Zusammenfassung
Kultur macht stark – so das Motto und der Name eines bundesweiten deutschen Förderprojektes vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, an dem sich auch der Deutsche Bibliotheksverband beteiligt. Die Schul- und Stadtteilbücherei Dreieich – Weibelfeldschule hat mit einem Leseförderprojekt rund um das Erstellen von Fotostorys mit Hilfe von Tablets daran teilgenommen und berichtet von den praktischen Erfahrungen, der Antragsstellung und den Hürden, die im Laufe der Durchführung genommen werden mussten.
Abstract
“Kultur macht stark” (Culture gives strength) – the motto and name of a project throughout Germany, which is funded by the Federal Ministry of Education and Research and assisted by the German Library Association.
In Dreieich, The Weibelfeldschule school library (a branch library of public library) participated with a project by performing a photo story done with tablets. Our article reports about the practical experiences, the application process, and the obstacles that had to be overcome during the performance.
1 Einführung
Lesen eröffnet neue Welten, regt die Fantasie an und schult das Sprachgefühl. Für viele Kinder ist diese wunderbare Welt nicht zugänglich, denn sie können nicht richtig lesen und schreiben. Sei es, weil daheim eine andere Sprache gesprochen wird und das Lesen deutscher Texte schwer fällt oder weil lesen allgemein schwer fällt – wer nicht lesen kann, dem macht es auch keinen Spaß. Ohne Lesemotivation und Lust am Lesen wird die Lesekompetenz nicht gesteigert – ein Teufelskreis. Für ein niederschwelliges und freudvolles Leseerlebnis haben wir das Projekt Lesehelden 2.0 gestartet. Mit modernen Tablets setzen die Teilnehmer kurze Geschichten in Bildern um und werden so zum Regisseur ihres eigenen Kopfkinos.
2 Ohne Hilfe geht es nicht
Seit einigen Jahren stellt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) Gelder geprüften Projekten zur Verfügung, die zu mehr Chancengleichheit bei der Bildung beitragen sollen. Besonders die Vernetzung bereits bestehender kommunaler und regionaler Strukturen sowie die langfristige Sicherung von Bündnissen verschiedener Träger stehen dabei im Mittelpunkt.
Der Deutsche Bibliotheksverband (dbv) unterstützt diese Bündnisbildung. Er ist im Projekt „Lesehelden 2.0“ unser Ansprechpartner und Unterstützer. Aus den konkret beschriebenen, förderungswürdigen Projekten des dbv wählten wir „Fotostory 2.0“ aus, stellten den Antrag, schlossen Kooperationsvereinbarungen mit unseren Bündnispartnern und ließen uns inhaltlich auf das Projekt vorbereiten. Der dbv wird bei diesen Schulungen von der Stiftung „Digitale Chancen“ unterstützt. Unsere Ehrenamtlichen, die das Projekt in unserer Bücherei durchführten, nahmen an deren Fortbildung teil (s. u.).
3 Bündnispartner suchen, Voraussetzungen schaffen
Der dbv hat bestimmte Anforderungen an die Antragsteller. So ist es zum Beispiel sehr gewünscht, dass Ehrenamtliche das Projekt betreuen sollen. Diese Bedingung war noch Monate zuvor verpflichtend, wurde jedoch aufgrund einiger Probleme seitens verschiedener Antragsteller etwas aufgeweicht und umformuliert. Des Weiteren ist es notwendig, ein Bündnis mit mindestens insgesamt 3 Partnern zu schließen, um die Grundidee der „Bündnisse für Bildung“ auch umzusetzen.
Zunächst stellte sich für uns die Frage, mit welchen Institutionen ein Bündnis sinnvoll ist. Die Schule durfte kein Antragsteller, allenfalls Bündnispartner, sein. Der Förderverein der Weibelfeldschule übernahm deshalb die Antragstellung, benötigte aber einen weiteren Bündnispartner. Unser örtliches Jugendzentrum ist bekannt für seine kreativen und inspirierenden Projekte mit Jugendlichen während der Ferien und auch nach Schulschluss. Daher wurden erste Gespräche mit ihnen angesetzt. Da wir geplant hatten, das Tabletprojekt nach den ersten Durchführungen in der Bücherei auch im Jugendzentrum laufen zu lassen, wurde die Idee dort begeistert aufgenommen und die Kooperation konnte beginnen.
Als Ehrenamtliche gewannen wir den ehemaligen Schulleiter der Schule (Albert Schobbe) und einen Lehrer im Ruhestand (Theo van Dieken), welcher jahrelang mit Jugendlichen im AV-Studio der Schule gearbeitet hatte und lange Zeit eine 10. Hauptschulklasse betreute. Beide erwiesen sich als Glückstreffer, brachten sie doch ihre Erfahrung aus dem Berufsleben ein, was sich besonders im Umgang mit Kindern auszahlen sollte. Die zunächst skeptisch betrachtete Situation, dass Ehrenamtliche maßgeblich mitwirkten, wurde von allen Beteiligten bald als Gewinn betrachtet.
4 Antragstellung beim dbv
Für die Antragstellung schaltet der dbv eine spezielle Datenbank. Die Antragsstellung und weitere Eintragungen in dieser Datenbank sind natürlich wichtig, aber bürokratisch hochkomplex. Wir empfanden dies als sehr zeitaufwändig und recht kompliziert, was das Projekt beinahe scheitern ließ. Die Mitarbeiter des dbv halfen jedoch bei Rückfragen und so wurde der Antrag eingereicht und schließlich genehmigt. Für die benötigte Grundausstattung (Tablets, ggf. Beamer, Laptop) wurden die Geräte ausgewählt, die zwei gute Kameras (hinten und vorn) besitzen, intuitiv zu bedienen sind und im Preis nicht den Wert von 410,- € überstiegen. Auch kleine Erinnerungen, sog. Give-Aways, für die Teilnehmer wurden beantragt, genehmigt und bestellt. Wir entschieden uns für praktische Umhängetaschen mit den Logos der Projektförderer. Um die Kosten pro Tasche einzuhalten und auch, weil die Bestellbedingungen an gewissen Auflagen geknüpft waren, wurde gleich eine größere Stückzahl bestellt. Bei der Gestaltung der Give-Aways gibt es gewisse Rahmenbedingungen (die Nutzung vorgeschriebener Logos), die uns jedoch genügend Spielraum ließen. So konnten wir verschiedene kreative Elemente, die zur Verfügung gestellt wurden, individuell in Szene setzen.
5 Vorbereitung und Schulung
Die Stiftung „Digitale Chancen“ führte eine ganztägige Fortbildung bei uns im Haus durch, um die Ehrenamtlichen und zwei weitere Mitarbeiter, bestmöglich inhaltlich auf das bevorstehende Projekt vorzubereiten. Dabei war vor allem die inhaltliche Vorbereitung sehr hilfreich. Tipps zum Anlegen einer Fotostory und möglichen Problemfeldern (Bildrechte, Spielen mit dem Tablet) wurden besprochen. Selbst Lockerungsübungen zeigte uns die Stiftung.
Um Kurzgeschichten mit Tablets als Fotostory umsetzen zu können, schrieben wir viele Jugendbuchautoren an, ob sie uns eine kurze Geschichte schreiben oder eine bereits veröffentlichte Story zur Verfügung stellen könnten. Sabine Ludwig und Nina Blazon haben uns eigens für das Projekt Geschichten geschickt, andere Autoren gaben die Rechte frei, so dass wir deren umgesetzte Fotostorys problemlos veröffentlichen konnten.
6 Wer ist die Zielgruppe – Wer sind die Lesehelden 2.0?
Ziel war es, vor allem Kinder zwischen 10 und 12 Jahren, die nicht gern und/oder gut lasen, für das Projekt zu gewinnen – außerschulisch und freiwillig. Projektteilnehmer mit Migrationshintergrund sollten besonders angesprochen werden. Nur – wie gewinnt man sie?
Wir entschieden uns, im schulansässigen AV-Studio nachzufragen. Dort findet jedes Jahr eine Trickfilm-AG statt, die genau für die Kinder attraktiv ist, die wir für unser Projekt suchten. Carsten Kirchberger, Lehrer der Weibelfeldschule und Leiter der AG im AV-Studio, unterstützte beratend das Projekt von Anfang an. Wir schlossen uns mit der AG zusammen und überließen den Kindern die Entscheidung, im Rahmen der AG für 6–7 Wochen an dem Tablet-Projekt Lesehelden 2.0 teilzunehmen. Vor allem die Jungen ließen sich schnell von dem Projekt – und vor allem den Tablets – begeistern.

Erste Gruppe: v. l. n. r. Jacob (blauer Pulli links hinten), Pascal (roter Pulli), Timm (blauer Pulli vorne), David (grauer Pulli hinten), Marcel (grüner Pulli vorne), Cem (mit Mütze rechts)
Vor dem Start baten wir alle Teilnehmer, um die freie Verwendung der im Rahmen der Lesehelden 2.0 entstandenen Fotos. Dies willigten die meisten Eltern ein. Bei zwei Jungen wollten die Eltern keine Veröffentlichung der Fotostory und überhaupt keine Abbildung ihrer Kinder. Dies erschwerte die Umsetzung bei einem Fotoprojekt wesentlich, zumal beide Jungen in einer Gruppe waren. Das Problem wurde aber auch sehr kreativ von den Kindern gelöst! So überlegten sie, wie sie sich gegenseitig fotografieren konnten, ohne einander eindeutig abzubilden oder die Geschichte langweilig zu machen. Es gelang ihnen!
Wir konnten bisher drei Durchgänge absolvieren. Die Gruppengrößen betrugen 6–7 Kinder. Im Mai 2015 startete die dritte Staffel, zu der sich nur noch 2 Mädchen anmeldeten. Diese sollten bis zu den Sommerferien dann von der Bibliothekarin allein betreut werden. Leider demotivierten etliche Feiertage im Mai, ein einmaliger Ausfall wegen Erkrankung der Bibliothekarin und auch mal „Unlust“, überhaupt zu kommen, die zwei Mädchen rasch und sie wollten nicht mehr weitermachen. Im neuen Schuljahr möchten wir mit der neuen AG-Gruppe weitermachen und wieder in größeren Gruppen arbeiten.[1]
7 Ablauf
7.1 Auftakt
Die Kinder arbeiteten jeweils in 2er- oder 3er-Gruppen zusammen und wurden jeweils von einem Ehrenamtlichen bzw. der Bibliothekarin betreut. Es erwies sich als äußerst hilfreich, dass die Erwachsenen zuvor von der Stiftung „Digitale Chancen“ geschult worden waren, um die Kinder kompetent zu beraten und ihnen zur Seite zu stehen, ohne ihre Kreativität und ihren Schaffensdrang einzuschränken. Angesetzt waren pro Staffel 6–7 Termine. Zunächst stellen sich alle einander vor und berichteten, was sie am Tablet schon konnten. Dann erfolgten die Gruppenfindung und die Auswahl der Geschichten.
Damit dabei nicht die Textlänge (möglichst kurz) im Vordergrund stand, wurden alle Texte „codiert“: Die Kinder wählen ein Kärtchen mit drei Schlagworten, das ihre Geschichte grob umschreibt (z. B. „Lustig“, „Rotze“, „Panik“) und erhielten erst dann die dazugehörige Geschichte. Diese wurde gemütlich in der Bücherei im Sitzsack (einander vor-)gelesen und erste Ideen wurden gesammelt, wie diese Geschichte als Fotostory umgesetzt werden könnte.
7.2 Storyboard erstellen
In Phase 2 wurde es theoretisch, denn jeder gute Regisseur benötigt ein Drehbuch und ein Storyboard. Das Storyboard ist für die Umsetzung der Ideen in Form von Fotos unentbehrlich. Darum wurde diesem Part eine komplette Einheit gewidmet. In einer vorangestellten Übung sollten die Kinder eine einfache kurze Geschichte als Storyboard umsetzen: Ein Mädchen wartet auf einem Bahnsteig auf einen Zug. Ein Junge steigt aus und sie gehen weg. Aus diesen wenigen Informationen ergaben sich bei den Kindern Liebesgeschichten, kleine Alltagsgeschichten, actiongeladene Handlungen oder auch Familiendramen. Die Perspektive wählte jeder ein wenig anders: frontal, aus der Luft oder auch aus der Totalen. Bei dieser Übung war der Unterschied zwischen der ersten und zweiten Durchführung sehr beachtlich, denn in der ersten Gruppe waren jüngere Schüler vertreten, die gerade neu in diesem Thema waren und nicht viel Erfahrung besaßen. Die vielen Ideen erzählten sich die Kinder schnell und ungebändigt, was manchmal zu leicht chaotischen Zuständen führte. Durch die großzügige Zeiteinteilung gelang es aber allen Gruppen, ihre Ideen auch als Storyboard zu Papier zu bringen. Die zweite Gruppe hingegen hatte schon Storyboards im vorigen Schuljahr in der AG kennen gelernt und erstellt. Entsprechend leichter fiel es den Kindern, ihre Ideen hier umzusetzen. Die etwas älteren Teilnehmer waren jedoch oberflächlicher bei der Umsetzung der Aufgabe und weniger einfallsreich als die Jüngeren.
Alle Gruppen stellten einander ihre Storyboards vor und so wurde auch gleich über Perspektiven gesprochen. Hier konnten sich die Kinder inspirieren lassen, wie ein Riese noch größer aussehen könnte oder wie man Traurigkeit und Einsamkeit mit Hilfe des Bildausschnitts und der Perspektive verstärken könnte.
Das Storyboard für die gewählte Geschichte entstand nach dieser Vorübung nun in der folgenden Zeit. Dabei war es schwierig, dass die Gruppen zwischen 4–8 Bilder nicht überschritten, denn die Kinder wollten jedes Detail zeigen und auch für den Kern der Geschichte wenig relevante Informationen als Foto zeigen.
7.3 Fotos machen
Hatte jede Gruppe ihr Storyboard erstellt (mit Ideen, aus welcher Perspektive die Aufnahmen gemacht werden sollten), ging es ans Fotografieren! Nun posierten die Kids voreinander und bauten ihre Bilder auf. Gegebenenfalls wurden Requisiten hergestellt und Möbel gerückt. Hierbei waren die Betreuer teilweise stark gefordert, weil einige Gruppen nicht so recht wussten, wie die Ideen vom Papier nun in der Realität dargestellt werden sollten. Auch das Loslachen in eigentlich ernsteren Szenen führte zur Löschung zahlreicher Fotos. Beim Erstellen der Fotos zeigten die etwas älteren Kinder mehr Souveränität und konnten öfters alleine gelassen werden, die jüngeren Kinder benötigten etwas mehr Unterstützung. Die Bilder wurden größtenteils in der Bücherei gemacht und die Hemmung, zum Beispiel eine Grünpflanze umzustellen, damit sie besser in der Geschichte wirken konnte, war groß. Wie zeigt man eine Duschsituation, wenn doch keine Dusche da ist? Wie kann ein Kinderzimmerbett nachgestellt werden? Was mache ich, wenn im Hintergrund ein Bibliothekskunde durchs Bild läuft?
Da die Fotos in den Nachmittagsstunden gemacht wurden, herrschte kaum noch Publikumsverkehr in der Bücherei und durch die Ermutigung, ebenso bibliotheksinterne Utensilien zu verwenden, tauten die Kinder nach und nach auf und wurden mutiger. Einige nutzten selbst die Ehrenamtlichen und die Bibliothekarin als „Utensil“, wenn es in der Geschichte vonnöten war. Die Erwachsenen halfen gern aus, nahmen sich weitgehend zurück und versuchten, den Regieanweisungen der Kinder Folge zu leisten.

Drei Brüder Cem und David
7.4 Nachbearbeitung
In der nächsten Phase wurde nun geschaut, welche Bilder das zeigten, was wirklich ausgedrückt werden sollte und eine Auswahl wurde getroffen. Diese Fotos wurden danach bearbeitet, mit Sprechblasen und Texten versehen und schließlich in einer Kollage zusammengesetzt.

Drei Brüder Cem und David
Die hierfür verwendeten Apps waren: Fotogitter, Photo-Editor, PicsArt, Clone Camera, Moldiv, Pixlr Express – allesamt (durch fehlendes W-Lan in der Bibliothek) vorinstalliert und durch die Betreuer selbst ausprobiert. Wir wollten ausschließlich kostenlose Apps nutzen, möglichst ohne InApp-Käufe oder immerhin mit guten grundlegenden Elementen in der freien Version. Die meist sehr selbsterklärend aufgebauten Apps wurden von den Kindern ausprobiert und verführten zu allerlei kreativen, teilweise aber auch zu überladenen Ergebnissen. Hier half den Kindern ein Blick in Fotogeschichten aus Jugendzeitschriften. Dort sahen die Kinder, dass die Bilder bereits sehr bunt waren und mit auffälligen Überschriften oder interessanter Anordnung genug in Szene gesetzt werden konnten und nicht jedes Foto einen eigenen Totenschädel-Rahmen benötigt oder nicht jedes Icon in allen Bildern benutzt werden muss. Eine Glühlampe als Zeichen für eine Idee über dem Kopf einer fotografierten Person genügte dann meist.
Alle Gruppen arbeiteten hierbei unterschiedlich schnell. Hatte die eine Gruppe eine Geschichte bereits fotografiert, bearbeitet und fertiggestellt, so war eine andere Gruppe längst nicht so weit und fotografierte erst ihr viertes Motiv. Hier halfen sich die Kinder allerdings gegenseitig, erklärten die Apps und wie sie was machen könnten. Dabei lernten auch die Erwachsenen noch eine Menge, denn vor allem bei der Bedienung der Apps hatten die Kinder intuitiv schnell Erfahrungen gesammelt. So konnten sie z. B. uns beibringen, wie mehrere Bilder in einer Stapelverarbeitung geändert oder mit einem Filter versehen werden können.

Collage Bazillen Jacob und Pascal
7.5 Präsentation
In einer Abschlussveranstaltung präsentierten die Kids ihre Werke vor Familie, Freunden und Presse. Dies empfanden wir als sehr wichtig und auch für die Kinder war dieser Termin ein wichtiger Abschluss des Projektes. Die Gruppen konnten ihre Werke stolz dem Publikum zeigen und verschwiegen nicht, wo es Probleme gab und was ihnen das Projekt gebracht hatte. Nach der ersten Durchführung waren die regionalen Zeitungen vertreten und berichteten überschwänglich und mit großen Fotos. Das neue moderne Leseförderprojekt wurde hoch gelobt und die Teilnehmer waren mächtig stolz. Nach wenigen Monaten präsentierte die zweite Gruppe ihre Geschichten. Da sich inhaltlich nichts geändert hatte, kam leider keiner der geladenen Pressevertreter zur Pressekonferenz und selbst der eingereichte Artikel wurden nicht mehr veröffentlicht. Umso wichtiger war es, dass die geladenen Eltern und Freunde an der Präsentation teilnahmen und die Leistung der Kinder würdigten. Der Bericht über die Gruppenarbeiten wurde auf unserer Homepage mit dem Einverständnis der Eltern hochgeladen und in sozialen Netzwerken verbreitet.
8 Wo bleibt da die Leseförderung?
Im Fokus des Projekts stand unmissverständlich die Technik – zumindest für die Kids. Denn, dass die Geschichte während des Projekts mehrmals gelesen wurde, der Text dann auf seine Kernaussagen untersucht und abstrahiert wurde, geschah für die Teilnehmer unbewusst und spielerisch. Die Kunst, das Wesentliche aus einem Text herauszulesen, muss im gesamten Schulleben immer wieder geübt und trainiert werden, denn nicht mehr das Auffinden von Informationen, sondern deren Auswertung, Interpretation und Zusammenfassung ist mittlerweile von Bedeutung.
Nicht zu unterschätzen ist zudem der Aspekt, dass die Kinder zum Teil das erste Mal ein positives Erlebnis mit Büchern haben – noch dazu in einer Bibliothek. Diese Erfahrung lässt Hemmschwellen zum erneuten Aufsuchen der Einrichtung sinken und zeigt, dass die Bibliothek ein fantastischer Ort für Kreativität und Spaß sein kann.
9 Ausblick in Dreieich
Die Schul- und Stadtteilbücherei Dreieich – Weibelfeldschule agiert als Stadtteilbücherei, ist aber unter der Verwaltung und Trägerschaft der Schule (Kreis Offenbach) auch deren Rahmenbedingungen unterworfen. Die personelle Situation der Bücherei wird nach den Sommerferien eine andere sein, es fallen Arbeitsstunden weg, die nicht von der Stadtbücherei kompensiert werden können. Dadurch verlagern sich die Prioritäten der Büchereiarbeit, denn der Ausleihbetrieb muss gesichert werden. Die bisher unterstützenden Ehrenamtlichen werden aus privaten Gründen nach den Sommerferien nicht mehr für das Projekt zur Verfügung stehen und die Suche nach neuen Ehrenamtlichen für das Tablet-Projekt gestaltet sich derzeit sehr schwierig. Ob das Projekt also weitergeführt werden kann, ist offen. Zwei Staffeln der Lesehelden 2.0 konnten wir umsetzen, eine dritte scheiterte an den o. g. Gründen – wir haben aber wertvolle Erfahrungen sammeln können und möchten diesen Weg und die Kooperation mit dem Jugendzentrum der Stadt weiter verfolgen.
10 Ein Projekt und seine langfristige Wirkung
Für die 13 Kinder, die in zwei Staffeln am Projekt Lesehelden 2.0 teilgenommen haben, wurde viel investiert. Dazu musste die Grundausstattung erworben werden, mehrere Menschen steckten sehr viel Zeit in das Projekt, die Vorbereitungen vor Ort und die Durchführung. Um eines klar zu stellen: Es ist großartig, als kleine Bibliothek die Chance zu erhalten, an diesem bundesweiten Projekt mitwirken zu dürfen. Was allerdings schade ist, sind die sehr restriktiven Bedingungen und die großen bürokratischen Hürden, die genommen werden müssen, bevor das Projekt starten kann. Ich habe vor der Bewerbung mehrere Institutionen anwerben wollen, dieses Projekt mit mir gemeinsam zu stemmen und stieß meist auf Ablehnung, da der Aufwand den angedachten Partnern als zu groß erschien. Trotzdem ist es für kleine Bibliotheken möglich, teilzunehmen – theoretisch. Der zeitliche Aufwand kann allerdings nur erbracht werden, wenn die personelle Ausstattung der Bibliothek eine Teilnahme zulässt. Die Schulung der Ehrenamtlichen ist lobenswert und war wirklich hilfreich. Meine eigene Teilnahme musste ich allerdings mühsam erkämpfen. Bibliothekare sind Sparfüchse und so widerstrebt es mir, die wertvollen Tablets ausschließlich für das Fotoprojekt zu nutzen, wenn doch auch so viele andere sinnvolle Einsatzorte in Bibliotheken möglich sind. Doch so waren die Vorgaben seitens des Geldgebers. Natürlich müssen die verwendeten Gelder nachgewiesen, bei solch großen Projekten protokolliert und kontrolliert werden. Aber für Bibliotheken, Ehrenamtliche und Kinder sollte am Ende mehr rauskommen als ein netter Artikel in der Zeitung.
Ein grundlegend verbreitetes Phänomen von projektbezogener Leseförderung in Deutschland scheint außerdem zu sein, dass klassische Leseförderung zwar wichtig und intensiv ist, Zeit kostet und Mühe bereitet – aber kaum Beachtung und Anerkennung findet, sowohl bei Fachkollegen als auch in der Gesellschaft. Jochen Dudeck brachte es auf den Punkt: „Leseförderung hat inzwischen möglichst mit digitalen Medien zu erfolgen, um von der Fachöffentlichkeit wahrgenommen zu werden.“[2] Erst dann wird berichtet und die Bibliothek erscheint auch in den Augen der Kunden modern.
Für uns war die Teilnahme am „Kultur macht stark“-Projekt des dbv sehr spannend, anstrengend und ein Lernprozess. Wir konnten sehen, was möglich ist, wir haben uns neue Ziele gesteckt und gelernt, wo unsere Grenzen sind. Im normalen Schulalltag bewältigen wir einen Kundenansturm von 400 Jugendlichen täglich und meist allein. Nach zahlreichen Bibliotheksreinführungen, Hilfestellungen für Schüler am Laptop, dem Durchführen von mehrstündigen Methodentagen in der Oberstufe, Lesenächten, Leseprojekten für ganze Jahrgänge, Sommerleseaktionen und dem normalen Bestandsmanagement werden wir uns jetzt ganz genau überlegen, ob wir mal eben nebenbei ein so tolles und innovatives Projekt bewältigen können. Die Werbung um Ehrenamtliche geht derweil weiter.
Denn ob mit oder ohne Tablet-Projekt: Eine Bibliothek, in der es lebendig zugeht und in die Jugendliche auch nach der Schule zum Schmökern oder zum Jugendjurytreffen kommen, die aber auch in Freistunden zum „Chillaxen“ gut besucht ist, die kann nicht so unmodern sein.
© 2016 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
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