Zusammenfassung
Seit 2009 können sich Öffentliche Bibliotheken in Niedersachsen als „Bibliothek mit Qualität und Siegel“ auszeichnen lassen. Das Zertifizierungsverfahren wurde im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur und in enger Zusammenarbeit mit Bibliotheken des Landes für Bibliotheken unterschiedlicher Größe, Bibliothekstyp und Trägerschaft entwickelt. Ziel ist es, die interne Organisationstruktur in der Bibliothek zu optimieren und damit bessere qualitative Dienstleistungen für den Kunden zu erreichen. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos, die Erfüllung der Anforderungen wird in einem Audit durch ausgebildete Fachkolleg*innen geprüft. 2019 wurde der Kriterienkatalog aufgrund der im Rahmen von Zertifizierungen gewonnenen Erkenntnisse grundlegend überarbeitet. Bislang haben 40 Bibliotheken den Zertifizierungsprozess erfolgreich durchlaufen. Alle Einrichtungen berichten über spürbare Erfolge durch die Teilnahme an „Bibliothek mit Qualität und Siegel“. Zu den vielen positiven Erfahrungen zählen neben dem Imagegewinn durch die Auszeichnung die gestiegene Wertschätzung seitens Politik und Verwaltung und die Motivationssteigerung im Mitarbeiterteam der Bibliothek.
Abstract
As of 2009, public libraries in Lower Saxony have been able to obtain the label “Library with a Quality Seal”. In close cooperation with libraries and on behalf of the state’s Ministry of Science and Culture, a certification system for libraries of different sizes, types and providers was developed. The aim is to optimize internal organizational structures to achieve better quality services for the users. Participation is voluntary and free of charge, and compliance with the requirements is verified in an audit by trained peers. The criteria catalogue was thoroughly revised in 2019 based on the knowledge gained over ten years of certification. So far, 40 libraries have successfully passed the certification process. As a result of their participation, all institutions have reported noticeable improvements. Among the many benefits, apart from a huge image boost, are an increase in appreciation from policymakers and administrators, as well as an increase in motivation among library staff.
Öffentliche Bibliotheken leisten täglich einen wertvollen und unverzichtbaren Beitrag in der Kultur-, Informations- und Bildungsarbeit. Doch woran erkennt man gute Bibliotheksarbeit? Lässt sich die Qualitätsleistung einer Bibliothek anhand objektiver Kriterien überprüfen?
Um verbindliche Standards für die Ausstattung und Angebote Öffentlicher Bibliotheken und einheitliche Qualitätsmerkmale für interne Arbeitsprozesse zu definieren, wurde in den Jahren 2008 bis 2009 im Auftrag des Niedersächsischen Ministeriums für Wissenschaft und Kultur unter der Regie der kommunalen Büchereizentrale Niedersachsen das Qualitätssicherungsverfahren „Bibliothek mit Qualität und Siegel“ entwickelt. Nach dem Motto „aus der Praxis für die Praxis“ erarbeitete eine bibliothekarisch besetzte Arbeitsgruppe einen abgestuften Kriterienkatalog, der für Bibliotheken in kleinen Gemeinden bis hin zu Großstadteinrichtungen skalierbar und anwendbar ist. Die Teilnahme ist freiwillig und kostenlos und wird nach erfolgreichem Audit durch ein Zertifikat ausgezeichnet. Eine Lenkungsgruppe, besetzt mit Vertretern aller für Öffentliche Bibliotheken relevanten Verbände und Institutionen – einschließlich der Kommunalverbände –, entscheidet als zentrales Kontrollorgan über die grundsätzlichen Fragen.
Qualitätssicherung nach innen und außen
Vorrangiges Ziel des Zertifizierungsverfahrens ist es, die interne Organisationstruktur in der Bibliothek zu optimieren und damit bessere qualitative Dienstleistungen für den Kunden zu erreichen. Als Anforderung im Kriterienkatalog ist beispielsweise formuliert: „Die Entscheidungskompetenz jedes Mitarbeiters/jeder Mitarbeiterin ist definiert.“ oder an anderer Stelle: „Die Regeln für Arbeitsabläufe werden jährlich von der Leitung auf ihre Angemessenheit überprüft.“
Der Katalog verzichtet ganz bewusst darauf, die üblichen Nutzungskennzahlen wie Medienumsatz oder Besucherzahlen abzufragen, sondern konzentriert sich auf die Bereiche Organisation und Management, Ressourcen, Kommunikationsstrukturen und technische Ausstattung. Auf einzelne Anforderungen, wie z. B. die Definierung von Zielgruppen und Zielen oder das Vorliegen eines Bestandskonzeptes wird besonderes Gewicht gelegt und in der Bewertung mit einer deutlich höheren Punktzahl belegt.
Kein Ranking
Die Erfüllung der Anforderungen wird durch ausgebildete Fachkolleg*innen geprüft und das Ergebnis beim Erreichen der Mindestpunktzahl durch das Zertifikat „Bibliothek mit Qualität und Siegel“ mit einer Gültigkeitsdauer von drei Jahren bestätigt. Für die Bibliotheken sorgt die mögliche erneute Überprüfung (Rezertifizierung) auch nach der Verleihung für eine permanente Qualitätskontrolle und einen zielgerichteten Verbesserungsprozess. Da ein Ranking ausdrücklich nicht das Ziel des Verfahrens ist, wird die Höhe der erreichten Punkte weder in den Urkunden noch anderweitig durch die koordinierende Stelle ausgewiesen.
Bisher 40 Bibliotheken ausgezeichnet
Nach mehr als zwölfjähriger Laufzeit hat sich „Bibliothek mit Qualität und Siegel“ auf einem guten Niveau etabliert. Seit Start des Zertifizierungsverfahrens Mitte 2009 sind bislang 40 Öffentliche Bibliotheken aller Größenordnungen mit dem Gütesiegel ausgezeichnet worden (Stand Januar 2022), viele davon haben ihr Zertifikat bereits mehrfach durch ein Rezertifizierungsaudit verlängern lassen. Die Teilnehmerquote war bislang durchaus zufriedenstellend, wenn man berücksichtigt, dass von den insgesamt rund 600 vorhandenen kommunalen Öffentlichen Bibliotheken in Niedersachsen schätzungsweise nur ca. 120 personell und ausstattungsmäßig in der Lage sind, die Anforderungen des Kriterienkataloges zu erfüllen.
Arbeitsaufwand lohnt sich
Alle Einrichtungen, die sich dem Zertifizierungsprozess unterzogen haben, berichten übereinstimmend, dass sich ihre Teilnahme uneingeschränkt gelohnt hat, auch wenn der Arbeitsaufwand beträchtlich ist, da für das Audit vieles schriftlich dokumentiert werden muss. Die wichtigsten der vielen positiven Erfahrungen sind neben dem Imagegewinn vor allem eine Verbesserung der Angebots- und Dienstleistungsqualität für den Bibliotheksnutzer. Das Prüfverfahren dient als Grundlage zur Reflexion der internen Arbeitsabläufe und bewirkt eine Intensivierung der Zusammenarbeit und Kommunikation von Bibliothek und Träger. Kämmerer oder Hauptamtsleiter sind nicht selten sogar persönlich bei den Audits bzw. Abschlussgesprächen dabei. Dort wurde einigen erstmals deutlich, was ihre Bibliothek leistet, aber auch, wo die Defizite liegen und wo nachgebessert werden muss. Die erfahrene Wertschätzung seitens der Politik löste häufig einen Motivationsschub im Mitarbeiterteam aus.
Neue Aufgaben – neue Kriterien
Seit Januar 2019 ist ein neuer, grundlegend überarbeiteter Kriterienkatalog im Einsatz. Die Revision wurde unverzichtbar, da der gesellschaftliche Wandel der letzten Jahre tiefgreifende Auswirkungen auf die Öffentlichen Bibliotheken hat. Die Medien- und Informationswelt wird immer komplexer und Bibliotheken sind heute zunehmend gefordert, sich neu zu positionieren, um relevant bleiben zu können. Das Aufgabenprofil der Bibliothek wandelt sich von der traditionellen Ausleihstelle zum Treffpunkt und Lernort in der Kommune. Dieser Wandel muss sich auch in den Anforderungen des Kriterienkataloges niederschlagen. Daher wurde eine Facharbeitsgruppe beauftragt, den Kriterienkatalog substanziell zu überarbeiten. Diese formulierte zahlreiche Änderungsvorschläge und entwickelte auch ganz neue Kriterien wie z. B. „Die Bibliothek stellt ihren Zielgruppen E-Medien zur Verfügung“ oder „Die Präsenznutzung der Bibliothek inklusive Internetnutzung und W-LAN-Zugang ist grundsätzlich kostenfrei.“ Das sind Anforderungen, die beispielhaft moderne Bibliotheksarbeit abbilden.
Umgang in Pandemie-Zeiten
Der Zertifizierungsprozess ist leider aufgrund pandemiebedingter Einschränkungen in 2020 und 2021 ins Stocken geraten; in diesen beiden Jahren konnten lediglich insgesamt sechs Audits durchgeführt werden. Nun gilt es, den Rückstau aufzuarbeiten, der sich in den vergangenen Monaten aufgebaut hat. Dies betrifft insbesondere die Bibliotheken, deren Rezertifizierung ansteht. Um hier den Druck ein wenig herauszunehmen, hat die Lenkungsgruppe im Oktober 2021 entschieden, dass die Zertifikate zunächst weiterhin gültig bleiben bis das Audit absolviert ist. Üblicherweise werden bei einem Rezertifizierungsaudit die zurückliegenden drei Jahre abgeprüft. Hier hat die Lenkungsgruppe die coronabedingte Ausnahmesituation anerkannt und beschlossen, die Berichtsjahre 2020 und 2021 nicht zu werten. Damit umgeht man das Herausfiltern einzelner Kriterien, die aufgrund der langen Schließzeiten nur unzureichend erfüllt werden konnten. Bei einer Erstzertifizierung kann die Bibliothek entscheiden, ob sie das aktuell zurückliegende Berichtsjahr als Grundlage für das Audit wünscht. In diesem Fall verabreden die Auditor*innen mit der Bibliothek, welche Kriterien aufgrund der Pandemie aus der Bewertung fallen.
Viel Bewegung ausgelöst
„Der Zertifizierungsprozess und das Audit haben in unseren Köpfen eine Menge bewegt. Es sind alle Arbeitsabläufe hinterfragt worden. Brauchen wir sie wirklich oder machen wir so weiter, weil die Dinge schon seit hundert Jahren so ablaufen? Die Frage, wo fängt gute Dienstleistung an und wo hört gute Dienstleistung auf, wie wirken wir als Bibliotheksmitarbeiter*innen auf unser Publikum und wie wollen wir ‚rüberkommen‘ beschäftigt uns intensiver und hallt mehr nach als ohne Audit“ – so das Fazit einer zertifizierten Bibliothek. In diesem Statement wird deutlich, welche Wirkung und welchen Nutzen das niedersächsische Qualitätssicherungsprogramm erzielen kann.
Der Kriterienkatalog definiert Merkmale, die, wenn sie erreicht und eingehalten werden, zu einer systematischen Verbesserung der Bibliothek führen. Alle Öffentlichen Bibliotheken in Niedersachsen, auch diejenigen, die sich gegen eine Teilnahme entscheiden, profitieren von dem niedersächsischen Qualitätssicherungsprogramm, da er einen fachlich fundierten Orientierungsrahmen für gute Bibliotheksarbeit liefert und Impulse nach innen und außen geben kann.
Ausführliche Informationen rund um „Bibliothek mit Qualität und Siegel“, einschließlich des Kriterienkataloges, finden Sie auf der Website der Büchereizentrale Niedersachsen unter der Rubrik „Angebote“.[1]
Über den Autor / die Autorin

Agnes Südkamp-Kriete
© 2022 Agnes Südkamp-Kriete, publiziert von De Gruyter.
Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.
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