Zur Entgrenzung der Verantwortungsethik in der planetarischen Bildung
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Ruprecht Mattig
Ruprecht Mattig , Dr. phil., Professor für Systematische Erziehungswissenschaft und Methodologie der Bildungsforschung an der TU Dortmund. Arbeitsschwerpunkte: Pädagogische Anthropologie, ethnographische Bildungsforschung, Sprache und Mehrsprachigkeit, Kosmopolitismus und Global Citizenship Education, Wilhelm von Humboldt-Forschung.
Abstract
Mit Blick auf die Herausforderungen des Anthropozäns entwickelt der Beitrag den Begriff der planetarischen Bildung. Dabei wird auf so unterschiedliche Denker wie Chakrabarty, Humboldt und Novalis Bezug genommen. Der Beitrag zeigt, dass im Anthropozän ein neues Verständnis des Menschen als einer planetarischen Kraft, die in bislang zerstörerischer Weise auf die nicht-menschliche Welt einwirkt, entsteht. Diese Überlegung wirft wiederum Fragen nach dem Verhältnis von Mensch und Welt auf. Ausgehend von der bekannten Auffassung, wonach der Mensch sich in Wechselwirkungen mit der Welt bildet, entwickelt der Beitrag die These, dass die planetarische Bildung eine Entgrenzung der Verantwortungsethik des traditionellen Bildungsdenkens erfordert. Im Anthropozän muss der überkommene Anthropozentrismus des Bildungsbegriffes überwunden werden, um Bildung als einen Prozess der Wechselwirkung von Mensch und Welt zu verstehen, in dem nicht nur der Mensch, sondern auch die Welt gebildet wird.
About the author
Ruprecht Mattig, Dr. phil., Professor für Systematische Erziehungswissenschaft und Methodologie der Bildungsforschung an der TU Dortmund. Arbeitsschwerpunkte: Pädagogische Anthropologie, ethnographische Bildungsforschung, Sprache und Mehrsprachigkeit, Kosmopolitismus und Global Citizenship Education, Wilhelm von Humboldt-Forschung.
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