Views of the World to Come in the Jewish-Christian Sibylline Oracles
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Olivia Stewart Lester
Abstract
Dieser Artikel argumentiert, dass die Vorstellungen der künftigenWelt in den jüdisch-christlichen Sibyllinischen Orakeln die Unausweichlichkeit des göttlichen Gerichts mit gegenwärtiger Ungewissheit und Unbeständigkeit vereinen, und zwar sowohl in den universalgeschichtlichen Passagen der Schriftensammlung als auch in der Darstellung der eschatologischen Zukunft der Figur der Sibylle selbst. Zunächst wird dazu das Verhältnis zwischen periodisierter Zeit und Eschatologie in den universalgeschichtlichen Teilen in Sib.Or. 4 und 1‒2 einer Neubewertung unterzogen. Eine Periodisierung der Zeit - sowohl in den Sibyllinischen Orakeln als auch anderweitig - wurde in der Regel als Bestätigung der göttlichen Ordnung und Kontrolle aufgefasst. In Sib.Or. 4 und 1‒2 sind die periodisierten Schemata jedoch einer redaktionellen Bearbeitung unterzogen worden, die sich in den Brüchen und Fugen im Zeitverlauf zeigt. Im Folgenden wird dargelegt, dass die Lücken und Brüche in diesen periodisierten Schemata eine ‘sibyllinische Zeitlichkeit’ entwerfen, die vollständige göttliche Kontrolle mit zeitlicher Ungewissheit verbindet. Eine solche ‘fragmentarische sibyllinische Zeitlichkeit’ konnte bei antiken Leser- und Hörerschaften das Gefühl von Chaos und Instabilität auslösen und dadurch die Drohung des göttlichen Gerichts verstärken. Anschließend untersucht dieser Beitrag das Schicksal der Sibylle angesichts des göttlichen Gerichts in Sib.Or. 2 und 7. Es ist nicht lediglich die Zukunft anderer Nationen oder des Universums selbst, die angesichts des bevorstehenden göttlichen Gerichts unsicher erscheint; vielmehr stellen diese Texte das Schicksal der Sibylle selbst in Frage. Es wird deshalb die Auffassung vertreten, dass diese zweite Dimension zeitlicher Ungewissheit auf die Unterordnung einer fremden, weiblichen prophetischen Figur unter den Gott der jüdischen und/oder christlichen Verfasser/innen zielt. Sowohl in den Universalgeschichten als auch in der Darstellung der Sibylle von ihrer eigenen Zukunft verbinden die jüdisch-christlichen Sibyllinischen Orakel demnach das kommende göttliche Gericht mit einer als unsicheren geltenden Zukunft.
Abstract
Dieser Artikel argumentiert, dass die Vorstellungen der künftigenWelt in den jüdisch-christlichen Sibyllinischen Orakeln die Unausweichlichkeit des göttlichen Gerichts mit gegenwärtiger Ungewissheit und Unbeständigkeit vereinen, und zwar sowohl in den universalgeschichtlichen Passagen der Schriftensammlung als auch in der Darstellung der eschatologischen Zukunft der Figur der Sibylle selbst. Zunächst wird dazu das Verhältnis zwischen periodisierter Zeit und Eschatologie in den universalgeschichtlichen Teilen in Sib.Or. 4 und 1‒2 einer Neubewertung unterzogen. Eine Periodisierung der Zeit - sowohl in den Sibyllinischen Orakeln als auch anderweitig - wurde in der Regel als Bestätigung der göttlichen Ordnung und Kontrolle aufgefasst. In Sib.Or. 4 und 1‒2 sind die periodisierten Schemata jedoch einer redaktionellen Bearbeitung unterzogen worden, die sich in den Brüchen und Fugen im Zeitverlauf zeigt. Im Folgenden wird dargelegt, dass die Lücken und Brüche in diesen periodisierten Schemata eine ‘sibyllinische Zeitlichkeit’ entwerfen, die vollständige göttliche Kontrolle mit zeitlicher Ungewissheit verbindet. Eine solche ‘fragmentarische sibyllinische Zeitlichkeit’ konnte bei antiken Leser- und Hörerschaften das Gefühl von Chaos und Instabilität auslösen und dadurch die Drohung des göttlichen Gerichts verstärken. Anschließend untersucht dieser Beitrag das Schicksal der Sibylle angesichts des göttlichen Gerichts in Sib.Or. 2 und 7. Es ist nicht lediglich die Zukunft anderer Nationen oder des Universums selbst, die angesichts des bevorstehenden göttlichen Gerichts unsicher erscheint; vielmehr stellen diese Texte das Schicksal der Sibylle selbst in Frage. Es wird deshalb die Auffassung vertreten, dass diese zweite Dimension zeitlicher Ungewissheit auf die Unterordnung einer fremden, weiblichen prophetischen Figur unter den Gott der jüdischen und/oder christlichen Verfasser/innen zielt. Sowohl in den Universalgeschichten als auch in der Darstellung der Sibylle von ihrer eigenen Zukunft verbinden die jüdisch-christlichen Sibyllinischen Orakel demnach das kommende göttliche Gericht mit einer als unsicheren geltenden Zukunft.
Chapters in this book
- Frontmatter i
- Table of Contents v
- Introduction 1
- Where Should We Look for the Roots of Jewish Apocalypticism? 5
- Apocalyptic Literature and Experiences of Contact with the Other-World in Second Temple Judaism and Early Christianity 27
- Time and History in Ancient Jewish and Christian Apocalyptic Writings 53
- Apocalyptic Writings in Qumran and the Community’s Idea of History 89
- This Age and the Age to Come in 2 Baruch 117
- Jesus and Jewish Apocalyptic 141
- Time and History: The Use of the Past and the Present in the Book of Revelation 187
- Dreams, Visions and the World-to-Come according to the Shepherd of Hermas 215
- Ezra and his Visions: From Jewish Apocalypse to Medieval Tour of Hell 235
- Views of the World to Come in the Jewish-Christian Sibylline Oracles 261
- Defying the Divine: Jannes and Jambres in Apocalyptic Perspective¹ 283
- Between Jewish and Egyptian Thinking: The Apocalypse of Sophonias as a Bridge between Two Worlds? 319
- From the ‘Gnostic Dialogues’ to the ‘Apostolic Memoirs’: Literary and Historical Settings of the Nag Hammadi Apocalypses 343
- What is ‘Gnostic’ within Gnostic Apocalypses? 385
- Being in corpore/carne and extra corpus: some interrelations within the Apocalypsis Pauli/Visio Pauli 411
- From Historical Apocalypses to Apocalyptic History: Late Antique Historians and Apocalyptic Writings 433
- Qur’anic Eschatology in its Biblical and Late Ancient Matrix 461
- The Book of Revelation and Visual Culture 487
- List of Contributors 505
- Index of Ancient Sources 507
- Index of Modern Authors 537
- Index of Subjects 545
Chapters in this book
- Frontmatter i
- Table of Contents v
- Introduction 1
- Where Should We Look for the Roots of Jewish Apocalypticism? 5
- Apocalyptic Literature and Experiences of Contact with the Other-World in Second Temple Judaism and Early Christianity 27
- Time and History in Ancient Jewish and Christian Apocalyptic Writings 53
- Apocalyptic Writings in Qumran and the Community’s Idea of History 89
- This Age and the Age to Come in 2 Baruch 117
- Jesus and Jewish Apocalyptic 141
- Time and History: The Use of the Past and the Present in the Book of Revelation 187
- Dreams, Visions and the World-to-Come according to the Shepherd of Hermas 215
- Ezra and his Visions: From Jewish Apocalypse to Medieval Tour of Hell 235
- Views of the World to Come in the Jewish-Christian Sibylline Oracles 261
- Defying the Divine: Jannes and Jambres in Apocalyptic Perspective¹ 283
- Between Jewish and Egyptian Thinking: The Apocalypse of Sophonias as a Bridge between Two Worlds? 319
- From the ‘Gnostic Dialogues’ to the ‘Apostolic Memoirs’: Literary and Historical Settings of the Nag Hammadi Apocalypses 343
- What is ‘Gnostic’ within Gnostic Apocalypses? 385
- Being in corpore/carne and extra corpus: some interrelations within the Apocalypsis Pauli/Visio Pauli 411
- From Historical Apocalypses to Apocalyptic History: Late Antique Historians and Apocalyptic Writings 433
- Qur’anic Eschatology in its Biblical and Late Ancient Matrix 461
- The Book of Revelation and Visual Culture 487
- List of Contributors 505
- Index of Ancient Sources 507
- Index of Modern Authors 537
- Index of Subjects 545