Startseite Kunst 2.2 Kunst- und Kulturpolitik und der Mythos des Antifaschismus in der DDR
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2.2 Kunst- und Kulturpolitik und der Mythos des Antifaschismus in der DDR

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Künstlerische Aufarbeitung
Ein Kapitel aus dem Buch Künstlerische Aufarbeitung
2 Auseinandersetzungen mit der NS-Vergangenheit, Kunstentwicklungen und Kunstaustausch 43die über Presse, Hörfunk und Fernsehen verbreiteten westdeutsche Erinnerungsdis-kurse in die DDR und beeinflussten dort den gesellschaftlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit.118In diesem Zusammenhang näherte sich das ostdeutsche Geschichts-bild, parallel zur deutsch-deutschen Konkurrenzsituation und ohne den Mythos desAntifaschismus in Frage zu stellen, allmählich an sein westdeutsches Pendant an.1192.2 Kunst- und Kulturpolitik und der Mythos des Antifaschismus in der DDRIm Gegensatz zur Bundesrepublik beeinflussten sowohl der parteipolitisch propagierteAntifaschismus als auch die zentralisierte Kunst- und Kulturpolitik sowie die Richtli-nien des zur offiziellen Staatskunst erklärten sozialistischen Realismus den künstle-rischen Umgang mit der NS-Vergangenheit in der DDR.120Sozialistischer Realismusbeschreibt nicht nur eine an die marxistisch-leninistische Ästhetik angelehnte figür-liche beziehungsweise realistisch-gegenständliche künstlerische Ausdrucksform, son-dern auch ein »soziales Verhaltensprogramm«.121Der offiziellen Kunstauffassung fol-gend sollte sozialistischer Realismus bewusstseinsbildend auf die Menschen einwirkenund darüber hinaus einen »parteilichen Blick« fördern sowie einen weltanschaulich ge-festigten Standpunkt der »sozialistischen Persönlichkeit« generieren.122Durch Kunstsollte die proklamierte »sozialistische Nationalkultur« und der sozialistische Aufbauveranschaulicht und verwirklicht werden.123Zu den priorisierten Gattungen zähltenWand- und Tafelbilder sowie Plastiken.124Anders als in der Bundesrepublik vermittelten verschiedene zentralisierte Institu-tionen die Kunst- und Kulturpolitik des SED-Regimes.125Dazu gehörten unter ande-rem der 1945 gegründete Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands,die1950gegründeteDeutscheAkademiederKünste(AdK),der1952gegründeteVerband118 Vgl. Hammerstein: gemeinsame Vergangenheit, S. 348.119 Vgl. ebd., bes. S. 137; 203; 206f.; 341; 398.120 Vgl. dazu Zimmering: Mythen, S. 139ff.121 Vgl. Kaiser, Paul: Boheme im »Arbeiter-und-Bauern-Staat«. Offizialkultur und künstlerische Ge-genkultur im DDR-Staatssozialismus. Berlin 2007, S. 172f.122 Vgl. Conermann, Gisela: Bildende Kunst in der sowjetischen Besatzungszone. Die ersten Schrittebis hin zum sozialistischen Realismus im Spiegel der Zeitschrift »Bildende Kunst« von 1947 bis1949. Frankfurt a. M./Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1995, S. 44; 47; Bonnke, Manuela: Kunstin Produktion. Bildende Kunst und volkseigene Wirtschaft in der SBZ/DDR. Köln/Weimar/Wien2007, S. 35; 37; Kaiser: Boheme (wie Anm. 121, Kap. 2), S. 174.123 Vgl. Schroeder: SED-Staat (wie Anm. 88, Kap. 2), S. 544; Papenbrock, Martin: AntifaschistischeKunst in Ausstelllungen der DDR (1950-1990), S. 39-58, in: ders./Saure, Gabriele (Hg.): Kunst desfrühen Jahrhunderts in Deutschen Ausstellungen. Teil II Antifaschistische KünstlerInnen in Aus-stellungen der SBZ und der DDR. Schriften der Guernica-Gesellschaft, hg. von Jutta Held. Band 9.Weimar 2000, S. 39.124 Vgl. Kaiser, Paul: System und Ereignis – Grafik in der DDR – ein überregionales Verbundprojekt,S. 10-16, in: Röder, Kornelia/May, Christina Katharina/ders. (Hg.): Außer Kontrolle! Farbige Grafik& Mail Art in der DDR, Ausst.-Kat., Galerie Atle & Neue Meister Schwerin, 20. November 2015 bis14. Februar 2016. Köln 2015, S. 13.125 Vgl. Weichert, Maik: Kunst und Verfassung in der DDR. Kunstfreiheit in Recht und Rechtswirklich-keit. Tübingen 2018, S. 23ff.; 29ff.; Bonnke: Kunst in Produktion (wie Anm. 122, Kap. 2), S. 130ff.
© 2022 transcript Verlag

2 Auseinandersetzungen mit der NS-Vergangenheit, Kunstentwicklungen und Kunstaustausch 43die über Presse, Hörfunk und Fernsehen verbreiteten westdeutsche Erinnerungsdis-kurse in die DDR und beeinflussten dort den gesellschaftlichen Umgang mit der NS-Vergangenheit.118In diesem Zusammenhang näherte sich das ostdeutsche Geschichts-bild, parallel zur deutsch-deutschen Konkurrenzsituation und ohne den Mythos desAntifaschismus in Frage zu stellen, allmählich an sein westdeutsches Pendant an.1192.2 Kunst- und Kulturpolitik und der Mythos des Antifaschismus in der DDRIm Gegensatz zur Bundesrepublik beeinflussten sowohl der parteipolitisch propagierteAntifaschismus als auch die zentralisierte Kunst- und Kulturpolitik sowie die Richtli-nien des zur offiziellen Staatskunst erklärten sozialistischen Realismus den künstle-rischen Umgang mit der NS-Vergangenheit in der DDR.120Sozialistischer Realismusbeschreibt nicht nur eine an die marxistisch-leninistische Ästhetik angelehnte figür-liche beziehungsweise realistisch-gegenständliche künstlerische Ausdrucksform, son-dern auch ein »soziales Verhaltensprogramm«.121Der offiziellen Kunstauffassung fol-gend sollte sozialistischer Realismus bewusstseinsbildend auf die Menschen einwirkenund darüber hinaus einen »parteilichen Blick« fördern sowie einen weltanschaulich ge-festigten Standpunkt der »sozialistischen Persönlichkeit« generieren.122Durch Kunstsollte die proklamierte »sozialistische Nationalkultur« und der sozialistische Aufbauveranschaulicht und verwirklicht werden.123Zu den priorisierten Gattungen zähltenWand- und Tafelbilder sowie Plastiken.124Anders als in der Bundesrepublik vermittelten verschiedene zentralisierte Institu-tionen die Kunst- und Kulturpolitik des SED-Regimes.125Dazu gehörten unter ande-rem der 1945 gegründete Kulturbund zur demokratischen Erneuerung Deutschlands,die1950gegründeteDeutscheAkademiederKünste(AdK),der1952gegründeteVerband118 Vgl. Hammerstein: gemeinsame Vergangenheit, S. 348.119 Vgl. ebd., bes. S. 137; 203; 206f.; 341; 398.120 Vgl. dazu Zimmering: Mythen, S. 139ff.121 Vgl. Kaiser, Paul: Boheme im »Arbeiter-und-Bauern-Staat«. Offizialkultur und künstlerische Ge-genkultur im DDR-Staatssozialismus. Berlin 2007, S. 172f.122 Vgl. Conermann, Gisela: Bildende Kunst in der sowjetischen Besatzungszone. Die ersten Schrittebis hin zum sozialistischen Realismus im Spiegel der Zeitschrift »Bildende Kunst« von 1947 bis1949. Frankfurt a. M./Berlin/Bern/New York/Paris/Wien 1995, S. 44; 47; Bonnke, Manuela: Kunstin Produktion. Bildende Kunst und volkseigene Wirtschaft in der SBZ/DDR. Köln/Weimar/Wien2007, S. 35; 37; Kaiser: Boheme (wie Anm. 121, Kap. 2), S. 174.123 Vgl. Schroeder: SED-Staat (wie Anm. 88, Kap. 2), S. 544; Papenbrock, Martin: AntifaschistischeKunst in Ausstelllungen der DDR (1950-1990), S. 39-58, in: ders./Saure, Gabriele (Hg.): Kunst desfrühen Jahrhunderts in Deutschen Ausstellungen. Teil II Antifaschistische KünstlerInnen in Aus-stellungen der SBZ und der DDR. Schriften der Guernica-Gesellschaft, hg. von Jutta Held. Band 9.Weimar 2000, S. 39.124 Vgl. Kaiser, Paul: System und Ereignis – Grafik in der DDR – ein überregionales Verbundprojekt,S. 10-16, in: Röder, Kornelia/May, Christina Katharina/ders. (Hg.): Außer Kontrolle! Farbige Grafik& Mail Art in der DDR, Ausst.-Kat., Galerie Atle & Neue Meister Schwerin, 20. November 2015 bis14. Februar 2016. Köln 2015, S. 13.125 Vgl. Weichert, Maik: Kunst und Verfassung in der DDR. Kunstfreiheit in Recht und Rechtswirklich-keit. Tübingen 2018, S. 23ff.; 29ff.; Bonnke: Kunst in Produktion (wie Anm. 122, Kap. 2), S. 130ff.
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Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter 1
  2. Inhalt 5
  3. 1 Einleitung
  4. 1.1 Einführung und Untersuchungsgegenstand 7
  5. 1.2 Forschungsstand und Forschungsdefizite 11
  6. 1.3 Zielvorstellungen und Fragestellungen 17
  7. 1.4 Quellen, Methodik und Aufbau 19
  8. 2 Auseinandersetzungen mit der NS-Vergangenheit, Kunstentwicklungen und Kunstaustausch
  9. 2.1 Politische und gesellschaftliche Aufarbeitung in beiden deutschen Staaten 25
  10. 2.2 Kunst- und Kulturpolitik und der Mythos des Antifaschismus in der DDR 43
  11. 2.3 Künstlerische, kunst- und kulturpolitische Gegensätze und deutsch-deutscher Kunstaustausch 61
  12. 3 Künstlerische Auseinandersetzungen mit dem Holocaust
  13. 3.1 Die wieder einsetzende Beschäftigung in den 1960er Jahren 73
  14. 3.2 Künstlerische und kuratorische Beiträge zur Aufarbeitung in den 1970er Jahren 132
  15. 3.3 Künstlerische Gemeinsamkeiten, staatsübergreifende Wahrnehmungen und wechselseitiger Kunstaustausch in den 1980er Jahren 142
  16. 3.4 Zusammenfassung 172
  17. 4 Künstlerische Auseinandersetzungen mit NS-Ideologie und Propaganda
  18. 4.1 Staatsübergreifende kapitalismuskritische Faschismusinterpretationen in den 1960er Jahren 177
  19. 4.2 Zunehmender künstlerischer Erinnerungsdiskurs in den 1970er Jahren 182
  20. 4.3 Kontroversen um kritische Kunst in den 1980er Jahren 192
  21. 4.4 Zusammenfassung 212
  22. 5 Künstlerische Auseinandersetzungen mit Widerstandskämpferinnen und Widerstandskämpfern gegen den Nationalsozialismus
  23. 5.1 Öffentlich marginalisierte Widerstandsleistende 215
  24. 5.2 Wechselseitige Wahrnehmungen in den 1970er Jahren 222
  25. 5.3 Staatsübergreifende künstlerische Aufarbeitung in den 1980er Jahren 230
  26. 5.4 Zusammenfassung 255
  27. 6 Fazit und Ausblick 259
  28. Dank 269
  29. Quellen- und Literaturverzeichnis 271
Heruntergeladen am 23.9.2025 von https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783839462881-006/html?lang=de&srsltid=AfmBOoowFPAvC5m1u0gac3jS3cqtjzAkVvlgHbRj36fq_-l-lR1CJbhq
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