Home Ausbildung von DaF-Lehrkräften in Polen am Beispiel der Pädagogischen Universität Krakau
Article Publicly Available

Ausbildung von DaF-Lehrkräften in Polen am Beispiel der Pädagogischen Universität Krakau

  • Renata Czaplikowska

    ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin für Deutsch als Fremdsprache und Sprachmethodik am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft am Neuphilologischen Institut der Pädagogischen Universität Krakau. Sie ist Tutorin in Online-Fortbildungskursen des Goethe Instituts für DaF-Lehrende. Hauptinteressengebiete: Methodik des Fremdsprachenunterrichts und interkulturelle Kommunikation.

    EMAIL logo
Published/Copyright: January 24, 2023

Zusammenfassung

Die Lehrkräfteausbildung in Polen hat in der Zeit nach der politischen Wende 1989 schwierige Wege beschritten und befindet sich nach wie vor in einem Spannungsfeld zwischen Traditionen, Anforderungen der Bologna-Reform und Innovationen. In diesem Artikel wird versucht, am Beispiel der Pädagogischen Universität in Krakau die Besonderheiten der Lehrkräfteausbildung für das Unterrichten von Deutsch als Fremdsprache darzustellen. Neben dem Aufbau des Studiums werden die zu entwickelnden Kompetenzen, die Ausbildungsinhalte und die Lehrmethoden vorgestellt.

Abstract

After the political changes in 1989, teacher education in Poland embarked on new paths and it is still caught between tradition, the requirements of the Bologna reform and innovations. This article attempts to present characteristics of teacher training for the teaching of German as a foreign language, using the example of the Pedagogical University of Krakow. It presents the structure of the course, and also the competences which are to be developed, the educational content and the teaching methods.

1 Einleitung

Die Arbeit der heutigen DaF-Lehrenden ist in ihrem Wesen einzigartig komplex und durch den multifaktoriellen Kontext, in dem sie stattfindet, unmittelbar bedingt. Die Lehrkräfteausbildung in Polen ist in der Zeit nach der politischen Wende im Jahr 1989 schwierige Wege gegangen und befindet sich aktuell immer noch im Wandel zwischen bewährten Traditionen, Anforderungen der Bologna-Reform und zahlreichen Neuerungen sowohl auf der institutionellen als auch der gesellschaftlichen Ebene. Qualifikationen für den Fremdsprachenunterricht konnten in den Jahren 1991 bis 2014 in zwei Systemen erlangt werden: zum einen im Hochschulsystem im Rahmen der Universitätsausbildung und zum anderen im Rahmen des Schulwesens in den sogenannten Fremdsprachenlehrer-Kollegs. Der politische Wandel Polens und die bevorstehende Aussicht auf den Beitritt zur Europäischen Union waren die Hauptgründe für die Entscheidung der Regierung zur Einführung einer Reihe von Änderungen im Bildungssystem, darunter die Modernisierung der Lehrkräfteausbildung. Im Jahr 1991 richtete das Kultusministerium Fremdsprachenlehrer-Kollegs als neue postsekundäre Organisationsform der beruflichen Lehrkräfteausbildung ein. Im Sinne der Durchlässigkeit des Bildungssystems waren die Kollegabsolventen und -absolventinnen berechtigt, ein zweijähriges aufbauendes universitäres Masterstudium zu absolvieren. Grundlegende strukturelle Änderungen wurden 2006 im Zuge der Bologna-Reform durchgeführt und hatten unumstritten umfassende und vielfältige Auswirkungen auf die Gestaltung der Lehrkräfteausbildung für den DaF-Unterricht.

In einer Reihe von Publikationen haben sich unter anderem Przemysław Gębal (2013), Hanna Komorowska (2015) und Elżbieta Zawadzka-Bartnik (2004) bereits mit der Materie tiefgehend auseinandergesetzt. Der besondere Erkenntniswert des Werks von Przemysław Gębal liegt im facettenreichen Vergleich verschiedener Modelle der Lehrkräfteausbildung. Der Autor plädiert in abschließenden Bemerkungen für die Gründung einer vergleichenden Fremdsprachendidaktik als Subdisziplin der allgemeinen Fremdsprachendidaktik. Hanna Komorowska stellt in ihrem umfangreichen Übersichtsartikel die Ergebnisse der neuesten Forschung zur Fremdsprachendidaktik dar, analysiert die Entwicklung der Fremdsprachenlehrkräfteausbildung in Polen in den letzten drei Jahrzehnten und unterbreitet zahlreiche qualitative Verbesserungsvorschläge. Die Monographie von Elżbieta Zawadzka-Bartnik ist die erste ganzheitliche Darstellung der neuen Lehrkräfterollen und der beruflichen Qualifikationen von Fremdsprachenlehrkräften, die sich aus den politischen und sozialen Veränderungen und der Bildungsreform von 1999 ergeben haben. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Neuorganisation des Bildungssystems wurden seit 1990 geschaffen, wobei die wichtigste Intention des Gesetzgebers in der Rückführung der Schule in die Hand der Gesellschaft bestand. Das Gesetz beseitigte alle Bezüge auf das sozialistische Menschenbild, sah jedoch keine Reform der Struktur des Bildungssystems vor, und so blieben die Strukturen aus der sozialistischen Ära bis circa 2007 erhalten.

Mit dem vorliegenden Artikel wird der Versuch unternommen, exemplarisch am Beispiel der Pädagogischen Universität Krakau grundlegende Charakteristika der Lehrkräfteausbildung für den DaF-Unterricht zu präsentieren, wobei neben dem Aufbau des Studiengangs auf zu entwickelnde Kompetenzen, grundlegende Ausbildungsinhalte und Lehrmethoden eingegangen wird. Während strukturelle Reformen eine viel komplexere Aufgabe darstellen, kann die Umsetzung inhaltlicher Reformmaßnahmen auf der Lehrstuhlebene rascher erfolgen. Die ministeriellen Standards für die Lehrkräfteausbildung dienen als Richtlinien, lassen jedoch genug Freiraum für die inhaltliche Ausgestaltung der universitären Curricula, sodass die Pädagogische Universität Krakau wie andere Hochschulen in Polen auch trotz verbindlich geltender Richtlinien den Studiengang zur DaF-Lehrkräfteausbildung individuell gestaltet.

2 Abriss der Geschichte des Instituts für Neuphilologie

Die heutigen polnischen Universitäten sind Bildungseinrichtungen, die sich sowohl in der Forschung als auch in der Lehre dynamisch entwickeln. Auch die Pädagogische Universität Krakau – als die älteste Hochschule für Lehrkräftebildung in Polen – ergreift zahlreiche Maßnahmen, um die bestmöglichen Ergebnisse in den beiden Bereichen zu erzielen. Wissenschaftliche Exzellenz und eine neue Qualität der Ausbildung sind die relevantesten langfristigen strategischen Ziele der Universität, die unter anderem dank der strukturellen Veränderungen verwirklicht werden sollen. Die wichtigsten davon sind die Schaffung von Fachbereichen und von Instituten, deren Lehrstühle die konstituierenden organisatorischen Einheiten für die Ausbildung von Studierenden sein sollten, sowie die Gründung einer Schule für Doktoranden und Doktorandinnen. Die angestrebte stärkere Trennung von Wissenschaft und Lehre soll das reibungslose Funktionieren der Universität gewährleisten und gleichzeitig ihren Charakter in Bezug auf die Ausbildung von modernem Lehrpersonal unterstreichen. Bei der Entwicklungsstrategie der Universität, in der die wichtigsten Ziele und Handlungsfelder festgelegt sind, werden sowohl streng wissenschafts- und bildungsbezogene Inhalte als auch die ganzheitliche Entwicklung der Universität berücksichtigt.

Die Ursprünge des Instituts für Neuphilologie an der Pädagogischen Universität Krakau gehen auf das Jahr 1991 zurück. Zu diesem Zeitpunkt bestand das Institut aus dem Lehrstuhl für Linguistik, dem Lehrstuhl für Westeuropäische Literaturen, dem Lehrstuhl für Geschichte der Europäischen Zivilisationen, dem Englischlehrer-Kolleg und aus dem Französischlehrer-Kolleg. Die Anfänge der Germanistik an der Pädagogischen Universität Krakau fallen auf das Jahr 1993, als die Leitung des Instituts für Russische Philologie einen neuen Studiengang vorschlug: Russische Philologie mit Deutsch. Im Jahr 2003 wurde nach der Zusammenlegung des Instituts für Russische Philologie und des ehemaligen Instituts für Neuphilologie, in dem Romanistik und Anglistik untergebracht waren, durch einen Beschluss des Senats der damaligen Pädagogischen Akademie – die Pädagogische Universität trug von 1999 bis 2008 den Namen Akademia Pedagogiczna – das „neue“ Institut für Neuphilologie gegründet.

Nach der organisatorischen Ausgliederung des Instituts für Englische Philologie im Jahr 2020 gehört das Institut für Neuphilologie zum Fachbereich Humanwissenschaften und umfasst derzeit fünf ausländische Philologien: Spanische Philologie, Russische Philologie, Romanische Philologie, Italienische Philologie und Germanische Philologie. Die letztere wird von Angela Bajorek geleitet. Das Forschungs- und Lehrpersonal der Germanischen Philologie zählt zurzeit 23 Personen, die drei Disziplinen vertreten: Literaturwissenschaft, Sprachwissenschaft und Kulturwissenschaft. Dies spiegelt sich in der internen Struktur wider. Die Germanische Philologie umfasst den Lehrstuhl für Deutsche Literatur, den Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft und den Lehrstuhl für Geschichte und Kultur der Länder des Deutschsprachigen Raums.

Die Internationalisierung der polnischen Hochschulbildung, die im Rahmen des Bologna-Prozesses durchgeführt wird, zielt darauf ab, Polen zu einem integralen Partner im europäischen Hochschulraum zu machen. Maßnahmen wie Teilung der in der Regel fünfjährigen Magister- und Diplomstudiengänge in zwei Phasen mit dem Abschluss Bachelor und Master, Modularisierung der Studiengänge, die Akkreditierung, die Bemessung studentischer Arbeitszeit durch ECTS (European Credit Transfer System) und Einführung der Datenabschrift (Transcript of Records) dienten der Standardisierung und Transparenz der Leistungen, der besseren Vergleichbarkeit der Studiengänge und Hochschulabschlüsse und damit auch der Verbesserung der studentischen Mobilität. Seit 2011 unterhält die Pädagogische Universität Krakau Kooperationen mit der Universität Wien sowie mit der Pädagogischen Hochschule Freiburg. Im Rahmen des Abkommens zum Studierendenaustausch mit dem Institut für Deutsche Sprache und Literatur der Pädagogischen Hochschule Freiburg hatten die DaF-Studierenden die Möglichkeit, Unterrichtspraktika an deutschen Schulen zu absolvieren, und Freiburger Studierende waren bereits mehrmals an der Krakauer Universität zu Gast. Im Jahr 2019 wurde eine Vereinbarung zwischen dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) und der Pädagogischen Universität über die Zusammenarbeit mit dem Institut für Neuphilologie, Germanische Philologie, im Rahmen des Lektorenprogramms des DAAD unterzeichnet, die die Entsendung von DAAD-Lektoren und -Lektorinnen an Hochschulen im Ausland vorsieht. Der erste Lehrbeauftragte ist Nick Meister, MA. Im Jahr 2020 unterzeichnete das Institut für Neophilologie eine formelle Kooperationsvereinbarung über die Zusammenarbeit im Bereich DaF-Unterricht mit der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien. Im Jahr 2022 wurde ein Kooperationsabkommen über die wissenschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Pädagogischen Universität Krakau und der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg unterzeichnet. Auch das reichhaltige Angebot des Erasmus-Programms, das einen drei- bis zwölfmonatigen Studienaufenthalt an einer Partnerhochschule innerhalb der Europäischen Union ermöglicht, erfreut sich bei den Studierenden der Germanischen Philologie großer Beliebtheit und wird gern in Anspruch genommen.

3 Lehrinhalte und Unterrichtsmethoden

Germanische Philologie mit Profilbildung im Bereich Deutsch als Fremdsprache kann an der Pädagogischen Universität Krakau seit dem akademischen Jahr 2009/2010 im Bachelor- und im Masterstudiengang (im Vollzeitstudium) studiert werden. Nach anfänglich stärkerer sprachpraktischer Ausrichtung der Studienfächer mit größtenteils profilübergreifenden Lehrveranstaltungen in den ersten zwei Semestern wählen die Studierenden, die DaF-Lehrkräftequalifikationen erlangen wollen, nach dem zweiten Semester eines von zwei Studienprofilen: Deutsch als Fremdsprache oder Deutsch als Fremdsprache mit Wirtschaftsmodul (Modulkataloge sind online zugänglich unter https://fg.up.krakow.pl/studia-stacjonarne-i-stopnia/). Die Profilbildung im Bereich Deutsch als Fremdsprache ist auf die Vermittlung der deutschen Sprache und Kultur (vgl. Matz/Rogge/Siepmann 2014) ausgerichtet. Die Studierenden werden auch zu einer wissenschaftlich reflektierten Planung, Beobachtung und Auswertung des Unterrichtsgeschehens (vgl. Hantschel et al. 2016 und Meyer 2002; 2003) angeleitet. Im Studienprofil Deutsch als Fremdsprache mit Wirtschaftsmodul setzen sie sich zusätzlich mit grundlegenden wirtschaftsbezogenen Fragen in Fächern wie Wirtschaftssprache, Wirtschaftsrecht, Übersetzungen für Unternehmen und Übersetzungen für den Dienstgebrauch auseinander. Ein Abschluss als Bachelor in Deutsch als Fremdsprache ist keine zwingende Zulassungsvoraussetzung für den Masterstudiengang in Deutsch als Fremdsprache; Quereinsteiger aus anderen Studiengängen werden an der Pädagogischen Universität Krakau auch akzeptiert.

Das Bachelorstudium widmet sich den theoretischen und praktischen Fragen des Deutscherwerbs von Kindern und Jugendlichen. Die Studierenden eignen sich grundlegende didaktische Kompetenzen und inhaltliches Wissen an, um Deutsch für Nichtmuttersprachler und -sprachlerinnen fachgerecht zu unterrichten. Im Masterstudiengang erhalten sie dann tiefgreifende wissenschaftliche Einblicke in die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts mit einem Fokus auf dem Einsatz von digitalen Medien (zwei Semesterwochenstunden werden im E-Learning-Format auf der Lernplattform Moodle realisiert). Darüber hinaus entwickeln sie didaktische Fachkompetenzen für eine forschungs- sowie praxisbezogene Auseinandersetzung mit dem Bereich Deutsch als Fremdsprache. Im dritten Semester werden psychopädagogische Fächer im Umfang von vier SWS unterrichtet, ergänzt um Stimmtraining im Umfang von einer SWS. Im vierten Semester werden psychopädagogische Fächer ebenfalls im Umfang von vier SWS fortgesetzt, dazu kommen allgemeine Didaktik (drei SWS) und Schulrecht (zwei SWS). In den beiden Profilen setzen sich die Studierenden dann zunächst mit theoriegeleiteten und anwendungsbezogenen Fragen zu Sprachtypologie und Spracherwerb auseinander. Die bildungswissenschaftlichen und fachdidaktischen Studienanteile nehmen also im Verlauf des Bachelorstudiums einen wachsenden Raum ein.

Absolventen des Studiengangs Deutsch als Fremdsprache finden Beschäftigung an allen Schularten sowie an privaten Bildungseinrichtungen. Zu weiteren Arbeitsfeldern zählen insbesondere die öffentliche und private Kinder- und Jugendarbeit. Außerschulische Arbeitsfelder sind Organisationen für Kulturaustausch, etwa Kulturämter, betriebliche Aus- und Weiterbildung und weitere Sektoren des lebensbegleitenden Lernens. Darüber hinaus sind sie für die redaktionelle und konzeptionelle Arbeit in Verlagen qualifiziert.

Das studienbegleitende Praktikum zielt darauf ab, den Studierenden einen möglichst weitgehenden Überblick über die Aufgaben des Lehrer- bzw. Lehrerinnenberufs zu geben und sie einerseits in die allgemeine Schulpraxis, andererseits in die Fachpraxis von Deutsch als Fremdsprache einzuführen. Das Praktikum vermittelt den Studierenden Einsichten darüber, ob sie für den angestrebten Beruf geeignet sind. Diesem Zweck dienen Gespräche mit dem praktikumsbetreuenden Lehrenden, die zur Reflexion über die Eignung und Neigung für diesen Beruf anleiten und in dieser Frage Beratung geben.

Im Wintersemester des dritten Studienjahres haben die Studierenden zunächst ein pädagogisch-didaktisches Schulpraktikum im Umfang von 60 Unterrichtsstunden abzuleisten, wobei sie in erster Linie die äußere und innere Struktur der jeweiligen Schule kennenlernen, den Unterricht kriteriengeleitet beobachten und auch Mithilfe bei der Unterrichtsorganisation, soweit möglich und sinnvoll, leisten. Darauf folgt ein fachdidaktisches Praktikum im Umfang von ebenfalls 60 Unterrichtsstunden mit folgenden Aktivitätsbereichen: Übernahme kleinerer Abschnitte innerhalb einer Unterrichtsstunde (zum Beispiel Unterstützung der Lehrkraft bei der Kontrolle und Besprechung der Hausaufgaben, Mithilfe bei der individuellen Förderung der Lernenden bei offenen Unterrichtsformen, Assistenz beim Medieneinsatz), Planung und Durchführung ganzer Unterrichtsstunden sowie Entwerfen und Herstellen von einfachen Lehrmitteln.

Zur Vertiefung der Fähigkeit, die eigene Unterrichtsarbeit und deren Auswirkungen zu analysieren, alle Elemente zu berücksichtigen, die die Wirksamkeit des sprachdidaktischen Prozesses bestimmen, sowie der Fähigkeit, auftretende Schwierigkeiten zu diagnostizieren und zu lösen, wird die SWOT-Analyse (Dyson 2004) eingesetzt, da sie eine Fülle konkreter Ergebnisse bis hin zu einem Aktionsplan für jeden einzelnen Lernenden und jede einzelne Lernende mit sich bringt. Diese Methode hat den Vorteil, dass sie sich sowohl auf Faktoren in der Vergangenheit bezieht, die dazu beigetragen haben, dass die Schule erfolgreich war, als auch auf Aspekte, wo Entwicklungsbedarfe bestehen. Dank des Einsatzes der SWOT-Analyse wird den Studierenden bewusst, wie innere und äußere Faktoren miteinander verknüpft werden.

Neben der SWOT-Analyse wird auch auf Aktionsforschung als Lehrmethode zurückgegriffen, weil dadurch eine Verbindung zwischen dem Praktikum und den stärker theoretisch ausgerichteten methodisch-didaktischen Lehrveranstaltungen geschaffen wird. Beim Einsatz der Aktionsforschung können die Studierenden den Prozess des Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von interessanten Erkenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen – von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis hin zur Prüfung und Darstellung der Ergebnisse in einem übergreifenden Projekt – mitgestalten, erfahren und reflektieren (vgl. Huber 2009: 10 und Boeckmann 2010: 19). Dadurch wird das eigene Lehren nicht zur unreflektierten Routine, sondern entwickelt sich weiter, indem an die eigene Praxis immer wieder Fragen gestellt werden.

In den methodisch-didaktischen Lehrveranstaltungen wird als grundlegender Gedanke die Kernaussage der Hattie-Studie (Hattie 2008) gelegt, die verkürzt mit „Auf den Lehrenden kommt es an“ wiedergegeben werden kann. Hatties Arbeit gilt als ein Meilenstein in der empirischen Bildungsforschung, da sie zur Identifizierung von Einflussfaktoren führte, die sich am stärksten auf die Wirksamkeit des Unterrichts auswirken. Auf der Grundlage einer Meta-Analyse ermittelte der Forscher 138 Einflussfaktoren, die er gruppierte, indem er jede Einflussvariable einem der folgenden sechs Kriterien zuordnete: Elternhaus, Lernende, Schule, Lehrplan, Lehrende und Unterricht. Für jeden einzelnen Einflussfaktor ermittelte Hattie dann die Einflussstärke, die das Ausmaß des Einflusses der Variable darstellt. Vor diesem Hintergrund ermittelte er Faktoren mit hoher, mittlerer und geringer Auswirkung. Für erfolgreiche Bildung kommt es, laut Hattie-Studie, nicht einfach nur auf den Lehrenden an, sondern auf die Haltung der Lehrperson, der es gelingt, mit den Lernenden in Dialog zu treten. Das Handeln einer solchen Lehrperson ist dabei durch Fürsorge, Kontrolle und Klarheit gekennzeichnet. Grundlegend für eine zeitgemäße Lehrkräfteausbildung ist daher die Entwicklung der Selbstkompetenz, damit die Studierenden ihre methodisch-didaktischen Fähigkeiten sowie die eigene Rolle richtig einschätzen, reflektieren und angemessen im Unterricht umsetzen können. Dies ist möglich, wenn sie zunächst ihre eigenen Sprachlernerfahrungen reflektieren. Dadurch können Übertragungen vermieden und die unterschiedlichen Lernprozesse der Lernenden verstanden werden, was im Endeffekt dazu führt, dass die Studierenden bereit und fähig sind, über die lange Spanne ihrer Berufsbiographie hinweg ihre Kompetenzen stetig zu festigen, zu aktualisieren und zu erweitern.

Zur Entwicklung der methodisch-didaktischen Fachkompetenz werden in erster Linie intensive Videobeobachtungen von Aufzeichnungen exemplarischer Deutschstunden eingesetzt, die es ermöglichen, die Komplexität und Interdependenz der Elemente einer Unterrichtseinheit sowie Aspekte des Verhaltens der Lehrkraft und der Interaktion im Klassenzimmer wahrzunehmen und zu analysieren. Darüber hinaus werden von den Studierenden Simulationen einer ausgewählten Phase einer Unterrichtsstunde oder einer kompletten Unterrichtsstunde mit den Lernenden (dem sogenannten Mini-Unterricht) als Lehrmethode verwendet. Die meisten videobasierten Unterrichtsaufzeichnungen geben zwar kein vollständiges und klares Bild der Praxis eines Lehrenden wieder, können aber in vielen Fällen eine umfassendere Ansicht bieten, die angehalten, zurückgespult, analysiert und kommentiert werden kann. So haben die Studierenden mehr Zeit, sich mit den Feinheiten einer Unterrichtsstunde zu befassen, und können über das hinausgehen, was sie im Moment sehen, und Verbesserungsvorschläge formulieren. Auch kürzere Videomitschnitte erwiesen sich in der bisherigen Praxis als eine sehr gute Grundlage für die Beobachtung, denn es besteht dabei die Auswahlmöglichkeit von spezifischen Unterrichtsaspekten und -sequenzen, die für die Studierenden von besonderem Interesse sind. Die Aufzeichnungen ganzer Deutschstunden und kürzere Videomitschnitte liefern zahlreiche Beispiele für unterschiedliche Herangehensweisen im Unterricht, geben Anstoß zur Diskussion und regen die Reflexion über den individuellen Spracherwerb der Lernenden an.

Viel Aufmerksamkeit wird in den methodisch-didaktischen Lehrveranstaltungen dem Prinzip der Binnendifferenzierung und autonomiefördernden Maßnahmen gewidmet, wobei insbesondere die überwiegend von den Lernenden gesteuerte Binnendifferenzierung, die verstärkt auf Methoden des autonomen, selbst gesteuerten Lernens setzt, wie zum Beispiel Arbeit an Stationen, thematisiert wird. Als besonders interessant und praxisrelevant für die Studierenden erwiesen sich bisher folgende binnendifferenzierenden und autonomiefördernden Maßnahmen: differenzierte Schwierigkeitsgrade der Übungen und Aufgaben, Berücksichtigung unterschiedlicher Lerntypen, sprachliche Mikro- und Makroprojekte, Anwendung des Prinzips der Mehrsprachigkeitsorientierung, Bereitstellung optionaler Zusatzmaterialien und Offenstellung der Sozialformen.

Auf der Mikroebene des Lehralltags im Rahmen der Lehrveranstaltungen spielt neben Lehrmethoden die Qualität der didaktischen Materialien eine nicht zu unterschätzende Rolle. So werden an der Pädagogischen Universität Krakau die wissenschaftlichen Mitarbeiter dazu angehalten, regelmäßig Studienskripts und andere praxisorientierte Publikationen zu erarbeiten und zu veröffentlichen, die den DaF-Studierenden als hilfreiches Nachschlagewerk dienen können. Bisher sind bereits drei Bücher von Artur Dariusz Kubacki und Renata Czaplikowska (2010, 2016, 2019) zu grundlegenden Themen des DaF-Unterrichts erschienen. Katarzyna Sowa-Bacia (2021) präsentiert in ihrer Monographie umfassendes Basiswissen und praktische Erfahrungen zum Einsatz der narrativen Methode im DaF-Unterricht mit Kindern. Und in drei Bänden der Publikationsreihe Wybrane zagadnienia z glotto- i translodydaktyki (2018, 2020, 2022) setzen sich die Autoren mit theoretischen Aspekten und praktischen Fragen des Fremdsprachenunterrichts in verschiedenen Bildungsstufen und mit Problemen der Übersetzungsdidaktik auseinander.

4 Fazit

Traditionell fungierte akademische Bildung primär als Mittel gesellschaftlicher Statuszuweisung, weniger als Ort zur Erlangung beruflicher Qualifikationen. Durch das zweistufige System berufsqualifizierender Studienabschlüsse bekam die akademische Lehrkräfteausbildung für den DaF-Unterricht an der Pädagogischen Universität Krakau stärker einen zwar immer noch theoriegeleiteten, aber stets praxisorientierten Charakter. Diese Herangehensweise findet ihren Ausdruck in den Lehrinhalten und in den bevorzugt eingesetzten Unterrichtsmethoden. Aufgrund der sich aktuell immer schneller verändernden Rahmenbedingungen von Schule (besonders durch Inklusion, Heterogenität und Digitalisierung) werden die wissenschaftliche Grundlegung und die deutliche Praxisorientierung von den Studierenden sehr geschätzt und als Erleichterung für ihren Berufseinstieg empfunden.

Über den Autor / die Autorin

Dr. Renata Czaplikowska

ist seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin für Deutsch als Fremdsprache und Sprachmethodik am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft am Neuphilologischen Institut der Pädagogischen Universität Krakau. Sie ist Tutorin in Online-Fortbildungskursen des Goethe Instituts für DaF-Lehrende. Hauptinteressengebiete: Methodik des Fremdsprachenunterrichts und interkulturelle Kommunikation.

Literatur

Boeckmann, Klaus-Börge (2010): „Aktionsforschung im Unterricht – Wie Lehrende den eigenen Unterricht erforschen und dabei weiterentwickeln können“. In: Boeckmann, Klaus-Börge; Feigl-Bogenreiter, Elisabeth; Reininger-Stressler, Doris (Hrsg.): Forschendes Lehren – Aktionsforschung im Fremdsprachenunterricht. Wien: Verband Österreichischer Volkshochschulen, 19–31 (Edition Sprachen, 4).Search in Google Scholar

Czaplikowska, Renata; Kubacki, Artur Dariusz (2010): Grundlagen der Fremdsprachendidaktik. Unterrichtsbuch. Kraków: Wydawnictwo Krakowskie.Search in Google Scholar

Czaplikowska, Renata; Kubacki, Artur Dariusz (2016): Methodik des Unterrichts Deutsch als Fremdsprache. Lehr- und Übungsbuch für künftige DaF-Lehrende. Chrzanów: Wydawnictwo Biuro Tłumaczeń KUBART.Search in Google Scholar

Czaplikowska, Renata; Kubacki, Artur Dariusz (2019): Kleines Fachlexikon der DaF-Didaktik. Theorie und Unterrichtspraxis. Chrzanów: Wydawnictwo Biuro Tłumaczeń KUBART; Kraków: Uniwersytet Pedagogiczny im. KEN.Search in Google Scholar

Dyson, Robert G. (2004): „Strategic development and SWOT analysis at the University of Warwick“. In: European Journal of Operational Research 152 (3), 631–640.10.1016/S0377-2217(03)00062-6Search in Google Scholar

Gębal, Przemysław. E. (2013): Modele kształcenia nauczycieli języków obcych w Polsce i w Niemczech. W stronę glottodydaktyki porównawczej. Kraków: Księgarnia Akademicka.Search in Google Scholar

Hantschel, Hans-Jürgen; Brinitzer, Michaela; Kroemer, Sandra; Möller-Frorath, Monika; Ros, Lourdes (2016): DaF unterrichten. Basiswissen Didaktik Deutsch als Fremd- und Zweitsprache. Stuttgart: Klett.Search in Google Scholar

Hattie, John (2008): Visible Learning: A Synthesis of Over 800 Meta-Analyses Relating to Achievement. Abingdon: Routledge. Search in Google Scholar

Huber, Ludwig (2009): „Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist“. In: Huber, Ludwig; Hellmer, Julia; Schneider, Friederike (Hrsg.): Forschendes Lernen im Studium. Bielefeld: Universitätsverlag Webler, 9–35.Search in Google Scholar

Komorowska, Hanna (2015): „Rozwój glottodydaktyki a kształcenie nauczycieli języków obcych“. In: Postscriptum Polonistyczne 16 (2), 11–29.Search in Google Scholar

Kubacki, Artur Dariusz; Sowa-Bacia, Katarzyna (Hrsg.) (2018): Wybrane zagadnienia z glotto- i translodydaktyki 1. Kraków: Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu Pedagogicznego.Search in Google Scholar

Kubacki, Artur Dariusz; Sowa-Bacia, Katarzyna (Hrsg.) (2020): Wybrane zagadnienia z glotto- i translodydaktyki 2. Kraków: Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu Pedagogicznego.Search in Google Scholar

Kubacki, Artur Dariusz; Sowa-Bacia Katarzyna (Hrsg.) (2022): Wybrane zagadnienia z glotto- i translodydaktyki 3. Kraków: Wydawnictwo Naukowe Uniwersytetu Pedagogicznego.Search in Google Scholar

Matz, Frauke; Rogge, Michael; Siepmann, Philipp (2014): Transkulturelles Lernen im Fremdsprachenunterricht: Theorie und Praxis. Frankfurt am Main: Peter Lang.10.3726/978-3-653-04068-5Search in Google Scholar

Meyer, Hilbert (2002): Unterrichtsmethoden. Band 1: Theorieband. Berlin: Cornelsen.Search in Google Scholar

Meyer, Hilbert (2003): Unterrichtsmethoden. Band 2: Praxisband. Berlin: Cornelsen.Search in Google Scholar

Sowa-Bacia, Katarzyna (2021): Nauczanie języków obcych w przedszkolu metodą narracyjną. Teoria i praktyka. Toruń: Wydawnictwo Adam Marszałek.Search in Google Scholar

Zawadzka-Bartnik, Elżbieta (2004): Nauczyciele języków obcych w dobie przemian. Kraków: Oficyna Wydawniczy Impuls.Search in Google Scholar

Online erschienen: 2023-01-24
Erschienen im Druck: 2023-01-24

© 2022 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 25.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/infodaf-2023-0003/html
Scroll to top button