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Experimentelle Erprobung einer kollisionsfreien Abstandsregelung für mobile Roboter

  • Philipp Welz

    M. Sc. Philipp Welz ist wissenschaflicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik der Ruhr-Universität Bochum. Interessengebiet: Synchronisation von Multiagentensystemen.

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    , Marius Fischer

    M. Sc. Marius Fischer ist ehemaliger Masterstudent des Lehrstuhls für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik der Ruhr-Universität Bochum. Interessengebiet: Koordination vernetzter Roboter.

    und Jan Lunze

    Prof. Dr.-Ing. Jan Lunze ist Leiter des Lehrstuhls für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik der Ruhr-Universität Bochum. Arbeitsgebiete: vernetzte Regelungen, hybride dynamische Systeme, fehlertolerante Steuerungen, ereignisdiskrete Systeme

Veröffentlicht/Copyright: 21. Dezember 2019

Zusammenfassung

Dieser Beitrag beschreibt die Versuchsanlage SAMS und zeigt deren Eignung für die Erprobung vernetzter Regler anhand einer kollisionsfreien Kolonnenfahrt von mobilen Robotern auf einer Kreisbahn. Im ersten Schritt wird eine unterlagerte Bahnfolgeregelung in einer Zwei-Freiheitsgrade-Struktur entwickelt, die die Bewegung der mobilen Roboter auf eine Kreisbahn beschränkt. Im zweiten Schritt wird der Entwurf einer überlagerten Regelung zur Einhaltung eines Zeitabstandes mobiler Roboter auf der Kreisbahn nach zwei unterschiedlichen Entwurfskriterien beschrieben und verglichen. Damit entsteht als wichtiges Zwischenergebnis ein durch lineare Modelle beschreibbares Multiagentensystem. Die Erprobung bestätigt, dass nur für Roboter, deren geschlossener Regelkreis extern positiv ist, die Kollisionsfreiheit sichergestellt werden kann.

Abstract

This paper describes the experimental set-up SAMS and collisions-free platooning of mobile robots on a circular path deals with the collision-free platooning of mobile robots on a circular path at the demonstration set-up SAMS. First, a low-level path-following control is designed in a Two-Degree-of-Freedom structure, which limits the motion of the mobile robots to a circular path. Second, the design of high-level controller to maintain the time-headway spacing of the robots on a circular path is described and discussed according to two different design criteria. The experiments show that collision-free time-headway spacing can only be guaranteed for robots with externally positive dynamics.

1 Einleitung

Der Beitrag beschreibt die experimentelle Erprobung einer kollisionsfreien Kolonnenfahrt mobiler Robotern an der Versuchsanlage SAMS (Abb. 1). Bei Kenntnis der Position des vorausfahrenden Roboters sollen die lokalen Regler der Roboter die asymptotische Synchronisation der Geschwindigkeiten gewährleisten, wodurch sich ein konstanter Abstand zwischen den Robotern einstellt. Es wird gefordert, dass die Roboter in keiner Fahrsituation einen vorgegebenen Mindestabstand unterschreiten, sodass Kollisionen in der Kolonnenfahrt garantiert vermieden werden.

Abb. 1 Kollisionfreie Synchronisation mobiler Roboter.
Abb. 1

Kollisionfreie Synchronisation mobiler Roboter.

Um die Bewegung der Roboter auf einer Kreisbahn bei Vorgabe der Geschwindigkeit zu stabilisieren, wird eine Zwei-Freiheitsgrade-Regelung zur Bahnfolge entworfen. Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, dass die nichtlineare Roboterdynamik in ihrer Beschränkung auf die Kreisbahn durch ein lineares Modell beschrieben werden kann, womit der Anschluss an die mit linearen Modellen entwickelte Theorie der Multiagentensysteme hergestellt werden kann.

Für das Regelungsziel der kollisionsfreien Kolonnenfahrt wird eine vernetzte Regelung eingesetzt, für deren Entwurf auf Methoden aus der Literatur zurückgegriffen wird. In diesem Beitrag werden zwei Regelungen nach unterschiedlichen Entwurfskriterien ausgelegt, die die Kolonnenstabilität beziehungsweise die externe Positivität der geregelten Roboter zum Ziel haben. Die Kolonnenfahrt an der Versuchsanlage zeigt, aus welchen Gründen nur durch die Forderung nach externer Positivität die Kollisionsfreiheit der Roboterkolonne sichergestellt werden kann.

Literatur

Das Problem der asymptotischen Synchronisation von Multiagentensystemen wurde in einer Vielzahl von Veröffentlichungen untersucht. Eine Übersicht zu verschiedenen Aspekten der Synchronisation homogener und heterogener Agenten ist beispielsweise in [5] zu finden.

Zur Gewährleistung der Kollisionsfreiheit bei einer Kolonnenfahrt werden zusätzliche Forderungen an das Übergangsverhalten der Fahrzeuge gestellt. Üblicherweise wird dafür die in [11] eingeführte Kolonnenstabilität als Sicherheitsforderung genutzt [7]. Allerdings reicht dies nicht, um die Kollisionsfreiheit der Fahrzeuge in jeder Fahrsituation zu garantieren. Dagegen fordert [6] die externe Positivität der geregelten Fahrzeuge und zeigt, dass in diesem Fall die Kollisionsfreiheit der Fahrzeugkolonne sichergestellt ist. Beide Ansätze sollen in dieser Arbeit experimentell verglichen werden (Abschnitt 6).

Ein weit verbreiteter Ansatz zur Bahnfolgeregelung von mobilen Robotern ist die Projektion der Roboterposition auf eine parametrisierte Referenzbahn [1], [9]. Dies ermöglicht den Entwurf von linearen bzw. nichtlinearen Regelungen, die die asymptotische Bahnfolge des Roboters gewährleisten. Alternativ wird in [3] ein leitendes Vektorfeld genutzt, um die Roboter mittels einer nichtlinearen Bewegungssteuerung entlang der Referenzbahn zu führen. Da sich in diesem Beitrag die Experimente auf Kreisbahnen als Referenzbahn beschränken, kann die Bahnfolge der Roboter durch eine lineare Zwei-Freiheitsgrade-Regelung sichergestellt werden (Abschnitt 4).

Gliederung

Im 2. Kapitel wird der Aufbau der Versuchsanlage SAMS vorgestellt. In Kapitel 3 wird das Modell des nichtlinearen Roboters eingeführt. Der Entwurf einer Bahnfolgeregelung wird in Kapitel 4 präsentiert. In den Kapiteln 5 und 6 wird der Entwurf der synchronisierenden Regler diskutiert und an der Versuchsanlage SAMS experimentell erprobt.

2 Versuchsaufbau SAMS

Der Versuchsaufbau SAMS (Abk. für Synchronisation of Autonomous Mobile Systems) wird am Lehrstuhl für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik an der Ruhr-Universität Bochum eingesetzt, um Methoden für die Koordination von Multiagentensystemen zu erproben (Abb. 2).

Abb. 2 Versuchsaufbau SAMS mit den eingesetzten Robotern (oben links), Kamera (oben rechts), Fahrfläche mit Koordinaten (unten).
Abb. 2

Versuchsaufbau SAMS mit den eingesetzten Robotern (oben links), Kamera (oben rechts), Fahrfläche mit Koordinaten (unten).

Der Versuchsaufbau besteht aus einer 4m×4m großen Fahrfläche, auf welcher sich bis zu 12 mobile Roboter bewegen können, deren Position durch ein Kamerasystem bestimmt wird und deren Stellgrößen über ein Funkmodul von einem zentralen Rechner (PC) an die Roboter übermittelt werden. Im Folgenden werden die Komponenten der Versuchsanlage kurz erläutert.

M3pi-Roboter

Über einen Differentialantrieb bestehend aus zwei unabhängig, über Gleichstrommotoren angetriebenen Rädern können die mobilen Roboter der Firma Pololu auf der Fahrfläche bewegt werden. Die Stellgrößen werden über ein XBee-Funkmodul empfangen. Durch eine Platte mit fünf reflektierenden Markerbällen, die bei jedem Roboter in einem individuellen Muster angeordnet sind, kann jeder Roboter durch das Kamerasystem eindeutig identifiziert werden.

Kamerasystem

Zwölf gleichmäßig über der Fahrfläche angeordnete USB-Kameras des Typs Flex 3 der Firma Optitrack bestimmen sowohl die Position als auch den Orientierungswinkel der Roboter. Diese Daten werden über eine serielle Schnittstelle an den PC übermittelt.

PC mit MATLAB

Mit der am PC laufenden Software Motive werden die Bilddaten des Kamerasystems in Echtzeit ausgewertet und an Matlab übermittelt. Dort werden unter Verwendung der entworfenen Regelungsalgorithmen aus den Messgrößen die Stellgrößen der Roboter berechnet.

Xbee-Funkmodul

Die Stellgrößen werden drahtlos über ein Xbee-Funkmodul an die Roboter übertragen. Eine individuelle ID-Kennung legt fest, für welchen Roboter die gesendete Stellgröße bestimmt ist.

Abbildung 3 zeigt den schematischen Aufbau des Regelkreises eines Roboters. Das Xbee-Funkmodul zusammen mit den Motoren des Roboters bilden das Stellglied, der mobile Roboter die Regelstrecke und das Kamerasystem zusammen mit der Software Motive das Messglied des Regelkreises. In Matlab ist der Regler als zeitdiskreter Algorithmus implementiert. Die verwendete Hardware ermöglicht eine Zykluszeit von 30ms, wobei für die hier verwendeten Roboter keine wesentlichen Übertragungstotzeiten auftreten.

3 Robotermodell

Mit den Bezeichnungen aus Abb. 4 wird jeder Roboter durch das nichtlineare Zustandsraummodell

(1)Σk:x˙(t)y˙(t)ϕ˙(t)=v(t)cos(ϕ(t))v(t)sin(ϕ(t))ω(t)yk(t)=x(t)y(t)ϕ(t),x(0)y(0)ϕ(0)=x0y0ϕ0

beschrieben, wobei x(t) und y(t) der Position des Roboters in der xy-Ebene und ϕ(t) dem Orientierungswinkel entsprechen. Diese drei Zustandsvariablen werden als Pose des Roboters bezeichnet. Als Stellgrößen werden die translatorische Geschwindigkeit v(t) sowie die rotatorische Geschwindigkeit ω(t) vorgegeben.

Abb. 3 Implementierung der Regelkreise der Roboter.
Abb. 3

Implementierung der Regelkreise der Roboter.

Abb. 4 Beschreibung eines mobilen Roboters.
Abb. 4

Beschreibung eines mobilen Roboters.

4 Bahnfolgeregelung

4.1 Zielstellung und Steuerungsstruktur

Das Ziel dieses Abschnittes ist die Strukturierung und der Entwurf einer Regelung, die einen mobilen Roboter mit beliebiger Geschwindigkeit entlang der in Abb. 5 gezeigten Kreisbahn führt.

Abb. 5 Gewünschte Kreisbahn des mobilen Roboters.
Abb. 5

Gewünschte Kreisbahn des mobilen Roboters.

Abb. 6 Zwei-Freiheitsgrade-Struktur der Bahnfolgeregelung eines Roboters.
Abb. 6

Zwei-Freiheitsgrade-Struktur der Bahnfolgeregelung eines Roboters.

Dazu wird das Modell (1) in die Polarkoordinaten

r(t)=(x(t)xm(t))2+(y(t)ym(t))2θ(t)=arctany(t)ym(t)x(t)xm(t)

überführt, wobei der Mittelpunkt (xm,ym)T der Kreisbahn als Pol gewählt wird. Aus der Transformation ergibt sich das Modell

(2)Σb:r˙(t)θ˙(t)ϕ˙(t)=v(t)cos(θ(t)ϕ(t))v(t)r(t)sin(θ(t)ϕ(t))ω(t)yb(t)=r(t)ϕ(t),r(0)θ(0)ϕ(0)=r0θ0ϕ0,

wobei r(t) den Radius der Kreisbahn, θ(t) den Polarwinkel und ϕ(t) den Orientierungswinkel des Roboters beschreiben.

Abbildung 6 zeigt die Struktur der Bahnfolgeregelung bestehend aus einer Bahnsteuerung sowie Komponenten zur Anpassung des Bahnradius und des Orientierungswinkels des Roboters. Ziel der folgenden Abschnitte ist es, diese Reglerstruktur systematisch abzuleiten und Methoden für die Wahl die Parameter anzugeben, damit die Forderung

(3)limtr(t)=!r¯

unter Vorgabe einer translatorischen Sollgeschwindigkeit vs(t) und eines konstanten Sollradius r¯ der Kreisbahn erfüllt wird.

4.2 Bahnsteuerung

Unter der Annahme, dass sich der Roboter in seiner Startpose tangential auf der Kreisbahn mit Radius rsoll(t) befindet, kann für eine gegebene translatorische Sollgeschwindigkeit vs(t) über die Beziehung

(4)ωV(t)=vs(t)rsoll(t)

die zugehörige rotatorische Geschwindigkeit ωV(t) bestimmt werden. Die daraus folgende Bahnsteuerung ist in Abb. 6 oben dargestellt. Es handelt sich dabei um eine Steuerung in der offenen Kette.

Abbildung 7 zeigt die Erprobung der Bahnsteuerung eines Roboters, der tangential auf der Kreisbahn mit dem Radius r¯=1,7m platziert wurde und sich mit der translatorischen Geschwindigkeit v¯s=0,85m/s bewegen sollte. Die Vorsteuerung kann nicht auf die rampenförmigen Störungen des Orientierungswinkels des Roboters und den daraus resultierenden Einfluss auf den gefahrenen Radius reagieren. Für die Kompensation dieser Störeinwirkung dienen die beiden in den folgenden Abschnitten entwickelten Regler.

Abb. 7 Experimentelle Erprobung der Bahnsteuerung eines mobilen Roboters.
Abb. 7

Experimentelle Erprobung der Bahnsteuerung eines mobilen Roboters.

4.3 Anpassung des Orientierungswinkels

Aus der Winkeländerung ωV(t)ωR(t) und dem Anfangswinkel ϕ0 wird der aktuelle Sollwinkel

ϕsoll(t)=ϕ0+0t(ωV(τ)ωR(τ))dτ

bestimmt. Wie in Abb. 8 dargestellt, bildet die Abweichung des gemessenen Winkels ϕ(t) vom Sollwert ϕsoll(t) den Regelfehler

(5)eϕ(t)=ϕsoll(t)ϕ(t).

Aus Gleichung (2) ist ersichtlich, dass der Orientierungswinkel ϕ(t) bezüglich der rotatorischen Geschwindigkeit ω(t) integrales Verhalten aufweist. Zur Stabilisierung des Orientierungswinkels wird ein PD-Regler der Form

(6)ωW(t)=kPWeϕ(t)+kDWe˙ϕ(t)

mit den Parametern

kPW=2undkDW=0,5

verwendet. Eine Kompensation der rampenförmigen Störung des Orientierungswinkels des Roboters kann mit der gewählten Reglerstruktur nicht gewährleistet werden, woraus eine bleibende Reglerabweichung zwischen Sollwert ϕsoll(t) und Istwert ϕ(t) resultiert. Allerdings wird dies auch nicht in der Zielstellung der Bahnfolgeregelung (3), einer vorgegebenen Kreisbahn zu folgen, explizit gefordert.

Abb. 8 Korrektur des Orientierungswinkels des Roboters.
Abb. 8

Korrektur des Orientierungswinkels des Roboters.

Abb. 9 Korrektur des Radius des mobilen Roboters.
Abb. 9

Korrektur des Radius des mobilen Roboters.

4.4 Anpassung des Bahnradius

Auch mit dem durch die zuvor beschriebene Regelung korrigierten Orientierungswinkel ϕ(t) haben Störungen weiterhin zur Folge, dass der Roboter nicht exakt auf der gewünschten Kreisbahn fährt (Abb. 9). Aus diesem Grund wird eine Regelung zur Korrektur des Radius verwendet.

Linearisierung des Streckenmodells

Aus dem Zustandsraummodell (2) wird ersichtlich, dass es nicht notwendig ist, sowohl den Orientierungswinkel ϕ(t) als auch den Phasenwinkel θ(t) als Zustandsvariable des Systems zu verwenden, wenn die Differenz beider Winkel eine Zustandsgröße ist. Mit der neuen Zustandsvariablen

η(t)=θ(t)ϕ(t)

mit

η˙(t)=θ˙(t)ϕ˙(t)=vs(t)r(t)sin(η(t))ω(t)

können die Größen ϕ(t) und θ(t) durch η(t) in (2) ersetzt werden, woraus das reduzierte Modell

Σred:r˙(t)η˙(t)=vs(t)cos(η(t))vs(t)r(t)sin(η(t))ω(t)yred(t)=r(t),r(0)η(0)=r0η0

entsteht. Folgt der Roboter exakt der Kreisbahn mit konstantem Radius r(t)=r¯ und konstanter Sollgeschwindigkeit vs(t)=v¯s, stehen die Winkel θ(t) und ϕ(t) orthogonal zueinander. Folglich kann ein Roboter, der sich auf der Kreisbahn bewegt, durch den Arbeitspunkt

(7)r¯η¯=r¯π2,v¯ω¯=v¯sv¯sr¯

beschrieben werden. Die rotatorische Geschwindigkeit

ω(t)=ω¯+ωW(t)ωR(t),

setzt sich zusammen aus der Stellgröße im Arbeitspunkt ω¯, dem bleibenden Einfluss der Regelung des Orientierungswinkels ωW(t) sowie dem Einfluss der Regelung des Radius ωR(t). Bewegt sich der Roboter in der Nähe des Arbeitspunktes (7), so kann seine Dynamik durch das linearisierte Zustandsraummodell

(8)Σlin:r˙(t)η˙(t)=0v¯sv¯sr¯20r(t)η(t)+01ωR(t)+01ωW(t)ylin(t)=(10)r(t)η(t),r(0)η(0)=r0η0

beschrieben werden. Der Einfluss der Regelung des Orientierungswinkels auf das linearisierte Zustandsraummodell durch die bleibende Regelabweichung (5) kann als sprungförmige Störung interpretiert werden. Die Eingangsgröße ωR(t) wird im Folgenden genutzt, um den Radius der Roboterbahn dem Arbeitspunkt anzugleichen.

Entwurf der Regelung

Aufgabe der Regelung des Radius ist die Stabilisierung der linearisierten Strecke (8) um den Arbeitspunkt (7) sowie die Kompensation sprungförmiger Störungen, die aus der Anpassung des Orientierungswinkels resultieren. Das Verhalten des linearisierten Modells (8) wird im Bezug auf das Eingangssignal ωW(t)ΩW(s) und das Ausgangssignal r(t)R(s) durch die Übertragungsfunktion

(9)GR(s)=v¯ss2+v¯s2r¯2

beschrieben. Da die Regelstrecke (9) keinen integralen Anteil zur Kompensation einer sprungförmigen Störung besitzt, wird ein PID-Regler der Form

(10)KR(s)=kPR+kIRs+kDRs

verwendet [4]. Bei der Stabilisierung der linearen Strecke um den Arbeitspunkt ist zu beachten, dass sowohl die statische Verstärkung als auch die Polstellen der Übertragungsfunktion (9) abhängig vom jeweiligen Arbeitspunkt sind. Wie Abb. 10 zeigt, werden daher die Reglerparameter

kPR=5,kIR=0,4undkDR=4

anhand der Wurzelortskurve so ausgelegt, dass der geschlossene Regelkreis für die Arbeitspunktintervalle v¯s[0,07,0,9] und r¯[0,1,7] E/A-stabil ist.

Abb. 10 Wurzelortskurven bei Kreisbahnradius r¯=1,7\bar{r}=1,7 und unterschiedlichen translatorischen Geschwindigkeiten v¯s{\bar{v}_{\mathrm{s}}}.
Abb. 10

Wurzelortskurven bei Kreisbahnradius r¯=1,7 und unterschiedlichen translatorischen Geschwindigkeiten v¯s.

Zusammengefasst wird die rotatorische Geschwindigkeit

ω(t)=ωV(t)+ωW(t)ωR(t)

des Roboters durch die Bahnsteuerung (4), die Anpassung des Orientierungswinkels (6) sowie die Anpassung des Radius (10) beeinflusst.

4.5 Experimentelle Erprobung

In Experimenten am Versuchsaufbau SAMS wurde die in Abb. 6 gezeigte Zwei-Freiheitsgrade-Regelung erprobt, wobei sich der Roboter mit der translatorischen Geschwindigkeit vs(t)=0,85m/s auf einer Kreisbahn mit dem Radius r¯=1,7m bewegen sollte. Als Startpose wurde der Roboter tangential auf der Kreisbahn platziert. Abbildung 11 zeigt, dass es in Bezug auf den Orientierungswinkel aufgrund der rampenförmigen Störungen zu einer konstanten Regelabweichung eϕ kommt. Aus dem Verlauf der Regelabweichung er zwischen Soll- und Istradius des Roboters ist hingegen ersichtlich, dass das in Gl. (3) formulierte Ziel, den Roboter entlang der gewünschten Kreisbahn zu führen, erfüllt wird.

Abb. 11 Experimentelle Erprobung der Kreisbahnregelung eines mobilen Roboters.
Abb. 11

Experimentelle Erprobung der Kreisbahnregelung eines mobilen Roboters.

Modell eines auf einer Kreisbahn fahrenden Roboters

Wie sich herausstellte, kann das Verhalten des sich auf der Kreisbahn bewegenden Roboter durch ein vereinfachtes, lineares Modell beschrieben werden. Für die weiteren Betrachtungen wird ein Modell des Roboters bezüglich des Eingangs vs(t) und des Ausgangs θ(t) benötigt (Abb. 6). Durch Experimente mit sprungförmigen Änderungen von vs(t) konnte der Roboter als IT1-Glied identifiziert werden, das durch das lineare Zustandsraumsmodell

(11)Σ˜:θ˙(t)v˙(t)=0101Tθ(t)v(t)+0ksTvs(t)y(t)=(10)θ(t)v(t),θ(0)v(0)=θ0v0

beschrieben wird. Die Zeitkonstante T=0,11s entspricht der Verzögerung, die die Motoren der Roboter für das Umsetzen der Stellgrößen benötigen. Die statische Verstärkung ks=r¯1 ist abhängig von dem gefahrenen Kreisradius, wie aus Gleichung (4) ersichtlich ist. Diese lineare Beschreibung der Roboter auf der Kreisbahn ist ein wichtiges Ergebnis der Bahnfolgeregelung, denn sie ermöglicht es, die Roboter als lineare Agenten für Experimente mit vernetzten Regelungen zu betrachten.

5 Abstandsregelung einer Fahrzeugkolonne

5.1 Regelungsaufgabe

Die sich auf der Kreisbahn bewegenden Roboter (11) werden im Folgenden für die Realisierung einer Kolonnenfahrt an der Versuchsanlage SAMS genutzt, um im Experiment Fahrzeugkolonnen, wie sie in Zukunft im Straßenverkehr auftreten sollen, nachzubilden. Die Fahrzeugkolonne besteht aus einem Führungsroboter und aus N geregelten Folgerobotern, die sich mit gleicher Geschwindigkeit und einem vorgegebenen Abstand bewegen sollen.

Abb. 12 Struktur einer Roboterkolonne.
Abb. 12

Struktur einer Roboterkolonne.

Abbildung 12 zeigt die Kopplungsstruktur der geregelten Roboter, die einem gerichteten Pfad zwischen den benachbarten Robotern entspricht. Der Führungsroboter Σ˜0 folgt dem Führungssignal w(t) für die Winkelgeschwindigkeit und jeder Folgeroboter Σ¯i, (i=1,,N) erhält die Position des vorausfahrenden Roboters als Winkel θi1(t) auf der Kreisbahn. Um Kollisionen zwischen den Robotern zu verhindern, muss gewährleistet werden, dass der Abstand

di(t)=θi1(t)θi(t),i=1,,N

zwischen den Robotern einen vorgegebenen Mindestabstand dmin nicht unterschreitet. Entsprechend Abb. 13 wird ein reduzierter Abstand

d˜i(t)=di(t)dmin,i=1,,N

eingeführt, welcher mit dmin=γ+α die Länge des Roboters γ im Bogenmaß und einen Mindestabstand α berücksichtigt.

Abb. 13 Abstände zwischen zwei Robotern auf der Kreisbahn.
Abb. 13

Abstände zwischen zwei Robotern auf der Kreisbahn.

Um Kollisionen bei Geschwindigkeitsänderungen zu vermeiden, müssen die Fahrzeugkolonnen mit automatischer Abstandsregelung entsprechend [6] die folgenden Forderungen erfüllen:

  1. E/A-Stabilität: Die Roboterkolonne muss eingangs-ausgangs-stabil sein.

  2. Asymptotische Synchronisation der Geschwindigkeiten: Bewegen sich sämtliche Roboter mit der Geschwindigkeit des Führungsroboters

    limt|vi(t)v0|=0,i=0,,N,

    so stellt sich ein konstanter Abstand zwischen den Robotern ein.

  3. Asymptotische Fahrzeugfolgezeit: Der lokale Sollabstand zum vorausfahrenden Roboter

    d˜iref(t)=βvi(t),i=1,,N

    hängt von der Geschwindigkeit des Roboters und der Fahrzeugfolgezeit β ab. Stationär sollen sich die Abstände der Roboter den lokalen Sollwerten angleichen:

    limt|d˜i(t)d˜iref(t)|=0,i=1,,N.
  4. Kollisionsfreiheit: Zu keinem Zeitpunkt soll der Sicherheitsabstand dmin unterschritten werden:

    d˜i(t)0,t0,i=1,,N.
  5. Akkurates Fahrverhalten: Die Roboter sollen sich zu keinem Zeitpunkt rückwärts bewegen:

    vi(t)0,t0,i=0,,N.

5.2 Abstandsregelung

In Abbildung 14 ist die Struktur des bahngeregelten Roboters mit Abstandsregelung dargestellt. Dabei entspricht θi(t)Θi(s) der Position des Roboters und vsi(t)Vsi(s) der Sollwinkelgeschwindigkeit des i-ten Roboters. Die Sollgeschwindigkeit

(12)Vsi(s)=K(s)(D˜i(s)D˜iref(s))=K(s)(Θi1(s)Θi(s)d¯minsβVi(s))

ergibt sich aus der Differenz des reduzierten Abstands d˜i(t)=di(t)d¯minσ(t) und des Sollabstands d˜iref(t)βVi(s).

Abb. 14 Blockschaltbild des i-ten Roboters mit Abstandsregler K(s)K(s).
Abb. 14

Blockschaltbild des i-ten Roboters mit Abstandsregler K(s).

5.3 Modelle des geregelten Roboters

Für das Übertragungsverhalten der bahngeregelten Roboter mit überlagerter Abstandsregelung wird im Folgenden ein Modell abgeleitet. Das Robotermodell (11) wird im Frequenzbereich durch

Θi(s)=G(s)Vsi(s)

mit der Übertragungsfunktion

(13)G(s)=1sG˜(s)=kss(Ts+1)

beschrieben. Aus Gln. (12), (13) resultiert das Modell des geregelten Roboters

(14)Σ¯i:Θi(s)=G¯v(s)Θi1(s)G¯v(s)d¯mins

mit der Übertragungsfunktion

(15)G¯v(s)=G(s)K(s)1+βG˜(s)K(s)+G(s)K(s)

bezüglich der Position θi(t) des i-ten Roboters und der Position θi1(t) des vorausfahrenden Roboters. Da zwischen der Geschwindigkeit und der Position des Roboters der Zusammenhang

vi(t)sΘ(s)

und für den Mindestabstand unter Berücksichtigung des Anfangswertes

d¯mindσ(t)dtd¯min(1σ(0))=0

gilt, resultiert aus Gl. (14) das Übertragungsverhalten im Bezug auf die Geschwindigkeiten:

Vi(s)=G¯v(s)Vi1(s).

Die Änderung des reduzierten Abstands ist durch die Beziehung

d˜˙i(t)=θ˙i1(t)θ˙i(t)d˙min=vi1(t)vi(t)

gegeben, die auf

(16)D˜i(s)=1s(Vi1(s)Vi(s))=1s(1G¯v(s))G¯d(s)Vi1(s)

führt. Damit erhält man das Robotermodell (Abb. 15)

(17)V¯i:Vi(s)=G¯v(s)Vi1(s)D˜i(s)=G¯d(s)Vi1(s),i=1,2,,N,

welches für den Entwurf der Abstandsregelung benötigt wird.

Abb. 15 Blockschaltbild des geregelten Roboters V¯i{\bar{V}_{i}}.
Abb. 15

Blockschaltbild des geregelten Roboters V¯i.

5.4 Roboter, die die Forderungen (R1)–(R5) erfüllen

Dieser Abschnitt zeigt, dass man die an die Kolonne gestellten Forderungen (R1)–(R5) als Forderungen an die geregelten Teilsysteme umformulieren kann. Der Regelkreis wird durch einen PI-Regler

(18)K(s)=kP+kIs

geschlossen, wobei kP der Reglerverstärkung des proportionalen Anteils und kI der Reglerverstärkung des integralen Anteils entspricht. Wie sich zeigen wird, ist die Verwendung eines PI-Reglers notwendig, da beide Freiheitsgrade benötigt werden, um formulierten Forderungen zu erfüllen.

Einsetzen von Gleichungen (13) und (18) in die Übertragungsfunktionen (15) und (16) des geregelten Roboters ergibt

G¯v(s)=kPs+kITkss3+(1ks+βkP)s2+(kP+βkI)s+kI

und

G¯d(s)=Tkss2+(1ks+βkP)s+βkITkss3+(1ks+βkP)s2+(kP+βkI)s+kI.

Aus den Forderungen (R1)–(R5) werden im Folgenden Bedingungen an die Wahl der Parameter kP und kI abgeleitet, die nach [6] eine kollisionsfreie Kolonnenfahrt der Roboter gewährleisten.

E/A Stabilität (R1) und asymptotische Synchronisation (R2)

Aufgrund der Kopplungsstruktur der Roboter nach Abb. 12 ist die Kolonne E/A-stabil, wenn die geregelten Roboter (14) E/A-stabil sind, was durch den Reglerentwurf garantiert wird. Die statische Verstärkung der Übertragungsfunktion

G¯v(0)=kIkI=1

zeigt, dass die asymptotische Synchronisation der Geschwindigkeiten unter Verwendung des Reglers (18) entsprechend (R2) unabhängig von der Wahl der Parameter gewährleistet ist.

Fahrzeugfolgezeit (R3)

Bei einer konstanten Geschwindigkeit v¯0 gilt für das stationäre Verhalten des reduzierten Abstands nach Gl. (16)

lims0sD˜i(s)=G¯d(0)v¯0.

Da für die statische Verstärkung die Beziehung

G¯d(0)=βkIkI=β

gilt, ist die Forderung (R3) unabhängig von den Reglerparametern erfüllt.

Kollisionsfreiheit (R4) und akkurates Fahrverhalten (R5)

Um diese Forderungen zu erfüllen, wird die Definition der externen Positivität eines linearen Systems benötigt.

Definition 1 (Externe Positivität [2]).

Ein lineares System mit der Eingangsgrößeu(t)und der Ausgangsgrößey(t)heißt extern positiv, wenn für jedes nichtnegative Eingangssignal das System aus der Ruhelage ein nichtnegatives Ausgangssignal erzeugt:

u(t)0,t0y(t)0,t0.

Ein lineares System Y(s)=G¯(s)U(s) ist genau dann extern positiv, wenn die Gewichtsfunktion g¯(t) nichtnegativ ist [2]: g¯(t)0,t0. Die Übergangsfunktion h¯(t) ist dann monoton steigend.

Ist das System (17) bezüglich der beiden Ausgänge extern positiv, so resultiert aus einer positiven Geschwindigkeit vi1(t) des vorausfahrenden Roboters sowohl eine positive Geschwindigkeit vi(t) als auch ein positiver reduzierter Abstand d˜i(t) des i-ten Roboters, womit die Forderungen (R4) und (R5) erfüllt sind [6].

Für den Entwurf eines Reglers, der die externe Positivität des geschlossenen Regelkreises gewährleistet, gibt es sowohl notwendige Kriterien, wie die Forderung, dass die dominante Polstelle der Übertragungsfunktion reell sein muss [10], sowie Entwurfsmethoden im Falle spezieller Streckendynamiken [8]. Ein in der Literatur offenes Problem ist hingegen, dass keine allgemeingültigen Methoden zum Entwurf eines solchen Reglers existieren.

Satz 1 (Kollisionsfreiheit [6]).

Wenn die geregelten Roboter (14) mit PI-Regler (18) bezüglich des Eingangsθi1(t)und Ausgangsθi(t)E/A-stabil und extern positiv sind, erfüllt die Roboterkolonne die Forderungen (R1)–(R5).

Dieses Ergebnis zeigt, dass die Reglerparameter kP und kI so zu wählen sind, dass die geregelten Roboter

  1. E/A-stabil sind und

  2. ein extern positives Verhalten haben.

Die entsprechenden Parameter können anhand von Simulationsuntersuchungen bestimmt werden.

5.5 Kolonnenstabile Roboter

Dieser Abschnitt beschreibt eine alternative Vorgehensweise zur Erfüllung der Forderungen (R1)–(R5). Eine in der Literatur häufig verwendete Eigenschaft, die die Forderungen (R4) und (R5) ersetzen soll, ist die Kolonnenstabilität der geregelten Roboter:

Definition 2 (Kolonnenstabilität [11]).

Eine Kolonne bestehend aus den geregelten RoboternV¯i,(i=1,,N)ist kolonnenstabil falls die Übertragungsfunktion

G¯ss=D˜i(s)D˜i1(s)
bezüglich der reduzierten Abstände die Ungleichung
(19)G¯ss(s)=supω|G¯ss(jω)|1
erfüllt.

Wird der Führungsroboter Σ˜0 mit einem sinusförmigen Sollwert w(t)=sin(ψt) angeregt, fordert die Kolonnenstabilität, dass die Amplitude des reduzierten Abstands d˜i(t), (i=1,,N) entlang der Kolonne konstant bleibt oder abklingt.

Mit dieser Definition werden die Forderungen (R4) und (R5) aus Abschnitt 5.1 folgendermaßen ersetzt:

  1. Kolonnenstabilität: Bei einer sinusförmigen Anregung des Führungsroboters sollen die reduzierte Abstände d˜i(t) entlang der Kolonne nicht aufklingen (19).

Aufgrund der Tatsache, dass sämtliche Roboter die gleiche Dynamik besitzen, ergibt sich für die Übertragungsfunktion die vom Index i der Roboter unabhängige Beziehung

G¯ss(s)=D˜i(s)D˜i1(s)=Gv(s)Gd(s)Vi2(s)Gd(s)Vi2(s)=G¯v(s).

Die Bedingung an die Kolonnenstabilität (19) kann in diesem Fall also wie folgt umformuliert werden:

G¯v(s)=supω|G¯v(jω)|1.

Satz 2 (Kolonnenstabilität).

Wenn die geregelten Roboter (14) mit PI-Regler (18) bezüglich des Eingangsθi1(t)und Ausgangsθi(t)kolonnenstabil sind, erfüllt die Kolonnenfahrt die Forderungen (R1)–(R3) und (R4’).

Wie in [6] an einen Beispiel gezeigt wurde und sich in der experimentellen Erprobung herausstellen wird, reicht die Kolonnenstabilität des geregelten Roboters allerdings nicht aus, um die Kollisionsfreiheit (R4) zu garantieren.

6 Experimentelle Erprobung

Wahl der Reglerparameter

Die Kolonnenfahrt soll auf einer Kreisbahn mit dem Radius r¯=1,7m erprobt werden. Aus Gl. (13) folgt, dass die Roboter in diesem Fall eine statische Verstärkung von ks=0,588 aufweisen. Aus der Länge der Roboter

γ=2arctan(l2·rsoll)=5,4

sowie dem gewählten Sicherheitsabstand α=2 folgt der Mindestabstand dmin=7,4. Die Fahrzeugfolgezeit wurde auf β=0.4s festgelegt.

Die Parameter des Reglers (18) für die kolonnenstabile Roboterdynamik wurden entsprechend den Forderungen aus Abschnitt 5.5 gewählt:

(20)kP=1undkI=22.

Um eine extern positive Roboterdynamik zu erzeugen, wurden die Reglerparameter nach den Bedingungen aus Abschnitt 5.4 festgelegt:

(21)kP=1undkI=34.

Vergleich der geregelten Roboter

Abbildung 16 zeigt die Pol-Nullstellen-Diagramme der beiden geschlossenen Regelkreise G¯v(s). Aus der Lage der Polstelle wird ersichtlich, dass in beiden Fällen die Roboter E/A-stabil sind.

Abb. 16 Pol-Nullstellen-Diagramme der geregelten Roboter.
Abb. 16

Pol-Nullstellen-Diagramme der geregelten Roboter.

Abb. 17 Gewichtsfunktion der geregelten Roboter.
Abb. 17

Gewichtsfunktion der geregelten Roboter.

In Abb. 17 werden die Gewichtsfunktionen der geregelten Roboter verglichen. Es ist zu erkennen, dass die Gewichtsfunktion des kolonnenstabilen Roboters über einen kurzen Zeitraum negativ ist. Folglich führt eine kolonnenstabile Roboterdynamik nicht zwingend zu einer extern positiven Roboterdynamik. Im Vergleich dazu erzeugt die Wahl der Reglerparameter (21) eine nichtnegative Gewichtsfunktion.

Kolonnenfahrt

Zunächst wurde die Kolonnenfahrt für sieben Roboter mit den Reglerparametern (20) untersucht.

Abb. 18 Kolonnenfahrt von sieben Robotern bei kolonnenstabiler Dynamik der Folgeroboter.
Abb. 18

Kolonnenfahrt von sieben Robotern bei kolonnenstabiler Dynamik der Folgeroboter.

Der Führungsroboter Σ˜0 folgte dabei einem vorgegebenen Geschwindigkeitsprofil w(t) mit mehrfachen sprungförmigen Änderungen der Geschwindigkeit. Abbildung 18 zeigt die Ergebnisse. Alle Roboter der Kolonne folgen ihrem jeweils vorausfahrenden Roboter und die Geschwindigkeiten der Roboter vi(t) synchronisieren asymptotisch. Ändert der Führungsroboter seine Geschwindigkeit vs0(t), so kommt es zu einem Überschwingen der Sollgeschwindigkeit vsi(t) der Folgeroboter. Für den Fall, dass der Führungsroboter stark abbremst, hat dies zur Folge, dass der reduzierte Abstand d˜i(t) entlang der Kolonne monoton abnimmt (roter Pfeil in Abb. 18). Bei einer ausreichend großen Anzahl an Robotern werden die Forderungen nach Kollisionsfreiheit (R4) sowie nach akkuratem Fahrverhalten (R5) folglich nicht erfüllt.

Im Vergleich dazu ist in Abb. 19 die Kolonnenfahrt für sieben Roboter mit den Reglerparametern (21) dargestellt. In diesem Fall kommt es bei einer Änderung der Geschwindigkeit vs0(t) des Führungsroboters zu keinem Überschwingen der Sollgeschwindigkeiten vi(t). Dies gewährleistet, dass auch im Falle einer starken Abbremsung der reduzierte Abstand d˜i(t) nicht überschwingt, sodass sowohl die Kollisionsfreiheit (R4) als auch das akkurate Fahrverhalten (R5) bei einer beliebigen Anzahl an Robotern gewährleistet werden.

Abb. 19 Kolonnenfahrt von sieben Robotern bei extern positiver Dynamik der Folgeroboter.
Abb. 19

Kolonnenfahrt von sieben Robotern bei extern positiver Dynamik der Folgeroboter.

7 Zusammenfassung

Dieser Beitrag hat eine neue Versuchsanlage zur Erprobung von Methoden der vernetzten Regelung beschrieben und über die experimentelle Erprobung einer kollisionsfreien Kolonnenfahrt mobiler Roboter berichtet. Eine unterlagerte Bahnfolgeregelung beschränkte die Bewegung der nichtlinearen Roboter auf eine vorgegebene Kreisbahn, auf der sich die Roboter durch ein lineares Modell beschreiben lassen, womit der Anschluss an die Theorie linearer Multiagentensysteme hergestellt wird. Für eine Kolonnenfahrt wurden zwei unterschiedliche Entwurfskriterien zur kollisionsfreien Abstandsregelung der Roboter diskutiert und experimentell erprobt. Die Experimente haben frühere Simulationsergebnisse bestätigt, dass die Kolonnenstabilität der Fahrzeuge nicht zwingend zur Kollisionsfreiheit führt, während dies hingegen der Theorie in [6] entsprechend für extern positive Fahrzeuge der Fall ist.

Über die Autoren

Philipp Welz

M. Sc. Philipp Welz ist wissenschaflicher Mitarbeiter des Lehrstuhls für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik der Ruhr-Universität Bochum. Interessengebiet: Synchronisation von Multiagentensystemen.

Marius Fischer

M. Sc. Marius Fischer ist ehemaliger Masterstudent des Lehrstuhls für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik der Ruhr-Universität Bochum. Interessengebiet: Koordination vernetzter Roboter.

Jan Lunze

Prof. Dr.-Ing. Jan Lunze ist Leiter des Lehrstuhls für Automatisierungstechnik und Prozessinformatik der Ruhr-Universität Bochum. Arbeitsgebiete: vernetzte Regelungen, hybride dynamische Systeme, fehlertolerante Steuerungen, ereignisdiskrete Systeme

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Erhalten: 2019-06-14
Angenommen: 2019-11-04
Online erschienen: 2019-12-21
Erschienen im Druck: 2020-01-28

© 2020 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Heruntergeladen am 26.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/auto-2019-0068/html
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