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Die Zukunft der Kulturgutdigitalisierung an Landesbibliotheken am Beispiel der Badischen Landesbibliothek (BLB)

  • Jana Madlen Schütte

    Dr. Jana Madlen Schütte

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Published/Copyright: February 9, 2022
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Zusammenfassung

Die Kulturgutdigitalisierung gehört seit Jahren zum Kerngeschäft der Landesbibliotheken wie der BLB. Dabei lag der Fokus lange Zeit auf der Contentdigitalisierung von unikalem Material. Hinzu kamen regional interessante Bestände wie Adressbücher oder Landtagsprotokolle. Allerdings stellt sich zunehmend die Frage, ob die Aufgabe der Bibliotheken mit der reinen Imageproduktion schon erledigt ist. Am Beispiel der BLB sollen Zukunftsperspektiven aufgezeigt werden, die über die Contentproduktion hinausgehen. Dazu gehört neben der Anreicherung der Digitalisate durch Normdaten, Volltexte und Editionen die Einbindung in überregionale Portale, die Zusammenarbeit mit der Forschung bei ausgewählten Projekten, die Unterstützung kleinerer Einrichtungen und das Engagement in Citizen-Science-Projekten.

Abstract

Digitizing the cultural heritage has been a central task of state libraries like the BLB for many years. Initially, the focus was on content digitization of unique material. Regionally interesting holdings such as address books or regional parliament protocols were added. The question, however, is whether the task of libraries is fully accomplished by producing digital images. Using the example of the Baden State Library, future perspectives will be illustrated that extend far beyond content production. Alongside enriching the digitized material with standard data, full texts and editions, this also includes integration into national portals, cooperations with scientific research in selected projects, support for small-scale institutions and engaging in citizen-science projects.

1 Ausgangslage

Im Dezember 2020 beging die BLB das zehnjährige Jubiläum ihrer Digitalisierung.[1] Zu Beginn vor nunmehr über zehn Jahren wurde eine Strategie festgesetzt, die sich auf die Bereiche Handschriften, Musikalien und Regionalia bezieht. Um das Jahr 2014 kamen badische Zeitungen im großen Umfang hinzu. Bis zum Jubiläum wurden in diesen drei Säulen über 3,7 Millionen Images produziert, davon ca. 1,8 Millionen Zeitungsseiten. Das Jubiläum war ein Anlass zu resümieren, aber auch den Blick nach vorn zu wenden.

Ein weiterer Anlass zur Selbstreflexion waren im letzten Jahr die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf die Digitalisierung. So stiegen die Zugriffszahlen auf die Digitalen Sammlungen der BLB während des ersten Lockdowns auf das Dreifache an und die Anzahl der Anfragen seitdem mehrte sich rasant. Förderprogramme wie z. B. WissensWandel im Rahmen von Neustart Kultur[2] beschleunigten auch die Digitalisierung in kleineren Einrichtungen, so dass der Beratungsbedarf stieg.

Fest steht, dass die Digitalisierung von Handschriften, alten Drucken und Regionalia aller Art inzwischen schon lange zum Kerngeschäft der Digitalisierungszentren an Landesbibliotheken gehört.[3] Aber wie sieht die Zukunft aus? Dieser Frage soll im Folgenden nachgegangen werden. Zunächst wird aber der Blick über Baden hinaus gerichtet.

In ihrer Einleitung zu dem Sammelband Digitalisierung in Regionalbibliotheken nennt Irmgard Siebert 2012 drei Argumente für die Digitalisierung der Bestände der Regionalbibliotheken: „Die Digitalisierung dieser Quellen ist von höchster Bedeutung für die Förderung und Beschleunigung der lokalen, regionalen und internationalen Forschung, für die Erhaltung der Originale sowie die Profilierung der besitzenden Bibliotheken als Forschungsbibliotheken.“[4] Damit fasst Siebert die Contentproduktion als zentrale Aufgabe von Landesbibliotheken, die zu ihrer Profilierung beitragen solle. Ähnlich beschreibt dies auch das von Ludger Syré vier Jahre später betreute Themenheft Kulturgutdigitalisierung in Regionalbibliotheken, das eine Bestandsaufnahme der Digitalisierungsaktivitäten in den Regionalbibliotheken vornimmt.[5]

2019 geht das Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft Regionalbibliotheken zu den Wissenschaftlichen Bibliotheken 2025 schon deutlich darüber hinaus: Weiterhin spielt die Produktion eine zentrale Rolle: Festgehalten wird, dass gemessen am Gesamtbestand die Anzahl digitalisierter Quellen immer noch gering sei. Neu hinzugekommen sind aber inzwischen weitere Aufgaben: kooperative Drittmittelprojekte, gemeinsame Standards, übergreifende Zugangsplattformen, die Aufbereitung der Digitalisate zu qualitativ hochwertigen Volltexten für die Digital Humanities sowie die Unterstützung kleinerer Einrichtungen. Damit sind genau die Punkte angesprochen, die auch in der BLB eine zentrale Rolle spielen.[6]

Thomas Stäcker geht noch einen Schritt weiter: Unter der Überschrift „Wozu braucht man das Vergangene?“[7] erklärt er, dass die Digitalisierung in fast allen Landesbibliotheken als zentrale Aufgabe angesehen werde, sie spiegele aber „nicht unbedingt die ‚Seele‘ der landesbibliothekarischen Arbeit.“[8] Fasse man die Digitalisierung vielmehr als Methode der Rekonstruktion der Vergangenheit bzw. als Prozess der Rekonstruktion des kulturellen Gedächtnisses, passe dies wiederum zu den Aufgaben einer Landesbibliothek, die mit ihrer lokal verankerten Zielgruppe einen virtuellen Raum schaffe, „in dem sich das Wissen um die Vergangenheit formiert und den sie selbst mit Blick auf die Funktionen der Vergangenheit gestaltet.“[9]

Im 2021 veröffentlichten Perspektivpapier „Kulturen im digitalen Wandel“ wird u. a. die Allianz zur Kulturgutdigitalisierung, die von der Arbeitsgemeinschaft Regionalbibliotheken initiiert wurde, vorgestellt. Nach dem Vorbild der Allianz Schriftliches Kulturgut Erhalten, die zur Gründung der KEK (Koordinierungsstelle für die Erhaltung des schriftlichen Kulturguts) führte, ist ein Bund-Länder-Programm geplant. So sollen Digitalisierungslücken geschlossen und digitalisiertes Kulturgut zur Nutzung bereitgestellt werden. Ein weiteres Ziel ist die Weiterentwicklung der DDB,[10] um diese zu einem „spartenübergreifenden und nutzerorientierten Beteiligungsportal“ zu machen.[11]

2 Zukunftshemen der Digitalisierung an der BLB

Wie die Ausformung und Ausgestaltung durch Digitalisierung konkret aussehen kann, wird im Folgenden am Beispiel der BLB aufgezeigt. Der kurze Durchgang durch die Positionen zur Digitalisierung zeigt, dass die Frage der zukünftigen Ausrichtung der Digitalisierungszentren der Landesbibliotheken nicht nur in der BLB diskutiert wird. Im Folgenden soll aufgezeigt werden, welche Wege in Baden schon beschritten wurden und welche Aufgaben für die Zukunft vorgesehen sind. Dabei immer mit dem Fokus auf die Frage: Was ist daran typisch landesbibliothekarisch?

Digitalisierung wird dabei als Filter des kulturellen Gedächtnisses angesehen: Das, was digitalisiert, aufbereitet und erforscht wird, überdauert, schreibt sich in die Gesellschaft ein und bestimmt ihre Wahrnehmung von sich selbst. Das, was nicht in den Kanon der digitalisierten Objekte eingeht, wird gleichsam dem Vergessen anheimgestellt. Damit folgt der Beitrag hier der Begriffsbestimmung des kulturellen Gedächtnisses von Jan Assmann, der darunter den gemeinsamen Erinnerungshorizont einer Gesellschaft versteht, geht aber darüber hinaus, indem das von Assmann ausgemachte Medium Schrift durch das Digitalisat ergänzt und ersetzt wird.[12] Fragt man danach, auf welche Weise ein kulturelles System über größere Zeiträume hinweg welche Inhalte erinnert, kommt der Digitalisierung eine prominente Funktion zu. Das Digitalisat wird das Medium zum Aufbau und Fortbestehen des kulturellen Gedächtnisses.

2.1 Anreicherung von Content

In den nächsten Jahren soll die Digitalisierungsstrategie der BLB bezüglich der Produktion fortgesetzt werden. Dies soll auch in Hinblick auf den nahenden Abschluss der Digitalisierung der Segmente Handschriften und Musikalien sowie Zeitungen geschehen. Mit der Zurverfügungstellung allein ist es aber nicht getan. Die Entwicklungen in den Digital Humanities haben neue Anforderungen an die Digitalen Sammlungen erbracht. Diese sollen die Grundlage für computergestützte Auswertungen bilden. Solche Auswertungen benötigen eine Datenbasis, die über digitale Abbilder hinausgeht und die Vergabe möglichst freier Lizenzen beinhaltet.[13] An der BLB erfolgt die Anreicherung des schon bestehenden Contents und des neu produzierten in vier Bereichen und soll in diesen auch weiter ausgebaut werden: Normdaten, Texterkennung, Editionen und weitere Features z. B. für Zeitungen.

Zunächst zum Bereich Normdaten. Diese gehören routinegemäß inzwischen zu den Metadaten jedes Digitalisats. So wird z. B. der Verfasser mit der GND und mit Wikipedia verknüpft und die gesamte Titelaufnahme mit dem Bibliothekskatalog verlinkt. Zusätzlich erfolgt die Georeferenzierung von einzelnen Objekten wie Ansichten von Städten, Landschaften, Kirchen, Burgen, Plätzen und weiteren Baudenkmälern.[14] Die einzelnen Orte wurden mit der GND verknüpft. Dadurch konnte ein alphabetisches Register erstellt werden. Die Orte werden dadurch auch um die entsprechenden Koordinaten angereichert. Bei Bedarf werden diese in der GND ergänzt. Folglich sind bei allen Orten Koordinaten hinterlegt und eine Karte konnte generiert werden, auf der die einzelnen Objekte verortet werden können.[15]

Abb. 1: Rechercheergebnisse nach dem Begriff „Eisenbahn“ im Jahrgang 1851 des Hoftagebuches.
Abb. 1:

Rechercheergebnisse nach dem Begriff „Eisenbahn“ im Jahrgang 1851 des Hoftagebuches.

Ein weiteres zentrales Aktionsfeld für Digitalisierungszentren ist die Texterkennung und damit die Produktion von durchsuchbaren Volltexten. Inzwischen sind alle Zeitungen, die in den Digitalen Sammlungen der BLB verfügbar sind, mit OCR ausgelesen, ebenso die meisten weiteren großen Korpora. Seit 2020 ist in Kooperation mit dem Projekt OCR-BW die qualitative Verbesserung der OCR ein Thema in der BLB.[16] Derzeit sind die Texterkennungsprogramme Abbyy und Tesseract im Einsatz.

Zudem hat ein Projekt zur Erkennung von Handschriften am Beispiel des sog. Hoftagebuches[17] gerade begonnen. Seit den 1770er Jahren wurde am Hof der Markgrafen von Baden ein Hoftagebuch geführt. Die Eintragungen erfolgten Tag für Tag und sind meistens kurzgehalten. Das Hoftagebuch ist eine wichtige Quelle für das Leben bei Hofe, seine Außenbeziehungen und die Diplomatie Badens. Das Hoftagebuch wurde bis 1899 handschriftlich geführt und ab 1900 gedruckt bzw. mit Schreibmaschine geschrieben und vervielfältigt. Die letzten Eintragungen stammen vom Dezember 1917. Die Hoftagebücher sind nach Jahren und Monaten erschlossen und können mit Hilfe der Kalendersuche nach exakten Daten durchsucht werden. Die gedruckten und die maschinenschriftlichen Jahrgänge 1900 bis 1917 sind volltexterkannt. Die handschriftlichen Jahrgänge im Umfang von ca. 14.000 Seiten werden derzeit mit Hilfe der Software Transkribus erkannt. Dafür wird ein schon bestehendes Kurrent-Modell verwendet. In Abbildung 1 kann man eine Suche nach dem Begriff „Eisenbahn“ sehen. Zwei Treffer aus dem Jahrgang 1851 werden gehighlightet.

Im Unterschied zu den digitalisierten Textquellen wurden an der BLB aber bisher keine Anstrengungen zur optischen Notenerkennung (Optical Music Recognition, OMR) durchgeführt. Dies soll sich jetzt ändern. Die Musiksammlung der BLB gehört zu den größten und bedeutendsten im Südwesten. Große Teile davon liegen inzwischen digitalisiert vor.[18] Damit sind die besten Voraussetzungen gegeben. Vorbild ist das Projekt zur Optischen Notenerkennung des Fachinformationsdienstes Musik, das bisher das erste dieser Art in Deutschland darstellt.[19] Musikdrucke der badischen Komponisten Johann Wenzel und Wilhelm Kalliwoda[20] bilden den Startpunkt und die Pilotphase, in der im Jahr 2022 ein Workflow für die Erkennung, das Speichern als MusicXML und das Einspeisen in die Digitalen Sammlungen der BLB entwickelt werden soll.

Außerdem werden Editionen und Transkriptionen von Autographen und Handschriften mittels TEI/XML eingebunden. Zudem können die Transkriptionen mit Normdaten angereichert und entsprechend verlinkt werden.[21]

Im Bereich der Zeitungen gibt es weitere Features. Von Anfang an wurden die Zeitungsausgaben auf Tagesebene erschlossen, so dass eine Kalendersuche über alle digitalisierten Zeitungsausgaben möglich ist.[22] Seit Ende 2020 sind zudem alle Einzelseiten über URNs persistent adressierbar. 2021 wurde mit der Erfassung von Zeitungsunternehmen und der Kontextualisierung begonnen, so dass die Nutzerinnen und Nutzer sich nun leichter durch den Bestand navigieren können.[23] Dazu werden Vorgänger, Nachfolger und Beilagen erfasst und mit der ZDB verknüpft, außerdem werden kurze erläuternde Texte eingefügt. Perspektivisch erscheint – besonders bei Zeitungen – auch die Ausweitung des Zeitraums über 1945 hinaus sinnvoll.

Betrachtet man nun diese Anreicherungen der Metadaten mit Normdaten, Volltexten usw., können diese im Rahmen von Forschungsprojekten zu Forschungsdaten werden und damit die Rolle der Landesbibliothek als Partnerin der Forschung stützen.[24]

Abb. 2: Einbindung einer Edition in die Digitalen Sammlungen der BLB.
Abb. 2:

Einbindung einer Edition in die Digitalen Sammlungen der BLB.

Abb. 3: Darstellung eines Zeitungsunternehmens in den Digitalen Sammlungen der BLB.
Abb. 3:

Darstellung eines Zeitungsunternehmens in den Digitalen Sammlungen der BLB.

2.2 Einbindung in überregionale Portale und Integration in fachspezifische Recherchesysteme

Für die Forschung ist es zentral, dass die Digitalisate nicht nur lokal in den Digitalen Sammlungen der BLB gefunden werden können. Die Digitalisate der BLB sind in Fachportale wie RISM[25] und Kalliope[26] eingebunden, ebenso wie in das Regionalportal LEO-BW.[27] Damit trägt die BLB dem Anspruch der Forschenden Rechnung, die über ihr Fachportal zugreifen wollen und damit eine Suche über Digitalisate zahlreicher Institutionen anstreben.

Ebenso sind die Digitalisate der BLB in der Deutschen Digitalen Bibliothek und über diese auch in Europeana vorhanden. Damit ist die BLB derzeit eine von 51 Bibliotheken, deren Digitalisate in der DDB zu finden sind. Insgesamt sind 17 Landesbibliotheken in der DDB vertreten.[28] Im Herbst 2021 wurde das DNB-Zeitungsportal mit Daten aus neun Bibliotheken freigeschaltet, ca. 1,6 Millionen mit OCR ausgelesene Zeitungsseiten der BLB waren beim Start dabei. Das Portal enthält neben einer Volltextsuche auch eine Kalenderfunktion und bietet die Zitierbarkeit der Einzelausgaben an. Dass weitere Einrichtungen folgen, sollte ein gemeinsames Ziel aller Landesbibliotheken sein.[29]

Darüber hinaus bietet die DDB mit DDBstudio die Möglichkeit, virtuelle Ausstellungen einzurichten. Inzwischen finden sich auf der Übersichtsseite von DDBstudio ca. 100 virtuelle Ausstellungen. Die BLB ist seit Kurzem auch mit einer zur Welt der Nibelungen dabei.[30]

2.3 Digitalisierung für Forschungsprojekte

Neben der Bereitstellung der Digitalisate für die Forschung in der DDB und entsprechenden Fachportalen bedient die BLB aber auch über den direkten Kontakt die Bedarfe der Forschung. Bei der Fokussierung auf die Forschung ist zwischen der regionalen und überregionalen Forschung zu differenzieren. An die Forschung vor Ort wendet sich die BLB durch passgenaue Projekte.

So bei einem Projekt zur badischen Bildungsgeschichte, das ab April 2022 von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg gefördert wird. Die Quellen stehen schon länger im Fokus der Forschung des Departments für Geschichte am Karlsruher Institut für Technologie. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit dem Thema fand bisher im Rahmen von Seminaren, einer Ringvorlesung und einer Tagung sowie mehrerer Publikationen statt. Im Jahr 2025 wird das 200-jährige Jubiläum der Polytechnischen Schule gefeiert. Zu diesem Anlass werden zahlreiche Aktivitäten geplant.[31]

Für das Projekt haben die Kooperationspartner BLB, das Department für Geschichte des KIT und die KIT-Bibliothek Bestände ausgewählt, die die Forschung zum Thema befördern. Der Fokus liegt auf Quellen wie Schulprogrammen, Lehrbüchern oder auch Gründungsdokumenten der Polytechnischen Schule oder Qualifikationsschriften ihrer Studierenden und Chroniken der Karlsruher Studentenverbindungen.

2.4 Services für kleinere Einrichtungen

Ein weiterer Zukunftsbereich – gerade für Landesbibliotheken – ist der Digitalisierungsservice für kleine Einrichtungen. Bisher gibt es in Baden-Württemberg kein Digitalisierungsprogramm, das entsprechende Services spartenübergreifend anbietet. Von 2011 bis 2018 wurden in dem Projekt „Vom Tresor in die Welt“ und im anschließenden Projekt „Dokumentenerbe digital“ von 2019 bis 2021 (finanziert vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg) von den fünf großen Altbestandsbibliotheken in Baden-Württemberg bedeutende Bestände für die Wissenschaft und die interessierte Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Darüber hinaus wird auch Beratung angeboten.[32] Diese umfasst den gesamten Digitalisierungskreislauf von der inhaltlichen Auswahl, Fragen des Urheberrechts, der technischen Beratung bei der Geräteauswahl, der Einhaltung von Standards bei der Digitalisierung und den Metadaten, der Online-Präsentation bis zur Anbindung an regionale, nationale und internationale Nachweissysteme.

Die BLB erreichen darüber hinaus regelmäßig Anfragen kleinerer Einrichtungen, die Bedarfe haben, die über Beratungen weit hinausgehen und eine Möglichkeit nicht nur zur Digitalisierung, sondern auch zur professionellen Erstellung der Metadaten und der Präsentation suchen. Bisher können hier nur sehr eingeschränkt Angebote gemacht werden, so dass viele der Einrichtungen ihre Digitalisierungsbestrebungen zurückgestellt haben oder erste eigene Schritte gehen, die aber z. T. nicht den gängigen Standards entsprechen. Daher ist ein Ausbau des Angebots vergleichbar dem in Sachsen,[33] Thüringen,[34] Hamburg[35] und perspektivisch auch Rheinland-Pfalz[36] wünschenswert; diese unterstützen kleinere Einrichtungen von der Digitalisierung bis zur Präsentation und dienen als technischer Voraggregator für die DDB und Europeana.

2.5 Citizen Science

Abschließend soll noch ein Zukunftsbereich thematisiert werden, der sich derzeit in der BLB noch im Planungsstadium befindet: der Bereich der Bürgerwissenschaften, der Citizen Science. Thomas Stäcker erklärt in dem oben erwähnten Beitrag, dass es in den Aufgabenbereich der Landesbibliotheken falle, die „technische […] Plattform für die digitale Beteiligungskultur (citizen science) und gemeinsame Arbeit am schriftkulturellen Erbe“ zu schaffen.[37] Martin Munke und Jens Bemme fragen in einem o-bib-Beitrag aus 2019 nach der Verbindung von Citizen Science und den Aufgaben einer Landesbibliothek und geben zu bedenken, dass Citizen-Science-Ansätze dazu beitragen können, eine Landesbibliothek im Wandel der Wissenschaftslandschaft neu zu positionieren.[38] Eva Bunge macht im selben Jahr in einer Arbeit vier Ebenen des Engagements einer Bibliothek aus: Sie benennt das Zurverfügungstellen der Bestände, die Unterstützung, Kooperationen und das Aufsetzen von Projekten.[39] Ziel der BLB ist es, die Mitmachkultur zu gestalten, Quellen besser zugänglich zu machen und die Forschung zur Geschichte und Kultur Baden-Württembergs zu fördern. Dabei will sich die BLB in allen vier Bereichen engagieren und dadurch die Rolle der Landesbibliothek für die kulturelle Teilhabe durch Digitalisierung stärken.

3 Fazit

Abschließend wird auf die Frage zurückzukommen sein, was am Angebot der BLB nun typisch landesbibliothekarisch ist. Die Adressaten der Digitalisierung der Landesbibliotheken sind die Forschung sowie die interessierte Öffentlichkeit. Dabei sollen Nutzende nicht mehr nur als Rezipienten, sondern auch als Produzenten von Wissen und als Konstrukteure des kulturellen Gedächtnisses verstanden werden. Das Digitalisat wird – wie eingangs ausgeführt – zum Träger des kulturellen Gedächtnisses, das als Filter über die Dauerhaftigkeit von Wissen entscheidet.

Diesem Ansatz folgend hat sich der Fokus der BLB neben der Anreicherung des Contents, vor allem auf die Beteiligung an Kooperationsprojekten und die Initiierung ebensolcher gerichtet. Damit greift die BLB auch die Anfang 2021 im Positionspapier der Wissenschaftlichen Bibliotheken Baden-Württembergs benannten Zukunftsthemen auf.[40] Damit sieht sich die BLB im Zentrum ihrer landesbibliothekarischen Arbeit. Alle Projekte und Ideen dienen der Rekonstruktion der lokalen und regionalen Vergangenheit und sollen die Teilhabe der Nutzenden daran ermöglichen. Wohin sich die Kulturgutdigitalisierung aber in den nächsten Jahren bewegen wird, bleibt spannend, da wir uns in einem Bereich bewegen, der sich beständig weiterentwickelt.


Article Note

Der Beitrag beruht auf einem im Rahmen der Frühjahrssitzung der Arbeitsgemeinschaft Regionalbibliotheken 2021 gehaltenen Vortrag.


About the author

Dr. Jana Madlen Schütte

Dr. Jana Madlen Schütte

Published Online: 2022-02-09
Published in Print: 2022-02-23

© 2022 Jana Madlen Schütte, publiziert von De Gruyter.

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 23.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/bd-2022-0021/html
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