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9. Konflikttheorie : Ralf Dahrendorf

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Soziologische Theorie
Ein Kapitel aus dem Buch Soziologische Theorie
Heinz-Jürgen Niedenzu 9 Konflikttheorie : Ralf Dahrendorf9.1 Problemlage und Erkenntnisinteresse Die hier vorzustellende Variante eines konflikttheoretischen Zugriffs auf die gesell-schaftliche Wirklichkeit geht auf das Werk von Ralf Dahrendorf zurück. 1929 in Hamburg geboren, promovierte er in Hamburg zum Dr. phil. in den Fächern Philo-sophie und Klassische Philologie; anschließend wechselte er an die London School of Economics und erwarb dort mit seiner Dissertationsschrift „Unskilled Labour in British Industry“den PhD in Soziologie. Nach seiner Habilitation in Saarbrücken führte ihn seine wissenschaftliche Tätigkeit als Professor nach Hamburg, Tübingen und Konstanz. Sein politisches Engagement (FDP) brachte ihn 1969 in den Deutschen Bundestag. Er war Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt und von 1970 bis 1974 Mitglied der EG-Kommission. Von 1974 an war er zehn Jahre lang Direk-tor der London School of Economics. 1984 kehrte er für drei Jahre als Professor nach Konstanz zurück, anschließend übernahm er von 1987 bis 1997 die Leitung des St. Anthony’s College in Oxford. 2005 schließlich wurde er auf eine Forschungsprofessur am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) berufen, welche er bis zu seinem Tode im Jahre 2009 bekleidete. Die Konflikttheorie ist von Ralf Dahrendorf in einem monografischen Werk („Soziale Klassen und Klassenkonflikt“, 1957 bzw. in überarbeiteter Form: „Class and Class Conflict in Industrial Society“, 1959) sowie in der Folge in verschiedenen Aufsät-zen, Aufsatzsammlungen und Vorträgen entwickelt worden, wobei die theoretische Aufarbeitung in mancherlei Hinsicht fragmentarisch geblieben ist (vgl. etwa Dahren-dorf 1972, S. 19 f.). Im Folgenden soll deshalb versucht werden, die Kerngedanken und die Hauptaussagen der dahrendorfschen Konflikttheorie in einem systematisierten Zusammenhang darzustellen, ohne dabei auf konkurrierende konflikttheoretische Ansätze noch auf Klassiker (etwa Simmel) einzugehen (vgl. dazu überblicksweise Krysmanski 1971; Bühl 1972; Wallace/Wolf 1991; Giesen 1993; Handel 1993; Bonacker 1996, 2005). Jeder makrosoziologisch orientierte Theorieansatz steht vor dem Problem, zwei grundlegenden Aspekten menschlicher Vergesellschaftungssysteme Rechnung tragen zu müssen: Zum einen stellen soziale Systeme relativ dauerhafte Strukturzusammen-hänge dar (Problemkreis der Stabilität gesellschaftlicher Strukturbildungen), zum anderen sind diese aber sowohl in Teilbereichen als auch als Gesamtzusammenhang anpassungsfähig wie auch veränderbar (Problemkreis des Wandels von gesellschaft-lichen Strukturbildungen). Entsprechend dieser allgemeinen Problemstellung unter-scheidet Dahrendorf, gemäß dem jeweils vorrangigen Gesichtspunkt, idealtypischer-weise zwischen zwei Grundorientierungen soziologischer Gesellschaftstheorie(vgl. etwa Dahrendorf 1969, S. 108 ff.; 1972, S. 11):

Heinz-Jürgen Niedenzu 9 Konflikttheorie : Ralf Dahrendorf9.1 Problemlage und Erkenntnisinteresse Die hier vorzustellende Variante eines konflikttheoretischen Zugriffs auf die gesell-schaftliche Wirklichkeit geht auf das Werk von Ralf Dahrendorf zurück. 1929 in Hamburg geboren, promovierte er in Hamburg zum Dr. phil. in den Fächern Philo-sophie und Klassische Philologie; anschließend wechselte er an die London School of Economics und erwarb dort mit seiner Dissertationsschrift „Unskilled Labour in British Industry“den PhD in Soziologie. Nach seiner Habilitation in Saarbrücken führte ihn seine wissenschaftliche Tätigkeit als Professor nach Hamburg, Tübingen und Konstanz. Sein politisches Engagement (FDP) brachte ihn 1969 in den Deutschen Bundestag. Er war Parlamentarischer Staatssekretär im Auswärtigen Amt und von 1970 bis 1974 Mitglied der EG-Kommission. Von 1974 an war er zehn Jahre lang Direk-tor der London School of Economics. 1984 kehrte er für drei Jahre als Professor nach Konstanz zurück, anschließend übernahm er von 1987 bis 1997 die Leitung des St. Anthony’s College in Oxford. 2005 schließlich wurde er auf eine Forschungsprofessur am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) berufen, welche er bis zu seinem Tode im Jahre 2009 bekleidete. Die Konflikttheorie ist von Ralf Dahrendorf in einem monografischen Werk („Soziale Klassen und Klassenkonflikt“, 1957 bzw. in überarbeiteter Form: „Class and Class Conflict in Industrial Society“, 1959) sowie in der Folge in verschiedenen Aufsät-zen, Aufsatzsammlungen und Vorträgen entwickelt worden, wobei die theoretische Aufarbeitung in mancherlei Hinsicht fragmentarisch geblieben ist (vgl. etwa Dahren-dorf 1972, S. 19 f.). Im Folgenden soll deshalb versucht werden, die Kerngedanken und die Hauptaussagen der dahrendorfschen Konflikttheorie in einem systematisierten Zusammenhang darzustellen, ohne dabei auf konkurrierende konflikttheoretische Ansätze noch auf Klassiker (etwa Simmel) einzugehen (vgl. dazu überblicksweise Krysmanski 1971; Bühl 1972; Wallace/Wolf 1991; Giesen 1993; Handel 1993; Bonacker 1996, 2005). Jeder makrosoziologisch orientierte Theorieansatz steht vor dem Problem, zwei grundlegenden Aspekten menschlicher Vergesellschaftungssysteme Rechnung tragen zu müssen: Zum einen stellen soziale Systeme relativ dauerhafte Strukturzusammen-hänge dar (Problemkreis der Stabilität gesellschaftlicher Strukturbildungen), zum anderen sind diese aber sowohl in Teilbereichen als auch als Gesamtzusammenhang anpassungsfähig wie auch veränderbar (Problemkreis des Wandels von gesellschaft-lichen Strukturbildungen). Entsprechend dieser allgemeinen Problemstellung unter-scheidet Dahrendorf, gemäß dem jeweils vorrangigen Gesichtspunkt, idealtypischer-weise zwischen zwei Grundorientierungen soziologischer Gesellschaftstheorie(vgl. etwa Dahrendorf 1969, S. 108 ff.; 1972, S. 11):
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