Zusammenfassung
Die Wissens- und Publikationskultur von Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen fokussiert auf angewandte Wissenschaft und Berufsalltag. Ihre Forschungsergebnisse richten sich häufig an ein Publikum am Rande der akademischen Welt. In der Open-Access-Landschaft wurden praxisorientierte Publikationen bisher jedoch wenig beachtet. In unserem Beitrag berichten wir über die Lösungen und die Organisation hinter dem Projekt GOAL, das die Förderung von Green OA bei praxisorientierten Zeitschriften in der Schweiz zum Ziel hat.
Abstract
The knowledge and publication culture in the context of universities of applied sciences and universities of teacher education has a focus on applied issues and professional routines. The research findings target an audience at the fringes of the scholarly world. These practice-oriented, professional publications have received little attention in the Open Access landscape so far. The article introduces new solutions and the organisation behind the GOAL project, which aims to promote Green OA in the area of practice-oriented journals in Switzerland.
1 Die unscheinbare Komplexität von Open Access
Die Anfänge der Open-Access-Bewegung liegen heute über 20 Jahre zurück. Das Bestreben, wissenschaftliche Literatur und andere Materialien frei im Internet zugänglich zu machen, prägt den wissenschaftlichen Alltag, sowohl jenen der Forschenden als auch jenen der Bibliotheken. Rund um den Globus hat sich eine komplexe technische und soziale Open-Access-Infrastruktur entwickelt. Nach mehr als zwei Jahrzehnten Entwicklung könnte man meinen, dass die Open-Access-Landschaft ein gut kartiertes Gebiet sei. Dieser Eindruck täuscht jedoch. Vielmehr ist die Open-Access-Gegenwart von ernsten Herausforderungen und offenen Fragen geprägt. Es gibt zudem noch viele blinde Flecken, welche zu Weiterentwicklungen anregen.[1]
Eine dieser Lücken ist die Umsetzung von Open Access an Zeitschriften, die für Fachhochschulen und Pädagogische Hochschulen relevant sind. In der Schweiz haben sich das Projekt OA-EASI (Open Access for Educational and Applied Sciences) (2020–2021) und jüngst das Nachfolgeprojekt GOAL mit dem Publikationsverhalten an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen befasst.[2] Die Ergebnisse lassen sich wie folgt zusammenfassen: Autor*innen an angewandten Hochschulen sind weniger von großen Verlagen abhängig und publizieren tendenziell in praxisorientierten, landessprachlichen Zeitschriften, die sich an ein professionelles Umfeld richten. Diese Zeitschriften wiederum sind in den Händen kleiner und mittelgroßer Verlage, von Berufsverbänden, von Vereinen oder öffentlichen Institutionen.[3] Viele dieser kleinen Verlage – ob gewinnorientierte Unternehmen oder gemeinnützige Gesellschaften – verfügen nur über wenige Ressourcen und können sich keine komplexe Open-Access-Infrastruktur leisten. Ein „Flipping“ zu Gold oder Diamond ist keine Option.
Das ist jedoch kein Grund, die Hände in den Schoß zu legen und auf Open Access zu verzichten. Wie wir zeigen werden, ist es möglich, die Publikationslandschaft proaktiv mitzugestalten. Es gilt „nur“ bereits vorhandene Elemente geschickt miteinander zu verbinden. Das Projekt GOAL – Unlocking the Green Open Access Potential liefert unserer Meinung nach ein Beispiel für eine solche Initiative.[4]
Dieser Beitrag hat zum Ziel, unsere Erfahrungen und Ergebnisse vorzustellen und zur Diskussion zu bringen. Der Fokus soll auf dem für den Erfolg eines Projekts selten thematisierten Aspekt der organisatorischen Herausforderungen und Maßnahmen liegen, die die Umsetzung eines interbibliothekarischen Projektes mit sich bringen. Nach über zwei Jahren Projektlaufzeit haben wir einige Lektionen gelernt und Erfahrungen gesammelt. Welche Lösungen für Green Open Access haben wir implementiert und warum? Was nehmen die Teammitglieder bzw. unsere Institutionen von der Teilnahme an einem mehrjährigen Projekt mit? Anhand der Diskussion dieser Fragen möchten wir andere Kolleg*innen zu eigenen Projekten ermutigen und über das Potenzial und die Grenzen eines „Projektes von unten“ reflektieren.
Bevor wir uns mit der Beantwortung der gestellten Fragen auseinandersetzen, ist es nötig, diese in einem breiteren Kontext zu betrachten. Einführend werden die Lücken in den aktuellen Entwicklungen und Diskussionen in der OA-Landschaft geschildert, wobei die Fachhochschulen und pädagogischen Hochschulen besonders berücksichtigt werden. Daran anschließend werden wir das Projekt GOAL kurz präsentieren. Sodann folgt eine Schilderung der Struktur und der wichtigsten Tätigkeiten. Wir schließen den Beitrag mit einer Reflexion über das Gelernte.
2 Die „blinden Flecken“ der Open-Access-Landschaft
Die Wissens- und Publikationskultur an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen wurde bisher in der Open-Access-Landschaft wenig berücksichtigt. Das betrifft nicht nur die Schweizer Publikationslandschaft. Wie Sarah Dudek vor kurzem für den deutschen Kontext festgestellt hat, agieren Hochschulen, die die angewandten Wissenschaften im Zentrum ihrer Logiken und Aufgaben haben, anders als Universitäten.[5] In vielen Disziplinen an Fachhochschulen und Pädagogischen Hochschulen spielen die Lehre sowie der Fokus auf Fragestellungen, die den beruflichen Alltag betreffen, eine bedeutende Rolle. Die Erkenntnisse aus der angewandten Forschung richten sich somit an ein außerhalb der akademischen Welt arbeitendes Publikum, welches diese ggf. mitentwickelt und in der beruflichen Praxis umsetzt. Es ist eine Vielfalt an Themen anzutreffen, die von der Ausgestaltung einer fundierten Aus- und Weiterbildung für soziale Berufe bis zur Entwicklung von Innovationen in Branchen, die sich rasch weiterentwickeln, reicht. Das breite Spektrum der untersuchten Themen, das entsprechende Forschungsverständnis, die Nähe zur beruflichen Praxis und der Wirtschaft sowie das anvisierte Zielpublikum spiegeln sich auch bei der Publikation der jeweiligen Erkenntnisse wider.
Mit Blick auf diese Spezifika der Hochschulen mag der Eindruck vermittelt werden, dass für diese Publikationskulturen erarbeitete Lösungen thematisch und geografisch nur kleinen Nischen zugutekommen. Diese Annahme wäre jedoch ein fataler Irrtum. Jüngst haben Anregungen aus dem Bereich der Künste gezeigt, dass Fragen nach alternativen Publikationsformen sowie Nachhaltigkeit auch für andere Disziplinen richtungsweisend sein können.[6] Dasselbe gilt für die Auseinandersetzung mit den Herausforderungen von Open Access im Bereich des praxisorientierten Publizierens an Fachhochschulen. Die Komplexität in diesem Teil des wissenschaftlichen Publikationssystems ist hoch, vor allem wegen der Menge an involvierten Akteuren und Interessen, die überzeugt und zufriedengestellt werden müssen. Ohnehin gilt: Wenn wir die mit Open Access gemeinte Bibliodiversität ernst nehmen, müssen wir die Lage, Bedürfnisse und Grenzen kleiner Verlage ebenfalls berücksichtigen. Diese unterscheiden sich maßgeblich von den Möglichkeiten großer Verlage. Lösungen für eine erfolgreiche Umsetzung von Open Access in diesem Bereich können nur erarbeitet werden, wenn die technischen Limitationen sowie die Lücken im Know-how rund um das digitale Publizieren berücksichtigt werden. Eins wird klar: Es gibt keine Zauberformel für sofortige Nachhaltigkeit, Kostenneutralität und Effizienz.
3 GOAL: Die Förderung von Grün Open Access als Lösung
Das Projekt GOAL baut auf der oben beschriebenen Ausgangslage auf. Konkret liegt der Fokus unseres Projekts auf der Förderung von Open Access bei praxisorientierten Zeitschriften. Dabei sehen wir in diesem Bereich den grünen Weg als eine Möglichkeit, mehreren Herausforderungen gleichzeitig zu begegnen. Da bei den praxisorientierten, kleinen Zeitschriften ein „Flipping“ auf Gold oder Diamond aufgrund der limitierten Ressourcen unrealistisch ist, muss die angebotene Lösung niederschwellig sein. Wie wir sehen werden, bietet die vorhandene institutionelle Infrastruktur (Repositorien, Know-how und interbibliothekarische Kontakte) die Möglichkeit, Zeitschriften mit limitierten Ressourcen einen Zugang zur Open-Access-Welt zu eröffnen. Dies wird in kleinen Schritten gemacht, beziehungsweise durch die individualisierte Verhandlung von Open-Access-Richtlinien. Diese Verhandlung ist zentral, aber keineswegs das einzige Ziel. Ebenso wichtig ist die Registrierung und Auffindbarkeit der Richtlinien in der GOAL-Datenbank, die nach Projektende langfristig gepflegt wird.[7] Ein weiteres Ziel ist das Sammeln von Informationen und Wissen über die Welt der kleinen Verlage und darüber, wie man mit ihnen bei Open-Access-Fragen verhandelt. Wir möchten dieses Wissen umwandeln in Artikel sowie praktische Leitfäden, die wir veröffentlichen und allen zugänglich machen.[8]
Die Umsetzung dieser Ziele können wir wie folgt zusammenfassen: Im Rahmen des Projekts haben wir ca. hundert verschiedene Zeitschriften kontaktiert. Die Verhandlung der Open-Access-Richtlinien basiert auf dialogischer Überzeugungsarbeit.[9] Das heißt, wir bereiten einen ersten Vorschlag vor, die endgültige Version der Richtlinie wird jedoch gemeinsam mit den Zeitschriften entwickelt. In diesem Prozess findet ein wichtiger Informationsaustausch statt: Die Redaktionen der Zeitschriften erhalten ihrerseits Hinweise, welche Schritte für eine weitere Professionalisierung notwendig sein könnten.[10] Als Nebeneffekt dieses Austauschs steigt das Vertrauen in akademische Bibliotheken, die vermehrt als zuverlässige Gesprächspartner und weniger als potenzielle Wettbewerber betrachtet werden. Wir verstehen im Gegenzug besser, wie praxisorientierte Publikationen entstehen und welche Logiken dahinterstehen. Wir erfahren zudem, welche technischen Möglichkeiten seitens der Redaktionen für eine Zusammenarbeit mit den Repositorien zur Verfügung stehen. Dies hilft uns dabei, ein weiteres Projektziel zu verfolgen: die Entwicklung (semi)automatisierter Workflows, um die Repositorien leichter mit Aufsätzen befüllen zu können. Dank der im Austausch gesammelten Informationen können wir herausfinden, welche Publikationen Metadaten liefern könnten, die für eine (semi)automatisierte Umsetzung der Workflows genutzt werden können. Diese Informationen können wir wiederum mit dem Wissen kombinieren, das wir aus dem erweiterten Bibliotheksnetzwerk erhalten. Am Ende entsteht ein umfassendes Bild der vorhandenen Bedürfnisse und Ressourcen aller Beteiligten. Dies ermöglicht uns einerseits, implementierbare Lösungen zu entwickeln. Andererseits liefert uns dieses Bild Informationen, die in die Artikel und praktischen Leitfäden einfließen und nach Projektende weiter genutzt werden können.
Kurz gesagt verfolgt das Projekt GOAL das konkrete Ziel einer Transformation der OA-Landschaft von unten. Dabei stehen wir, wie unsere Projektschilderung erahnen lässt, vor organisatorischen Herausforderungen. Insbesondere muss ein Dialog mit vielen Akteuren geführt werden: Zeitschriftenredaktionen, Bibliotheken, Förderorganisationen usw. Zugleich gilt es, eine effiziente Informationszirkulation sicherzustellen – dies alles in einem multilingualen Land.
Im Folgenden gilt es, die Perspektive zu wechseln: Wer will die Ziele erreichen? Und wie wird agiert, um die Ziele zu erreichen?
4 GOAL in der Praxis I: Interne Projektstruktur und operative Praxislösungen
Das Team hinter GOAL ist ebenso vielfältig zusammengesetzt wie die Realität, die wir verändern und mitgestalten wollen. Für die Koordination des Projekts ist ein Projektkoordinator zuständig; die insgesamt zehn Projektmitglieder stammen aus fünf unterschiedlichen akademischen Bibliotheken und sind für das Projekt mit einem Arbeitspensum zwischen 10 und 80 Prozent angestellt. Vier der Bibliotheken sind Teile von Fachhochschulen, die fünfte Bibliothek ist Teil einer pädagogischen Hochschule.[11] Die pädagogische Hochschule liegt im französischsprachigen Teil der Schweiz, während die restlichen vier Institutionen dem deutschsprachigen Raum angehören.
Unterstützt und beraten wird das Kernteam durch ein Sounding Board, das aus zwölf weiteren Bibliotheken aus allen Sprachregionen der Schweiz zusammengesetzt ist.[12] In diesem Gremium sind acht pädagogische Hochschulen und vier Fachhochschulen vertreten. Die Institutionen im Sounding Board stellen ihre Expertise in beratender Funktion zur Verfügung. Einzeln oder als ganzes Gremium äußern sie ihre Meinung zu konkreten Fragen in der Umsetzung, unterstützen das Kernteam punktuell bei Aufgaben, die die sprachliche Vielfalt betreffen, oder vermitteln ihre Kontakte zu Zeitschriftenredaktionen.
Diese Aufteilung in zwei Gruppen – ein Kernteam und einen breiteren Kreis interessierter Institutionen – erfüllt zwei Zwecke. Erstens wird dadurch eine breite Palette an Institutionen und Interessen im Projekt repräsentiert, ohne dass die interne Koordination überbeansprucht wird. Zweitens erlaubt diese Teilung jeder Institution, die Menge an Ressourcen bereit zu stellen, die sie jeweils wirklich gewährleisten kann. Das Kernteam und seine Institutionen sind verantwortlich für die Umsetzung des Projekts und finanzieren 50 Prozent der Projektkosten, während die andere Hälfte von der Förderorganisation swissuniversities getragen wird. Die Institutionen im Sounding Board, darunter auch kleine Bibliotheken mit weniger als zehn Angestellten, bieten aktive Unterstützung durch ihre Beratungsfunktion sowie bei der Erledigung konkreter Aufgaben.
Der Vorteil dieser Aufteilung liegt in einer unkomplizierten und auf das Wesentliche reduzierten Koordination, bei der die vorhandenen Ressourcen möglichst umfassend genutzt werden. Zugleich löst die Aufteilung in zwei Gruppen nicht alle Herausforderungen. Schließlich sind alle Projektbeteiligten über das ganze Land verstreut und teilweise mit einem reduzierten Pensum angestellt. Die ersten Schritte im Jahr 2022 waren daher wenig überraschend von organisatorischen Fragen geprägt. Hier erwies sich die zunehmende Digitalisierung des Arbeitsbereichs als Glücksfall. Er ermöglichte eine dezentrale Organisation mit regelmäßigem Informationsaustausch sowie eine gemeinsame Erledigung von Aufgaben. Digitale Werkzeuge und die Erfahrungen aus dem Homeoffice während der Pandemie gestatteten ein hohes Maß an Flexibilität. Allerdings darf auch die Koordination eines größtenteils digital organisierten Teams nicht unterschätzt werden. Eine leicht zu bedienende und für alle Institutionen zugängliche digitale Plattform mit Aufgabenplanung, Chatfunktion und versionierter Dateiablage musste gefunden und getestet werden.[13] Ebenfalls galt es, sinnvolle und für alle nachvollziehbare Abläufe für die interne Kommunikation zu etablieren.
Die Online-Meetings des Kernteams finden im Zwei-Wochen-Takt statt und sichern einen regelmäßigen Austausch. Komplexe Themen sowie wichtige Entscheidungen werden in eintägigen Workshops vor Ort erarbeitet und besprochen. Diese Workshops finden einmal pro Quartal an einer der fünf teilnehmenden Hochschulen statt. Dabei nutzen wir die Treffen sowohl für intensives Arbeiten als auch für das Knüpfen persönlicher Kontakte in den Pausen.
Die Meetings mit dem Sounding Board finden einmal pro Semester im Online-Format statt. Sie dienen der Berichterstattung über die aktuellen Arbeitspakete sowie der Weiterentwicklung des gesamten Projekts. Zudem wird die Meinung der Boardmitglieder zu konkreten Fragen und Herausforderungen eingeholt. Zwischen den Treffen kommunizieren wir bei Bedarf per E-Mail.
Dank dieser Arbeitsweise ist das Team zusammengewachsen und es hat sich eine konstruktive sowie angenehme Arbeitsatmosphäre entwickelt. Das aktive Engagement in der Gruppe ermöglicht es den Beteiligten, entsprechend den eigenen Kompetenzen und Ressourcen konkrete Aufgaben anzugehen. So konnten wir eine Projektwebseite sowie ein erkennbares Logo entwickeln und aktiv an verschiedenen größeren Veranstaltungen teilnehmen, etwa an den Open-Access-Tagen 2022 in Bern und 2023 in Berlin.[14]
5 GOAL in der Praxis II: Der Wert von Netzwerken
Die interne Kommunikation und Koordination sind für die tägliche Arbeit entscheidend, aber das Projekt lebt auch vom Austausch mit weiteren Experten. Anhand der Intensität und Dauerhaftigkeit der Beziehungen haben wir ein engeres und ein lockereres Netzwerk definiert, das für unsere Arbeit relevant ist. Zur ersten Gruppe gehört die Zusammenarbeit mit swissuniversities, mit weiteren Förderprojekten sowie mit nationalen Expertengruppen. Die zweite Gruppe umfasst die kontaktierten Zeitschriften und basiert auf den durchgeführten Verhandlungen.
Als Mitfinanzierer von GOAL ist die Projektkoordination Open Access von swissuniversities ein wesentlicher Ansprechpartner. Hierbei handelt es sich nicht um die formalisierte Vermittlung von Ergebnissen durch jährliche Berichte, sondern um die gegenseitige Unterstützung bei der Umsetzung der nationalen Open-Access-Strategie der Schweiz. Dank der Reichweite von swissuniversities konnte GOAL durch die Teilnahme an verschiedenen Veranstaltungen, die von swissuniversities organisiert wurden, in der Schweiz bekannt gemacht werden. Dies hilft nicht nur beim Knüpfen neuer Kontakte, sondern steigert auch die eigene Reputation durch das Vertrauen einer bundesweiten Organisation. Im Gegenzug kann swissuniversities konkrete und aktuelle Informationen aus der Open Access Community einholen, die auch über das Projekt hinaus in Zukunft nützlich sein können.
In ähnlicher Weise funktionieren die Kontakte und gemeinsamen Aktivitäten mit anderen Projekten, die von swissuniversities mitfinanziert werden. Da diese Projekte nicht miteinander konkurrieren, sondern auf die globale Weiterentwicklung von Open Access und Open Science abzielen, gibt es wenige Hindernisse für Kollaborationen. Beispielsweise helfen gemeinsame Veranstaltungen dabei, mehr Bekanntheit zu erlangen und die Projekte nicht als isolierte Bemühungen, sondern als Teile einer größeren Dynamik zu betrachten. Darüber hinaus haben diese Treffen einen zusätzlichen Vorteil: Die Teilnehmer der verschiedenen Projekte lernen sich besser kennen, was den schnellen Austausch von projektbezogenen Informationen sowie die informelle Vernetzung von Einzelpersonen und ihren Institutionen fördert.
Die Austausche mit den Expertengruppen decken zwei sehr unterschiedliche, aber gleichermaßen wichtige Bereiche ab. Fragen rechtlicher Natur werden durch die Zusammenarbeit mit CCdigitallaw gelöst, einem nationalen Kompetenzzentrum für digitales Recht an der Università della Svizzera Italiana (USI).[15] Es unterstützt Schweizer Hochschulen mit verschiedenen Dienstleistungen bei rechtlichen Fragen im digitalen Bereich. In Zusammenarbeit mit Ccdigitallaw konnte GOAL von einer ausführlichen Einführung in urheberrechtliche Themen sowie der Möglichkeit profitieren, jederzeit gezielte Rückfragen bei der Erarbeitung von Zweitveröffentlichungsrichtlinien zu stellen. Dieser Austausch war wichtig, da er dem Team die nötige Sicherheit bei der Entwicklung von Richtlinien gab. Ccdigitallaw profitierte seinerseits von einem vertieften Einblick in konkrete Fragestellungen bei der Erteilung und Nutzung von CC-Lizenzen, mit denen Bibliotheken, Zeitschriften und Autor*innen in ihrem Arbeitsalltag konfrontiert sind.
Die Softwarefragen – konkret die Entwicklung und Implementierung der GOAL-Datenbank – wurden durch die Zusammenarbeit mit einem externen Softwareentwickler, The Library Code, in Verbindung mit dem Applikationsentwicklungsteam der Hochschulbibliothek der ZHAW, bearbeitet. Der Fokus liegt hierbei auf dem internen Aufbau und der Konsolidierung von technischen Dienstleistungen und Infrastrukturen im Bereich Open Science.[16]
In Kontrast zu den beschriebenen Austauschen, die eine gewisse Regelmäßigkeit aufweisen, stehen die Kontakte mit den Redaktionen zwecks Verhandlungen für Zweitveröffentlichungspolicies. Diese mögen auf den ersten Blick als punktuelle Treffen ohne Folgen erscheinen. Doch haben sie sich teilweise als die ersten Schritte zum Aufbau eines loseren Netzwerks entpuppt. Bei der Erarbeitung der Richtlinien hat ein Informationsaustausch zwischen Bibliotheken und Verlagen stattgefunden, der gegenseitige Einblicke in die täglichen Anforderungen ermöglichte. Das Team von GOAL konnte darlegen, warum eine Zweitveröffentlichung für die Autor*innen und deren Hochschulen relevant ist und wo die Beweggründe liegen. Seitens GOAL wurde klargemacht, dass Autor*innen und Hochschulen ihre Forschung und deren Ergebnisse sichtbarer und für eine breite Öffentlichkeit zugänglich machen möchten. Dabei verfolgen sie keine kommerziellen Ziele. Es geht vielmehr um die Zweitveröffentlichung einzelner Beiträge und nicht um ganze Ausgaben einer Zeitschrift oder um eine grundlegende Änderung der Publikationspraktiken bzw. ein „Flipping“ zu Gold oder Diamond. Die Zeitschriftenredaktionen konnten ihrerseits ihre Sicht auf Open Access darlegen und erklären, wo ihre Grenzen diesbezüglich stehen.
Die kleinen Zeitschriften, deren Geschäftsmodell ganz oder teilweise von Abonnements- oder Mitgliederbeiträgen abhängt, konnten erklären, dass sie aus ihrer Sicht gewissermaßen von den Anforderungen an Open Access schlicht überrollt werden. Das Risiko einer vollständigen Umstellung ist für sie zu hoch und zu wenig attraktiv. Es muss in Erinnerung gerufen werden, dass nur ein Teil ihres Publikums einen wissenschaftlichen Hintergrund hat, weshalb eine Anpassung an die Bedingungen von Forschungsförderern wenig attraktiv ist. Im Dialog war es möglich, niederschwellige Lösungen zu finden, die für beide Seiten passen. Dabei ist nicht nur die Anzahl oder die Ausgestaltung der Zweitveröffentlichungspolicies wichtig. Es hat auch ein erstes vorsichtiges gegenseitiges Abtasten stattgefunden, bei dem sich zeigte, dass die Kluft zwischen Bibliotheken und Verlagen sowie zwischen Praxis und Forschung weniger groß ist als vielleicht angenommen. Das Ergebnis ist dann nicht nur ein erhöhtes gegenseitiges Verständnis, sondern auch der Aufbau einer Vertrauensbasis, die in kleinen Schritten den Weg für zukünftige Zusammenarbeit ebnen oder zumindest die Wiederaufnahme von Kontakten erleichtern kann.
6 Schlusswort: Die Organisation hinter der Open-Access-Landschaftserweiterung in kleinen Schritten
Die Open-Access-Landschaft weist auch nach 20 Jahren noch „blinde Flecken“ auf. Einer davon sind die praxisorientierten Fachzeitschriften, welche – wie im Beitrag gezeigt wurde – anders funktionieren. Um diese Zeitschriften in die OA-Landschaft einzubinden, gilt es realisierbare Lösungen zu formulieren, die einerseits mit den verfügbaren Ressourcen der kleinen und mittelgroßen Bibliotheken – ökonomisch, personell und technisch – umgesetzt werden können und die andererseits die Interessen sowie die Grenzen der Zeitschriften berücksichtigen. Viele kleine und mittelgroße Publikationsanbieter sind offen für Gespräche; sie müssen angehört werden und benötigen Zeit, um sich mit der Open-Access-Welt vertraut zu machen. Wir sehen im durch Bibliotheken organisierten Grün-Open-Access-Weg eine solche Lösung.
Für deren Umsetzung bedarf es einer anpassungsfähigen Projektorganisation im Hintergrund. In diesem Text haben wir dargelegt, wie wir diese Herausforderung im Fall von GOAL bewältigt haben. Die Organisation, die hier beschrieben wurde, war grob in unserem Projektantrag skizziert, aber die Details (wie zum Beispiel die optimale Häufigkeit der Sitzungen) wurden zu Beginn des Projekts diskutiert und bei Bedarf angepasst. Es handelte sich um einen Lernprozess, von dem alle Teammitglieder profitiert haben, da alle Erfahrungen gesammelt haben, die auch intern in Bibliotheken genutzt werden können. Zudem haben wir festgestellt, dass die interbibliothekarische Kommunikation und der Austausch mit institutionellen Akteuren wie swissuniversities durch Projekte intensiviert werden können. Dies eröffnet uns neue Chancen, weist jedoch auch auf eine neue Herausforderung hin: die Pflege der Kontakte und den Informationstransfer nach Projektende.
Im Verlauf des Projekts wurde ebenfalls klar, dass die Open-Access-Landschaft nicht nur erweitert, sondern auch weiterentwickelt werden kann und dass diese Entwicklung von uns Bibliotheken mitgestaltet werden kann. Unsere Wirkung „von unten“ im Bereich des Grün-Open-Access besteht dann nicht nur in den Richtlinien, die wir derzeit verhandeln oder bisher verhandelt haben, in der Datenbank oder in den Hilfsmaterialien, die wir bis zum Projektende veröffentlichen wollen. Von gleicher Bedeutung ist die Initiierung der Diskussion über die Erweiterung von Open Access und die Rolle von Bibliotheken, praxisorientierten Zeitschriften und kleinen Verlagen auf dem Weg in eine offenere Wissenschaft.
Über die Autoren

Dr. Enrique Corredera Nilsson

Valérie Andres
© 2024 bei den Autoren, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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