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14. Leitbild und Ideologie

  • Kirsten Nazarkiewicz
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Handbuch Sprache in Organisationen
This chapter is in the book Handbuch Sprache in Organisationen

Abstract

Leitbilder sind heutzutage in fast allen Organisationen eine Selbstverständlichkeit. Sie gehören zur gegenwärtigen Selbststeuerung und Selbstpräsentation von Systemen im Profit- und Nonprofitbereich, daher streben diese die Formulierung eines Orientierung gebenden Selbstverständnisses an. Der Artikel geht der Frage nach, ob und worin eine ideologische Dimension in Leitbildern besteht. Dazu wird im ersten Abschnitt zunächst kurz die historische Karriere von Leitbildern skizziert und der Begriff definiert. Aus der Perspektive des Integrierten Managements werden Leitbilder in der politischen Steuerung von Systemen verortet und die zentralen Funktionen und Anlässe sowie die Motive der Entstehung von Leitbildern werden benannt. Auf dem Stand der heutigen Entwicklung sind sie inzwischen Teil einer umfassenden Corporate-Identity-Managementstrategie geworden, in der sie der Marke und deren Marketing dienen. Im zweiten Abschnitt wird auf ihren hohen Standardisierungsgrad eingegangen. Viele Leitbilder ähneln sich systemübergreifend in den Themenbereichen, den meist genannten Werten sowie einer typischen Form, so dass sich die zentralen Charakteristika aktueller Leitbilder an einem beliebigen Beispiel veranschaulichen lassen. Die Ähnlichkeit der Leitbilder macht deutlich, dass alle Systeme den Marktgesetzen unterliegen, die sich alles inkorporieren. Eine spezifische Identität können die Leitbildformulierungen in ihrer sprachlichen Austauschbarkeit folglich kaum noch stiften, allerdings ist hier der Weg das Ziel. Identität stiftet sozusagen der Entstehungsprozess und Erwerb des Produkts „Leitbild“. Der Abschnitt schließt mit einer Übersicht, wie Leitbilder in der Praxis erzeugt werden. Im dritten Abschnitt werden die linguistischen Besonderheiten von Leitbildern benannt, und an einem Beispiel wird ein induktiv ermitteltes Modell zu den Stadien der Entstehung der Leitbildsprache vorgestellt. Anhand eines aktuell global äußerst erfolgreichen Leitbildes, das besondere sprachliche Merkmale aufweist, wird ein Ausblick auf die Fortsetzung der Geschichte der Leitbildentwicklung gewagt. Sie liegt offenbar in der Individualisierung und Personalisierung sowie der Verschmelzung mit hintergründigen Botschaften, wie man sie auch in Religion und Werbung findet. Der vierte Abschnitt skizziert kurz den Ideologiebegriff und wirft anschließend einen ideologiekritischen Blick auf die drei bis dahin zur Illustration eingesetzten Leitbilder. Der Artikel mündet in der These, dass die Antwort auf die Frage, wann Leitbilder Ideologie sind, einem Vexierbild gleicht. Es liegt im Auge des kritischen Betrachters, Lesers, Konsumenten, welche der Perspektiven dominiert.

Abstract

Leitbilder sind heutzutage in fast allen Organisationen eine Selbstverständlichkeit. Sie gehören zur gegenwärtigen Selbststeuerung und Selbstpräsentation von Systemen im Profit- und Nonprofitbereich, daher streben diese die Formulierung eines Orientierung gebenden Selbstverständnisses an. Der Artikel geht der Frage nach, ob und worin eine ideologische Dimension in Leitbildern besteht. Dazu wird im ersten Abschnitt zunächst kurz die historische Karriere von Leitbildern skizziert und der Begriff definiert. Aus der Perspektive des Integrierten Managements werden Leitbilder in der politischen Steuerung von Systemen verortet und die zentralen Funktionen und Anlässe sowie die Motive der Entstehung von Leitbildern werden benannt. Auf dem Stand der heutigen Entwicklung sind sie inzwischen Teil einer umfassenden Corporate-Identity-Managementstrategie geworden, in der sie der Marke und deren Marketing dienen. Im zweiten Abschnitt wird auf ihren hohen Standardisierungsgrad eingegangen. Viele Leitbilder ähneln sich systemübergreifend in den Themenbereichen, den meist genannten Werten sowie einer typischen Form, so dass sich die zentralen Charakteristika aktueller Leitbilder an einem beliebigen Beispiel veranschaulichen lassen. Die Ähnlichkeit der Leitbilder macht deutlich, dass alle Systeme den Marktgesetzen unterliegen, die sich alles inkorporieren. Eine spezifische Identität können die Leitbildformulierungen in ihrer sprachlichen Austauschbarkeit folglich kaum noch stiften, allerdings ist hier der Weg das Ziel. Identität stiftet sozusagen der Entstehungsprozess und Erwerb des Produkts „Leitbild“. Der Abschnitt schließt mit einer Übersicht, wie Leitbilder in der Praxis erzeugt werden. Im dritten Abschnitt werden die linguistischen Besonderheiten von Leitbildern benannt, und an einem Beispiel wird ein induktiv ermitteltes Modell zu den Stadien der Entstehung der Leitbildsprache vorgestellt. Anhand eines aktuell global äußerst erfolgreichen Leitbildes, das besondere sprachliche Merkmale aufweist, wird ein Ausblick auf die Fortsetzung der Geschichte der Leitbildentwicklung gewagt. Sie liegt offenbar in der Individualisierung und Personalisierung sowie der Verschmelzung mit hintergründigen Botschaften, wie man sie auch in Religion und Werbung findet. Der vierte Abschnitt skizziert kurz den Ideologiebegriff und wirft anschließend einen ideologiekritischen Blick auf die drei bis dahin zur Illustration eingesetzten Leitbilder. Der Artikel mündet in der These, dass die Antwort auf die Frage, wann Leitbilder Ideologie sind, einem Vexierbild gleicht. Es liegt im Auge des kritischen Betrachters, Lesers, Konsumenten, welche der Perspektiven dominiert.

Chapters in this book

  1. Frontmatter I
  2. Inhalt V
  3. Sprache in Organisationen IX
  4. I Organisationale Interaktionstypen und kommunikative Gattungen
  5. 1. Arbeitsbesprechungen in Organisationen 3
  6. 2. Empraktische Kommunikation in Organisationen 27
  7. 3. Innovation Communication 45
  8. 4. Mitarbeiterkommunikation 65
  9. 5. Klientenkommunikation 83
  10. II Organisationale Rationalisierung von Sprache und Kommunikation
  11. 6. Sprache und Hierarchie 105
  12. 7. Bürokratie und organisationale Schriftlichkeit 126
  13. 8. Medieninfrastrukturen organisationaler Kommunikation 145
  14. 9. E-Mail-Kommunikation in Organisationen 167
  15. 10. Standardisation of Language and Communication 186
  16. III Kommunikative Konstruktion organisationaler Identität
  17. 11. Cultural Diversity: Interplay between Corporate Culture, Organizational Diversity Management and Multilingual Inclusiveness 203
  18. 12. Mehrsprachigkeit in Organisationen 228
  19. 13. Organisationen als sprachpolitische Akteure 246
  20. 14. Leitbild und Ideologie 267
  21. 15. Language and Narratives in Organizations 293
  22. IV Forschungsrichtungen
  23. 16. Konversationsanalyse und Studies of Work 307
  24. 17. Workplace Studies 327
  25. 18. Critical Discourse Analysis and Institutional Communication 346
  26. 19. Angewandte Gesprächsforschung 364
  27. 20. Konzeptuelle Kulturspezifik in der Organisationstheorie 382
  28. V Anwendungsfelder der Organisationslinguistik
  29. 21. Developing Intercultural Interaction Competence in Organisations 403
  30. 22. Coaching 424
  31. 23. Sprache und Kommunikation im Kontext der Wertschöpfung 444
  32. 24. Messung und Optimierung kommunikativer Effizienz 464
  33. 25. Sprache und Wandel von Organisationen 483
  34. Register 507
Downloaded on 1.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/9783110296235-014/html
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