, dass mit der Festlegung einer Obergrenze für die Beitragssätze zur Sozialversicherung im Grundgesetz auch die Bundeszuschüsse zu den einzelnen Zweigen der Sozialversicherung begrenzt werden sollten, um ein Ausweichen auf die Steuerfinanzierung zu verhindern. Eine solche Obergrenze könnte in Form eines maximalen Anteils am Bruttoinlandsprodukt formuliert werden.
Nun könnten Zweifler einwenden, Reformen hin zu mehr Nachhaltigkeit in der Sozialversicherung hätten noch nie dauerhaften Bestand gehabt: So seien sowohl der Nachhaltigkeitsfaktor in der Rentenversicherung als auch die „Rente mit 67“ durch spätere Reformen wieder abgeschwächt worden. Auch gebe es in der aktuellen politischen Diskussion keine Anzeichen dafür, dass das Prinzip der Beitragssatzstabilität relativ zu weiteren Ausgabenwünschen einen hohen Stellenwert einnimmt. Die aktuell dramatische Wachstumsschwäche der deutschen Wirtschaft könnte allerdings im Laufe der Legislaturperiode 2025–2029 zu einem Umdenken führen.
5.3 Praktische Probleme bei der Umsetzung des Reformvorschlags
Neben den politischen und verfassungsrechtlichen Voraussetzungen muss geklärt werden, wie die beschriebenen kohortenspezifischen Fonds in der Praxis zur Finanzierung von Pflegeleistungen verwendet werden können. Dies betrifft vor allem zwei Fragen, von denen die erste auch einen rechtlichen Aspekt beinhaltet:
Kann die Pflegeversicherung Leistungen nach dem Geburtsjahr staffeln?
Wer entscheidet und nach welchem Kriterium wird entschieden, ab wann und in welcher Höhe Zusatzleistungen aus einem der PVF-II-Kohortenfonds finanziert werden?
Ad 1) Eine Staffelung nach dem Geburtsjahr erscheint in der SPV eher möglich als beispielsweise in der GKV, da die SPV grundsätzlich Geldleistungen auszahlt, die wiederum nach zwei Kriterien gestaffelt sind: nach dem Pflegegrad und nach der Versorgungsform. Prinzipiell wäre also eine weitere Staffelung administrativ handhabbar. Rechtlich könnte darin ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gesehen werden, dem man aber entgegnen könnte, dass der Leistung ein Ansparvorgang innerhalb einer Geburtskohorte vorangegangen ist.
Ad 2) Vor allem für ältere Geburtskohorten, die erst im höheren Alter beginnen, Beiträge zum Aufbau eines Kohortenfonds zu leisten, sollte der Gesetzgeber entscheiden, von welchem Alter an und in welcher Höhe zusätzliche Leistungen ausgezahlt werden können. Dabei ist eine aktuarische Kalkulation zu Grunde zu legen, um sicherzustellen, dass der Fonds bis zum Absterben der letzten Mitglieder der Kohorte ausreicht, das festgelegte Leistungsniveau zu finanzieren.
6 Schlussbemerkung
In diesem Beitrag habe ich gezeigt, dass die Alterung der Bevölkerung und der Trend zur Ausweitung der Leistungen entgegen den optimistischen Prognosen bei der Einführung der SPV das Potenzial haben, den schon bisher beobachteten Anstieg des Beitragssatzes nicht nur fortzusetzen, sondern spätestens von 2040 an zu beschleunigen. Es droht damit ein massiver Generationenkonflikt, bei dem entweder die Generation der Beitragszahler überfordert wird – nicht nur durch die Beiträge zur Pflegeversicherung, sondern auch zur Renten- und Krankenversicherung – oder die Generation der Babyboomer mit abrupten Kürzungen der realen Leistungen rechnen muss. Um diesen Konflikt abzumildern und eine nachhaltige Finanzierung der Pflegeversicherung zu erreichen, müsste die Generation der Babyboomer in den nächsten 20 Jahren massiv in Vorsorgekapital investieren. So wie der Pflegevorsorgefonds derzeit konzipiert ist, kann er diese Funktion nicht erfüllen, und zwar nicht nur, weil er zu klein ist und bislang zu wenig renditeorientiert investiert wurde. Der Hauptgrund liegt vielmehr in den unzureichend spezifizierten Eigentumsrechten. Da sein Zweck die Dämpfung künftiger Beitragsanstiege ist, „gehört“ er niemandem und seine Auffüllung wird daher von Politikern als lästige Pflicht angesehen.
Stattdessen schlage ich einen neuen Pflegevorsorgefonds II im Rahmen der SPV vor, der genau dieses Problem löst: Er besteht aus Teilfonds, die jeweils einer Generationenkohorte gehören, die den Fonds durch ihre Einzahlungen gebildet hat. Daher kann sie Ansprüche auf zusätzliche Leistungen über den Basiskatalog der SPV hinaus geltend machen, die aus diesem Kapital finanziert werden, wenn Mitglieder dieser Kohorte pflegebedürftig werden. Eine wichtige Voraussetzung – die allerdings in naher Zukunft ohnehin eintreten könnte – ist die dauerhafte Fixierung des Beitragssatzes, möglicherweise sogar im Grundgesetz.
Für die Generation der Babyboomer ist es noch nicht zu spät für eine Kapitalbildung zur Finanzierung von Pflegeleistungen, die verstärkt im Alter über 80 Jahren erforderlich werden. Es ist aber höchste Zeit zu handeln.
Danksagungen
Für wertvolle Hinweise danke ich Malte Faber, Martin Werding und einem anonymen Referee.
Forschungsfinanzierung: Der Artikel ist eine überarbeitete Version eines Gutachtens im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion
Datenverfügbarkeit: Die verwendeten Daten können auf Anfrage beim Autor angefordert werden.
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Anhang
A1 Eine Beispielrechnung zur Höhe von Geburtskohortenfonds
Die Berechnung der Einzahlungen in die einzelnen Geburtskohortenfonds ist in Tabelle 5 dargestellt. Darin steht jede Zeile für eine Fünf-Jahres-Alterskohorte, die durch das Medianalter dieser Kohorte im Jahr 2024 gekennzeichnet wird (2 für 0–4, 7 für 5–9 usw.). Spalte B gibt an, welcher Anteil der Personen des nächstjüngeren Medianalters nach der Sterbetafel 2021–2023 des Statistischen Bundesamts das Medianalter der betrachteten Altersgruppe erreicht, und zwar im Durchschnitt zwischen Männern und Frauen. Spalte D enthält die Zahl der Versicherten in der SPV in jeder Altersgruppe im Jahr 2023 (in Millionen), die unter Verwendung der Überlebensraten in Spalte B in den Spalten G, K, M und P für spätere Jahre fortgeschrieben werden.
Das durchschnittliche beitragspflichtige Einkommen nach Alter der Versicherten ist nicht bekannt, wird aber in Spalte C mit der Höhe der durchschnittlichen Einkünfte in der jeweiligen Altersgruppe nach der Steuerstatistik des Jahres 2020 approximiert, wobei es für die folgenden Berechnungen lediglich auf die Relation zwischen den Altersgruppen ankommt. Multipliziert man die Personenzahl mit den durchschnittlichen Einkünften pro Kopf, so erhält man (in Spalte E) einen Näherungswert für die beitragspflichtigen Einnahmen der einzelnen Altersgruppen im Jahr 2024 (in Milliarden Euro). Nach diesen Größen relativ zur Gesamtsumme werden in Spalte F die 0,5 Beitragssatzpunkte oder 9,55 Mrd. Euro (Quelle: Bundesministerium für Gesundheit 2024, S. 21) auf die Altersgruppen aufgeteilt und ergeben somit die jährlichen Einzahlungen in den jeweiligen Teilfonds in Millionen Euro. Man sieht, dass diese Einzahlungen in den Geburtskohorten besonders hoch sind, die im Jahr 2023 zwischen 50 und 64 Jahre alt waren; das sind die Babyboomer, die noch im Erwerbsleben stehen. Analog ergeben die Zahlen in den Spalten I, L, O und R die Einzahlungen späterer Perioden. In der Summenzeile wird in den genannten Spalten die Gesamteinzahlung in den Fonds gemäß dem Wachstum des BIP nach Tabelle 1 fortgeschrieben.
Da es sich jeweils um Fünf-Jahres-Perioden handelt, müssen alle diese Einzahlungen mit 5 multipliziert werden, bevor sie für jede einzelne Kohorte mit dem jährlichen Zinssatz bis zum Alter 82 kumuliert werden. In der Tabelle ist dies für zwei Geburtskohorten exemplarisch gezeigt, und zwar für die Geburtskohorten 1965–1969 (fette Zahlen) und 1960–1964 (kursive Zahlen). Die Ergebnisse für drei verschiedene konstante Zinssätze (3, 4 und 5 Prozent) sind in Tabelle 4 im Text zusammengefasst.
Berechnung der Einzahlungen in die Geburtskohortenfonds
|
|
|
2024 |
2029 |
2034 |
2039 |
2044 |
|||||||||||
A |
B |
C |
D |
E |
F |
G |
H |
I |
J |
K |
L |
M |
N |
O |
P |
Q |
R |
|
Alters-gruppe |
Über-lebens-rate |
Einkünfte pro Kopf |
GKV-Versicherte in Mio. |
Einkünfte Gruppe in Mrd. € |
Zahlung an Teil-Fonds in Mio. € |
GKV-Versicherte |
Einkünfte Gruppe |
Zahlung an Teil-Fonds |
GKV-Versicherte |
Einkünfte Gruppe |
Zahlung an Teil-Fonds |
GKV-Versicherte |
Einkünfte Gruppe |
Zahlung an Teil-Fonds |
GKV-Versicherte |
Einkünfte Gruppe |
Zahlung an Teil-Fonds |
|
2 |
1,0000 |
|
3,532 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
7 |
0,9994 |
|
3,742 |
|
|
3,530 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
12 |
0,9996 |
|
3,491 |
|
|
3,741 |
|
|
3,529 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
17 |
0,9994 |
|
3,618 |
|
|
3,489 |
|
|
3,738 |
|
|
3,526 |
|
|
|
|
|
|
22 |
0,9985 |
21.946 |
4,250 |
93,271 |
410 |
3,613 |
79,283 |
365 |
3,484 |
76,450 |
373 |
3,733 |
81,916 |
422 |
3,521 |
77,274 |
426 |
|
27 |
0,9984 |
21.946 |
4,782 |
104,946 |
461 |
4,243 |
93,119 |
428 |
3,607 |
79,154 |
386 |
3,478 |
76,326 |
393 |
3,727 |
81,783 |
451 |
|
32 |
0,9981 |
35.931 |
5,204 |
186,985 |
821 |
4,773 |
171,493 |
789 |
4,235 |
152,167 |
743 |
3,600 |
129,346 |
666 |
3,471 |
124,726 |
688 |
|
37 |
0,9970 |
35.931 |
5,324 |
191,297 |
840 |
5,189 |
186,431 |
858 |
4,759 |
170,985 |
835 |
4,222 |
151,716 |
781 |
3,589 |
128,963 |
712 |
|
42 |
0,9953 |
44.317 |
5,061 |
224,288 |
985 |
5,299 |
234,844 |
1.080 |
5,164 |
228,871 |
1.117 |
4,737 |
209,908 |
1.081 |
4,203 |
186,254 |
1.028 |
|
47 |
0,9927 |
44.317 |
4,545 |
201,421 |
885 |
5,024 |
222,656 |
1.024 |
5,261 |
233,135 |
1.138 |
5,127 |
227,205 |
1.170 |
4,702 |
208,381 |
1.150 |
|
52 |
0,9882 |
47.690 |
5,026 |
239,690 |
1.053 |
4,491 |
214,196 |
985 |
4,965 |
236,778 |
1.156 |
5,199 |
247,922 |
1.277 |
5,066 |
241,615 |
1.333 |
|
57 |
0,9804 |
47.690 |
6,049 |
288,477 |
1.267 |
4,927 |
234,987 |
1.081 |
4,403 |
209,992 |
1.025 |
4,868 |
232,132 |
1.195 |
5,097 |
243,057 |
1.341 |
|
62 |
0,9669 |
40.438 |
5,635 |
227,868 |
1.001 |
5,849 |
236,513 |
1.088 |
4,764 |
192,658 |
941 |
4,258 |
172,166 |
887 |
4,706 |
190,317 |
1.050 |
|
67 |
0,9456 |
24.775 |
4,473 |
110,819 |
487 |
5,328 |
132,009 |
607 |
5,530 |
137,017 |
669 |
4,505 |
111,611 |
575 |
4,026 |
99,740 |
550 |
|
72 |
0,9173 |
24.775 |
3,769 |
93,377 |
410 |
4,103 |
101,656 |
468 |
4,888 |
121,095 |
591 |
5,073 |
125,689 |
647 |
4,133 |
102,383 |
565 |
|
77 |
0,8748 |
24.775 |
2,710 |
67,140 |
295 |
3,297 |
81,683 |
376 |
3,589 |
88,925 |
434 |
4,276 |
105,929 |
546 |
4,438 |
109,947 |
607 |
|
82 |
0,8042 |
24.775 |
2,953 |
73,161 |
321 |
2,179 |
53,993 |
248 |
2,651 |
65,688 |
321 |
2,886 |
71,512 |
368 |
3,438 |
85,186 |
470 |
|
87 |
0,6687 |
24.775 |
2,001 |
49,575 |
218 |
1,975 |
48,919 |
225 |
1,457 |
36,103 |
176 |
1,773 |
43,922 |
226 |
1,930 |
47,817 |
264 |
|
92 |
0,4459 |
24.775 |
0,712 |
17,640 |
77 |
0,892 |
22,104 |
102 |
0,880 |
21,811 |
106 |
0,650 |
16,097 |
83 |
0,790 |
19,583 |
108 |
|
97 |
0,2299 |
24.775 |
0,193 |
4,782 |
21 |
0,164 |
4,055 |
19 |
0,205 |
5,082 |
25 |
0,202 |
5,015 |
26 |
0,149 |
3,701 |
20 |
|
100 |
0,1387 |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
Summe |
|
|
|
2.174,734 |
9.550 |
|
2.117,940 |
9.743 |
|
2.055,911 |
10.038 |
|
2.008,412 |
10.343 |
|
1.950,727 |
10.764 |
Quelle: Spalte B: Statistisches Bundesamt, Sterbetafel 2021–2023, Spalte C: Statistisches Bundesamt, Lohn- und Einkommensteuer 2020, Spalte D: Bundesamt für Soziale Sicherung
Anmerkung: Fette Zahlen betreffen die Geburtskohorten 1965–1969, kursive Zahlen die Geburtskohorten 1960–1964.
© 2025 bei den Autorinnen und Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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