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SRAS-CoV-2 Virusvariantenmonitoring im Abwasser

  • Norbert Kreuzinger EMAIL logo
Published/Copyright: November 30, 2022

Zusammenfassung

Das abwasserepidemiologische Monitoring zur Bestimmung des SARS-CoV-2 Signals im Abwasser hat sich als probates Mittel zur Darstellung des Epidemieverlaufs herausgestellt. Neben der Quantifizierung des Signals über qPCR bietet sich auch die Analyse von Varianten an, welche zum Zeitpunkt der Probenahme das Infektionsgeschehen prägen. Die erhaltenen Informationen reflektieren dabei jene der Humantestungen und erlauben eine von einem Beprobungsbias unabhängige Darstellung des Anteils einzelner Virenvarianten am Infektionsgeschehen einer räumlichen Einheit.

Abstract

Wastewater based monitoring of SARS-CoV-2 proofed a useful and reliable tool to follow the dynamic of the COVID pandemic. Beside quantification of the viral genome in wastewater, characterisation of circulating virus variants as well as determination of their share on the total abundance is possible. Results reflect information obtained from human testing and allow to derive quantitative information on the spacial distribution of variants.

Bereits sehr früh in der Covid-Pandemie wurden erste Untersuchungen zur Quantifizierung des SARS-CoV-2 Virus im Abwasser durchgeführt [1]. Das Potenzial dieser in weiterer Folge unter dem Begriff der Abwasserepidemiologie laufenden Untersuchungen wurde rasch erkannt und in enger wissenschaftlicher Zusammenarbeit auf internationaler Ebene methodisch bearbeitet und auch bald in Monitoringprogrammen umgesetzt. Anfangs stand die reine Quantifizierung des viralen Genoms im Abwasser im Mittelpunkt der Untersuchungen, für die es galt, geeignete Probenahmeroutinen für Abwasser, Extraktionsmethoden für das Genom sowie Targets für die qPCR und Quantifizierungsstandards herauszufinden. Auf Grund der natürlichen Schwankungen des Abwassers (Abwasseranfall; Auswirkung von Regenereignissen; Mobilitätsaspekte) wurden zudem Normalisierungsparameter und geeignete Methoden untersucht (z. B. [2]), diese Dynamik zu kompensieren, um aussagekräftige Informationen zu erhalten. Die derart verarbeiteten Rohsignale konnten dann weiter etwa für die Berechnung eines Trends im Abwassersignal verwendet werden (z. B. [3]), der eine Größe analog dem epidemiologischen Reff darstellt. Die Reproduktionszahl (R) bezeichnet die Anzahl der Personen, die im Durchschnitt von einem Fall angesteckt wird, wobei Reff – die effektiv beobachtete Reproduktionszahl – die tatsächlich auftretende Zahl ist, die den epidemiologischen Status der Berichtseinheit (Maßnahmen, Impfstatus, Immunität aufgrund vorangegangener Erkrankung, …) mit berücksichtigt. Dieser Trendindikator stellte sich als sehr robuster Parameter heraus und wird heute im Pandemiemanagement verwendet. Neben den auf der Quantifizierung des SARS-CoV-2 Signals beruhenden Informationen wurden mit dem Auftreten der „ersten“ Varianten (VOCs – “Variant of concern” und VOIs – “Variant of interest”) um den Dezember 2021 im Abwasser auch vermehrt Untersuchungen zum Auftreten dieser Varianten durchgeführt. Dabei kommen unterschiedliche methodische Ansätze zum Tragen, die mit Schmelzkurvenanalysen, dPCR, Spike- und Ganzgenomsequenzierung aus den Humanuntersuchungen abgeleiteten und weiterentwickelten Methoden beruhen. Im März 2021 kam es schließlich zu einer Empfehlung seitens der EU Kommission 2021/472 “Recommendation on monitoring COVID-19 and its variants in wastewaters in the EU” [4], in der neben der Quantifizierung des SARS-CoV-2 Signals auch die Untersuchung auf interessierende Varianten verankert ist.

Methodische Ansätze

Humanproben weisen in der Regel sehr homogene Sequenzen im Genom der isolierten Viren auf. Zwar treten auch dort vereinzelte Mutationen innerhalb des dominanten, für die Infektion verantwortlichen Virengenotyps auf, diese Heterogenität ist jedoch in Hinblick auf die genetische Diversität nicht mit den im Abwasser vorhandenen Mischungen aller kursierender Genotypen einer aus zahlreichen Infizierten gebildeten räumlichen Einheit (Kanaleinzugsgebiet einer Kläranlage) vergleichbar. Während die beiden Situationen bei einer vollständigen Dominanz einer Virenvariante vergleichbar sind, stellen Zeiten mit Zunahme der Verbreitung einer neuen Variante und dem gleichzeitigen Verdrängen einer bis dato dominanten Variante epidemiologisch die interessanteren Situationen dar, die jedoch einer entsprechenden Methodik zu Unterscheidung der beiden Varianten bedürfen. Speziell herausfordernd wird die Situation, wenn gleichzeitig mehrere VOC/VOI mit unterschiedlicher Entwicklungsdynamik auftreten und damit parallel im Abwasser vorkommen.

Die einzelnen, zum Einsatz kommenden Methoden, um SPMs (single point mutations bzw. SNP - single-nucleotide polymorphism) zu identifizieren und in weiterer Folge für eine VOC/VOI Identifikation heranzuziehen, haben jeweils ihre Vor- und Nachteile und kommen deshalb auch sehr oft komplementär zum Einsatz. Jede dieser Methoden ist jedoch auf Primärinformation aus der Sequenzierung homogener Humanproben angewiesen, die auf entsprechenden Datenbanken (z. B. GISAID) verfügbar gemacht werden. Diese Informationen stellen die Basis für die Dekonvolution von Sequenzinformationen aus dem Abwasser sowie der Identifikation methodisch geeigneter sowie variantencharakteristischen Schlüsselmutationen für die Schmelzkurvenanalysen bzw. die dPCR dar. War die Identifikation geeigneter Genbereiche zu Beginn der Pandemie bzw. beim Auftreten der ersten VOC/VOI noch „einfach“ (z. B. Unterscheidung Alpha von Beta über K417N; oder Delta über L452R), so gestaltete sich das Auffinden geeigneter Genbereiche für die Definition von singulären charakteristischen Unterschieden mit Zunahme des SARS-CoV-2 Mutationsmusters zunehmend komplexer und schwieriger. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Schmelzkurvenanalysen und dPCR Ansatz wegen der methodischen Beschränkung auf eine Schlüsselmutation per Definitionem nur „Hinweise“ auf das Auftreten eine Variante liefert. Oft ist diese Aussage jedoch bei Auswahl einer geeigneten Schlüsselmutation ausreichend gut abgesichert bzw. kann die Sicherheit der Aussage durch Heranziehen mehrerer Schlüsselmutationen verbessert werden.

Schmelzkurvenanalysen

Bei der Schmelzkurvenanalyse wird im Anschluss an die „klassische qPCR“ die Temperatur im Heizblock kontinuierlich (z. B. von 50°C auf 95°C) erhöht. Dabei trennen sich die beiden DNA Stränge auf und das im Zuge dieses Aufschmelzens freigesetzte Fluoreszenzsignal wird gemessen. Während Schmelzkurvenanalysen im Humanbereich eine rasche und zuverlässige Methode zur Identifikation von Varianten darstellen, stoßen sie im Abwasser aufgrund der Heterogenität des genetischen Materials bei Vorhandensein von Mischpopulationen an ihre Grenzen. Zudem erlauben die Schmelzkurvenanalysen keine feingraduierte Quantifizierung des Anteils unterschiedlicher Varianten, da es infolge von Peaküberlagerungen bei niedriger Signalintensität zu einer ev. nicht erkannten „Schulter“ im dominanten Peak kommt.

dPCR

Bei der Analyse von charakteristischen Schlüsselmutationen über digitale PCR werden üblicher Weise zwei PCR Reaktionen mit zwei unterschiedlichen für den „Wildtypen“ sowie die Mutation spezifischen, mit unterschiedlichen Fluoreszenzfarbstoffen markierten Sonden verwendet. Die statistische Auswertung der erhaltenen Signale erlaubt eine sehr feine Quantifizierung selbst bei sehr geringen Abundanzen des Virus im Abwasser und somit in Summe wenigen Signalen. Details zur Methodik können etwa Heijnen et al. [5] entnommen werden. Neben dem Nachweis auch geringster Anteile und Absolutmengen einer Variante stehen die Ergebnisse sehr rasch zur Verfügung.

Sequenzierung

Bei der Sequenzierung wird zwischen einer Ganzgenomsequenzierung und der Sequenzierung eines Teilbereichs des Genoms (z. B. für das Spikeprotein codierende Sequenz) unterschieden. Es kommen hier grundsätzlich die in der Humantestung eingesetzten Methoden zum Einsatz, wobei die dahinter liegende Bioinformatik zur Dekonvolution der Sequenzen deutlich komplexer ist. Die Ganzgenomsequenzierung hat den Vorteil, dass die erhaltenen Sequenzen auch retrospektiv auf neue Varianten ausgewertet werden kann, jedoch den Nachteil einer längeren zeitlichen Dauer und Komplexität. Details zur Ganzgenomsequenzierung kann etwa Amman et al. [6] entnommen werden.

Beispiele für Ergebnisse

Üblicherweise kommt bei der SASR-CoV-2 Variantenanalyse ein kombinierter Ansatz über Schmelzkurvenanalysen oder dPCR und Sequenzierung zum Einsatz. Dies erlaubt eine rasche Information zu unmittelbar interessierenden Varianten über PCR und eine spätere Absicherung mittel Sequenzierung. Abbildung 1 zeigt einen Methodenvergleich, bei dem in einer österreichischen Stadt die Ergebnisse aus den Humansequenzierungen mit den Ergebnissen der dPCR sowie Ganzgenomsequenzierung aus dem Abwasser als Anteil von Omicron BA.1 am Infektionsgeschehen verglichen werden. Bei den Werten handelt es sich um Wochenmittelwerte aus drei Messungen mittels dPCR bzw. einem Wert pro Woche aus der Ganzgenomsequenzierung im Abwasser sowie den am Ende der Woche gemeldeten Humanzahlen. Dieses Beispiel soll die sehr gute Übereinstimmung der Messdaten aus dem Abwasser verdeutlichen.

Die im Abwasser identifizierten Anteile der einzelnen Varianten am gesamten Infektionsgeschehen lassen sich mit einer sigmoiden Regression mathematisch beschreiben. In Abbildung 2 ist der Verlauf der relevanten VOCs (Alpha, Delta, Omicron BA.1, Omicron BA.2 und Omicron BA.4/5) sowie die Anzahl der Infektionsfälle für den Zeitraum Oktober 2020 und Juli 2022 dargestellt. Die Daten beruhen auf einer Analyse von 2 bis 3 Abwasserproben pro Woche mittels dPCR. Die Grafik zeigt zB., dass neue VOCs immer in einem Zeitraum mit fallenden Inzidenzen auftreten. Im Dezember 2021 / Jänner 2022 traten zudem mit Omicron BA.1, BA.2 und BA.4/5 drei VOCs parallel auf.

Neben einer prozentuellen, relativen Darstellung des Anteils einzelner Varianten am Infektionsgeschehen, wie dies in Abbildung 1 und 2 erfolgte, kann nun auch der absolute Anteil einzelner Varianten am Abwassersignal berechnet werden. Da es sich bei den untersuchten Proben um 24 Stunden Tagesmischproben im Zulauf der Kläranlage handelt, kann die mittels qPCR erhaltene Anzahl an Virenpartikeln pro Milliliter mit der gesamten Abwassermenge an diesem Tag zu einer Fracht in Genkopien pro Tag multipliziert werden. Für diese Fracht lassen sich nun über die prozentuellen Anteile aus der dPCR oder Sequenzierung die Genkopien einer Variante pro Tag errechnen, was nun auch die Dynamik des Infektionsgeschehens in der Auswertung mitberücksichtigt (Abbildung 3) und ein gutes Maß zur Abschätzung der Verbreitung der Varianten darstellt.

Abbildung 1: Vergleich des Anteils der Omicron BA.1 Variante am Gesamtsignal des Abwassers über ddPCR und Ganzgenomsequenzierung im Vergleich zum Anteil aus der Sequenzierung von Humandaten als Wochenmittelwert KW 48/21 bis KW 16/22 (eigene Daten).
Abbildung 1:

Vergleich des Anteils der Omicron BA.1 Variante am Gesamtsignal des Abwassers über ddPCR und Ganzgenomsequenzierung im Vergleich zum Anteil aus der Sequenzierung von Humandaten als Wochenmittelwert KW 48/21 bis KW 16/22 (eigene Daten).

Abbildung 2: Entwicklung des Anteils unterschiedlicher Virenvarianten über den Zeitraum Oktober 2020 bis Juli 2022 in einer Österreichischen Kläranlage (eigene Daten).
Abbildung 2:

Entwicklung des Anteils unterschiedlicher Virenvarianten über den Zeitraum Oktober 2020 bis Juli 2022 in einer Österreichischen Kläranlage (eigene Daten).

Abbildung 3: Absolute Frachtanteile einzelner Virenvarianten (eigene Daten).
Abbildung 3:

Absolute Frachtanteile einzelner Virenvarianten (eigene Daten).

Der primäre Vorteil des abwasserepidemiologischen Monitorings ist die Unabhängigkeit vom Testverhalten der Bevölkerung – frei nach dem Motto: „nicht jede/r geht testen, aber jede/r benutzt die Toilette“. Dies gilt nicht nur für die Erfassung eines quantitativen Signals im Einzugsgebiet der Kläranlage, sondern auch für die Variantenanalyse. Da nicht für alle positiv getesteten Person auch eine Sequenzierung durchgeführt wird, sondern etwa nach einem Vorscreening mittels Schmelzkurvenanalysen eine Verdachtsbestätigung mittels Sequenzierung erfolgt, können Ergebnisse der Humansequenzierung auch einem Bias aus der Probenselektion unterliegen und geben deshalb die Verbreitung einer Variante im Gegensatz zu den Abwasseruntersuchungen speziell zu Zeiten mit geringem Sequenzieraufkommen nicht exakt wieder.


*Korrespondenz: Dr. Norbert Kreuzinger, Technische Universität Wien, Institut für Wassergüte und Ressourcenmanagement, Karlsplatz 13/2261, A-1040 Wien, Austria

Acknowledgement

Der Autor dankt der TU Wien Bibliothek für die Unterstützung im Rahmen ihres „Open Access Funding Programs“, um den Artikel öffentlich zugänglich zu machen.

  1. Autorenerklärung

  2. Autorenbeteiligung: Der Autor trägt Verantwortung für den gesamten Inhalt dieses Artikels und hat der Einreichung des Manuskripts zugestimmt. Finanzierung: Der Autor erklärt, dass er keine finanzielle Förderung erhalten hat. Interessenkonflikt: Der Autor erklärt, dass kein wirtschaftlicher oder persönlicher Interessenkonflikt vorliegt.

  3. Author Declaration

  4. Author contributions: The author has accepted responsibility for the entire content of this submitted manuscript and approved submission. Funding: The Author states no funding involved. Conflict of interest: The Author states no conflict of interest.

Literatur

1. Medema G, Heijnen L, Elsinga G, Italiaander R, Brouwer A. Presence of SARS-coronavirus-2 RNA in Sewage and correlation with reported COVID-19 prevalence in the early stage of the epidemic in The Netherlands. Environ Sci Technol Lett 2020;7:511–6.10.1021/acs.estlett.0c00357Search in Google Scholar

2. Sakarovitch C, Schlosser O, Courtois S, Proust-Lima C, Couallier J, Pétrau A, et al. Monitoring of SARS-CoV-2 in wastewater: what normalisation for improved understanding of epidemic trends? J Water Health 2022;20:712–26.10.2166/wh.2022.012Search in Google Scholar PubMed

3. Greenwald HD, Kennedy LC, Hinkle A, Whitney ON, Fan VB, Crits-Christoph A, et al. Tools for interpretation of wastewater SARS-CoV-2 temporal and spatial trends demonstrated with data collected in the San Francisco Bay Area. Water Res X 2021;12:100111.10.1016/j.wroa.2021.100111Search in Google Scholar PubMed PubMed Central

4. EU. Recommendation on monitoring COVID-19 and its variants in wastewaters in the EU. EU 2021/472, 2021. https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:32021H0472.Search in Google Scholar

5. Heijnen L, Elsinga G, de Graaf M, Molenkamp R, Koopmans MG, Medema G. Droplet digital RT-PCR to detect SARS-CoV-2 signature mutations of variants of concern in wastewater. Sci Total Environ 2021;799:149456.10.1016/j.scitotenv.2021.149456Search in Google Scholar PubMed PubMed Central

6. Amman F, Markt R, Endler L, Hupfauf S, Agerer B, Schedl A, et al. Viral variant-resolved wastewater surveillance of SARS-CoV-2 at national scale. Nat Biotechnol 2022. https://doi.org/10.1038/s41587-022-01387-y.10.1038/s41587-022-01387-ySearch in Google Scholar PubMed

Online erschienen: 2022-11-30
Erschienen im Druck: 2022-12-16

©2023 Norbert Kreuzinger, published by De Gruyter, Berlin/Boston

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Downloaded on 25.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/pubhef-2022-0085/html
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