Home Editorial
Article Publicly Available

Editorial

Published/Copyright: February 25, 2023

Vor über 10 Jahren wurde die „Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen in Deutschland“ verabschiedet und ihre wichtigste Zielsetzung lautet: „Sterben, Tod und Trauer als Teil des Lebens zu begreifen, dies im gesellschaftlichen Bewusstsein zu verankern und allen Menschen in Deutschland ihren individuellen Bedürfnissen entsprechend, eine würdevolle Begleitung und Versorgung am Lebensende zu ermöglichen“. Die im Sommer 2022 im Bundestag debattierten Gesetzentwürfe zur Reform der Sterbehilfe, in denen der selbstbestimmte Tod juristisch abgeklärt und Suizidbeihilfe geregelt werden müssen (weil das Bundesverfassungsrecht das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe für verfassungswidrig und nichtig erklärt hatte), veranlasste das Redaktionsteam des Public Health Forums sich mit dem Thema Tod und Sterben auseinanderzusetzen. Zusätzlich lässt die umfassende Stellungnahme des deutschen Ethikrates zu „Suizid - Verantwortung, Prävention und Freiverantwortlichkeit“ aus 2022, Diskussionen wieder aufleben. Sie zeigen die Brisanz dieses sensiblen Themas, aber auch seine gesellschaftliche Relevanz; so fordert der Ethikrat bspw. ausdrücklich, dass insbesondere Einrichtungen der Altenhilfe ihre Leitbilder um Überlegungen zur Sterbekultur weiterentwickeln sollten.

Ein Blick auf die aktuelle Situation in Deutschland verdeutlicht, dass aufgrund von Veränderungen der allgemeinen Lebensbedingungen sowie der überwiegend umfassenden medizinischen Versorgung auf qualitativ hohem Niveau, die durchschnittlich erreichte Lebensspanne groß ist. Gleichzeitig ist die letzte Lebensphase von Multimorbidität, Demenz und/oder anderen schwerwiegenden Erkrankungen gekennzeichnet. Eine immer zentralere Rolle spielt dabei die Linderung von körperlichem oder seelischem Leid im Rahmen einer palliativen Versorgung. Dazu zählt die professionelle Begleitung am Lebensende, die den vermehrten Kommunikationsbedarf von Betroffenen und ihren Angehörigen umfasst, und damit wichtige Fragen zum Tod und Sterben Beachtung finden. Betroffene müssen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, wie z.B. bei Änderungen der Therapieziele. In Pflegeinrichtungen und Hospizen erleben Mitarbeitende, das alte und kranke Menschen sterben möchten, „weil sie nur noch Zeit und Geld kosten“, sie „nicht länger zur Last fallen wollen“. Begriffe, die in diesen Debatten auffallen, sind: Autonomie, Selbstbestimmtheit, Freiwilligkeit. Aber wie autonom und selbstbestimmt kann man allein als Teil einer Kultur, einer Gesellschaft, eines Wertesystems überhaupt sein? Und wie ist hier die ‚Freiwilligkeit‘ zu gewährleisten?

Das vielschichtige Thema Sterben und Tod berührt uns alle. Sie, liebe Leserinnen und Leser, dürfen in diesem Schwerpunktheft „Am Ende des Lebens“ ein breites Themenspektrum erwarten, das vom Verständnis der Palliativversorgung, ethischen Herausforderungen und konkreten Impulsen einer würdevollen Abschieds- und Trauerkultur bis zu Diskussionsbeiträgen zur Bedeutung der Ehrenamtlichkeit und End of Life Care in Pflegeeinrichtungen reicht. Es ist uns wichtig, dass die Auseinandersetzung kein Tabuthema mehr sein sollte: Sterben gehört zum Leben – und die palliative Haltung zeigt im Sinne eines bekannten Zitates von Cicely Saunders, der Begründerin der modernen Hospizbewegung „wie angesichts von Tod und Trauer mehr Lebensqualität ermöglicht werden kann“.

Wir wünschen Ihnen interessante Anregungen mit diesem Schwerpunktheft.

Die Redakion

Online erschienen: 2023-02-25
Erschienen im Druck: 2023-02-23

©2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 14.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/pubhef-2022-0124/html
Scroll to top button