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Veröffentlicht/Copyright: 13. November 2024
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Arbeit
Aus der Zeitschrift Arbeit Band 33 Heft 4

Dank des vom Verlag DeGruyter entwickelten Modells „Subscribe to Open“ konnte die ARBEIT auch den Jahrgang 2024 im Open Access veröffentlichen. Wir bedanken uns bei allen Abonnentinnen und Abonnenten, die zugestimmt haben, ihre Abonnements im bisherigen Umfang weiterzuführen – nur so konnte es gelingen, unsere interdisziplinäre Zeitschrift unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY-NC-ND 4.0 frei zugänglich zu veröffentlichen, ohne dass es die Autorinnen und Autoren etwas kostet.

Drei Nachfragen beherrschen dieses Heft. Dass mobile Arbeit die Interessenvertretungen der Beschäftigten vor neue Herausforderungen stellt, ist allgemein bekannt – aber meist wird nur die Ebene der betrieblichen Interessenvertretung, also die Betriebs- und Personalräte betrachtet. Doch auch auf der Ebene der Tarifverträge gibt es eine ganze Reihe von einschlägigen Regelungen. Nele Dittmar unternimmt in ihrem Beitrag Tarifverträge zu mobiler Arbeit eine Bestandsaufnahme und analysiert die dort getroffenen Vereinbarungen. Sie wertet insgesamt acht Tarifverträge aus verschiedenen Branchen aus und hält fest, dass diese meist nur einen mehr oder weniger weiten Rahmen setzen, der durch einzelbetriebliche Vereinbarungen gefüllt werden muss. Sie dienen jedoch, so Dittmar, sowohl den Gewerkschaften als auch den Arbeitgebern als „Leitplanken“, die Orientierung vermitteln. Insbesondere ein digitales Zugangsrecht für Gewerkschaften, wie es in einigen Verträgen geregelt ist, könne dazu beitragen, die Gestaltungsfähigkeit der Tarifparteien auch unter Bedingungen mobiler Arbeit aufrechtzuerhalten. Wie ein solches Recht aber tatsächlich genutzt werde und welche Möglichkeiten es biete, müsse sich erst noch herausstellen.

Der Begriff der Systemrelevanz, zuerst bekannt geworden im Zusammenhang der Finanzkrise 2007/2008 in Bezug auf Unternehmen, die „too big to fail“ waren und deswegen staatlich gestützt wurden, hat in den Corona-Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht: Nun wurden ganz unterschiedliche Tätigkeiten, von der Verkäuferin im Lebensmitteleinzelhandel bis zum Chefarzt, als lebenswichtig und damit als Bestandteile „kritischer Infrastrukturen“ definiert. Aber ist es denn eigentlich materiell und symbolisch von Vorteil, systemrelevant zu sein? Katrin Stache, Christian Ebner, Daniela Rohrbach-Schmidt und Nicole Holzhauser stellen diese Frage in ihrem Beitrag Zahlt sich systemrelevante Arbeit aus?. Anhand umfangreichen Datenmaterials untersuchen sie empirisch, ob systemrelevante Beschäftigung in Entgelt und Prestige besser abschneidet als nicht-systemrelevante. Im Ergebnis zeigt sich, dass systemrelevante Tätigkeiten im Mittel nicht signifikant besser bezahlt werden als nicht-systemrelevante, ihr Prestige aber im Mittel signifikant höher ist, wenn auch der Effekt nicht groß ist. Hinter diesen Mittelwerten verbergen sich freilich sehr große Unterschiede zwischen den einzelnen Beschäftigungen. Bezieht man das Anforderungsniveau der jeweiligen Beschäftigung ein, ergibt sich gemäß den Autor*innen eine bemerkenswerte Tendenz: „Hinsichtlich der Entlohnung kommt der Faktor Systemrelevanz tendenziell den Berufen auf höherem Anforderungsniveau zugute. Dagegen erhält systemrelevante Arbeit vor allem auf den niedrigeren Anforderungsniveaus besondere Anerkennung aus der Bevölkerung.“

Saisonarbeit von Migrantinnen und Migranten in der Landwirtschaft wird häufig mit Einfacharbeit gleichgesetzt. Aber stimmt das durchgängig? Jürgen Kädtler und Gisela Kottwitz zeigen in ihrem Beitrag Von „Weinbergfrauen“ zu migrantischer Saisonarbeit empirisch, dass es jedenfalls im deutschen Qualitätsweinbau anders aussieht: Hier sind Qualifikationsaufbau und Anlernkarrieren prägend, wie sie in der Segmentationstheorie betriebsinterne Arbeitsmärkte charakterisieren, gerade in anspruchsvollen Tätigkeiten wie dem Rebschnitt. Die migrantische Saisonarbeit in diesem Bereich ist, so die Autor*innen, an die Stelle der „Weinbergfrauen“ getreten, weiblicher Stammbelegschaften aus dem regionalen Umfeld, Frauen, die meist mit einem Hauptverdiener zusammenlebten, der typischerweise selbst nicht im Weinbau beschäftigt war. Mit der zunehmend geringeren Akzeptanz des Familienernährermodells war dieses Muster nicht mehr zu realisieren. Doch die Anlern- und Qualifizierungskarrieren, die von den „Weinbergfrauen“ her bekannt sind, lassen sich auch in der migrantischen Arbeit wiederfinden. Die Modelle variieren zwischen Aushilfsbeschäftigung ohne Sozialversicherung, befristeter sozialversicherter Beschäftigung und „strategischer Pluralität“. Als Einfacharbeit lasse sich zwar die Einstiegsposition, nicht aber das Anforderungsspektrum insgesamt beschreiben; Betriebsbindung sowie individueller und kollektiver Qualifikationsaufbau seien hier wesentliche Elemente, eben wie im Segment der betriebsinternen Arbeitsmärkte.

Im kommenden Jahr werden zwei größere Schwerpunkthefte realisiert werden: zu methodischen Herausforderungen der Arbeitsforschung und zur „Zukunft der Industriearbeit – Jenseits von Industrie 4.0“. Bleiben Sie dabei, es lohnt sich.

Online erschienen: 2024-11-13
Erschienen im Druck: 2024-11-26

© 2024 Redaktion, publiziert von De Gruyter

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