Startseite Kulturwissenschaften I. Funktionen, Aspekte, Mechanismen kollektiver Identität
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I. Funktionen, Aspekte, Mechanismen kollektiver Identität

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Kollektive Identitäten
Ein Kapitel aus dem Buch Kollektive Identitäten
23IFunktionen,Aspekte,MechanismenkollektiverIdentitätWozu braucht es ein Wir-Bewusstsein, wie erzeugt es sich, wel-che Aspekte weist es auf? Wie wird dadurch die individuelle Exis-tenz, das Subjekt geformt, und wer ist andererseits Träger dieser subjektformenden Identifikation? Auf solche Fragen muss eine soziologische Theorie der kollektiven Identität oder von ›Gesell-schaft‹ Antworten geben, und zwar solche, die in sich kohärent und umfassend sind. Über die Aktualitätsbezüge hinaus ist die Frage kollektiver Identität auch und nicht zuletzt: ein Grundthemasoziologischer Theorie oder Allgemeiner Soziologie. Kollektive Identität = GesellschaftDie Formulierung ›kollektive Identität‹ lässt sich nämlich durch eine zweite, in der soziologischen Theorie ungleich präsentere er-setzen: Gesellschaft. In Imaginationen kollektiver Identität geht es um Imaginationen von Gesellschaft, und zwar in verschiedener Hinsicht. Nun gibt es in der soziologischen Debatte von Beginn an einen Streit um den Gesellschaftsbegriff. Es gibt immer erneut die Vor-würfe des Mystizismus und Essentialismus oder der Ontologie. Und es gibt einen gewissen Trend zur Verabschiedung des Begrif-fes, zumindest in allen handlungstheoretischen, Akteurs-zentrier-ten Ansätzen im Anschluss an den methodologischen Individua-lismus von Max Weber. Ähnliches gilt für Bruno Latour, der den Gesellschaftsbegriff als einen kritisiert, in dem bereits alles (›meta-physisch‹) vorausgesetzt sei, was doch erst zu erklären wäre. Auch enthalte der Gesellschaftsbegriff nie Artefakte und andere Nicht-menschen. Die Formulierungen der Fabulation, der Imagination oder der Behauptung kollektiver Identitäten nun sind solchen Vorwürfen per se enthoben – sie sind ›Essentialismus-immun‹ (Eßbach). Und wenn eine der zentralen theoretischen Fragen der Soziologie die nach den Mechanismen und Eigendynamiken der Institutionen ist, nach ihren subjektformenden Wirkungen, nach der sozialen Logik und Struktur kollektiver Tatsachen, dann ist die Frage kollektiver Identität immer schon gestellt. Die Frage nach dem Charakter des Sozialen, der Gesellschaft oder des Kollektivs ist auch die Frage kollektiver Identitätsvorstellungen. Und auch die gesellschaftsanalytische Frage, die nach dem spezifisch modernen
© 2018 transcript Verlag

23IFunktionen,Aspekte,MechanismenkollektiverIdentitätWozu braucht es ein Wir-Bewusstsein, wie erzeugt es sich, wel-che Aspekte weist es auf? Wie wird dadurch die individuelle Exis-tenz, das Subjekt geformt, und wer ist andererseits Träger dieser subjektformenden Identifikation? Auf solche Fragen muss eine soziologische Theorie der kollektiven Identität oder von ›Gesell-schaft‹ Antworten geben, und zwar solche, die in sich kohärent und umfassend sind. Über die Aktualitätsbezüge hinaus ist die Frage kollektiver Identität auch und nicht zuletzt: ein Grundthemasoziologischer Theorie oder Allgemeiner Soziologie. Kollektive Identität = GesellschaftDie Formulierung ›kollektive Identität‹ lässt sich nämlich durch eine zweite, in der soziologischen Theorie ungleich präsentere er-setzen: Gesellschaft. In Imaginationen kollektiver Identität geht es um Imaginationen von Gesellschaft, und zwar in verschiedener Hinsicht. Nun gibt es in der soziologischen Debatte von Beginn an einen Streit um den Gesellschaftsbegriff. Es gibt immer erneut die Vor-würfe des Mystizismus und Essentialismus oder der Ontologie. Und es gibt einen gewissen Trend zur Verabschiedung des Begrif-fes, zumindest in allen handlungstheoretischen, Akteurs-zentrier-ten Ansätzen im Anschluss an den methodologischen Individua-lismus von Max Weber. Ähnliches gilt für Bruno Latour, der den Gesellschaftsbegriff als einen kritisiert, in dem bereits alles (›meta-physisch‹) vorausgesetzt sei, was doch erst zu erklären wäre. Auch enthalte der Gesellschaftsbegriff nie Artefakte und andere Nicht-menschen. Die Formulierungen der Fabulation, der Imagination oder der Behauptung kollektiver Identitäten nun sind solchen Vorwürfen per se enthoben – sie sind ›Essentialismus-immun‹ (Eßbach). Und wenn eine der zentralen theoretischen Fragen der Soziologie die nach den Mechanismen und Eigendynamiken der Institutionen ist, nach ihren subjektformenden Wirkungen, nach der sozialen Logik und Struktur kollektiver Tatsachen, dann ist die Frage kollektiver Identität immer schon gestellt. Die Frage nach dem Charakter des Sozialen, der Gesellschaft oder des Kollektivs ist auch die Frage kollektiver Identitätsvorstellungen. Und auch die gesellschaftsanalytische Frage, die nach dem spezifisch modernen
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