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Reitermonumente als Ausdruck politischer Macht

  • Werner Telesko

    WERNER TELESKO ist Gruppenleiter am Forschungsbereich Kunstgeschichte des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes (IHB) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Zu seinen Publikationen zählen u. a. Geschichtsraum Österreich: Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2006, sowie gemeinsam mit Stefan Schmidl und Susana Zapke Beethoven visuell: Der Komponist im Spiegel bildlicher Vorstellungswelten, Wien 2020.

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Veröffentlicht/Copyright: 6. Oktober 2025
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Prochno-Schinkel Renate, Ross und Reiter: Symbole der Macht. Politische Ikonographie im Wandel von der Französischen Revolution bis heute Berlin: Deutscher Verlag für Kunstwissenschaft, 2024, 160 Seiten mit 90 zumeist farbigen Abbildungen, € 69,00, ISBN 978-3-87157-265-4


Renate Prochno-Schinkel beschäftigt sich in ihrem neuen Buch mit Reiterbildern im öffentlichen Raum als »Zeugnisse[n] eines bestimmten Verständnisses von Führung, insbesondere Staatsführung« (9). Auf dieser Grundlage erfolgt die Entwicklung eines breiten und facettenreichen Panoramas, das mit dem Reiterstandbild im Absolutismus über die entsprechenden Denkmäler in den konstitutionellen Monarchien bis zu den Monumenten in England und Preußen in der von der Autorin als »Umbruchzeit« (45) bezeichneten Epoche der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts führt. Einen wesentlichen Teil nehmen in der Publikation die Denkmäler für George Washington ein (53–70), ehe der Blick über die Französische Revolution und Napoleon Bonaparte zur Kunst des Neobarock gerichtet wird (71 – 94). Ein Zwischenkapitel »Frauen und ihre Reiterbilder« (95–110), das inhaltlich durchaus heterogen von den russischen Zarinnen und Maria Theresia bis Jeanne d’Arc (als Heilige und Nationalheldin) reicht, leitet zu den Reiterbildern im 20. und 21. Jahrhundert über, wobei als besondere inhaltliche Akzentsetzung der Autorin das Auto in der jüngeren deutschen Geschichte als »Nachfolger des Pferds« (129) eine explizite Betonung erfährt.

Prochno-Schinkel bemüht sich kenntnisreich nicht nur um die quantitative Durchdringung des schier unübersehbaren Materials, sondern auch um die Integration bisher zu wenig beachteter nationaler Differenzierungen, etwa in Bezug auf die Situation in der Schweiz (91 – 94). Im Fokus steht dabei, entsprechend den methodischen Leitlinien der politischen Ikonografie, die Interpretation von Reiterbildern als »Herrscherbilder« und »Identifikationsbilder« (9), die das Reiterstandbild als »Inbegriff der öffentlichen Demonstration der herrscherlichen Autorität« (10) ausweisen. Die Autorin nimmt in diesem Punkt auf die umfassend rezipierten Traditionen der antiken Literatur (10 – 11) bis zur Emblematik Bezug, wobei in diesem Punkt die heraldische Gegenwart des Pferdes, beispielsweise im Wappen des Landes Niedersachsen, zu ergänzen wäre. Ob man letztlich soweit gehen sollte, Reiterbildern »ein jeweils ganz bestimmtes Verständnis von Gemeinsinn« (11) zuzuerkennen, sei dahingestellt, wurde doch das Reiterstandbild im öffentlichen Raum spätestens seit dem Absolutismus gewissermaßen zu einem nicht selten standardisiert gestalteten Selbstläufer, der zu zeigen vermag, dass weniger die Existenz solcher Denkmäler bemerkenswert ist als vielmehr der bewusste Verzicht darauf wie beispielsweise in der Repräsentationskunst des habsburgischen Kaisers Leopold I. (1640 – 1705). Dazu kommt die bekannte Reserviertheit der meisten Monarchen, zu ihren Lebzeiten eine öffentliche Aufstellung von Monumenten, die sie verherrlichen, zuzulassen. Auch in dieser Hinsicht haben zahlreiche Monumente, die nach dem Ableben der dargestellten Monarchen oder Feldherren errichtet wurden, wenig oder nichts mit den (politischen) Intentionen der solcherart Gefeierten zu tun.

Deutlich hingegen wird aus den Beispielen in Prochno-Schinkels Publikation, dass es sich bei Reiterdenkmälern in der Regel um eine Visualisierung der »Idealvorstellung des Herrschers schlechthin« (29) handelt, somit die faktischen Bezugspunkte der Produktion solcher Monumente weniger in einem flexiblen Reagieren auf die Tagespolitik begründet liegen, sondern vielmehr übergeordneten politischen Programmen und Postulaten folgen, denen zum Teil – vor allem in der Nachfolge der Rezeption des antiken Tugendkanons – ein fast überzeitlich wirksamer Charakter zukommt. Nicht selten zeigt sich auch, dass die ikonografische Feinmechanik von Reiterdenkmälern durchaus eigenen Gesetzen folgt. Dies wird unter anderem im berühmten Reiterstandbild Étienne-Maurice Falconets für Katharina die Große in St. Petersburg (1782; 35–37, Abb. 13) deutlich. Prochno-Schinkel interpretiert die hier auch aus statischen Gründen notwendige Schlange in dem Sinn, dass »dieses aus der Christus-Ikonographie entlehnte Motiv den Zar zum Heilsbringer« mache (35). Damit scheint sie sich implizit auf den bereits in der frühmittelalterlichen Ikonografie äußerst präsenten Christus victor (nach Psalm 90,13) zu beziehen, wohingegen eingewendet werden muss, dass die Schlange, über die das Pferd schreitet, gerade in der Zeit Falconets ein durchaus verbreitetes Motiv zur Kennzeichnung der Überwindung von Mächten der Finsternis ohne erkennbaren christologischen Zusammenhang gewesen war.[1]

Eben diese Jahrzehnte sind nicht zuletzt eine Periode großer politischer und ikonografischer Umbrüche, und der von Prochno-Schinkel als »Einschnitt der Amerikanischen Revolution« (53) bezeichnete Bruch kann zu Recht als markante Zäsur gesehen werden, die sich auch darin manifestiert, dass sich die Dynamik zwischen der Fortführung bewährter Muster einerseits und dem Innovationspotential, etwa im Aufgreifen des römischen Politikers Lucius Quinctius Cincinnatus (um 519 –430 v. Chr.) als Referenzfigur Washingtons (66 –70) andererseits, verstärkte. Diese Dynamik, die zugleich neue künstlerische Lösungen zeitigte, wich ab etwa 1850 einer Renaissance des Reiterstandbildes, welche die Reitenden als Abschluss und Gipfel eines breiten Epochenpanoramas zeigt, wie dies am berühmten Denkmal für König Friedrich II. von Christian Daniel Rauch in Berlin (1851; 77–80, Abb. 37) wohl am deutlichsten wird. Zwar war die große Konjunktur des Reiterstandbildes mit dem Ende der europäischen Monarchien vorbei, doch kann Prochno-Schinkel auch demonstrieren, dass im Grunde das Interesse an dieser Gattung und ihrer öffentlichen Diskussion ungebrochen fortlebte – ein Umstand, der sich auch darin äußerte, dass es zahlreiche öffentliche wie private Bemühungen gab, durch unterschiedliche Vorkommnisse abgekommene Reitermonumente wieder zu errichten, sei es das Denkmal Kaiser Wilhelms I. am Koblenzer »Deutschen Eck« (123–124) oder das Reiterstandbild Maria Theresias in Bratislava (102–103).

Prochno-Schinkel schließt ihre Publikation mit einem Brückenschlag in die Gegenwart und postuliert das »Auto als Nachfolger des Pferds« (129), relativiert zugleich aber diesen Vergleich wieder, indem sie meint, dass der Kraftwagen zwar »nicht unbedingt den Herrscher zu Pferde ab[löste]«, aber »als Variante die schon bestehende Herrscherikonographie [...] bereichert« (129) hätte. Diese Assoziation zwischen Pferd und Auto ist aus mehreren Gründen nicht unproblematisch, da die in der Regel neben Firmenchefs im Auto sitzenden und lächelnden Politiker:innen fast immer den kommerziellen Anlass eines Autosalons spiegeln und die deutsche Politik dieser Zeit durchaus andere und weit innovativere Formen der Selbstdarstellung bevorzugte.[2] Stichhaltiger scheint die Beobachtung der Autorin, dass die Gegenwart vor allem in autoritären Regimes eine »Wiederauferstehung des Reiterdenkmals« (137) erleben würde und damit aus einer falsch verstandenen Sehnsucht, »Erbe der Antike« (141) sein zu wollen, das Kolossale nun jeden Rahmen sprengte.

Den Orten der Aufstellung von Reitermonumenten widmet Prochno-Schinkel in ihren Ausführungen ebenfalls ihre Aufmerksamkeit, wobei neben den bekannten Beispielen wie dem römischen Kapitol und dem »Deutschen Eck« bei Koblenz auch weitere Werke wie etwa die Denkmäler Anton Dominik Fernkorns für Erzherzog Carl (1860) und Prinz Eugen (1865) am Wiener Heldenplatz zeigen können, dass nicht selten Monumente einen Raum bereits kodierten, bevor dieser in eine veritable Platzanlage umgestaltet wurde.

Renate Prochno-Schinkel handelt in ihrem Buch die nationalen Differenzierungen der Reiterikonografie kenntnisreich ab. Auf der Basis des von ihr vorgestellten reichen Materials und der Einschätzungen der Autorin ergeben sich Beziehungen zu weiteren Themenkomplexen, die zum Teil mit Ulrich Raulffs magistraler Kulturgeschichte der Pferde zusammenhängen.[3] Man muss gar nicht so weit wie zu Überlegungen Reinhart Kosellecks gehen, der 2003 die Geschichte in ein Vorpferde-, Pferde- und Nachpferdezeitalter unterteilte und dabei auf die epochale Bedeutung verwies, die dem Pferd als exzeptionellem Agent der Modernisierung zukam.[4] Aber essentiell ist hier der weite Bereich der Hippophilie und Jagd im Rahmen der europäischen Adelskultur und die damit zusammenhängende Frage, in welcher Hinsicht diese omnipräsente Leidenschaft für Pferde als Nutz- und Sporttier die von Prochno-Schinkel beschriebenen ikonografischen Ausprägungen begünstigte und/oder modifizierte. So demonstrieren etwa die Druckgrafiken in Die große Reitschule Johann Elias Ridingers, die 1744 gezeichnet und 1774 gestochen wurden, nicht nur die Standardformen der Dressur, sondern zeigen in vielen Fällen ein Naheverhältnis zu den wichtigsten Denkmaltypen, was auch ein Indiz für den weiten Verbreitungsradius dieser künstlerischen Lösungen ist. Letztere manifestieren somit nicht nur Spitzenleistungen europäischer Monumentalplastik, sondern zeigen zugleich die Gegenwart des Pferdes in unterschiedlichsten Lebensbereichen an.

Prochno-Schinkel vermag zu zeigen, dass es bei der großen ikonografischen Dominanz des Pferdes nicht nur um Fragen der Denkmalplastik an sich geht, sondern ebenso um die facettenreichen Ausprägungen von Pferdemotiven in der Porträt- und Historienmalerei – ein Umstand, der auch mit der hohen medialen Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Kunstgattungen zu tun hat und beispielsweise dazu führte, dass Jacques-Louis Davids in mehreren Versionen überliefertes Gemälde Napoleon am Großen St. Bernhard (1801) zugleich als Historiengemälde als auch als Übersetzung einer plastischen Denkmalidee in die Malerei gelten kann. Dieses Faktum ist gerade für die Repräsentationskunst des 19. Jahrhunderts nicht ohne Bedeutung, lassen sich doch mittels dieses zunehmenden Verschwindens medialer Grenzen in dem – im Vergleich zur aufwendigen und zumeist an die Entscheidungsprozesse unterschiedlicher Personen und Gremien gebundenen Denkmalplastik – vergleichsweise günstigen Gemäldeformat ebensolche Ansprüche der Herrschenden vermitteln. Nicht nur aus diesem Grund ist der ständige Verweis auf die malerische Produktion wichtig, denn diese bildet mit Leonardos Anghiari-Schlacht, zu der er 1503 den Auftrag erhielt, gleichsam einen Prototyp und Nukleus für viele Schlachtendarstellungen. Das Pferd bot somit den Vorteil, sowohl als einzelnes Objekt – und darauf bezieht sich Prochno-Schinkel fast ausschließlich – wie auch in Massenszenen variantenreich künstlerisch verwendungsfähig zu sein. Damit war nicht zuletzt ein wichtiger Grundstein für die einmalige Konjunktur des Pferdes in der Historien- und Militärmalerei gelegt.

Obwohl die Bedeutung des Pferdes in der abendländischen Kultur unübersehbar ist, kann diese nicht als selbstverständlich angenommen werden, sondern besitzt unterschiedliche Grundlagen, bei denen die Funktionen des Pferdes als Nutztier und Repräsentationsobjekt zusammenwirken. Man sollte deshalb nicht alleine auf das Pferd als Basis für den Reiter bzw. als Begleiter des Reiters Bezug nehmen, sondern auch auf den besonderen Charakter des gleichsam sprechenden Antlitzes, den Johann Wolfgang von Goethe so unübertrefflich angesichts des Pferdekopfes vom Gespann der Selene (Parthenon-Ostgiebel) im British Museum in London formulierte. Dieser war ihm aufgrund eines Abgusses im Osteologischen Institut der Universität Jena bekannt:

An dem Elgin’schen Pferdekopf, einem der herrlichsten Reste der höchsten Kunstzeit, finden sich die Augen frei hervorstehend und gegen das Ohr gerückt, wodurch die beiden Sinne, Gesicht und Gehör, unmittelbar zusammen zu wirken scheinen und das erhabene Geschöpf durch geringe Bewegung sowohl hinter sich zu hören als zu blicken fähig wird. Es sieht so übermächtig und geisterartig aus, als wenn es gegen die Natur gebildet wäre, und doch jener Beobachtung gemäß hat der Künstler eigentlich ein Urpferd geschaffen, mag er solches mit Augen gesehen oder im Geiste verfasst haben; uns wenigstens scheint es im Sinne der höchsten Poesie und Wirklichkeit dargestellt zu sein.[5]

Was hier Goethe mit seiner berühmten Idee des »Urpferdes« formulierte, hat auch für die bildende Kunst massive Konsequenzen, denn aufgrund des Umstandes, dass hier dem Pferd ein hoher Aktionsradius im Hör- und Sehsinn attestiert wird, gewinnt dieses eine quasi-menschliche Disposition, die auch wichtiger Bestandteil vieler Bilderzählungen ist, wenn etwa das Pferd in Gilbert Stuarts Gemälde Washington in der Schlacht von Dorchester Heights (1806; 64, Abb. 29) mit dem Protagonisten gleichsam Zwiesprache zu halten scheint. Eben dieses sprechende Antlitz des Pferdes verleiht diesem das facettenreiche Potential einer aktiven Teilnahme an vom Menschen bestimmten Handlungen, ob dies nun die furchteinflößende Kraft des Tieres anzeigt oder aber die fast kameradschaftliche Nähe wie in Joshua Reynolds’ Gemälde Lady Charles Spencer (1775; 45, Abb. 21) veranschaulicht. Es ist konkret die frontale Position des Pferdekopfes, auf die Prochno-Schinkel in Zusammenhang mit Rubens’ berühmter Darstellung des Herzogs von Lerma (1603; 26, Abb. 5) eingeht, die in diesem Kontext wegweisend ist, denn gerade der Kopf des Tieres in seinen unterschiedlichen Haltungen konnte von der hoheitsvollen, quasi-heraldischen Stilisierung in Hans Burgkmairs d. Ä. Reiterstandbild Maximilians I. (1509; 25, Abb. 4) bis zur zutraulich gesenkten Position in Louis Prots Stich nach Johann Friedrich August Tischbein, Luise, Königin von Preußen, nach der Schlacht von Jena (1807; 74, Abb. 34), ein weites emotionales Feld, nicht zuletzt auch mittels treuherzig gestalteter Augen, abdecken. Damit wird zugleich der Aufgabenbereich einer »politischen Ikonographie«, so der Untertitel von Prochno-Schinkels Buch, verlassen und in Richtung von Ausdifferenzierungen erweitert, die verkürzt formuliert zugleich die Möglichkeit bieten, stärker auf das Ross als auf den Reiter Bezug zu nehmen. Damit wäre, das sei hier als Anregung formuliert, die auch in der kunstgeschichtlichen Forschung begründete Fixierung auf Ross und Reiter als Exponenten von Aussagen politischer Repräsentation unter dem ebenso einleuchtenden wie vereinfachenden Paradigma »Reiten ist Regieren« (135) entlastet und zugunsten der Analysen spannender Bildgeschichten der Beziehung zwischen dem Menschen und dem Pferd hin offen. Prochno-Schinkels Buch liefert für diese wissenschaftliche Reise, die man unter anderem mit den hier skizzenhaft formulierten Punkten antreten könnte, eine essentielle und nicht mehr wegzudenkende Grundlage.

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Werner Telesko

WERNER TELESKO ist Gruppenleiter am Forschungsbereich Kunstgeschichte des Instituts für die Erforschung der Habsburgermonarchie und des Balkanraumes (IHB) der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien. Zu seinen Publikationen zählen u. a. Geschichtsraum Österreich: Die Habsburger und ihre Geschichte in der bildenden Kunst des 19. Jahrhunderts, Wien/Köln/Weimar 2006, sowie gemeinsam mit Stefan Schmidl und Susana Zapke Beethoven visuell: Der Komponist im Spiegel bildlicher Vorstellungswelten, Wien 2020.

Published Online: 2025-10-06
Published in Print: 2025-09-25

© 2025 Werner Telesko, published by De Gruyter

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