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Analytica Conference 2014, München 02. April 2014

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Published/Copyright: July 9, 2014

Zusammenfassung

Berichtet wird über das von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) im Rahmen der „Analytica Conference, München 2014 “organisiertes Symposium „Autoantikörper gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren und Herz-Kreislauf-Krankheiten“, in dem Informationen zur Epidemiologie, Biochemie und Pathobiochemie von Erkrankungen, die mit dem Auftreten von Autoantikörpern gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCR-AAK) assoziiert sind, vermittelt wurden. In sechs Vorträgen, fokussiert auf Herz-Kreislauf-Krankheiten insbesondere auf Kardiomyopathien, wurde über a) diagnostische Möglichkeiten zum Nachweis von GPCR-AAK, b) zelluläre Untersuchungen zu den pathogenetischen Mechanismen von GPCR-AAK, c) die Etablierung eines Tiermodells zum Nachweis der Kausalität von GPCR-AAK-Bildung und Krankheitspathogenese sowie d) bereits existierende GPCR-AAK bezogene Therapien (Immunapherese) bzw. „under study“ befindliche neue Konzepte für die in vivo Neutralisation von GPCR-AAK berichtet.

Abstract

Here I report on the symposium ‘Autoantibodies against G-protein coupled receptors and cardiovascular diseases’, organized by Deutsche Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin (DGKL) and held at the Analytica Conference, Munich, 2014. At this symposium, the latest information was presented concerning the epidemiology, biochemistry and pathobiochemistry of diseases presenting with autoantibodies against G-protein coupled receptors (GPCRߝAABs). In six lectures focussed on cardiovascular diseases, and specifically on cardiomyopathies, there were reports on the following: a) a new assay for GPCRߝAAB detection; b) cellular investigations for clarifying the pathogenic mechanisms induced by GPCRߝAABs; c) the introduction of an animal model suitable to demonstrate the causality between GPCRߝAAB generation and disease pathogenesis; as well as d) therapeutic strategies directed to GPCR<uni-2013;AAB removal (immunoadsorption) and in vivo neutralization of GPCR<uni-2013;AABs, the last being studied currently.

Nach der Entdeckung von Autoantikörpern (AAK), die agonistisch G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCR; GPCR-AAK) beeinflussen, insbesondere bei Patienten mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, ist eine autoimmune Genese der entsprechenden Erkrankungen wahrscheinlich geworden. Von Thomas Harrer (Erlangen) ist für die mit GPCR-AAK assoziierten Erkrankungen der Begriff „agonistic antibody disease“ eingeführt worden. Mit der Selektion von GPCR-AAK positiven Patienten, dem Abschätzen derer Krankheitsrisiken, der Entwicklung gezielter, auf die GPCR-AAK gerichteter therapeutischer Interventionen sowie dem auf die AAK bezogenen Therapiemonitoring kann „agonistic antibody disease“ als ein exemplarisches Beispiel für das Konzept der personalisierten Medizin angesehen werden. Damit eröffnet „agonistic antibody disease“ ein hochinteressantes Betätigungsfeld für Pathobiochemie und Laboratoriumsmedizin.

Nach einigen zusammenfassenden Informationen zur Epidemiologie, Biochemie und Pathobiochemie von GPCR-AAK assoziierten Erkrankungen wird im Anschluss über das von der Deutschen Gesellschaft für Klinische Chemie und Laboratoriumsmedizin im Rahmen der „Analytica Conference, München 2014“ organisierte Symposium „Autoantikörper gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren und Herz-Kreislauf-Krankheiten“ berichtet. In sechs Vorträgen, fokussiert auf Herz-Kreislauf-Krankheiten insbesondere auf Kardiomyopathien, wurde über a) diagnostische Möglichkeiten zum Nachweis von GPCR-AAK, b) zelluläre Untersuchungen zu den pathogenetischen Mechanismen von GPCR-AAK, c) die Etablierung eines Tiermodells zum Nachweis der Kausalität von GPCR-AAK-Bildung und Krankheitspathogenese sowie d) bereits existierende GPCR-AAK bezogene Therapien (Immunapherese) bzw. „under study“ befindliche neue Konzepte für die in vivo Neutralisation von GPCR-AAK berichtet.

G-Protein gekoppelte Rezeptoren (GPCR) bilden mit mehr als 1000 Vertretern die größte Superfamilie im Genom der Säugetiere. In der Evolution schon früh angelegt, sind GPCR für unterschiedlichste physiologische Funktionen notwendig. Sowohl die Sensorik (Licht, Geruch, Geschmack) als auch vielfältige metabolische Funktionen (Zellwachstum, Zelldifferenzierung, programmierter Zelltod, Entzündung, Zellbewegung, Stofftransport über Zellmembranen) werden über GPCR geregelt.

GPCR sind darüber hinaus Zielstrukturen für Hormone (z.B. Katecholamine, Glucagon) und Neurotransmitter (z.B. Serotonin, Acetylcholin), deren Signale nach Bindung an die GPCR in intrazelluläre metabolische Aktivitäten umgewandelt werden. Unsere gegenwärtigen Kenntnisse über GPCR entstammen zu einem wesentlichen Teil den Forschungen von Robert Lefkowitz und Brian Kobilka, die dafür 2012 mit dem Nobelpreis für Chemie geehrt wurden.

In Abbildung 1, ausgerichtet auf den beta1-Adrenozeptor, ist die Struktur von GPCR und deren Kommunikation mit Autoantikörpern (siehe weiter unten) schematisch dargestellt.

Abbildung 1 Der humane beta1-Adrenozeptor als Modell für G-Protein gekoppelte Rezeptoren.Dargestellt ist die Bindung eines Antikörpers jeweils am 2. Loop von zwei Rezeptoren. Zusätzlich aufgeführt sind die Bindungsepitope für die spezifisch gegen den beta1-Adrenozeptor gerichteten Autoantikörper von Patienten mit idiopathischer dilatativer Kardiomyopathie (DCM), Chagas Kardiomyopathie (Chagas CM) und Peripartum Kardiomyopathie (Peripartum CM). Modifiziert aus [1] mit Genehmigung von Pabst Scientific Publishers, Lengerich, Germany.
Abbildung 1

Der humane beta1-Adrenozeptor als Modell für G-Protein gekoppelte Rezeptoren.

Dargestellt ist die Bindung eines Antikörpers jeweils am 2. Loop von zwei Rezeptoren. Zusätzlich aufgeführt sind die Bindungsepitope für die spezifisch gegen den beta1-Adrenozeptor gerichteten Autoantikörper von Patienten mit idiopathischer dilatativer Kardiomyopathie (DCM), Chagas Kardiomyopathie (Chagas CM) und Peripartum Kardiomyopathie (Peripartum CM). Modifiziert aus [1] mit Genehmigung von Pabst Scientific Publishers, Lengerich, Germany.

Charakteristisch für GPCR ist:

  • Sie bestehen aus einer praktisch unverzweigten Aminosäurekette.

  • Diese Kette durchdringt siebenmal die Zellmembran.

  • Der N-terminale Teil der Aminosäurekette befindet sich im extrazellulären Bereich, der C-terminale Teil im intrazellulären Milieu.

  • Die Aminosäurekette (ca. 270 Aminosäuren) bildet drei intrazelluläre und drei extrazelluläre Schleifen (Loops).

  • Die drei extrazellulären Schleifen sind durch Disulfidbrücken miteinander verknüpft.

  • Durch die Aminosäuresequenz, Disulfidbrücken und verschiedene Glykosylierungen entsteht eine charakteristische dreidimensionale, taschenartige Struktur, die in den extrazellulären Raum ragt, um mit Agonisten zu kooperieren.

  • An das intrazelluläre Ende des Rezeptormoleküls binden trimere GTP-bindende Proteine (G-Proteine).

  • Nach Bindung eines Agonisten am Rezeptor kommt es zur Konformationsänderung des Rezeptormoleküls und die G-Proteine dissoziieren. Die dabei freigesetzten Untereinheiten regulieren (aktivieren bzw. inhibieren) die Aktivität verschiedener Effektorsysteme (Adenylatcyclasen, Proteinkinasen, Phospholipasen u.a.). Dadurch können extrazellulär auf die Zelle treffende Signale intrazellulär in vielfach verstärkte Folgereaktionen umgesetzt werden.

GPCR sind beim Menschen in verschiedenen Organen und Geweben (z.B. Herzmuskel, glatte Muskelzellen, Endothelzellen) nachgewiesen worden. GPCR sind für die Funktion beispielsweise von Herz, Niere und Blutgefäßen essentiell [2]. Es verwundert deshalb nicht, dass unphysiologische Stimulation bzw. Inhibition von GPCR als wesentliche Komponenten in der Pathogenese von Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems angesehen werden.

Es ist heute weitgehend akzeptiert, dass Autoantikörper (AAK), die spezifisch gegen jeweils bestimmte GPCR gebildet werden, als Agonisten diese GPCR unphysiologisch beeinflussen und damit entweder ursächlich oder unterstützend an der Pathogenese insbesondere von Herz-Kreislauf-Erkrankungen beteiligt sind.

Letztlich wurde mit der:

  1. Entdeckung von AAK gegen GPCR (GPCR-AAK), dem

  2. Nachweis der agonistischen Wirkung dieser AAK auf lebende Zellen, der

  3. heute bereits teilweise gelungenen Bestätigung der ursächlichen Funktion von GPCR-AAK bei verschiedenen Erkrankungen (siehe Tabelle 1) und der

  4. klinischen Besserung der Patienten nach Entfernung der GPCR-AAK aus dem Blut

Tabelle 1

G-Protein gekoppelte Rezeptoren beeinflusst durch funktionale Autoantikörper.

ReceptorDiseaseActivityExtracell. loopPrevalence
Beta1-adrenoceptorDilated cardiomyopathyAgonisticI.or II.70–80%
beta1-adrenoceptorPeripartum cardiomyopathyAgonisticII.n.d.
Beta1-adrenoceptorMyocarditisAgonisticII.60%
Beta1-adrenoceptorChagas’ cardiomyopathyAgonisticII.100%
Beta1-adrenoceptorElectric. Cardiac abnormalitiesAgonisticII.n.d.
Beta1-adrenoceptorVentricular tachycardiaAgonisticII.n.d.
Beta1-adrenoceptorArrhythmiaAgonisticII.n.d.
Beta11-adrenoceptorPeriodontitisAgonisticII.n.d.
Beta2-adrenoceptorAllergic asthmaInhibitoricIII.n.d.
Beta2-adrenoceptorChagas’ cardiomyopathyAgonisticII.90%
Beta2-adrenoceptorOpen angle glaucomaAgonisticII.90%
Beta2-adrenoceptorAlzheimers’ diseaseAgonisticI.n.d.
Beta2-adrenoceptorRegional pain syndromeAgonisticII.n.d.
Beta2-adrenoceptorOrthostatic hypotensionAgonisticn.d.n.d.
Alpha1-adrenoceptorRefractory hypertensionAgonisticI. or II.44%
Alpha1-adrenoceptorPulmonary hypertensionAgonisticII.n.d.
Alpha1-adrenoceptorDiabetes mellitus Typ IIAgonisticII.n.d.
Alpha1-adrenoceptorAlzheimers’ diseaseAgonisticI. or II.n.d.
Alpha1-adrenoceptorCancer after chemotherapyAgonisticII.n.d.
Muscarinic acetylcholine receptor M2Chagas’diseaseAgonisticII.80–100%
Muscarinic acetylcholine receptor M2Dilated cardiomyopathyAgonisticII.25–38%
Muscarinic acetylcholine receptor M2Regional pain syndromeAgonisticII.n.d.
Muscarinic acetylcholine receptor M3Sjörgren’ syndromeAgonisticII.n.d.
Muscarinic acetylcholine receptor M3Primary biliary cirrhosisAgonisticn.d.n.d.
Muscarinic acetylcholine receptor M3Orthostatic hypotensionn.d.n.d.n.d.
Muscarinic acetylcholine receptor M2Breast cancerAgonisticn.d.n.d.
Angiotensin II-receptor type 1Maligne hypertensionAgonisticII.14–33%
Angiotensin II-receptor type 1PreeclampsiaAgonisticII.90%
Angiotensin II-receptor type 1Vascular renal rejectionAgonisticII.100%
Angiotensin (1–7) Mas-receptorCancer after chemotherapyAgonisticII.n.d.
Endothelin 1-receptorPulmonary hypertensionAgonisticII.n.d.
Endothelin 1-receptorSklerodermaAgonisticn.d.n.d.
5-Hydroxytrypt-amine (Serotonin) receptor 4Systhemic lupus erythematosusAgonisticII.n.d.

eine neue Klasse von Autoimmunerkrankungen definiert.

Im Gegensatz zu den klassischen Autoimmunkrankheiten, bei denen die AAK lokale Entzündungsreaktionen und/oder Autoantikörper-Fc-Rezeptor vermittelte zelluläre Immunreaktionen auslösen, binden GPCR-AAK an Epitope auf ihren korrespondierenden extrazellulären Rezeptorloops (Abbildung 1). Solche GPCR-AAK-Rezeptor-Komplexe sind stabil und unterliegen nicht oder nur stark eingeschränkt den für die Wirkungsregulierung der physiologischen Agonisten typischen Feedback-Mechanismen. Folge ist eine weitgehend unkontrollierte dauerhafte Beeinflussung der Zielzellen. Es überrascht deshalb nicht, dass für Erkrankungen, bei denen eine derartige autoimmune Genese in Betracht gezogen wird, der Begriff „agonistic antibody disease“ geprägt wurde.

Unter den Herz-Kreislauf-Erkrankungen, bei denen angenommen wird, dass agonistische AAK über ihre GPCR modulierende Wirkung entscheidend zur Pathogenese beitragen, sind gesundheitspolitisch und –ökonomisch Idiopathische Dilatative Kardiomyopathie (DCM) und Chagas Kardiomyopathie von besonderer Bedeutung; aber auch Peripartum Kardiomyopathie, verschiedene Hypertonieformen und zunehmend weitere Erkrankungen, bei denen das Kreislauf-System involviert ist (siehe Tabelle 1), werden unter dem Gesichtspunkt einer „agonistic antibody disease“ betrachtet. Detailliertere Informationen finden sich unter [3].

Gerd Wallukat (Berlin)Autoantikörper gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Historischer Hintergrund und Prävalenz“ wies in seinem Vortrag darauf hin, dass bereits vor ca. 40 Jahren von Venter und Mitarbeitern AAK gegen den beta2-Adrenozeptor (beta2-AAK) bei Patienten mit allergischem Asthma sowie kurz danach von Borda und Mitarbeitern gegen den beta1-Adrenozeptor (beta1-AAK) bei Patienten mit Chagas Krankheit nachgewiesen wurden. Arbeiten von Wallukat und Mitarbeitern (zusammengefasst in [3]) führten zum Nachweis von beta1-AAK bei Patienten mit DCM, Myokarditis und Peripartum Kardiomyopathie sowie von beta2-AAK und AAK gegen den Muskarinergen Acetylcholin-Rezeptor Typ 2 (M2-AAK) bei Chagas-Patienten insbesondere mit Chagas Kardiomyopathie und/oder gastrointestinalen Megasyndromen. Ergänzt wurden diese Untersuchungen durch die Charakterisierung der für die AAK spezifischen Rezeptorepitope [4]. Sowohl für den Nachweis der GPCR-AAK als auch für das Epitopmapping wurde ein von Wallukat und Mitarbeitern entwickelter Biosssay, in dem die chronotrope Aktivität der GPCR-AAK an kultivierten neonatalen spontan schlagenden Rattenkardiomyozyten gemessen wird, eingesetzt. Als Probenmaterial wird IgG aus dem Blut präpariert [5]. Der entscheidende Vorteil dieses Bioassays besteht in der parallelen Messung verschiedenster im IgG enthaltenen GPCR-AAK, was durch die Messung in Gegenwart spezifischer Rezeptorblocker erreicht wird. Der Nachweis der weiteren in Tabelle 1 aufgeführten GPCR-AAK erfolgte in der Regel auch mit dem Bioassay. Bei Nutzung von ELISA-Techniken wurden häufig weniger Patienten als AAK-positiv identifiziert. Im zweiten Teil seines Vortrages wies G. Wallukat darauf hin, dass der Bindungsort für die physiologischen Agonisten eine hydrophobe Tasche ist, die durch die transmembranösen Anteile des Rezeptors geformt wird. Im Gegensatz dazu erkennen die GPCR-AAK Bindungsregionen an den extrazellulären Loops der Rezeptoren. Die dadurch mögliche Dimerisierung von Rezeptoren führt zur Stabilisierung der agonistischen Konformation des Rezeptors und damit verbunden zur Dauerstimulation, die beispielsweise zur Ca++-Überladung der Zellen und daraus resultierenden pathophysiologischen Konsequenzen führen kann. Mit Hilfe von Bindungsexperimenten unter Nutzung von bivalenten F(ab)2 – und monovalenten Fab-Fragmenten der GPCR-AAK haben Wallukat und Mitarbeiter die zentrale Rolle der AAK vermittelten Rezeptordimerisierung insbesondere für die Interaktion von beta1-AAK und beta1-Adrenozeptor nachgewiesen [6].

Trotz der bisherigen extensiven Nutzung des vorstehend genannten Bioassays zum Nachweis von GPCR-AAK im Blut von Patienten, insbesondere auch trotz der Möglichkeit der parallelen Messung verschiedener GPCR-AAK, darf nicht unerwähnt bleiben, dass u.a. die Nutzung von Tieren als Zellspender, personal-, zeit- und kostenintensive Zellkultivierung, eingeschränkte Standardisierung des Assays und ungenügende Automatisierbarkeit Probleme mit sich bringen, diesen Bioassay im Rahmen der Routinediagnostik und des Patientenmonitorings hochfrequent und kostengünstig einzusetzen. Insbesondere im Rahmen der personalisierten Medizin, d.h. Screening GPCR-AAK positiver Patienten, gefolgt von GPCR-AAK gerichteter Therapie unter GPCR-AAK-Monitoring zur Therapieoptimierung und zum Nachweis des Therapieerfolges, muss eine Analytik bereitgestellt werden, die weitgehend frei ist von den Einschränkungen des auf neonatale Rattenkardiomyozyten beruhenden Bioassays. Unter diesem Gesichtspunkt wären sicherlich ELISA optimal, wobei darauf hinzuweisen ist, dass für die einzelnen GPCR-AAK jeweils spezifische ELISA verfügbar sein müssen. Bisher sind jedoch keine an üblichen Kriterien der Durchführbarkeit und Standardisierbarkeit orientierte GPCR-AAK-ELISA kommerziell verfügbar.

V.O. Nikolaev (Göttingen)Analytik von Autoantikörpern gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren“ stellte in seinem Vortrag einen von ihm und Mitarbeitern entwickelten Bioassay zur beta1-AAK-Messung vor, in dem die beta1-AAK-Aktivität über deren Stimulierung der zellulären cAMP-Produktion mittels Epac-FRET gemessen wird [7, 8].

Dazu wurden beta1-Adrenozeptor exprimierende Zellen (HEK293) mit Epac1-based fluorescent cAMP sensor (Epac1-camps) transfiziert und die cAMP-Produktion nach Inkubation mit beta1-AAK mittels Fluoreszenzmikroskopie gemessen. Als Probenmaterial wurden IgG-Präparationen eingesetzt. Kreuzreaktion von beta2-AAK in der IgG-Präparation mit den von den Zellen exprimierten beta2-Adrenozeptoren kann in Gegenwart des selektiven beta2-Adrenozeptor-Antagonisten ICI 118551 geblockt werden. Das Protokoll wurde an 96-Well-Platten angepasst und zur Messung von beta1-AAK im Blut von Patienten mit DCM eingesetzt. Je nach eingesetzter Zelle und exprimiertem Rezeptor lassen sich unter Nutzung des Protokolls Assays für die verschiedensten GPCR-AAK aufbauen.

F. Boege, Düsseldorf„Autoantikörper in ihren molekularen Wechselwirkungen mit G-Protein gekoppelten Rezeptoren am Beispiel von beta1-Rezeptor-Autoantikörpern: Änderung von Rezeptorkonformation, -aktivität und –internalisierung als pathogene Stimuli bei Dilatativer Kardiomyopathie“ berichtete über eine experimentelle Arbeit, die kürzlich von ihm und Mitarbeitern publiziert wurde [9]. Ziel war es, das zur Realisierung der pathogenen Potenz von GPCR-AAK zentrale Ereignis, nämlich die Bindung der GPCR-AAK am Rezeptor und die daraus resultierenden Effekte (Konformationsänderung, Rezeptoraktivität, Rezeptorinternalisierung) am Beispiel von beta1-AAK und beta1-Adrenozeptor aufzuklären.

Dazu wurde IgG von Patienten mit DCM und von gesunden Kontrollen präpariert und deren Bindung am humanen beta1-Adrenozeptor verglichen. An HEK293-Zellen, die YFP fusionierte beta1-Adrenozeptoren exprimieren, konnte – basierend auf der Co-Lokalisation von beta1-Adrenozeptor- und IgG-assoziierter Fluoreszenz für alle untersuchten DCM-Patienten und für 70% der gesunden Kontrollen beta1-AAK-Positivität nachgewiesen werden, wobei nach quantitativer Auswertung die Patienten signifikant höhere beta1-AAK-Aktivitäten aufwiesen.

Nach zusätzlichem Einbau von CFP in das Rezeptorprotein ergab sich die Möglichkeit, durch die AAK-Bindung induzierte Konformationsänderungen im Rezeptor über Förster-Resonanz-Energie-Transfer (FRET) zu analysieren. Dabei bewirkten alle zuvor als Rezeptorbinder identifizierten IgG Konformationsänderungen am Rezeptor, verbunden mit gesteigerter intrazellulärer cAMP-Bildung. Unter quantitativen Gesichtspunkten betrachtet, stimulierte allerdings die Mehrheit der Patienten-IgG die cAMP-Bildung signifikant stärker (vergleichbar mit oder sogar stärker als Isoproterenol) als IgG von gesunden Kontrollen (cAMP-Bildung geringer als nach Isoproterenol). Mittels Totaler-Interner-Reflektionsmikroskopie (TIRF) konnte gezeigt werden, dass für beta1-AAK, die die cAMP-Bildung stimulieren, die für physiologische Agonisten typische Rezeptorinternalisierung ausbleibt. Die durch physiologische Agonisten hervorgerufene Rezeptorinternalisierung wird in Gegenwart von beta1-AAK abgeschwächt, wobei dieser Effekt für IgG von DCM-Patienten deutlich stärker als für IgG von gesunden Kontrollen ausgeprägt war. Die präsentierten Ergebnisse weisen darauf hin, dass die nach beta1-AAK-Bindung induzierte Konformationsänderung am beta1-Adrenozeptor die entscheidende Voraussetzung ist, damit beta1-AAK ihre im Hinblick auf die Genese der Kardiomyopathie pathogene Wirkung entfalten können.

Aus den Resultaten der Untersuchungen an subzellulären und zellulären Modellen ließ sich auf eine Beteiligung von GPCR-AAK induzierten Reaktionen an der Pathogenese von Herz-Kreislauf-Krankheiten schließen. Erst Tiermodelle sind jedoch geeignet, eine Kausalität zwischen Bildung bzw. Vorkommen von GPCR-AAK und Krankheitspathogenese nachzuweisen. Letztlich sind solche Modelle auch für die Entwicklung und Testung neuer auf GPCR-AAK gerichtete Therapieansätze nützlich.

Für den Kausalitätsnachweis zwischen beta1-AAK-Bildung und Herzinsuffizienzentstehung wurde von R. Jahns, Würzburg„Tierexperimenteller Nachweis der Pathogenität von Autoantikörpern (AAK) gegen G-Protein-gekoppelte Rezeptoren am Beispiel von Beta1-Rezeptor AAK und Dilatativer Kardiomyopathie“ ein von ihm und Mitarbeitern etabliertes human-analoges Herzinsuffizienzmodell in der Lewis-Ratte vorgestellt [10].

Dazu wurden Lewis-Ratten (Inzucht-Stamm) mit einem Fusionsprotein aus E.Coli (Glutathion-S-Transferase) und der zweiten extrazellulären Domäne des humanen beta1-Adrenozeptors immunisiert (100% Sequenz-Homologie zwischen Mensch und Ratte). Alle Tiere entwickelten agonistische beta1-AAK und nach 6 Monaten eine im Verlauf progrediente Dilatation und Funktionseinschränkung des Herzens, vergleichbar einer dilatativen Kardiomyopathie. Nach mehrfacher Übertragung von beta1-AAK positivem Serum auf herzgesunde Ratten des selben Stammes entwickelten auch diese eine Dilatation und Funktionseinschränkung des Herzens. In dem Modell konnte auch gezeigt werden, dass die intravenöse Applikation von beta1-Adrenozeptor analogen Peptiden zur in vivo Neutralisation der beta1-AAK führt, was therapeutisch wirksam war [11].

Noch vor der Konzipierung von Strategien zur in vivo Neutralisation von GPCR-AAK (siehe: R. Jahns für beta1-AAK) sind, wie von R. Kunze, BerlinTherapeutische Apherese von Autoantikörpern gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren: Technologie und Nutzen“ berichtet wurde, extrakorporale Verfahren zur Immunadsorption von GPCR-AAK entwickelt und erfolgreich beim Menschen mit GPCR-AAK-Positivität eingesetzt worden. Mit den Adsorptionssäulen werden die GPCR-AAK in der Regel durch unspezifische IgG-Binder aus dem Patientenblut entfernt. Eingesetzt wird die Immunadsorption gegenwärtig bei beta1-AAK positiven DCM-Patienten. Für diese Gruppe wurde zusätzlich eine Säule entwickelt, die spezifisch nur beta1-AAK bindet. Für beide Verfahren konnte in nun mehr als 10-jährigem follow up der Nutzen (Gewinn an Lebenszeit) dieser Therapie klar nachgewiesen werden. Da sowohl unspezifische als auch spezifische Immunadsorption zur Entfernung von beta1-AAK gleich wirksam waren (bei der unspezifischen Immunadsorption werden auch bei DCM-Patienten zu findende M2-AAK entfernt), ist von der besonderen Bedeutung der beta1-AAK in der Pathogenese der DCM auszugehen. In Einzelfällen wurde die GPCR-AAK-Immunadsorption auch zur Behandlung von Patienten mit Pulmonaler Hypertonie erfolgreich eingesetzt.

Ausgehend von den in Tabelle 1 aufgeführten GPCR-AAK positiven Krankheiten ließe sich das Einsatzgebiet der Immunadsorption und dabei aus ökonomischen Gründen insbesondere des unspezifischen Verfahrens zur GPCR-AAK-Entfernung deutlich ausweiten.

Unter Hinweis auf eigene tierexperimentelle Untersuchungen zum Vorkommen und zur Funktion von alpha1-AAK und beta2-AAK bei Alzheimer-Krankheit und Vaskulärer Demenz [12, 13] wies R. Kunze darauf hin, dass nicht auszuschließen ist, dass sich zukünftig noch weitere Einsatzgebiete für die Immunadsorption eröffnen könnten. Im Hinblick auf Kosten und Logistik der Immunadsorption wurde nochmals auf die Notwendigkeit (GPCR-AAK-Positivität) hingewiesen, mittels kostengünstiger und standardisierter Analysenmethoden genau die Patienten zu selektieren, die von der Immunadsorption profitieren können.

Wie von I. Schimke (Berlin)„Therapiestrategien zur in vivo Neutralisation von Autoantikörpern gegen G-Protein gekoppelte Rezeptoren. Was könnte die Zukunft bringen?“ ausgewiesen wurde, sollte trotz nicht unerheblicher Kosten die therapeutische Immunadsorption von GPCR-AAK auch unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten als eine zu akzeptierende Therapie angesehen werden. Für Patienten mit DCM wurde für die Immunadsorption und die nachfolgenden therapiebedingten Folgekosten ein Betrag von 35.000 Euro für 1 Jahr therapiebedingter verlängerter Lebenszeit (Cost per QALY: QALY – Qualitätskorrigiertes Lebensjahr) berechnet [14]. Damit unterschreiten die Aufwendungen für die Immunadsorptionstherapie den Betrag von 50.000 Euro, eine für Deutschland unter gesundheitsökonomischen Gesichtspunkten genannte obere Richtzahl in der Kosten-Nutzen-Bewertung von neuen Therapien. Anzunehmen ist jedoch, dass beispielsweise für die Millionen der insbesondere in den Schwellen- und Entwicklungsländern Süd- und Mittelamerikas lebenden Patienten mit Chagas Kardiomyopathie und Chagas gastrointestinalen Megasyndromen die GPCR-AAK-Immunadsorption unter gesundheitsökonomischen Betrachtungen und logistischen Gesichtspunkten kaum eine Option darstellen wird. Damit ist heute der Punkt erreicht, Therapien für die „agonistic antibody disease“ zu entwickeln, die für die Patienten hocheffektiv und unter ökonomischen und logistischen Gesichtspunkten der Mehrheit der Patienten zugänglich sind, nicht nur den in den Industriestaaten. Die systemische Applikation von Medikamenten zur GPCR-AAK-Neutralisation sollte dabei richtungsweisend sein. Die von Jahns und Mitarbeitern inaugurierte Applikation von Peptiden (abgeleitet von den Aminosäuresequenzen der für die GPCR-AAK charakteristischen Rezeptor-Epitope) zur in vivo GPCR-AAK-Neutralisation weist in diese Richtung und befindet sich für DCM-Patienten mit beta1-AAK-Positivität bereits in der klinischen Testung. In einem zweiten Konzept werden Aptamere zur in vivo Neutralisation von GPCR-AAK eingesetzt. Für ein spezifisch beta1-AAK bindendes Aptamer als auch für ein Aptamer, das alle in Tabelle 1 aufgeführten GPCR-AAK bindet, wurde die neutralisierende Wirkung auf die jeweiligen GPCR-AAK im Zellsystem und im Tierversuch nachgewiesen [15–17]. Verglichen mit Peptiden oder Aptameren mit Spezifität für jeweils nur einen GPCR-AAK könnte das Aptamer, das parallel verschiedenste GPCR-AAK neutralisiert, ein deutlich umfangreicheres Indikationsgebiet finden, insbesondere auch für Patienten von Vorteil sein, deren Erkrankung von mehreren GPCR-AAK determiniert ist (z.B. Chagas Krankheit). Ob neue Technologien, beispielsweise die Kombination der GPCR-AAK neutralisierenden Peptide oder Aptameren mit Nanopartikeln, zu oral applizierbaren Medikamenten führen werden, muss die Zukunft zeigen.


Korrespondenz: Prof. Dr. Ingolf Schimke, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Medizinische Chemie und Pathobiochemie, Charitéplatz 1, 10117 Berlin, Deutschland, Tel.: +49 30 450513011, Fax: +49 30 4507513011, E-Mail:

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Online erschienen: 2014-7-9
Erschienen im Druck: 2014-7-1

©2014 by Walter de Gruyter Berlin/Boston

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