Die deutsche Unrechtsvergangenheit in der Lehre des Rechts – Stand und Optionen der Umsetzung von § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG
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Arvid Kerschnitzki
A) Einführung
Die Integration der Auseinandersetzung mit dem nationalsozialistischen Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur in die juristische Ausbildung hat eine kontroverse Diskussion ausgelöst. Während die Stoßrichtung des Gesetzgebers bei der Novellierung von § 5a DRiG [1] überwiegend begrüßt wurde, ist zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Gesetzesänderung weiterhin unklar, wie die Implementierung der neuen Rechtslage konkret aussehen kann und soll. Während einige juristische Fakultäten und Fachbereiche erste spezifische Lehrangebote geschaffen haben, finden sich in den Studienplänen etlicher anderer Hochschulen, die eine Vorbereitung auf die Erste Juristische Prüfung im Sinne des § 5 DRiG anbieten [2], kaum oder überhaupt keine Anpassungen des Lehrangebots [3]. Im Folgenden werden nach einer knappen Skizze der Reformdiskussion (B.) nicht nur die bisherige Umsetzungspraxis, sondern auch die denkbaren Umsetzungsoptionen dargestellt und diskutiert, wobei für ein an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg bereits erprobtes Kombinationsmodell bestehend aus Vortragsreihe und damit verknüpftem Seminar geworben wird (C.) [4]. Der Beitrag schließt mit der Zusammenfassung der Ergebnisse (D.).
B) Skizze der Diskussion über die jüngste Reform des DRiG
Angestoßen durch das Projekt „Rosenburg“, das sich mit den personellen Kontinuitäten im Bundesministerium der Justiz zwischen der NS-Diktatur und der Bundesrepublik beschäftigte [5], bekundete im Jahr 2017 der damalige Bundesjustizminister Heiko Maas die Absicht, die Auseinandersetzung mit dem Justizunrecht des 20. Jahrhunderts in die Juristenausbildung zu integrieren [6]. Anfang 2021 wurde das Thema von der dann amtierenden Bundesjustizministerin Christine Lambrecht wieder aufgegriffen, die öffentlich kritisierte, dass in juristischen Pflichtveranstaltungen eine „Auseinandersetzung mit dem NS-Unrecht“ kaum stattfinde [7]. Die in Rechtspraxis und Rechtswissenschaft geführte Diskussion über das Für und Wider einer Integration sowohl des NS- als auch des SED-Unrechts [8] in den Prüfungsstoff wurde intensiv geführt und dies auch noch nach Inkrafttreten des neuen § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG am 1. Januar 2022. In der Debatte stand von Anfang an außer Frage, dass es für angehende Juristen hilfreich ist, sich für die Einübung einer rechtsstaatlichen Haltung (auch) mit dem NS-Unrecht und dem Unrecht der SED-Diktatur auseinanderzusetzen [9]. Ob die konkrete Novellierung des DRiG allerdings das richtige Instrument ist, um besagte Auseinandersetzung zu gewährleisten, war und ist bis heute umstritten [10].
Nach der Konzeption des Gesetzgebers hat die neue Regelung konkret zum Ziel, künftigen Juristen von Beginn an ihre Verantwortung für einen funktionierenden Rechtsstaat zu vermitteln [11]. Sie sollten „(…) nicht nur das positive Recht handwerklich korrekt umsetzen können, sondern eine rechtsstaatliche Haltung entfalten (…)“ [12]. Befürworter der Novellierung sehen hierin den Beginn einer zu begrüßenden Institutionalisierung von Erinnerungskultur und Widerständigkeit der deutschen Juristerei [13] und damit einer „größeren ideellen Reform der Rechtslehre“ [14]. Die Konfrontation mit dem Unrecht solle Studierenden unter anderem ein vertieftes Verständnis der Bedeutung juristischer Methodenlehre vermitteln [15]. Auch soll sie dazu beitragen, mündige und verantwortungsvolle Juristen auszubilden [16], die sich der „typischen Gefährdungslagen der jeweiligen juristischen Tätigkeit“ bewusst sind [17]. Die Reform weise die richtige Stoßrichtung auf, wirke sie doch effektiv auf ein Selbstverständnis hin, „das Rechtsstaat und Demokratie verpflichtet ist und Jurist/innen befähigt, eine (…) sensible Wahrnehmung für Unrecht zu entwickeln (…)“ [18].
Kritiker der bisweilen als Akt symbolischer Gesetzgebung titulierten Novellierung des DRiG [19] führen ihrerseits an, dass Studierende nicht allein durch die Vermittlung von Wissensbeständen über das Justizunrecht sensibilisiert werden könnten. Überdies sei es widersprüchlich, das Ziel, Juristen zu eigenständigem Denken und Entscheiden zu befähigen, dadurch erreichen zu wollen, ihnen vorzugeben, was sie zu denken haben [20]. Die Vermittlung von Wissen über das Unrecht der deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts sei „mit einer starken normativen Aufladung im Geiste einer moralischen Vorverurteilung verbunden“. In der Folge drohe der Unterricht in der Ausbildungspraxis allzu schnell „doktrinär und ideologisch“ zu werden [21]. Statt reflektierender Distanz könne auf diese Weise bei den Studierenden nur der Sache abträgliche Empörung hervorgerufen werden [22]. Letztlich sei die Novellierung zudem überflüssig, da das Justizunrecht des 20. Jahrhunderts schon vielfältig in der juristischen Ausbildung behandelt werde, nicht zuletzt in den dogmatischen Fächern [23].
Um das Ziel der Ausbildung eines widerstandsfähigen Juristenstands zu erreichen, wird alternativ vorgeschlagen, die etablierten Grundlagenfächer zu stärken [24], vermittelten diese doch schon bislang die hierfür notwendige Reflexionsfähigkeit [25]. In der Folge könne die DRiG-Reform als Infragestellung von Rolle und Bedeutung der Grundlagenfächer verstanden werden [26]. Auch wenn diese Kritikpunkte ihre Berechtigung haben, rechtfertigen sie eine pauschale Ablehnung des neuen § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG nicht. Vielmehr gilt es diese Einwände beim Versuch einer bestmöglichen Implementierung der neuen gesetzlichen Vorgaben angemessen zu berücksichtigen.
C) Umsetzung: Praxis, Optionen und Argumente
Die Vorgaben des § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG sind nach § 5a Abs. 4 DRiG durch die Landesgesetzgeber zu konkretisieren. Auch wenn die neuen bundesrechtlichen Vorgaben unmittelbare Befolgung verlangen, wurden knapp zwei Jahre nach der Reform nur in den juristischen Ausbildungsordnungen Hamburgs, Hessens, Niedersachsens, Nordrhein-Westfalens und des Saarlands entsprechende Anpassungen vorgenommen [27]. Konkretisierungen der bundesgesetzlichen Vorgaben sucht man aber auch hier vergebens. Vielmehr erschöpfen sich die Anpassungen in der (fast) wörtlichen Übernahme des DRiG [28].
Damit bleibt es den juristischen Fachbereichen und Fakultäten und letztlich den Lehrenden überlassen, die neuen Vorgaben umzusetzen, wobei ihnen dafür weder Leitlinien noch Handlungsempfehlung zur Verfügung stehen [29]. Seit dem Inkrafttreten der DRiG-Reform finden sich in den Vorlesungsverzeichnissen der Juristischen Fakultäten (Sommersemester 2022 bis Wintersemester 2023/24) 75 Lehrveranstaltungen, die sowohl einen rechtshistorischen Schwerpunkt als auch einen deutlichen Bezug zur deutschen Unrechtshistorie des 20. Jahrhunderts aufweisen [30]. Bei 34 dieser Veranstaltungen handelt es sich freilich um Schwerpunktveranstaltungen, die zwar eine wertvolle Vertiefungsmöglichkeit für besonders interessierte Studierende bieten, allerdings von vornherein nicht die breite Masse der Studierenden erreichen. Die übrigen 41 Veranstaltungen [31] verteilen sich auf 21 und damit auf die Hälfte der Juristischen Fakultäten, wobei davon wiederum knapp die Hälfte (neun) Fakultäten im Untersuchungszeitraum lediglich ein einziges Mal eine derartige Veranstaltung im Lehrplan aufführten. 18 der ausgewerteten Fakultäten boten somit keine einschlägigen, über das Schwerpunktbereichsstudium hinausgehenden, Veranstaltungen an [32].
Die Auswertung zeigt damit: Eine flächendeckende sowie nachhaltige Implementierung der DRiG-Reform ist bislang noch nicht gelungen [33]. Zu vermuten ist allerdings, dass etliche Lehrende an vielen Hochschulstandorten durchaus versuchen, die „neue“ Thematik – wie vom Gesetzgeber in § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG gewünscht – in die dogmatischen Lehrveranstaltungen zu den Pflichtfächern zu integrieren [34]. Gelingt dies, stellen sich gleich zwei Erfolge ein. Die Kenntnis historischer Hintergründe führt einerseits zu einem vertieften Verständnis des gegenwärtigen Rechts. Andererseits wird das (Un-)Recht der deutschen Diktaturen des 20. Jahrhunderts für die Studierenden durch die rechtsdogmatische Reflexion besonders plastisch und einprägsam aufbereitet [35]. Ohnehin kam die rechtsdogmatische Lehre auch vor der DRiG-Reform an der Thematisierung des deutschen Justizunrechts nicht ganz vorbei, lassen sich doch einige Normen [36], Gerichtsentscheidungen [37] und dogmatische Figuren [38] sonst kaum erklären, geschweige denn verstehen.
Mehr als die für ein Verständnis des Examensstoffs unbedingt notwendigen Kenntnisse über die deutsche Unrechtsvergangenheit wurden und werden in juristischen Vorlesungen aber weiterhin wohl nur in Ausnahmefällen behandelt. Das liegt zum einen daran, dass es zumeist an Zeit, Interesse und/oder Expertise der Lehrenden fehlt [39], nicht selten aber auch an Neugier und Interesse der Studierenden, die das Studium überwiegend als mehrjährigen Examensvorbereitungskurs begreifen, für den eine reflexive Auseinandersetzung mit der deutschen Unrechtsvergangenheit (zumindest bislang) keinen unmittelbaren Nutzen verspricht [40]. Zum anderen wird schlicht auch deshalb auf eine intensivere Behandlung des Justizunrechts verzichtet, weil befürchtet wird, ansonsten nicht genug des examensrelevanten Prüfungsstoffs vermitteln zu können [41]. Die gesetzgeberisch vorgesehene Implementierungsstrategie stößt vor diesem Hintergrund an kaum überwindbare praktische Grenzen. Entsprechend ist über Alternativen nachzudenken, die die gesetzgeberischen Zielsetzungen der DRiG-Reform auf anderem Wege erreichen. Einzelne Fachbereiche und Fakultäten haben erste Konzepte entwickelt und eingesetzt, wobei vor allem zwei Wege beschritten werden: Während an elf Universitäten in den letzten vier Semestern jeweils zumindest eine eigene Vorlesung oder Vortragsreihe zum NS- und SED-Unrecht veranstaltet oder bereits nachhaltig ins Curriculum integriert wurde [42], finden sich in den Vorlesungsverzeichnissen von 17 Juristischen Fakultäten einschlägige Seminarangebote [43]. In Augsburg wird schließlich eine Art Kombinationsansatz verfolgt, der ein Seminar mit einer Vortragsreihe kombiniert.
Im Folgenden werden diese drei Modelle im Einzelnen analysiert und evaluiert. Zu prüfen ist jeweils, ob das Konzept dem gesetzgeberischen Reformziel gerecht wird bzw. werden kann, ob es sicherstellt, dass die Lehrinhalte eine signifikante Zahl von Studierenden erreichen und, ob es der in der Literatur an der Reform geäußerten Kritik effektiv begegnet [44]. Mit anderen Worten: Die Umsetzung von § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG sollte nicht zu Lasten der Grundlagenfächer gehen, die Indoktrinierungsgefahr bannen und im besten Fall eine eingehende individuelle Auseinandersetzung mit der Thematik der Unrechtsvergangenheit ermöglichen [45].
I Vorlesungs(reihen)modell
Eine erste Umsetzungsstrategie besteht darin, eine spezifische, zumeist einsemestrige Vorlesung zum Thema der deutschen Unrechtsgeschichte anzubieten, sei es für Studierende in den Anfangssemestern [46] oder im Hauptstudium. Eine Abwandlung dieses Modells stellt die Organisation einer einschlägigen Vorlesungs- oder Vortragsreihe dar, deren Besuch wiederum fakultativ für die Studierenden ist [47]. Auch wenn Vorlesungen und Vortragsreihen die Auseinandersetzung mit der Thematik durchaus ermöglichen, haben sie doch den entscheidenden Nachteil, dass an ihnen aller Wahrscheinlichkeit nach nur wenige Studierende teilnehmen werden. Grund dafür ist, dass in entsprechenden Veranstaltungen weder ein (Pflicht-)Schein noch unmittelbar examensrelevantes Wissen erworben werden können, während sie vonseiten der Studierenden einen nicht unerheblichem Zeiteinsatz erfordern [48]. Zwar stimmt es, dass nicht alle examensrelevanten Veranstaltungen viele Studierende anziehen [49]. Richtig ist aber auch, dass nicht examensrelevante Veranstaltungen faktisch nie von mehr als einer kleinen Minderheit der Studierenden belegt werden.
II Seminarmodell
Um das Ziel der Reform zu erreichen, bedarf es nach übereinstimmender Einschätzung nicht nur einer oberflächlichen, sondern eingehender Beschäftigung mit dem NS- und SED-Unrecht [50]. So müssen sich Studierende etwa mit Rechtsnormen, Rechtsdogmatik und Rechtswissenschaft der Zeit vertraut machen, um mögliche Gefährdungen durch Rechtssetzung und -auslegung erkennen zu lernen. Für die geforderte reflexive und intensive Auseinandersetzung bietet sich das Seminar als Veranstaltungsformat in besonderem Maße an [51], eröffnet es den Studierenden doch die im Studium sonst kaum gegebene Möglichkeit, sich vertieft mit einem Thema auseinanderzusetzen [52]. Die Verortung der Thematik im Rahmen von Seminaren überzeugt auch deshalb, weil auf diese Weise Grundlagenfächer nicht verdrängt, sondern ergänzt und dogmatische Pflichtvorlesungen nicht überladen, sondern flankiert werden. Erneut stellt sich allerdings das Problem, dass durch die Verortung der Thematik in einem bzw. einzelnen Seminaren nur sehr wenige Studierende erreicht werden [53]. Zwar besteht, anders als bei der (fakultativen) Vorlesung, aufgrund der Aussicht einen „Schein“ zu erwerben eine größere Chance als beim Vorlesungsmodell, dass sich nicht nur die besonders interessierten und leistungsstarken Studierenden von dem Konzept angesprochen fühlen. Quantitativ gesehen ist der Teilnehmendenkreis in einem Seminar jedoch von vornherein auf etwa 25 Studierende beschränkt. Auf diese Weise kann das Reformziel nicht erreicht werden, nach dem sich grundsätzlich alle Studierenden mit der deutschen Unrechtsgeschichte des 20. Jahrhunderts auseinandersetzen sollen.
III Das Kombinationsmodell: Die Seminar-Vortragsreihen-Kombination
Ein drittes, an der Juristischen Fakultät der Universität Augsburg erprobtes „Modell“ versucht die Vorzüge der beiden vorstehenden Konzepte zu vereinen und deren jeweilige Nachteile zu vermeiden, indem ein propädeutisches Seminar an eine fachsäulenübergreifende und drei Vorträge umfassende [54] Vortragsreihe gekoppelt wird [55].
Durch die Vortragsreihe wird ein Angebot für sämtliche Studierenden der Fakultät und darüber hinaus geschaffen, das die Thematik des deutschen Diktaturunrechts im besten Fall zu einem allgemeinen Diskussionsthema an der jeweiligen universitären Einrichtung macht. Dadurch dass die Veranstaltung jährlich stattfindet und sie wegen wechselnder Referenten [56] und Vortragsthemen jeweils andere Facetten des Generalthemas beleuchtet, haben alle Fakultätsangehörigen die Möglichkeit, jährlich neue Perspektiven auf das NS- und SED-Unrecht zu gewinnen und sich mit der Thematik eingehend ausein-anderzusetzen. Auch wohnt diesem Konzept eine gewisse Niederschwelligkeit inne, da es Studierenden (sowie den sonstigen Angehörigen der Fakultät) ermöglicht, sich den Vortrag ihres Interesses anzuhören, ohne gleich eine wöchentliche Vorlesung besuchen zu müssen. Dies mindert die Hemmschwelle, ein solches Format zu besuchen, und erhöht wiederum die potenzielle Reichweite der Veranstaltung, die natürlich auch von effektiver Bewerbung sowie von interessanten Referenten und Vortragsthemen abhängig ist.
Die Seminarkomponente des Modells eröffnet für bis zu 25 Studierende eine Vertiefungsmöglichkeit der Vortragsreihe und weist all diejenigen Vorteile auf, die bereits für das (reine) Seminarmodell ins Feld geführt worden sind. Darüber hinaus werden die Seminarteilnehmenden nicht nur, wie für propädeutische Seminare üblich, allgemein mit dem wissenschaftlichen Schreiben vertraut gemacht, sondern auch in den rechtswissenschaftlichen Diskurs einbezogen. Konkret wird ihnen nahegelegt, in den Seminararbeiten an einen der drei Vorträge bzw. dessen Thesen in ihrer schriftlichen Ausarbeitung anzuknüpfen und dazu begründet Stellung zu beziehen. Alternativ können die Studierenden selbstverständlich auch aus vorgegebenen Themen auswählen und diese eigenständig konkretisieren. Zusätzlich sind die Teilnehmenden dazu angehalten, sich an den Diskussionen, die sich jeweils an die Vorträge anschließen, mit Fragen und Diskussionsbeiträgen aktiv zu beteiligen. Auf diese Weise wird die eigenständige und kritische Auseinandersetzung mit der Thematik weiter gefördert und jeglicher Indoktrinierungsgefahr von vornherein entgegengewirkt.
D) Fazit: Es gibt noch viel zu tun!
Auch wenn einige Fakultäten zwei Jahre nach der DRiG-Reform bereits Veranstaltungen zur deutschen Unrechtsvergangenheit in ihre Lehrpläne integriert haben, fehlt es überwiegend noch an einer gehaltvollen und nachhaltigen Umsetzung von § 5a Abs. 2 S. 3 Hs. 2 DRiG in die rechtswissenschaftliche Lehre [57].
Ein Grund für die zurückhaltende Implementierung der Gesetzesnovelle besteht darin, dass die neuen gesetzlichen Vorgaben, so wie vom Gesetzgeber beabsichtigt, kaum umsetzbar sind. Allerdings gibt es mehrere (andere) Möglichkeiten, den Grundgedanken des Reformanliegens effektiv in die juristische Lehre zu integrieren. Besonders vielversprechend erscheint der hier vorgestellte zweispurige Ansatz, bestehend aus Vortragsreihe und damit verknüpftem Seminar.
Nun ist es an den juristischen Fachbereichen und Fakultäten, ihr Lehrangebot zu überdenken, das für sie passende Veranstaltungsformat auszuwählen und dieses insbesondere nachhaltig in den Lehrplan zu integrieren. Dazu sind sie nicht nur gesetzlich verpflichtet. Vielmehr ist eine Auseinandersetzung mit der deutschen Unrechtsvergangenheit für angehende Juristen von großer Bedeutung, nicht zuletzt in Zeiten wie diesen, in denen der demokratische Verfassungsstaat des Grundgesetzes nicht mehr selbstverständlich erscheint. Diese Auseinandersetzung zu ermöglichen und auf diese Weise zur Resilienz des demokratischen Verfassungsstaates des Grundgesetzes beizutragen [58], ist ganz unabhängig von gesetzlichen Vorgaben ureigene Aufgabe rechtswissenschaftlicher Ausbildungseinrichtungen [59].
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