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Eine mikrosoziologisch inspirierte empirische Annäherung an die positive Generalprävention

Panelanalysen aus Deutschland mit gemischten Befunden
  • Helmut Hirtenlehner EMAIL logo , Jost Reinecke and Mark Stemmler
Published/Copyright: May 27, 2023

Zusammenfassung

Positive Generalprävention nimmt an, dass die für alle Rechtsadressaten sichtbare Bestrafung eines Normbruchs in der Rechtsgemeinschaft eine normbekräftigende Wirkung entfaltet, die in weiterer Folge ein rechtskonformes Handeln hervorbringt. Umgelegt auf die Individualebene ergibt sich daraus eine Beziehungskette, der zufolge wahrgenommene Sanktionierungsrisiken die dispositionelle Normbindung beeinflussen und nur letztere dann das Legalverhalten der Rechtsunterworfenen bestimmt. Trotz der Bedeutung der positiven Generalprävention im strafrechtstheoretischen Diskurs sind ihr allerdings kaum empirische Studien gewidmet. Daher werden in der vorliegenden Arbeit für zwei Deliktsformen Panelanalysen zur Überprüfung der skizzierten Wirkungskette durchgeführt. Die Resultate längsschnittlicher Pfadanalysen unter Jugendlichen aus Dortmund und Nürnberg stützen die postulierte Effektsequenz für den Ladendiebstahl (wenn auch nur auf niedrigem Niveau), nicht aber für die Körperverletzung. Mit Blick auf Ladendiebstahlsdelinquenz kann beobachtet werden, dass eine Höherbewertung der einschlägigen Sanktionierungswahrscheinlichkeit in eine etwas stärkere moralische Bindung an das Diebstahlsverbot mündet, welche dann die Häufigkeit rechtswidrigen Handelns reduziert. Zur Argumentationslogik der positiven Generalprävention passt im Übrigen die Hypothese, dass kriminalitätserfahrene Freunde Informationen über die vielfache Straflosigkeit delinquenten Handelns vermitteln und dadurch bei den Rezipienten einen Normanerkennungsschaden verursachen. Längsschnittliche Analysen bestätigen für die Körperverletzung, nicht aber für den Ladendiebstahl, dass Kontakte zu delinquenten Peers die persönliche Akzeptanz materiellrechtlicher Normen untergraben.

Abstract

Positive general prevention assumes that observable criminal punishment stabilizes the audience’s moral values, which in turn fosters compliance with the law. This harmonizes with a chain of relationships on the individual level according to which people’s sanction risk estimates influence their acceptance of legal rules, with the latter facilitating adherence to the law. Despite the significance of the idea of positive general prevention in the jurisprudential discourse, only scant empirical research is dedicated to the issue. Hence, the impact chain outlined above is tested here with panel data from adolescents living in Dortmund or Nuremberg. Lagged path analyses corroborate the hypothesized effect sequence for shoplifting (with weak relationships in the expected direction), but not for physical assault. These findings are interpreted as partially supportive of the notion of positive general prevention. The hypothesis that delinquent friends transmit information about the widespread impunity of criminal behavior and thus attenuate an individual’s commitment to the rules of law accords also well with the idea of positive general prevention. Lagged analyses confirm for physical assault, but not for shoplifting, that association with delinquent peers erodes young people’s personal acceptance of legal norms.

1 Problemaufriss

Moderne Rechtsordnungen begreifen ihr Strafrecht als ein rational begründbares Steuerungsinstrument, das sich verschiedenen präventiven Zielsetzungen verschreibt (Singelnstein & Kunz 2021). In der Gemengelage der Vorstellungen darüber, was mit Kriminalsanktionen für die Zukunft erreicht werden solle, dominierten einst die Strafzwecke der negativen Generalprävention und später der Spezialprävention. Nicht zuletzt weil der Abschreckungsdoktrin (Paternoster 2010; Pratt et al. 2006) und der Resozialisierungsidee (Martinson 1974; Streng 2007) vom empirisch-kriminologischen Schrifttum Misserfolge und Effizienzdefizite attestiert wurden, konnte in der jüngeren rechtswissenschaftlichen Diskussion das Konzept der positiven Generalprävention erheblich an Bedeutung gewinnen (Frisch 2015; Hassemer 1981; Jakobs 1983; Müller-Tuckfeld 1998).[1] Im Zentrum der verschiedenen Konzeptualisierungen der positiven Generalprävention oder Integrationsprävention[2] steht ein Einfluss des Strafrechts auf die Moral der Rechtsunterworfenen. Ziel staatlicher Straftätigkeit ist hier die Erhaltung oder Stärkung normativer Integration, also die Festigung oder Herbeiführung einer affirmativen Haltung der Normadressaten zu den strafrechtlich markierten Handlungsgrenzen, und bisweilen auch eine Bestärkung des Vertrauens der Bürger in die Funktionsfähigkeit und Durchsetzungskraft der Rechtsordnung (Montenbruck 2018; Müller-Tuckfeld 1998). Die Überzeugung von der Richtigkeit normgerechten Handelns soll dann freiwilligen Rechtsgehorsam hervorbringen.

Die aktuelle Prominenz der Idee der positiven Generalprävention in rechtswissenschaftlichen Kreisen bzw. Legitimationsdebatten könnte in dem Umstand wurzeln, dass die integrationspräventive Funktion des Strafrechts sich einer empirischen Überprüfbarkeit weitgehend entzieht. Entsprechende Spekulationen werden immer wieder geäußert (Müller-Tuckfeld 1998; Weyrich 2021; Zipf 1989). Ganz in diesem Sinne zeichnet sich die karge Forschungslandschaft zur positiven Generalprävention durch einen Mangel an datenbasierten Untersuchungen aus (Hirtenlehner 2016). Eine kürzlich erschienene Studie zu den Verbindungslinien zwischen der Wahrnehmung von Sanktionierungsrisiken und der Anerkennung von Rechtsnormen tritt dem langjährigen Trend zur Vernachlässigung der empirischen Evidenzgrundlage der positiven Generalprävention eher einsam entgegen (Hirtenlehner 2022b). Darin werden erste vorläufige Belege für normstabilisierende Effekte einer perzipierten staatlichen Strafbereitschaft präsentiert. In einer elaborierten Analyse einer längsschnittlichen Befragung junger Menschen aus England wird das bidirektionale Beziehungsgeflecht zwischen der Einschätzung deliktspezifischer Sanktionierungsrisiken und der Akzeptanz strafrechtlicher Normen erfahrungswissenschaftlich sondiert. Autoregressive kreuzverzögerte Panelmodelle enthüllen eine reziproke Wirkungsdynamik: Eine größere Sanktionsrisikowahrnehmung führt zu einer höheren Normakzeptanz und eine gesteigerte Normanerkennung mündet in eine gehobene Sanktionsrisikoperzeption. Der erste Wirkungspfad wird als Indiz für eine partielle Gültigkeit der positiven Generalprävention interpretiert. Eine solche Schlussfolgerung erscheint plausibel, wenn man die individuelle Sanktionsrisikobeurteilung als Messung der wahrgenommenen kriminalgerichtlichen Strafenpraxis begreift. Folgt man dieser Auffassung, zeigen die Daten, dass beobachtete Demonstrationen staatlicher Strafbereitschaft eine dispositionelle Normbindung der Rechtsadressaten begünstigen. Einschränkend muss allerdings angemerkt werden, dass die referierten Effekte der Größe nach eher dürftig ausfallen.[3]

Die vorliegende Arbeit schickt sich an, die Idee der positiven Generalprävention erneut auf den empirischen Prüfstand zu holen. Als Datengrundlage wird hier eine unter jungen Menschen in Dortmund und Nürnberg durchgeführte Wiederholungsbefragung fungieren. Im Zentrum der Untersuchung steht die erfahrungswissenschaftliche Vermessung der Beziehungsdynamik zwischen der individuellen Sanktionsrisikoeinschätzung, der persönlichen Normbindung und dem eigenen Legalverhalten. Mehrere Erhebungswellen umfassende Panelstudien sind in diesem Kontext unverzichtbar, weil nur sie Datenanalysen unter Berücksichtigung der korrekten zeitlichen Ordnung der involvierten Konstrukte ermöglichen (Andreß et al. 2013).

Für die Kriminalitätsformen »Ladendiebstahl« und »Körperverletzung« werden jeweils drei Messzeitpunkte integrierende Pfadmodelle geschätzt, welche eine von der deliktspezifischen Sanktionsrisikobeurteilung über die Normakzeptanz auf die Kriminalitätsbeteiligung laufende Wirkungskette vorsehen. Auf einer Nebenbühne wird die gegenständliche Arbeit darüber hinaus die Frage aufgreifen, ob rezipierte Normbrüche bei Jugendlichen einen subjektiven Normanerkennungsschaden hervorrufen. Dazu wird der Einfluss der perzipierten Peerdelinquenz – also der Kenntnis von Straftaten gleichaltriger Freunde – auf die persönliche innere Verbundenheit mit strafgesetzlichen Normen untersucht.

Um möglichen Missverständnissen vorzubeugen, möchten wir gleich an dieser Stelle klarlegen, dass makrotheoretische Aspekte der positiven Generalprävention – also der Effekt des Bestands strafrechtlicher Verbote auf die gesellschaftliche Zuwiderhandlungsrate – in der folgenden Untersuchung außen vor bleiben. In einer idealen Welt würde man für die Bestimmung der Wirksamkeit der positiven Generalprävention das Kriminalitätsvolumen zweier sehr ähnlicher Gesellschaften vergleichen, die sich nur durch das Vorhandensein bzw. Nicht-Vorhandensein einer strafgesetzlichen Normierung unterscheiden. In der sozialen Realität kann ein solcher Vergleich allerdings nicht geführt werden, weil alle industriellen Gesellschaften über ein Strafrecht verfügen und ähnliche Gesellschaften in der Regel auch dieselben Rechtsgüter schützen. Angesichts dieser Mangellage soll hier versucht werden, sich dem Phänomen der Normstabilisierung durch staatliche Strafe zumindest mikrotheoretisch anzunähern. Es wird keine Primärdatenanalyse auf der Makroebene vorgestellt, sondern eine ausschnitthafte sekundäranalytische Approximation auf der Mikroebene vorgenommen. Der analytische Fokus beschränkt sich dabei auf intraindividuelle Beziehungsdynamiken, die mit der Idee der Integrationsprävention gut harmonieren. Es wird also nur ein schmaler Ausschnitt aus dem gesamten Argumentationsspektrum der positiven Generalprävention mit empirischen Daten konfrontiert. Angesichts einer insgesamt sehr dünnen und lückenhaften Evidenzgrundlage dieser Präventionstheorie erscheint ein solches Unterfangen allerdings durchaus gerechtfertigt und vertretbar.

2 Theoretische Vorbemerkungen

2.1 Positive Generalprävention im Allgemeinen

Während negative Generalprävention auf Einschüchterung und Abschreckung potenzieller Straftäter setzt, will positive Generalprävention die Allgemeinheit zur Verinnerlichung der rechtlich geschützten Werte erziehen (Singelnstein & Kunz 2021). Eine an der positiven Generalprävention orientierte Funktionsbestimmung des Strafrechts bzw. der Kriminalstrafe stellt Aspekte des Werteschutzes, der normativen Integration, der sozialethischen Gesinnungsfestigung und der Bewahrung des Vertrauens in die Rechtsordnung in den Vordergrund (Müller-Tuckfeld 1998). Als moralische Institution bemüht sich das Strafrecht um die Herstellung kollektiver Rechtstreue durch eine Einflussnahme auf die Werthaltungen bzw. das Rechtsbewusstsein und Rechtsgefühl der Bevölkerung (Müller-Dietz 1985). Die Beobachtung der Strafwürdigkeit bestimmter Handlungsweisen soll das Rechtsempfinden des Publikums im Sinne der verteidigten Verhaltensmaßstäbe formen und so mittelbar deren Handeln in die vom Gesetzgeber gewünschte Richtung lenken (Zipf 1989).[4] Die Begriffe des Rechtsbewusstseins, Rechtsgefühls und Rechtsempfindens weisen dabei leider keineswegs den präzisen und eindeutigen Gehalt auf, den man sich im Interesse konzeptioneller Klarheit (und damit auch überzeugender Operationalisierbarkeit) wünschen würde. Nicht zuletzt aufgrund dieser inhaltlichen Unbestimmtheit konnten sich im Laufe der Zeit unterschiedliche Denkmodelle und Varianten der Integrationsprävention entwickeln. Beispielsweise verortet Jakobs (1983) die Hauptaufgabe des Strafrechts im Bereich der (symbolischen) Erwartungssicherung. Im Sinne einer kontrafaktischen Stabilisierung von Verhaltenserwartungen kommunizieren staatliche Strafen, dass aus rezipierten Normbrüchen nichts gelernt werden muss, dass die Geltung der Norm fortbesteht und dass man an den verletzten normativen Erwartungen weiterhin festhalten kann (Luhmann 2008). Auf diese Weise entfalten gerichtliche Strafakte normstabilisierende Effekte. Mayer (1936) identifiziert gar eine »sittenbildende Kraft« des Strafrechts. Zumindest bezweckt Kriminalstrafe eine »Erhaltung der Norm als Orientierungsmuster« (Jakobs 1983: 7) in der Rechtsgemeinschaft, was in der Konsequenz die Rechtstreue der Allgemeinheit stärken soll.

Abbildung 1: Forschungsleitendes Denkmodell der Integrationsprävention
Abbildung 1:

Forschungsleitendes Denkmodell der Integrationsprävention

Die vorliegende Arbeit stützt sich auf eine »empirisch gehaltvolle Fassung einer Theorie der positiven Generalprävention« (Baurmann 1998: 12). Dazu ist es notwendig, unabhängige und abhängige Variablen zu bestimmen und die Beziehung zwischen ihnen zu spezifizieren. Die hier gewählte Lesart der Integrationsprävention besagt im Kern, dass sichtbare gerichtliche Strafaktivitäten die Identifikation der Rechtsgemeinschaft mit den strafbewehrten Normen befördern[5], welche dann ihrerseits eine vermehrte Rechtsbefolgung gewährleistet (Müller-Tuckfeld 1998; Zipf 1989). Dieser auf der Makroebene formulierte Zusammenhang impliziert Annahmen über Beziehungen auf der Mikroebene einzelner Rechtsadressaten. Wenn gerichtliche Straftätigkeit eine Festigung der rechtlich geschützten Werte in der Gesellschaft bewirken soll, setzt dies voraus, dass justizielle Sanktionierungsaktivitäten im Wahrnehmungshorizont der Bürger auch ankommen und deren Rezeption dann auf der Individualebene eine moralische Bindung an ebendiese Werte hervorbringt. Zugrunde liegt darüber hinaus noch die Mutmaßung, dass die persönliche Moral das rechtsbezogene Handeln der Akteure lenkt.

Die Mikrofundierung der positiven Generalprävention erfolgt in Anlehnung an Essers (1999) Grundmodell der soziologischen Erklärung, welches seinerseits auf der sogenannten Colemanschen (1991) Badewanne beruht. Darin wird die Beziehung zwischen gesellschaftlichen Sachverhalten im Rückgriff auf die Wahrnehmung und das Handeln individueller Akteure rekonstruiert. Es wird angenommen, dass ein strukturelles Merkmal (z. B. die gerichtliche Strafenpraxis) von einzelnen Akteuren perzipiert und interpretiert wird und dessen subjektive Verarbeitung dann individuelles Handeln steuert, welches sich zu einem kollektiven Explanandum (z. B. die Kriminalitätsrate) aggregiert. Zusammenhänge auf der Makroebene sozialer Phänomene werden durch Beziehungen auf der Mikroebene individueller Akteure vermittelt und generiert. Ganz in diesem Sinne ist hier auch von einem Makro-Mikro-Makro-Modell soziologischer Erklärung die Rede (Eifler & Leitgöb 2018).

Abbildung 1 veranschaulicht die auf der Individualebene postulierte Wirkungskette. Herunter gebrochen auf einzelne Akteure folgt aus der Argumentationslogik der Integrationsprävention, dass eine gehobene Sanktionsrisikoeinschätzung (als Ausdruck einer wahrgenommenen staatlichen Strafbereitschaft) die materiellrechtliche Normakzeptanz bekräftigt und eine innere Verbundenheit mit strafgesetzlichen Normen dann rechtlich einwandfreies Handeln begünstigt. Anders gewendet markiert persönliche Rechtstreue das Ergebnis einer dispositionellen Normbindung, deren Entstehung sozialisationstheoretisch aus der Rezeption staatlicher Straftätigkeit abgeleitet wird (Baurmann 1998). Kurz: Eine von den Rechtsunterworfenen zur Kenntnis genommene Normdurchsetzung führt über den Weg einer gesteigerten internalen Normanerkennung zu einer individuellen Normbefolgung.[6]

Aus den bislang skizzierten Überlegungen lassen sich zwei Hypothesen ableiten, deren Haltbarkeit zum Gegenstand einer Überprüfung an der Realität werden soll:

  1. Eine höhere Sanktionsrisikobeurteilung mündet in eine größere Normakzeptanz.

  2. Eine gehobene Normakzeptanz führt zu einer geringeren Kriminalitätshäufigkeit.

2.2 Einflüsse delinquenter Freunde auf die Akzeptanz strafrechtlicher Normen

Integrationspräventive Wirkungen können im Grundsatz von der Existenz und/oder der Durchsetzung strafrechtlicher Normen ausgehen (Montenbruck 2018; Müller-Tuckfeld 1998). Kenntnisse über die Durchsetzung oder Nicht-Durchsetzung des strafrechtlichen Normenbestands können auf direktem Wege (durch persönliche Bestrafungs- oder Strafvermeidungserfahrungen) oder indirektem Wege (durch stellvertretende Straf- oder Straflosigkeitserfahrungen) erlangt werden (Stafford & Warr 1993). Im letztgenannten Bereich werden neben der medialen Kriminalitäts- und Gerichtsberichterstattung vor allem die im persönlichen Umfeld wahrgenommenen Konsequenzen strafbaren Handelns eine wichtige Rolle spielen.[7]

Im Bezugsrahmen der positiven Generalprävention wird argumentiert, dass ein glaubwürdiges staatliches Sanktionsversprechen die Identifikation der Bürger mit den strafbewehrten Normen stützt. Umgekehrt folgt daraus, dass ein perzipierter Sanktionsverzicht die dispositionelle Normbindung der Rechtsadressaten unterminiert. Nachdem in der sozialen Wirklichkeit die meisten Straftaten unentdeckt bleiben bzw. nicht angezeigt und nicht gerichtlich sanktioniert werden (Enzmann 2012; Kaiser et al. 2022; Wikström et al. 2012), lernen aktive Rechtsbrecher aus persönlicher Erfahrung, dass Nicht-Entdeckung und Straflosigkeit den statistischen Regelfall bilden (Hirtenlehner & Wikström 2017; Seddig et al. 2017).[8] Wenn das Ausbleiben von Bestrafung ein sehr häufiges Phänomen darstellt, kann vermutet werden, dass in sozialen Beziehungsnetzwerken, denen auch Straftäter angehören, zahlreiche kriminalitätsbezogene Strafvermeidungserlebnisse zirkulieren bzw. kommuniziert werden. Falls rechtswidrige Handlungen nur selten justiziell geahndet werden, dürften delinquente Personen mehrheitlich Nichtbestrafungserfahrungen zu berichten haben. Auch die direkte Beobachtung strafbarer Handlungen im engeren sozialen Umfeld wird dann überwiegend in die Wahrnehmung einer nicht erfolgten Anzeige und Sanktionierung münden (Hirtenlehner 2019).

Denkmodelle der positiven Generalprävention legen nun nahe, dass die Perzeption einer Straflosigkeit rechtlich zweifelhaften Handelns einen Normanerkennungsschaden im Sinne einer geschwächten Identifikation des Auditoriums mit der verletzten Rechtsvorschrift produziert (Montenbruck 2018). Unbestrafte Kriminalität soll auf Seiten des Publikums zu einer Erwartungsverunsicherung führen. Ein beobachteter Sanktionsverzicht kann das Vertrauen der Bürger in die Rechtsordnung untergraben und den Geltungsanspruch der Rechtsnorm symbolisch desavouieren (Jakobs 1983). Dadurch wird die moralische Verbindlichkeit der Norm in Frage gestellt, was die persönliche Verbundenheit der Rechtsadressaten mit der betreffenden Verhaltensregel systematisch beeinträchtigen kann.

Führt man die skizzierten Gedanken zusammen, ergibt sich eine Bedeutsamkeit des Umfangs der Kontakte zu delinquenten Personen für die Akzeptanz strafrechtlicher Normen. Moralische Einstellungen werden in sozialen Interaktionsprozessen mit anderen Menschen erworben (Harris 2009). Eine Integration in kriminalitätsaffine Freundeskreise fördert das Lernen kriminogener Definitionen und Verhaltensmuster (Akers 1998; Sutherland 1956). Kriminalitätsgeneigte Peers liefern kriminalitätsbejahende Sichtweisen, leben delinquentes Handeln vor, laden zu dessen Nachahmung ein und verstärken ein rechtlich zweifelhaftes Handeln auch aktiv. Gerade in der Jugendphase stellen gleichaltrige Freunde eine wichtige Bezugsgruppe dar, der auch eine wesentliche Sozialisationsfunktion zufällt (Thornberry 1987; Warr 2002). Es darf daher vermutet werden, dass Lernprozesse in kriminalitätsorientierten Freundschaftsnetzwerken die Bindung junger Menschen an die Normen des geltenden Rechts absenken.

Die angenommene kommunikative Verbreitung von Straflosigkeitserlebnissen in kriminalitätsaffinen Freundschaftsnetzwerken impliziert aus lerntheoretischer Sicht, dass Kontakte zu delinquenten Peers stellvertretende Sanktionsverzichtserfahrungen mit sich bringen (Stafford & Warr 1993). (Junge) Menschen entnehmen dem sozialen Verkehr mit kriminalitätserfahrenen Personen, dass Straftaten nur selten gerichtsanhängig werden. Wenn allerdings Rechtsadressaten Kenntnis vom Ausbleiben strafjustizieller Reaktionen auf Kriminalität erlangen, soll das aus Sicht der positiven Generalprävention einen nicht unerheblichen Normanerkennungsschaden nach sich ziehen (Müller-Tuckfeld 1998). Was sozialisationstheoretisch Sinn macht, passt somit auch stimmig zur Argumentationslogik der Integrationsprävention.

Die oben angestellten Überlegungen münden in eine weitere Hypothese, deren Bewährung Gegenstand statistischer Analysen sein soll:

  1. Umfangreiche Kontakte zu delinquenten Personen reduzieren die persönliche Akzeptanz materiellrechtlicher Normen.

3 Forschungsstand und Forschungslücken

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann die Idee der positiven Generalprävention aus erfahrungswissenschaftlicher Perspektive weder als bestätigt noch als widerlegt angesehen werden. Kennzeichnend für den aktuellen Stand der einschlägigen kriminologischen Forschung ist ein weitgehendes »Fehlen empirisch abgesicherten Wissens zur Integrationsprävention« (Zipf 1989: 484). Dieses Wissensdefizit wurzelt im Wesentlichen in methodischen Problemen bei der Messung und Bewertung des Nettoeffektes strafgesetzlicher Normierungstätigkeit auf die Häufigkeit regelwidrigen Handelns. Diverse methodologische Herausforderungen haben zur Diagnose einer mangelnden Falsifizierbarkeit der positiven Generalprävention geführt, welche zur Popularität dieses Straftheorienkreises in der Rechtsprechung maßgeblich beigetragen haben mag (Müller-Tuckfeld 1998; Schumann 1989; Weyrich 2021).

3.1 Methodische Herausforderungen

Moderne Gesellschaften stützen ihre Binnenintegration auf verschiedene normative Regelungssysteme (als Beispiele seien Brauch, Sitte, Konvention und Religion angeführt), von denen das Strafrecht nur eines darstellt (Singelnstein & Kunz 2021). Diese Ordnungssysteme überlagern und durchdringen einander. Im Wesentlichen stellen sie identische Verhaltensforderungen. So findet sich beispielsweise ein Diebstahlsverbot in all diesen Normenkatalogen. Soziale Normen werden im Wege natürlicher Sozialisationsprozesse in Institutionen wie der Familie oder der Schule gelernt und internalisiert. Der Wirkungsverbund überlappender Normensysteme (die allesamt verinnerlicht werden) bei gleichzeitiger Abwesenheit westlicher Industriegesellschaften ohne Kriminalrecht (welche als Kontrollgruppe fungieren könnten) macht es nahezu unmöglich, den Nettobeitrag des Strafrechts zur Stabilisierung der etablierten Werte zuverlässig zu bestimmen (Schumann 1989). Die »Bestätigung eines eindeutigen kausalen Zusammenhangs zwischen Strafrecht und gesellschaftlicher Norm(re)produktion« (Müller-Tuckfeld 1998: 127) wird so erheblich erschwert.

Zweifel bezüglich der empirischen Nachweisbarkeit einer Wirksamkeit der positiven Generalprävention ergeben sich auch unter analytisch-konzeptionellen Gesichtspunkten. Bei der positiven Generalprävention handelt es sich um keine einheitliche Straftheorie, sondern um eine Sammlung unterschiedlicher Argumentationsmodelle, denen ein Fokus auf Aspekte der normativen Integration gemeinsam ist (Müller-Tuckfeld 1998). Die vorliegenden Varianten unterscheiden sich in den verwendeten Begrifflichkeiten, sind durch eine Unschärfe der inkludierten theoretischen Konstrukte belastet und zeichnen sich durch eine teilweise mehrdeutige Spezifikation der Beziehungen zwischen den involvierten Konzepten aus. Manchmal bleibt unklar, welche Aspekte der Rechtswirklichkeit Effekte entfalten sollen (der Bestand einer gesetzlichen Verbotsnorm, deren faktische Durchsetzung oder die perzipierte Strafenpraxis) und was nun im Einzelnen genau beeinflusst werden soll (Schumann 1989). Dazu kommt noch, dass manche Versionen der positiven Generalprävention gar nicht den Anspruch stellen, sich für eine empirische Prüfung zu öffnen.

Chancen für eine erfahrungswissenschaftliche Überprüfung der Integrationsprävention ergeben sich allerdings aus Variationen innerhalb eines konkreten Strafrechtssystems. Zeitliche Strafrechtsänderungen (Neu- und Entkriminalisierungen von Handlungsformen oder Modifizierungen der Strafrahmen) sowie regionale Unterschiede in der Verfolgungsintensität oder Sanktionspraxis können der Theorie zufolge Auswirkungen auf die Moral der Gesellschaft haben. Daraus resultieren Möglichkeiten, den Zusammenhang einzelner Bausteine der Strafrechtsordnung mit der Akzeptanz materiellrechtlicher Normen bzw. der Beurteilung sozialethisch problematischer Handlungsweisen zu untersuchen. Aus dem oben Gesagten folgt daher nicht, dass nicht doch einzelne im Bezugsrahmen der positiven Generalprävention entwickelte Hypothesen empirisch getestet werden können.

3.2 Strafbarkeit und Moral

Die spärliche Forschung zur moralgebenden Kraft strafgesetzlicher Verbote blieb klar unterstützende Belege bis heute schuldig. So lässt eine Befragung Bremer Jugendlicher vor und nach dem Schließen einer Rechtslücke im Betäubungsmittelgesetz (Ausweitung der Strafdrohung auf den Anbau von Suchtmitteln) keine Anzeichen für eine stärkere moralische Missbilligung des gegenständlichen Verhaltens nach erfolgter Pönalisierung erkennen (Schumann 1989). In derselben Untersuchung durchgeführte Analysen zum Zusammenhang von deliktsbezogenen Strafbarkeitsannahmen und inhaltlicher Normakzeptanz brachten keine eindeutigen Ergebnisse (Schumann 1989). Bevölkerungsbefragungen aus England weisen in dieselbe Richtung: Personen, die eine Strafbarkeit verschiedener sozialethisch fragwürdiger Handlungsweisen vermuten, lehnen diese Handlungsformen nicht stärker ab als Personen, die sich der Legalität der betreffenden Handlungen bewusst sind (Walker & Argyle 1964; Walker & Marsh 1984). Die sogenannte Deklarationshypothese, der zufolge eine strafrechtliche Regulierung zu einer moralischen Ächtung des nunmehr kriminalisierten Verhaltens in der Bevölkerung führt (Walker & Argyle 1964), erhält empirisch nur wenig Zustimmung.

Das Ausbleiben erwartungskonformer Effekte in einzelnen, sehr spezifisch angelegten Forschungsarbeiten darf selbstverständlich nicht als endgültige Widerlegung der positiven Generalprävention gewertet werden. Die angeführten Studien beleuchten nur partikulare Ausschnitte des einschlägigen Argumentationsgebäudes, fokussieren mehrheitlich auf minderschwere »Delinquenz« und beschränken ihre Aufmerksamkeit auf die Kurzzeitfolgen einer perzipierten Strafbarkeit.[9]

3.3 Wahrnehmung gerichtlicher Sanktionspolitiken

Der Forschungsstand zur Frage, wie sehr gerichtliche Strafpolitiken Eingang in das Alltagswissen der Rechtsadressaten finden, gestaltet sich unzureichend und nur begrenzt ermutigend. In welchem Maße gesetzliche Strafdrohungen oder justizielle Bestrafungspraxen die subjektiven Sanktionserwartungen der Bürger beeinflussen, ist wenig bekannt (Apel 2013; Paternoster 2018). Als gesichert darf lediglich gelten, dass die Rechtsunterworfenen bemerkenswert wenig Kenntnis von den tatsächlichen gerichtlichen Strafpraktiken und den realen Sanktionierungsrisiken haben. Die Entdeckungs- und Bestrafungswahrscheinlichkeiten werden von der Allgemeinbevölkerung eher überschätzt (Matsueda et al. 2006; Paternoster et al. 1985; Schulz 2014), während die Schwere der ausgesprochenen Strafen tendenziell unterschätzt wird (Apel 2013; Roberts & Hough 2005). Die Gerichte strafen härter aber seltener als Laien glauben. Der Konnex von faktischem Strafregime und individuellen Sanktionserwartungen erweist sich generell als brüchig. Mehrebenenanalysen zur Wechselbeziehung von regionalen Strafpraxen und subjektiven Sanktionswahrnehmungen zeigen, dass Merkmale der gerichtlichen Kontrollpolitiken (Bestrafungshäufigkeiten und –intensitäten) allenfalls lose Verbindungslinien zu den Sanktionsperzeptionen der betroffenen Rechtsadressaten aufweisen (Kleck et al. 2005; Kleck & Barnes 2014; Lochner 2007).

Als wichtige Determinanten der individuellen Sanktionsrisikobeurteilung konnten persönliche und stellvertretende Erfahrungen mit Bestrafung und Strafvermeidung identifiziert werden (Stafford & Warr 1993). Die eigene (Nicht-)Bestrafungshistorie – also ob man in der Vergangenheit für verübte Straftaten belangt wurde oder nicht – beeinflusst die subjektive Bewertung der Sanktionierungsrisiken. Zahlreiche Untersuchungen belegen inzwischen, dass persönliche Bestrafungserfahrungen zu einem Anstieg der Risikoeinschätzung führen, während eine Straflosigkeit im Gefolge delinquenter Handlungen ein Absinken der perzipierten Sanktionierungswahrscheinlichkeit nach sich zieht (Anwar & Loughran 2011; Horney & Marshall 1992; Matsueda et al. 2006; Schulz 2014). Ähnlich verhält es sich mit den im Freundeskreis kommunizierten Bestrafungs- und Strafvermeidungserlebnissen. Mehrere Studien konnten demonstrieren, dass junge Menschen mit vielen delinquenten Freunden niedrigere Entdeckungs- und Bestrafungswahrscheinlichkeiten antizipieren als Personen ohne kriminelle Freunde (Lochner 2007; Matsueda et al. 2006; Pogarsky et al. 2004, 2005). Jugendliche scheinen von delinquenten »Peers« durch Beobachtung und Gespräche zu lernen, dass die meisten Straftaten unentdeckt und sanktionsfrei bleiben, und in der Folge dann ihre Sanktionsrisikobeurteilung systematisch nach unten zu korrigieren.

3.4 Sanktionsrisikobeurteilung, Normakzeptanz und Legalverhalten

Überprüfbar erscheint am ehesten ein Denkmodell der Integrationsprävention, das, wie in Abbildung 1 dargestellt, proklamiert, dass eine Zurkenntnisnahme (oder Vermutung) staatlicher Strafwilligkeit auf Seiten des Individuums eine Internalisierung der betroffenen Rechtsnorm befördert, welche dann eine tatsächliche Normbefolgung begünstigt. Dazu sind bereits verstreute Befunde vorhanden.

Mehrere Querschnittsbefragungen meist junger Menschen lassen Verschränkungen der Sanktionsrisikobeurteilung der Rechtsunterworfenen mit der inneren Normbindung der Rechtsadressaten erkennen. Personen, die von einem höheren Sanktionierungsrisiko ausgehen, berichten eine stärkere moralische Ablehnung der strafbewehrten Handlungsformen (Apospori et al. 1992; Carmichael et al. 2005; Grasmick & Green 1981; Hirtenlehner et al. 2013, 2019; Schöch 1985; Svensson 2015; Wenzel 2004). Was hier die Ursache und was die Wirkung darstellt, bleibt dabei allerdings im Unklaren.

Längsschnittliche Untersuchungen der Beziehung von Sanktionsrisikoperzeption und Normanerkennung liegen nur sehr spärlich vor. In der eingangs skizzierten Panelanalyse von Befragungsdaten aus England schätzt Hirtenlehner (2022b) drei deliktspezifische »Cross-Lagged-Models«. Die Resultate belegen schwache Effekte der zeitlich früheren Sanktionsrisikobewertung auf die zeitlich spätere Akzeptanz strafgesetzlicher Normen (für die Delikte Körperverletzung, Ladendiebstahl und Vandalismus). In einer lerntheoretisch gerahmten Auswertung einer Mehrwellenbefragung junger Menschen aus Duisburg berechnet Bentrup (2014) eine Reihe deliktunspezifischer »Lagged Models«, welche eine mehrstufige Wirkungssequenz abbilden, die von der verallgemeinerten Sanktionsrisikoeinschätzung über den persönlichen moralischen Kompass zum individuellen Legalverhalten führt. Dabei kann sie demonstrieren, dass eine gehobene Sanktionsrisikobeurteilung einer moralischen Ablehnung rechtswidriger Handlungen Vorschub leistet, was dann die Wahrscheinlichkeit strafbaren Handelns verringert.

Eine umfangreiche Forschungsliteratur zeugt von der Bedeutung der persönlichen Akzeptanz strafrechtlicher Verhaltensstandards für das Ausmaß der Rechtsbefolgung. Zahlreichen Studien zufolge mündet eine größere Normanerkennung bzw. eine stärkere moralische Missbilligung delinquenten Handelns in eine reduzierte Kriminalitätsbeteiligung (Bentrup 2014; Boers et al. 2010; Hermann 2003; Kammigan 2017; Seddig 2014; Stams et al. 2006; Tyler 1990; Van Damme & Pauwels 2016; Warr & Stafford 1991). Je besser die gesetzlichen Verbotsnormen verinnerlicht wurden, desto seltener wird strafbares Handeln gezeigt.

Eine repräsentative Einmalbefragung volljähriger Personen mit Wohnsitz in Österreich[10] liefert ebenfalls vorsichtige Anhaltspunkte für eine Gültigkeit ausgewählter Aspekte der Integrationsprävention (Hirtenlehner 2022a). Lineare Strukturgleichungsanalysen zeigen, dass Menschen, die eine größere Strafwahrscheinlichkeit vermuten, auch eine höhere inhaltliche Normakzeptanz aufweisen und die gehobene dispositionelle Normbindung dann zur Eindämmung der Häufigkeit rechtswidrigen Handelns beiträgt. Die persönliche Normanerkennung erweist sich als bester Prädiktor der Einhaltung von Gesetzen. Direkte Einflüsse der Sanktionsrisikoeinschätzung auf das Ausmaß der Rechtsbefolgung können hingegen nicht nachgewiesen werden. Aufgrund des querschnittlichen Formats der Untersuchung erlaubt diese Arbeit allerdings keine kausalen Schlussfolgerungen.

3.5 Peerdelinquenz und persönliche Akzeptanz von Strafrechtsnormen

Die Forschungsergebnisse zu den Implikationen der Einbindung in delinquenzaffine Beziehungsnetze für die Bewertung krimineller Handlungsmuster wurden unserem Wissen nach noch nie im Hinblick auf ihre Bedeutung für die Theorie der positiven Generalprävention interpretiert. Das Konzept eines durch die Rezeption strafloser krimineller Handlungen hervorgebrachten Normanerkennungsschadens (Montenbruck 2018) legt eine solche Betrachtungsweise indes sehr nahe.

Die Häufigkeit der Kontakte zu delinquenten Mitmenschen konnte sich im kriminologischen Schrifttum als einer der besten Prädiktoren rechtswidrigen Handelns etablieren (Gallupe et al. 2019; Hoeben et al. 2016; Pratt et al. 2010; Reinecke et al. 2013; Warr 2002). Je stärker man in kriminalitätsbereite Netzwerke eingebunden ist, desto mehr Straftaten begeht man selbst. Etwas karger gestaltet sich demgegenüber die Forschungslandschaft zur Bedeutung delinquenter Peerbeziehungen für die persönliche moralische Verfassung bzw. das Ausmaß der Internalisierung strafrechtlicher Verbotsnormen. Dennoch finden sich einige Längsschnittstudien, die sozialisationstheoretisch konzipierte Einflüsse des Umfangs delinquenter Peerexposition auf die (späteren) moralischen Einstellungen bzw. normativen Orientierungen der meist jungen Untersuchungspersonen nachweisen können (Bentrup 2014; Chrysoulakis 2022; Megens & Weerman 2012; Pardini et al. 2005; Seddig 2014; Svensson et al. 2017).[11] Diese Arbeiten dokumentieren, dass vermehrte Kontakte zu kriminalitätsaffinen Freunden zu einer positiveren Bewertung krimineller Handlungsweisen führen. Letzteres ist gleichbedeutend mit einer reduzierten inneren Bejahung der strafgesetzlich festgelegten Verhaltensforderungen. Kurzgefasst: Freundschaftsbeziehungen zu delinquenten Personen schwächen die Bindung an strafrechtliche Verhaltensstandards.

Die Befundlage zu den Konsequenzen einer verringerten Akzeptanz materiellrechtlicher Bestimmungen für das rechtsbezogene Handeln der Menschen wurde bereits weiter oben vorgestellt. In der Zusammenschau der Evidenzen formt sich ein Bild wonach eine starke Bindung an delinquente Freunde die Befürwortung strafgesetzlicher Normen unterminiert, was dann wiederum kriminellen Aktivitäten Vorschub leistet (Bentrup 2014; Seddig 2014; Thornberry 1994).

4 Untersuchungsdesign und Operationalisierung

4.1 Datengrundlage

Die Überprüfung der forschungsleitenden Hypothesen erfolgt mittels einer Sekundäranalyse eines Panels junger Menschen aus Dortmund und Nürnberg, die im Rahmen des Forschungsprojektes »Chancen und Risiken im Lebensverlauf« (Wallner et al. 2019) an drei Dunkelfeldbefragungen teilgenommen haben. Die genannte Studie folgte einem Kohorten-Sequenz-Design, bei dem zwei Alterskohorten an zwei Untersuchungsstandorten zwischen 2012 und 2014 in jährlichen Erhebungswellen wiederholt befragt wurden. Da Strafzwecke und damit auch die der positiven Generalprävention innewohnenden Zielbestimmungen sich per Definition an strafmündige Menschen wenden, wurden die hier vorgenommenen Auswertungen auf die ältere Kohorte beschränkt. Diese rekrutiert sich aus Jugendlichen, die im Jahr 2012 die neunte Schulstufe besuchten und zu diesem Zeitpunkt ein Durchschnittsalter von 15 Jahren aufwiesen. Detaillierte Informationen zur Methodik der Originalstudie können Meinert (2016) sowie Weiss und Wallner (2019) entnommen werden.

Die Untersuchung der älteren Kohorte war als eine Schulerhebungen und postalische Befragungen kombinierende Panelstudie in Dortmund und Nürnberg angelegt. Dabei gestaltete sich die Stichprobengewinnung in den beiden Städten aufgrund landesrechtlicher Bestimmungen etwas unterschiedlich. Die Erhebungen fanden immer in der ersten Jahreshälfte statt.

In Dortmund wurden alle Haupt-, Real- und Gesamtschulen sowie Gymnasien angeschrieben und um eine Erlaubnis zur Durchführung der Befragung gebeten. Pro Welle haben rund 20 Schulen an der Erhebung teilgenommen. Die Anzahl der partizipierenden Klassen wurde von den jeweiligen Schulleitungen bestimmt. Als Schüler der neunten Klasse bekamen die Jugendlichen 2012 einen schriftlichen Fragebogen zur Selbstausfüllung im Klassenverband vorgelegt. Ab 2013 wurden Personen, welche die Schule bereits verlassen hatten, und solche, deren Schulen sich nicht länger an der Untersuchung beteiligen wollten, postalisch befragt. Bei den anderen wurde die Klassenzimmerbefragung fortgesetzt.

In Nürnberg konzentrierte sich die Untersuchung auf Hauptschulen.[12] Rund 20 davon gestatteten eine Durchführung der Befragung. Auch hier hing die Anzahl der inkludierten Klassen vom Ermessen der Schulleitungen ab. Die Erstbefragung wurde schriftlich im Klassenverbund durchgeführt. Ab der zweiten Welle erfolgte die Erhebung in Nürnberg ausschließlich postalisch. Alle Schüler, die an der ersten Befragungsrunde teilgenommen hatten, erhielten in jährlichen Abständen weitere Fragebögen zugeschickt.

Eine ausführliche Beschreibung der lokalen Grundgesamtheiten, der Stichprobenbildung, der Rücklaufraten und der Komposition der Nettostichproben findet sich bei Weiss und Wallner (2019). Gegenstand der hier vorgestellten Panelanalysen sind lediglich jene Mitglieder der älteren Kohorte, die an allen drei Erhebungswellen teilgenommen haben. Es handelt sich dabei um 577 (von 1.995 zumindest einmal untersuchten) Personen. Im Zeitpunkt der Erstbefragung waren die im Paneldatensatz vertretenen Schüler mehrheitlich (zu 55 %) 15 Jahre alt.[13] Jungen stellen 39 % und Mädchen 61 % der Analysepopulation. 11 % wurden nicht in Deutschland geboren. 70 % besuchten eine in Dortmund und 30 % eine in Nürnberg gelegene Schule. Das Überwiegen von Befragten aus Dortmund ist den in den beiden Städten unterschiedlichen Samplingplänen geschuldet, welche für Nürnberg generell eine kleinere Stichprobe vorsahen und aufgrund der dortigen Beschränkung auf Hauptschulen auch zu zahlreicheren Ausfällen infolge vermehrter postalischer Erhebungen geführt haben. Gemessen am Schultyp wird die Dortmunder Stichprobe von Gymnasiasten (49 %)[14] und die Nürnberger Population naturgemäß von Hauptschülern (100 %) geprägt. Aufgrund des Samplings in Nürnberg ist die Analysepopulation insgesamt durch einen Überhang von Schülern aus statusniedrigeren Schulformen gekennzeichnet.

4.2 Messinstrumente

Selbstberichtete Kriminalität: Die hier getätigten Auswertungen beschränken sich auf die Deliktsbereiche »Ladendiebstahl« und »Körperverletzung«, weil nur für diese beiden Kriminalitätsformen Informationen sowohl zur persönlichen Begehungshäufigkeit als auch zur jeweiligen Risikowahrnehmung, moralischen Bewertung und Peerdelinquenz vorliegen. Die Anzahl der eigenen Straftaten wurde mit den Fragen »Haben Sie im letzten Jahr einmal etwas in einem Geschäft gestohlen? Wenn ja: Wie oft war das im letzten Jahr?« und »Haben Sie im letzten Jahr einmal jemanden bei einer Schlägerei verletzt? Wenn ja: Wie oft war das im letzten Jahr?« bestimmt. Die Antworten wurden ungestützt numerisch erfasst.

Sanktionsrisikobeurteilung: Die deliktspezifische Sanktionsrisikoeinschätzung wurde an der für den jeweiligen Kriminalitätsfall antizipierten Entdeckungswahrscheinlichkeit festgemacht. Der entsprechende Fragetext lautete: »Was denkst du? Wie groß ist das Risiko, dabei erwischt zu werden, wenn man Folgendes tut? [eine CD in einem Laden stehlen / einen Fremden verprügeln]«. Für die Beurteilung des Entdeckungsrisikos wurden fünf Antwortalternativen zwischen »sehr klein« und »sehr groß« angeboten. Auf die Problematik einer Erfassung der perzipierten Strafjustizpraxis anhand einer Einschätzung der Wahrscheinlichkeit des Gefasst-Werdens wird in der abschließenden kritischen Diskussion der verwendeten Forschungsmethodik noch zurückzukommen sein.

Normakzeptanz: Die Tiefe der Verinnerlichung strafrechtlich geschützter Verhaltensstandards wurde an der moralischen Bewertung des Ladendiebstahls und der Körperverletzung abgelesen. Die entsprechende Frageformulierung lautete: »Wie schlimm ist es Ihrer Meinung nach, wenn eine Person in Ihrem Alter das Folgende tut? [in einem Laden etwas im Wert von 15 Euro stehlen (z. B. eine CD) / einen anderen Jugendlichen schlagen, der eine gemeine Bemerkung macht]. Das fünfstufige Antwortformat reichte von »überhaupt nicht schlimm« bis »sehr schlimm«.

Peerdelinquenz: Das Ausmaß der Kontakte zu delinquenten Peers wurde anhand der perzipierten Kriminalitätsbeteiligung der eigenen Freunde bestimmt. Die diesbezügliche Frage war wie folgt formuliert: »Was glaubst du, wie oft deine Freunde die folgenden Taten begehen? [im Laden eine CD im Wert von 15 Euro klauen / jemanden angreifen und mit der Faust ins Gesicht schlagen]«. Die wahrgenommene Kriminalitätshäufigkeit der Freunde war anhand von fünf Antwortkategorien zwischen »nie« und »sehr oft« zu quantifizieren.

Selbstkontrolle: Die Fähigkeit zur Ausübung von Selbstkontrolle wurde mit einer gekürzten und geringfügig adaptierten Version der von Grasmick und Kollegen (1993) entwickelten Selbstkontrollskala gemessen. Dabei waren acht Aussagen zur eigenen Selbstregulationsfähigkeit anhand eines fünfstufigen Antwortformats mit den Endpunkten »trifft gar nicht zu« und »trifft völlig zu« zu beurteilen. Die berücksichtigten Items fokussieren auf die Subdimensionen der Risikofreudigkeit, Impulsivität und Gereiztheit. Die Kodierung der ausreichend homogenen (.75 ≤ α ≤ .77) Summenskala erfolgte so, dass große Werte eine hohe Selbstkontrolle beziffern.

Darüber hinaus wurden mehrere soziodemographische Kontrollvariablen in die Analysen aufgenommen. Neben dem Untersuchungsstandort (0 = Dortmund; 1 = Nürnberg) waren dies das Geschlecht der Befragten und die allfällige Existenz einer Migrationsbiographie. Jungen wurden mit 1 und Mädchen mit 0 kodiert. Das Vorhandensein eines Migrationshintergrundes wurde am Geburtsort abgelesen. Befragte, die nicht in Deutschland geboren wurden, wurden als Immigranten klassifiziert.

Tabelle 1 präsentiert deskriptive Statistiken zu den verwendeten Variablen.

5 Resultate

5.1 Kernsequenz der Integrationsprävention

Um die im theoretischen Teil vorgestellte Wirkungskette einer empirischen Überprüfung zu unterziehen, wurden deliktspezifische Pfadanalysen gerechnet – eine für den Ladendiebstahl und eine für die Körperverletzung.[15] Die zwei deliktspezifischen Pfadmodelle beinhalten diachrone Effekte der Sanktionsrisikobeurteilung auf die Normakzeptanz und dann der Normanerkennung auf die Kriminalitätshäufigkeit. Im Detail wird angenommen, dass die Sanktionsrisikoeinschätzung im Messzeitpunkt 1 die Normbindung im Messzeitpunkt 2 beeinflusst und diese wiederum das Legalverhalten im Messzeitpunkt 3. Als weitere erklärende Variablen werden die Kontakte zu delinquenten Gleichaltrigen und (als Kontrollvariablen) das Niveau der Selbstkontrolle[16] sowie eine Reihe soziodemographischer Merkmale inkludiert. Abbildung 2 informiert komprimiert über die wichtigsten Resultate. Die detaillierten Ergebnisse der durchgeführten Modellschätzungen können dem Anhang entnommen werden.

Tabelle 1:

Deskriptive Statistiken

Welle 1

Welle 2

Welle 3

M

SD

Min

Max

M

SD

Min

Max

M

SD

Min

Max

LADENDIEBSTAHL

Kriminalitätshäufigkeit

 –

 –

 –

 –

0,07

0,53

0

 8

Normakzeptanz

 –

 –

 4,25

0,94

1

 5

 –

Sanktionsrisikoeinschätzung

 3,56

0,92

1

 5

 3,80

0,89

1

 5

 –

Delinquente Freunde

 1,29

0,68

1

 5

 1,31

0,63

1

 5

 –

KÖRPERVERLETZUNG

Kriminalitätshäufigkeit

 –

 –

 –

 –

0,09

0,68

0

10

Normakzeptanz

 –

 –

 4,09

1,02

1

 5

 –

Sanktionsrisikoeinschätzung

 3,79

1,04

1

 5

 3,81

1,06

1

 5

 –

Delinquente Freunde

 1,80

1,06

1

 5

 1,61

0,94

1

 5

 –

KONTROLLVARIABLEN

Selbstkontrolle

27,47

5,84

8

40

28,06

5,46

8

40

 –

Geschlecht: Junge

 0,39

0,49

0

 1

 0,39

0,49

0

 1

 –

Migrationshintergrund

 0,11

0,31

0

 1

 0,11

0,31

0

 1

 –

Stadt: Nürnberg

 0,30

0,46

0

 1

 0,30

0,46

0

 1

 –

M … arithmetischer Mittelwert; SD … Standardabweichung; Min … kleinster Wert; Max … größter Wert

Die beiden Panelmodelle liefern uneinheitliche Befunde. Während sich im Bereich der Ladendiebstahlsdelinquenz eine moderate Unterstützung für die Idee der positiven Generalprävention erkennen lässt, erweisen sich die für Körperverletzungsdelikte erzielten Ergebnisse als wenig hypothesenkonform.

Mit Blick auf den Ladendiebstahl kann festgestellt werden, dass eine größere Sanktionsrisikoeinschätzung in eine höhere Normakzeptanz mündet (Hypothese 1) und eine gesteigerte Normakzeptanz dann eine reduzierte Diebstahlsdelinquenz hervorbringt (Hypothese 2). Wenngleich die beobachteten Effektstärken eher gering ausfallen, harmoniert ein solches Beziehungsgefüge zweifellos gut mit der Argumentationslogik der Integrationsprävention.

Im Hinblick auf die Körperverletzung lassen sich keine signifikanten Verbindungslinien zwischen der Sanktionsrisikoeinschätzung, der Normbindung und dem persönlichen Gewalthandeln nachweisen. Weder hängt die Kriminalitätshäufigkeit verallgemeinerungsfähig von der Normakzeptanz (Hypothese 2) noch die Normanerkennung systematisch von der Sanktionsrisikobeurteilung (Hypothese 1) ab.[17]

Innerhalb des Katalogs der verwendeten Kontrollvariablen zeigen sich das Niveau der Selbstkontrolle und das Ausmaß delinquenter Peerexposition als bedeutsame Bestimmungsfaktoren der Kriminalitätshäufigkeit. Niedrige Selbstkontrolle begünstigt das Auftreten von Ladendiebstahlsaktivitäten. Freundschaftsbeziehungen zu gewaltaffinen Gleichaltrigen befördern das Zufügen von Körperverletzungen.

Obwohl diverse signifikante Effekte in Erscheinung treten, fällt die Varianzaufklärungsleistung der gerechneten Modelle verhältnismäßig bescheiden aus. Alle Prädiktoren zusammen genommen können nur zwischen 3 % und 12 % der Streuung der einzelnen Zielvariablen reproduzieren. Daraus muss geschlossen werden, dass in allen Regressionsgleichungen wichtige Erklärungsvariablen fehlen.

Abbildung 2: Hauptergebnisse der Pfadanalysen (standardisierte Regressionskoeffizienten)
*** … p < .001; ** … p < .01; * … p < .05; n.s. … p > .05
n = 536 (Ladendiebstahl) bzw. 537 (Körperverletzung) Befragte aus Dortmund und Nürnberg
Ø Alter: t1 … 15 Jahre; t2 … 16 Jahre; t3 … 17 Jahre
Abbildung 2:

Hauptergebnisse der Pfadanalysen (standardisierte Regressionskoeffizienten)

*** … p < .001; ** … p < .01; * … p < .05; n.s. … p > .05

n = 536 (Ladendiebstahl) bzw. 537 (Körperverletzung) Befragte aus Dortmund und Nürnberg

Ø Alter: t1 … 15 Jahre; t2 … 16 Jahre; t3 … 17 Jahre

5.2 Peerdelinquenz und dispositionelle Normbindung

Die Einflüsse delinquenter Freunde auf die persönliche Akzeptanz staatlicher Rechtsvorschriften sollten im Kontext der positiven Generalprävention vor allem unter dem Aspekt eines durch stellvertretende Straflosigkeitserfahrungen verursachten Normanerkennungsschadens Bedeutung erlangen. Eine solche Betrachtungsweise wird durch die Ergebnisse der statistischen Modellschätzungen teilweise gestützt – für Diebstahlsdelikte nicht, für Körperverletzungsdelikte schon. Die moralische Bewertung des Ladendiebstahls hängt nicht vom Umfang der Beziehungen zu diebstahlsaktiven Peers ab. Im Bereich der Körperverletzung stellt sich die Lage hingegen anders dar: Kontakte zu gewalttätigen Mitmenschen reduzieren die subjektive Identifikation mit dem gesetzlichen Gewaltverbot. Hypothese 3 erfährt damit eine partielle Bestätigung.

Als konsistente Prädiktoren der dispositionellen Normbindung schälen sich die Fähigkeit zur Ausübung von Selbstkontrolle und das Geschlecht der Befragten heraus. Mit dem Niveau der Selbstkontrolle steigt auch die moralische Ablehnung delinquenten Handelns. Mädchen befürworten die geltenden Rechtsvorschriften stärker als Jungen. Der auch nach Bereinigung um die Einflüsse der anderen Variablen noch nachweisbare Geschlechtereffekt sowie die insgesamt eher dürftige Varianzaufklärungsleistung der berechneten Modelle deuten jedenfalls darauf hin, dass an der Entstehung einer inneren Strafnormbejahung noch weitere, hier nicht berücksichtigte Faktoren beteiligt sind.

6 Zusammenfassung und Diskussion

Vor dem Hintergrund der ernüchternd schmalen Evidenzbasis der positiven Generalprävention (Müller-Tuckfeld 1998; Schumann 1989) bestand das zentrale Anliegen der vorliegenden Arbeit darin, ausgewählte mikrotheoretische Argumente der Integrationsprävention auf den empirischen Prüfstand zu heben. Zur Erweiterung des einschlägigen Forschungsstandes wurde ein Panel junger Menschen aus Dortmund und Nürnberg, die an drei Dunkelfeldbefragungen teilgenommen haben, einer Reihe sekundäranalytischer Auswertungen unterzogen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand ein mikrosoziologisch formuliertes empirisch zugängliches Modell der Integrationsprävention, gemäß dem eine gehobene individuelle Sanktionsrisikobeurteilung (als Proxymessung wahrgenommener staatlicher Strafaktivitäten) vermittelt über eine größere persönliche Akzeptanz der strafrechtlich verteidigten Verhaltensstandards in einen gesteigerten Rechtsgehorsam mündet (Baurmann 1998). Geprüft wurde ferner ein möglicher Einfluss stellvertretender (beobachteter oder gehörter) Straflosigkeitserfahrungen auf die innere Normanerkennung.

Die erhobenen Daten liefern einzelne schwache Hinweise für eine gewisse Wirksamkeit der positiven Generalprävention. Eine von der subjektiven Sanktionsrisikoeinschätzung über die »gefühlte« moralische Verbindlichkeit rechtlicher Normen auf das individuelle Legalverhalten der Rechtsadressaten laufende Beziehungskette kann für den Ladendiebstahl, nicht aber für die Körperverletzung dokumentiert werden. Im Hinblick auf Ladendiebstahlsdelinquenz belegen die Ergebnisse einer auf multiple Messzeitpunkte gestützten Pfadanalyse, dass vermutete staatliche Straftätigkeit eine Identifikation mit rechtlichen Verbotsnormen begünstigt, was dann die Wahrscheinlichkeit der Übertretung von Strafgesetzen reduziert. Die Effektstärken bleiben dabei allerdings auf einem eher niedrigen Niveau. Im Bereich der Gewaltkriminalität kann ein solcher Wirkungszusammenhang indes nicht nachgewiesen werden. Zumindest das am Beispiel des Ladendiebstahls ermittelte diachrone Beziehungsgefüge zwischen den betrachteten Konstrukten fügt sich aber stimmig in die forschungsleitende Konzeption der Integrationsprävention.

Die positive Generalprävention postuliert, dass staatliche Normdurchsetzung über den Weg einer verbesserten Normakzeptanz zu einer wachsenden Normbefolgung führt. Die hier präsentierten Ergebnisse zeigen zumindest für den Ladendiebstahl, dass eine gehobene Sanktionsrisikobeurteilung die dispositionelle Normbindung der Rechtsunterworfenen festigt, was dann deren Rechtstreue stärkt. Daraus folgt allerdings nicht zwingend, dass staatliches Strafengagement tatsächlich eine normbekräftigende Wirkung entfaltet. Der Zusammenhang von objektiver gerichtlicher Strafpolitik und subjektiv gehegten Sanktionserwartungen gestaltet sich keineswegs linear. Nordamerikanischen Untersuchungen zufolge markieren tatsächliche und wahrgenommene Strafjustizpraxen nur sehr lose korrelierte Größen (Apel 2013; Hirtenlehner 2020; Paternoster 2018). Auch wissen Menschen nur sehr wenig über gerichtliche Sanktionsmuster in ihrem Lebensraum (Apel 2013; Hirtenlehner 2020; Paternoster 2018). Die Beobachtung, dass Personen, die eine größere Sanktionierungswahrscheinlichkeit antizipieren, später auch eine affirmativere Haltung zu den sanktionsbewehrten Rechtsnormen artikulieren, bestätigt somit noch lange nicht, dass allein vom Bestand einer Rechtsvorschrift oder deren realer justizieller Durchsetzung eine edukative Wirkung ausgeht. Die Möglichkeit eines individualistischen Fehlschlusses ist hier nicht gänzlich von der Hand zu weisen.[18]

Die integrationspräventiv gerahmte Hypothese, dass der Umgang mit delinquenten Mitmenschen einen Normanerkennungsschaden fabriziert, findet ebenfalls teilweise Widerhall in den Daten. Vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass Straftaten nur selten entdeckt und noch seltener gerichtlich geahndet werden (Kaiser et al. 2022; Kury 2001), kann vermutet werden, dass in sozialen Austausch- und Kommunikationsprozessen mit erfahrenen Straftätern vielfach Strafvermeidungserlebnisse und weniger tatsächliche Bestrafungen verbreitet werden. Längsschnittliche Regressionsanalysen zeigen nun, dass Kontakte zu gewalttätigen Freunden die zeitlich nachfolgende Akzeptanz des Gewaltverbots unterminieren. Die moralische Bewertung des Ladendiebstahls hängt dagegen nicht vom Grad der Einbindung in diebstahlsaffine Freundschaftsnetze ab. Zumindest für Körperverletzungsdelikte harmonieren die erzielten Befunde aber mit der Annahme, dass von Dritten bezogene Informationen über ein Ausbleiben von Strafe nach Kriminalität die persönlich »gefühlte« moralische Verbindlichkeit der verletzten Norm schwächen. Ein solcher Konnex entspricht dem gewählten Denkmodell der positiven Generalprävention.

Führt man die deliktspezifischen Befunde zusammen, entsteht der Eindruck, dass (zumindest im Jugendalter) die Ätiologie der Ladendiebstahlsdelinquenz in bescheidenem Maße der Logik der Integrationsprävention folgt, während der Umfang der Gewaltkriminalität vorwiegend von peerbezogenen Dynamiken geprägt wird. Das soziale Geschehen innerhalb gewaltbehafteter Freundschaftsnetzwerke korrespondiert jedoch insofern mit der Argumentationsweise der positiven Generalprävention als dass Kontakte zu gewalttätigen Anderen (und damit möglicherweise stellvertretende Straflosigkeitserfahrungen) die innere Bejahung des gesetzlichen Gewaltverbots untergraben.

Am Ende einer Forschungsarbeit gebietet es sich schließlich, methodische Selbstkritik zu üben. Mehrere Aspekte der vorliegenden Untersuchung können kritisch beurteilt werden. Zuvorderst wäre hier auf den zeitlichen Abstand von einem Jahr zwischen den Befragungswellen hinzuweisen. Wenngleich der Panelcharakter der durchgeführten Untersuchung eine unverzichtbare Voraussetzung für die Etablierung der korrekten kausalen Ordnung zwischen den betrachteten Konstrukten darstellt, wird die Nachweisbarkeit von Einflussbeziehungen durch die temporale Distanz von einem vollen Jahr zwischen den Messungen doch erheblich erschwert. Gerade für die Jugendphase ist anzunehmen, dass die Einstellungen und Sensibilitäten der Menschen größeren zeitabhängigen Veränderungen unterliegen (Hirtenlehner & Wikström 2017; Seddig et al. 2017; Wikström et al. 2012). Eine temporale Instabilität bzw. Wandelbarkeit der Sanktionsrisikoeinschätzung sowie der moralischen Haltungen bewirkt allerdings, dass Längsschnittstudien, die mit längeren Zeitabständen zwischen den Erhebungen operieren, zu einer Unterschätzung der realen Beziehungsstärken zwischen den Konzepten neigen. Je größer der zeitliche Abstand zwischen den Messungen ausfällt, desto geringer ist die Chance, vorhandene Effekte zu entdecken. Insofern ist die Insignifikanz der geprüften Beziehungsstruktur bei der Körperverletzung nicht notwendig als Beweis gegen die Wirksamkeit der Integrationsprävention zu werten. Die beim Ladendiebstahl beobachteten – statistisch verallgemeinerungsfähigen – temporal verzögerten Effekte liegen zwar auf einem niedrigen, für diachrone Pfade aber nicht unüblichen Niveau (Seddig 2014). Dass unter den gegebenen Umständen – einjährige Abstände zwischen den Messzeitpunkten und Kontrolle wichtiger Drittvariablen – überhaupt signifikante Effekte nachweisbar sind, spricht aus unserer Sicht jedenfalls für eine gewisse Belastbarkeit der erzielten Befunde.

Nicht wegzudenken sind in diesem Kontext auch messtechnische Schwächen. Die Operationalisierung der Sanktionsrisikobeurteilung anhand des antizipierten Risikos, »erwischt« zu werden, kann durchaus kritisch gesehen werden. Die vermutete Wahrscheinlichkeit des Gefasst-Werdens akzentuiert eher die Möglichkeit eines Polizeikontaktes als die spezifisch erwartete strafjustizielle Reaktion. Begründbar erscheint uns die Verwendung dieser Messung im Rückgriff auf Evidenzen, wonach Rechtsadressaten a) üblicherweise nur ein sehr geringes Wissen über tatsächliche gerichtliche Strafpraxen haben (Apel 2013) und b) ihre Handlungsentscheidungen eher an der perzipierten Entdeckungswahrscheinlichkeit ausrichten (Nagin 2018). Entdeckungs- und Bestrafungsrisiko sind zugegebenermaßen nicht völlig identisch; ersteres markiert nur eine Voraussetzung für letzteres. Die wahrgenommene Bestrafungswahrscheinlichkeit ist als Produkt einer Reihe bedingter Wahrscheinlichkeiten fassbar – namentlich der Aussicht auf eine Entdeckung bei Tatbegehung, eine Verurteilung bei Entdeckung und eine Bestrafung bei Verurteilung (Nagin 2018). Folgestudien zur empirischen Bewährung der positiven Generalprävention sollten sich jedenfalls einer mehr treffsicheren Messung des Bildes der Bürger von der Tätigkeit der Strafjustiz bedienen.

Auch die Operationalisierung der dispositionellen Normbindung kann nicht gänzlich überzeugen. Die Messung der deliktsbezogenen Normakzeptanz mit nur einem Item, das auf die Beurteilung der moralischen Verwerflichkeit einer sehr spezifischen Erscheinungsform des Ladendiebstahls bzw. der Körperverletzung zielt, kann keinesfalls alle Wünsche befriedigen. Künftige Forschung zur positiven Generalprävention wird daher gut beraten sein, auf eine bessere Messung der moralischen Verfassung der Rechtsadressaten zurückzugreifen.

In Frage steht natürlich auch die Übertragbarkeit der hier erzielten Resultate auf andere Delikte. Die vorliegende Untersuchung beschränkt sich auf Straftaten, deren ethischer Unwert seit langem in die Werteordnung westlicher Gegenwartsgesellschaften eingeschrieben ist. Deshalb lässt sich von der anhand des Ladendiebstahls beobachteten Effektsequenz nicht notwendig auf eine Rolle des Strafrechts als moralischer »Augenöffner« (Andenaes 1974) im Sinne einer sittenbildenden Funktionalität schließen. Letztere würde implizieren, dass Neukriminalisierungen in der Rechtsgemeinschaft zu einer moralischen Ächtung des nun pönalisierten Verhaltens führen (Walker & Argyle 1964). Vor diesem Hintergrund demonstrieren unsere Befunde eher eine moralerhaltende Kraft kriminalgerichtlicher Sanktionstätigkeit als dass sie ein Potenzial des Strafrechts zur Einleitung eines fundamentalen Einstellungswandels andeuten. Was auf der individuellen Ebene – zumindest beim Ladendiebstahl – als eine moralformende Wirkung perzipierter Strafaktivität daherkommt, könnte auf der kollektiven Ebene lediglich einer moralstabilisierenden Qualität des Kriminalrechts entsprechen.

Offen bleibt auch die Generalisierbarkeit der anhand von Jugendlichen gewonnenen Befunde auf die Erwachsenenbevölkerung in Deutschland. Die Einstellungen und Sensibilitäten junger Menschen sind weniger gefestigt und stärker formbar als die ihrer älteren Mitbürger. Insofern erscheint eine weitere Überprüfung der hier beleuchteten Wirkungskette in älteren Populationen dringend angezeigt.

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Anhang

Detaillierte Ergebnisse der diachronen Pfadmodelle

Ladendiebstahl

Körperverletzung

Abhängige Variable: Kriminalitätshäufigkeit t3

ß

p

ß

p

Normakzeptanz t2

–.11

.035

–.07

.162

Sanktionsrisikoeinschätzung t2

–.01

.924

–.03

.531

Selbstkontrolle t2

–.10

.000

–.02

.611

Peerdelinquenz t2

+.02

.715

+.20

.002

Junge t1

–.05

.172

+.09

.003

Migrationshintergrund t1

–.06

.000

–.05

.006

Nürnberg t1

+.09

.039

–.04

.172

Modellgüte

R² = .035; p = .108

R² = .074; p = .033

Abhängige Variable: Normakzeptanz t2

ß

p

ß

p

Sanktionsrisikoeinschätzung t1

+.12

.007

+.07

.118

Selbstkontrolle t1

+.11

.030

+.11

.028

Peerdelinquenz t1

–.04

.509

–.18

.000

Junge t1

–.15

.001

–.17

.000

Migrationshintergrund t1

–.04

.425

–.05

.378

Nürnberg t1

+.08

.072

+.06

.148

Modellgüte

R² = .067; p = .003

R² = .119; p = .000

ß … standardisierter Regressionskoeffizient; p … α-Fehler; R² … multiples Bestimmtheitsmaß

Published Online: 2023-05-27
Published in Print: 2023-05-26

© 2023 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 21.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/mks-2022-0015/html
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