Mit Geschichten argumentieren – Argumentation und Narration im Strafverfahren
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Kati Hannken-Illjes
Zusammenfassung
In der klassischen Gerichtsrede sind für die Überzeugung des Gegenübers zwei Teile zentral: die narratio und die argumentatio. Auch in der zeitgenössischen juristischen Rhetorik spielt beides, das Erzählen und das Gründe Geben und Nehmen als zentrale Methoden der Wissensproduktion im juristischen Verfahren eine große Rolle. Zwar werden Narration und Argumentation in der Linguistik häufig als grundsätzlich differente Textsorten betrachtet, in der klassischen Rhetorik hingegen war dieser Unterschied in den Anfängen quasi nicht existent und wurde auch später nicht immer so klar gezogen. Dieser Aufsatz fragt nun am Beispiel der Entwicklung eines Straffalls nach dem Verhältnis von Argumentation und Narration in Strafverfahren. Eingangs werde ich kurz die verschiedenen Perspektiven auf Strafverfahren aus narrations- und argumentationstheoretischer Sicht erläutern, um dann die Entwicklung eines Themas in einem konkreten Strafverfahren in Hinblick auf seine narrative und argumentative Gestaltung analysieren. Meine These ist, dass im Strafverfahren durch die Transformation von Geschichten zu Argumente erstere als Produkte des Prozesses der Wahrheitskonstitution etabliert werden.
Summary
In the classic courtroom speech, two components were central for persuasion: the narratio and the argumentatio. In contemporary legal rhetoric, both story telling as well as providing and requesting reasons play a central role in the production of knowledge within legal proceedings. In linguistics, narration and argumentation are often considered to be fundamentally distinct forms of text. In classical rhetoric, however, the two have not been considered to be mutually exclusive. The boundaries between them have also not been strictly drawn in contemporary theory. This paper therefore investigates the relationship between narration and argumentation within criminal proceedings through examining the example of an actual criminal case. Firstly, I shall briefly discuss the contrasting perspectives regarding criminal proceedings, focusing upon the views of narrative and argumentation theory. Secondly, I will follow a theme through the proceedings with respect to its narrative and argumentative forms and functions. I argue that within criminal proceedings, stories are established as products of a process of ‘truth-constitution’ through their transformation into arguments.
© 2006 by Lucius & Lucius, Stuttgart
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