Startseite Medizin 11 Eine kurze Geschichte der Frauenklinik und Poliklinik im Universitätsklinikum Steglitz der Freien Universität Berlin, dem heutigen Campus Benjamin Franklin der Charité
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11 Eine kurze Geschichte der Frauenklinik und Poliklinik im Universitätsklinikum Steglitz der Freien Universität Berlin, dem heutigen Campus Benjamin Franklin der Charité

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Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,An keinem wie an einer Heimat hängen,Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.Kaum sind wir heimisch einem LebenskreiseUnd traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.Hermann Hesse „Stufen“11.1 Die Gründung der Freien UniversitätBerlinNach der Kapitulation Deutschlands und dem Ein-zug der Alliierten in Berlin befanden sich die berühmte I. Universitätsfrauenklinik in der Artille-riestraße (der heutigen Tucholskystraße) und dietraditionsreiche II. Universitätsfrauenklinik derCharité am Alexander-Ufer, wie die meisten Insti-tute und Kliniken, ja auch die meisten nicht medi-zinischen Einrichtungen der Friedrich-Wilhelms-Universität im sowjetischen Sektor Berlins (1).Viele Gebäude waren zerstört oder kaum noch zunutzen, Bibliotheken und Sammlungen waren ver-brannt oder in den Nachkriegswirren verschol-len. Viele Hochschullehrer und Studenten warengefallen, wurden vermisst oder waren aus derReichshauptstadt geflohen. Dennoch wurde am29. Januar 1946 die 1810 gegründete Berliner Uni-versität Unter den Linden wieder eröffnet und un-ter die Aufsicht des Magistrats von Berlin gestellt,der allenAlliierten untergeordnet war. Doch baldwurde klar, dass die sowjetische Besatzungsmachtdie Bedeutung dieser Universität erkannte und siein ihrer Hand behalten wollte. Nach und nachwurden Schlüsselpositionen der Universität mitkommunistischen Funktionären besetzt und diekontinuierliche Ausschaltung bürgerlicher Profes-soren gezielt betrieben. Die Rechtsstellung derUniversität wurde so verändert, dass sie eineDienststelle der Verwaltung für Volksbildung inder sowjetischenBesatzungszone wurde. Die aka-demische Lehrfreiheit wurde eingeschränkt undkommunistische Schulungskurse zu Pflichtveran-staltungen. 1947 kam es zur Verhaftung opposi-tioneller Studenten, und im Frühjahr 1948 war dieForderung nach der Gründung einer neuen Uni-versität in den Westsektoren nicht mehr zu über-hören. Ein Ausschuss unter Leitung des frei gewählten Oberbürgermeisters Ernst Reuter(1889–1953) wurde gegründet, aber die Wäh-rungsreform und die Blockade Westberlins durchdie Sowjetunion ließen das ehrgeizige wissen-schaftspolitische Projekt zeitweilig wieder in denHintergrund treten. Dennoch kam es auf Initiativeehemaliger Studenten und eines Teils der Profes-soren der Friedrich-Wilhelms-Universität Unterden Linden, die erst seit dem 26. Januar 1949Humboldt-Universität zu Berlin heißt, in denWestsektoren der Stadt am 4. Dezember 1948 zurGründung der Freien Universität Berlin, derenName Programm sein sollte (2). Aufgrund der mas-siven politischen Entfremdung der Alliierten derAnti-Hitler-Koalition kam es zur Teilung Deutsch-lands in eine Bundes republik Deutschland (BRD,gegründet am 23. Mai 1949) und eine DeutscheDemokratische Republik (DDR, gegründet am7. Oktober 1949).11 Eine kurze Geschichte der Frauenklinik und Poliklinik im Universitätsklinikum Steglitz der Freien Universität Berlin, dem heutigen Campus Benjamin Franklin der Charité1Andreas D. Ebert1 Aktualisierte Version des Kapitels von Ebert, A.D.: Vom Universitätsklinikum Steglitz der Freien UniversitätBerlin zum Campus Benjamin Franklin der Charité-Universitätsmedizin Berlin. In: David, M., Ebert, A.D.(Hrsg.): Berühmte Frauenärzte in Berlin. Band 2, Mabuse-Verlag, Frankfurt/Main 2017, S.171–186.
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten,An keinem wie an einer Heimat hängen,Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,Er will uns Stuf’ um Stufe heben, weiten.Kaum sind wir heimisch einem LebenskreiseUnd traulich eingewohnt, so droht Erschlaffen;Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,Mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.Hermann Hesse „Stufen“11.1 Die Gründung der Freien UniversitätBerlinNach der Kapitulation Deutschlands und dem Ein-zug der Alliierten in Berlin befanden sich die berühmte I. Universitätsfrauenklinik in der Artille-riestraße (der heutigen Tucholskystraße) und dietraditionsreiche II. Universitätsfrauenklinik derCharité am Alexander-Ufer, wie die meisten Insti-tute und Kliniken, ja auch die meisten nicht medi-zinischen Einrichtungen der Friedrich-Wilhelms-Universität im sowjetischen Sektor Berlins (1).Viele Gebäude waren zerstört oder kaum noch zunutzen, Bibliotheken und Sammlungen waren ver-brannt oder in den Nachkriegswirren verschol-len. Viele Hochschullehrer und Studenten warengefallen, wurden vermisst oder waren aus derReichshauptstadt geflohen. Dennoch wurde am29. Januar 1946 die 1810 gegründete Berliner Uni-versität Unter den Linden wieder eröffnet und un-ter die Aufsicht des Magistrats von Berlin gestellt,der allenAlliierten untergeordnet war. Doch baldwurde klar, dass die sowjetische Besatzungsmachtdie Bedeutung dieser Universität erkannte und siein ihrer Hand behalten wollte. Nach und nachwurden Schlüsselpositionen der Universität mitkommunistischen Funktionären besetzt und diekontinuierliche Ausschaltung bürgerlicher Profes-soren gezielt betrieben. Die Rechtsstellung derUniversität wurde so verändert, dass sie eineDienststelle der Verwaltung für Volksbildung inder sowjetischenBesatzungszone wurde. Die aka-demische Lehrfreiheit wurde eingeschränkt undkommunistische Schulungskurse zu Pflichtveran-staltungen. 1947 kam es zur Verhaftung opposi-tioneller Studenten, und im Frühjahr 1948 war dieForderung nach der Gründung einer neuen Uni-versität in den Westsektoren nicht mehr zu über-hören. Ein Ausschuss unter Leitung des frei gewählten Oberbürgermeisters Ernst Reuter(1889–1953) wurde gegründet, aber die Wäh-rungsreform und die Blockade Westberlins durchdie Sowjetunion ließen das ehrgeizige wissen-schaftspolitische Projekt zeitweilig wieder in denHintergrund treten. Dennoch kam es auf Initiativeehemaliger Studenten und eines Teils der Profes-soren der Friedrich-Wilhelms-Universität Unterden Linden, die erst seit dem 26. Januar 1949Humboldt-Universität zu Berlin heißt, in denWestsektoren der Stadt am 4. Dezember 1948 zurGründung der Freien Universität Berlin, derenName Programm sein sollte (2). Aufgrund der mas-siven politischen Entfremdung der Alliierten derAnti-Hitler-Koalition kam es zur Teilung Deutsch-lands in eine Bundes republik Deutschland (BRD,gegründet am 23. Mai 1949) und eine DeutscheDemokratische Republik (DDR, gegründet am7. Oktober 1949).11 Eine kurze Geschichte der Frauenklinik und Poliklinik im Universitätsklinikum Steglitz der Freien Universität Berlin, dem heutigen Campus Benjamin Franklin der Charité1Andreas D. Ebert1 Aktualisierte Version des Kapitels von Ebert, A.D.: Vom Universitätsklinikum Steglitz der Freien UniversitätBerlin zum Campus Benjamin Franklin der Charité-Universitätsmedizin Berlin. In: David, M., Ebert, A.D.(Hrsg.): Berühmte Frauenärzte in Berlin. Band 2, Mabuse-Verlag, Frankfurt/Main 2017, S.171–186.
© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Munich/Boston

Kapitel in diesem Buch

  1. Frontmatter i
  2. Vorwort v
  3. Inhaltsverzeichnis vii
  4. Autorenverzeichnis ix
  5. Authentizität und Geschichte
  6. 1 Vom Sinn der Medizingeschichte 1
  7. 2 Medizin-Historische Einführung 9
  8. 3 Höhen und Tiefen in der Geschichte der Berliner Universitäts-Frauenklinik 12
  9. Strukturen und Entwicklungen
  10. 4 Die Geschichte der Frauenkliniken der Charité und der Berliner Universität von der Gründung bis in die 80er Jahre des 20. Jahrhunderts, dargestellt anhand der baulichen Entwicklung 27
  11. 5 Die Achse Berlin – Greifswald. Preußische Hochschulpolitik am Beispiel der Universitäts-Frauenklinik Greifswald 52
  12. 6 Friedrich Theodor Althoff (1839–1908) und die Frauenheil kunde in Preußen, an der Berliner Friedrich-Wilhelms- Universität und in der königlichen Charité 62
  13. 7 Zur Geschichte der Geburtshilfe an der Charité und der Berliner Universitäts-Frauenklinik 73
  14. 8 Die Entwicklung der Neonatologie als Teil der Perinatologie an der Universitätsfrauenklinik der Charité in Berlin-Mitte 88
  15. 9 Endokrinologische Forschung an der Charité-Frauenklinik (II. Universitäts-Frauenklinik) 1908–1951, zugleich Keimzelle des 1951 gegründeten Instituts für Experimentelle Endokrinologie der Charité 131
  16. 10 Zur Beziehung zwischen Mayo-Klinik und Charité(Frauen) -Klinik: Dialog zweier Institutionen im globalen Kontext 163
  17. 11 Eine kurze Geschichte der Frauenklinik und Poliklinik im Universitätsklinikum Steglitz der Freien Universität Berlin, dem heutigen Campus Benjamin Franklin der Charité 171
  18. 12 Geschichte der Brustchirurgie an der Charité seit den 1920er Jahren bis heute 186
  19. 13 „Die Gartenstadt für Kranke“ – zur Geschichte des Rudolf-Virchow-Krankenhauses in Berlin-Wedding 196
  20. Personen und Persönliches
  21. 14 Die Gründungsväter der Universitäts-Frauenklinik: Adam Elias von Siebold, Eduard Casper Jakob von Siebold und Dietrich Wilhelm Heinrich Busch 207
  22. 15 Ernst Bumm (1858–1925): Würzburg, Basel, Halle, Berlin 229
  23. 16 „Nur ein guter Mensch kann ein guter Arzt sein“ – aus Nachrufen auf Ernst Bumm 233
  24. 17 Walter Stoeckel (1871–1961) als (un) politischer Lehrer – Kaiser der deutschen Gynäkologen? 242
  25. 18 Es kommt nicht darauf an, wer Recht hat, sondern was richtig ist – Robert Meyers Wirken an den Frauenkliniken der königlichen Charité (1908–1912) und der Berliner Friedrich-Wilhelms-Universität (1912–1939) 261
  26. 19 Wilhelm Gustav Liepmann (1878–1939) – Vertreibung vom ersten Lehrstuhl für Soziale Gynäkologie an der Berliner Universität ins Exil an die Universität Istanbul 280
  27. 20 Leben ist subjektiv – Überlegungen zur Auto-/ Biographie von Helmut Kraatz (1902–1983) 293
  28. 21 Hartmut Hoffbauer: Von der Universitäts-Frauenklinik in der Artilleriestraße über das Krankenhaus im Friedrichshain an die Frauenklinik Charlottenburg der Freien Universität Berlin 309
  29. 22 „Man nehme sich selbst nur ja nicht (zu) ernst“ – Erinnerungen an Herbert Lax (1909–1987) 325
  30. 23 Hans Igel (1918–2012) – Wendepunkte 342
  31. Gesammeltes und Notiertes
  32. 24 Medizinhistorische Würdigung der alten geburtshilflichen Spezialinstrumente aus der Sammlung der Berliner Universitäts-Frauenklinik/ Charité 349
  33. 25 Medizinhistorische und geburtshilfliche Anmerkungen zur Geburtszangensammlung der Charité 361
  34. 26 Das Praktikanten-Buch und einige berühmte Hauspraktikanten der Universitäts-Frauenklinik (1924–1944) in der Artilleriestraße 18 376
  35. Chronik und Ausblick
  36. „… Entscheidend ist nicht ihr äußeres Bild, sondern der Geist, der in ihr herrscht …“ 411
  37. Rückblick und Ausblick 414
  38. Namensregister 417
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