Werkprofile
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Herausgegeben von:
Oliver Bach
, Andree Hahmann , Stefan Klingner , Udo Roth und Gideon Stiening -
Wissenschaftl. Beratung:
Wiep van Bunge
, Stefanie Buchenau , Corey W. Dyck , Ruth Marion Heinz , Milan Kuhli , Annette Meyer und Martin Mulsow
Die Reihe Werkprofile versammelt textnahe Interpretationen und kommentierte Editionen von umfassenden Werken einzelner Philosophen, Wissenschaftler und Literaten des 17. und 18. Jahrhunderts. Im Fokus stehen Autoren, die in den Diskussionen ihrer Zeit Innovationen angeregt oder Synthesen geleistet haben, deren Bedeutung die Forschung bislang nicht hinreichend wahrgenommen hat. Bei den in der Reihe publizierten kommentierten Ausgaben und begleitenden Analysebänden geht es deshalb um eine genaue Rekonstruktion der internen Strukturen eines Œuvres und der Diskussion seiner theoretischen Leistungen im Kontext des jeweiligen zeitgenössischen Problemhorizontes. In der doppelten Perspektive eines internen wie externen Blicks werden neue sachliche Probleme aufgedeckt und die Genese wie die Produktivität von Theoriezusammenhängen der Aufklärung und Spätaufklärung erhellt. Die Reihe bildet so eine neue Grundlage für die Erschließung der intellektuellen Kultur des 17. und 18. Jahrhunderts.
In Die Natur und das Wesen der Staaten (1760) entwickelt J.H.G. von Justi eine „politische Metaphysik“, die auf Ausbildung einer naturrechtlich fundierten politischen Grundlagenwissenschaft abzielt. Diese ‚Grundwissenschaft‘ soll die apriorischen Fundamente für die empirisch ausgerichteten Forschungen zur Staatsklugheit, zur Polizei- und Verwaltungswissenschaft legen. Zu diesem Zweck betrachtet Justi nicht nur den historischen Ursprung, sondern auch den systematischen Grund der Entstehung von Staaten. Vor allem aber demonstriert er den zentralen Zweck des staatlicher Gemeinwesen, der nach Justi in der Beförderung der „gemeinschaftlichen Glückseligkeit“ von Gemeinschaft und Individuen besteht. Gewichtige Momente eines solchen Staates sieht Justi in der möglichst geringen Einschränkung der natürlichen Freiheit des Menschen, der Einhaltung der juridischen Gerechtigkeit sowie der Ausrichtung des Regierungshandelns auf einen stabilen Frieden. Erweitert werden diese Grundzüge seine Staatstheorie durch eine umfangreiche Regierungslehre und eine Theorie der Gesetze. Auf der Grundlage der Wolffschen Philosophie bietet Justi zudem eine der ersten produktiven Rezeptionen von Montesquieus Geist der Gesetze.
Johann Heinrich Gottlob von Justi (1717–1771) zählt zu den Inauguratoren der Polizei-, Verwaltungs- und Wirtschaftswissenschaften im Zeitalter der Aufklärung. In einer Reihe von Grundlagenwerken hat er diese politische Theorie entworfen und weiter entwickelt. Darüber hinaus publizierte Justi als Philosoph, als Literat und als politischer Publizist. Im Zentrum seiner Überlegungen steht dabei die Annahme, dass sich sowohl Herrscher als auch Untertanen eines Staates um die Beförderung „gemeinschaftliche Glückseligkeit“ des Gemeinwesens und der Individuen zu bekümmern hätten. Auf der Grundlage naturrechtlicher Prinzipien soll dieser „Endzweck des Staates“ durch dessen Institutionen, wie Gerichte, Polizei, Verwaltung, vor allem aber die staatliche Wirtschaftsförderung verfolgt werden. Um diese Aufgabe zu erfüllen, müssen nach Justi jene Institutionen wissenschaftlich erfasst und deren Ergebnisse in der universitären Lehre zukünftigen Staatsbeamten vermittelt werden. Dieses politische Grundkonzept hat Justi nicht nur als Wissenschaftler in der Forschung und Lehre sowie als Polizeidirektor in Göttingen und hoher Verwaltungsbeamter in Berlin zu realisieren unternommen, sondern auch in einer Vielzahl von Satiren und politischen Flugschriften der aufgeklärten Öffentlichkeit näherzubringen versucht.
Das umfangreiche Werk von Carl Christian Erhard Schmid (1761–1812) hat in der Philosophiegeschichtsforschung mit Ausnahme seiner Lehre vom intelligiblen Fatalismus bislang keine Beachtung erfahren. Der vorliegenden Band präsentiert daher Analysen und Interpretationen auch zu den unbekannten Teile dieses Werks wie der Ästhetik, der Logik, der Metaphysik, der Rechtslehre und der Theologie, aber auch seiner Anthropologie, Physiologie. Dem Interesse an diesem Denker liegt die Überzeugung zugrunde, dass er auf diesen Gebieten Arbeiten von hohem Niveau geliefert hat, die bislang zu Unrecht ignoriert wurden. Von nicht geringerem Interesse ist Schmids Einfluss auf die Philosophie der Spätaufklärung sowie der Frühromantik, und zwar sowohl hinsichtlich seiner Bedeutung für die Verbreitung und Weiterentwicklung der Philosophie Kants als auch hinsichtlich seines spezifischen Beitrags zur Ausbildung der nachkantischen Systeme der Philosophie. Erkennbar wird durch den Band die Rolle Schmids als Katalysator der durch die Auseinandersetzung mit Kant bestimmten Phase klassischer deutscher Philosophie; gewürdigt werden seine Anteile an den Debatten über die Entstehung und Entwicklung der monistischen Systeme vor allem Fichtes und Reinholds.
Christoph Meiners (1747–1810) zählte zu den wohl ungewöhnlichsten Mitgliedern der Göttinger Universität, der er von 1767 bis 1810 als Student und Professor angehörte. Dabei bestand das Ungewöhnliche seines Schaffens einerseits in dem schon früh zu verzeichnenden enormen Lektüreumfang, andererseits in der über 40 Jahre anhaltenden Publikationstätigkeit auf nahezu allen Feldern der wissenschaftlichen Philosophie und Historiografie, auf vielerlei Gebieten der zeitgenössischen Popularphilosophie sowie überaus erfolgreich als Reiseschriftsteller. Neben der aus seiner empiristischen Sicht grundlegenden Psychologie und Anthropologie (einschließlich einer umfangreichen Geschlechteranthropologie) bearbeitet Meiners auch die Religions- und Geschichtsphilosophie, die politischen Philosophie und Ethik, die Ästhetik und Philosophiegeschichte. Historiografisch arbeitet er von der Antike über das Mittelalter bis in die unmittelbare Vergangenheit des 17. und 18. Jahrhunderts und dabei ebenso politik- wie kulturgeschichtlich. Die Popularphilosophie bedient er mit Reflexionen zur attischen Liebe ebenso wie zu Epikurs Charakter oder zu den Eleusinischen Geheimnissen. Seine Briefe über die Schweiz werden über die Jahre zu einem Bestseller des Genres.
Sofort nach seinem Erscheinen löste der von Jakob Mauvillon (1743–1794) und Ludwig August Unzer (1748–1774) gemeinsam verfasste Briefwechsel Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter (1771/72) aufgrund der radikalen Kritik etablierter Dichtergrößen einen Sturm der Entrüstung aus. Während im ersten Teil das gesamte dichterische Werk Gellerts kritisch seziert und demontiert wird, was als Ausgangspunkt für weitere Attacken auf Autoritäten der Zeit wie Wieland und Lessing diente, nehmen die Verfasser im zweiten Teil eine Rangordnung der deutschen Dichter vor, indem sie deren Dichtungen einer umfassenden Klassifizierung nach den Gesichtspunkten einer Genieästhetik unterziehen. Die Radikalität ihres ästhetischen Ansatzes spiegelt sich in der zeitgenössischen Kritik wider, die zum Großteil vernichtend war, abgesehen von wenigen Ausnahmen, unter denen vor allem eine Rezension in den Frankfurter gelehrten Anzeigen hervorsticht, die aus der Feder von Goethe oder Merck stammt. Auch wenn die Briefe Ueber den Werth einiger Deutschen Dichter heute nahezu vergessen sind, zeugen Urteile wie diese davon, dass die Streitschrift, rückblickend betrachtet, als »Ferment« einer neuen Kritik im Geiste der Genieästhetik und als Wegbereiter des Sturm und Drang angesehen werden kann.
Jakob Mauvillon (1743–1794) machte sich seit den frühen 1770er Jahren als Literaturkritiker, Religionsphilosoph, Militärhistoriker, politischer Ökonom sowie Gesellschafts- und Geschlechtertheoretiker einen Namen. Dabei verbindet er radikalaufklärerische Positionen – wie der Forderung nach der Abschaffung des Adels oder die Beförderung der Amerikanischen und Französischen Revolution – mit traditionellen Überzeugungen zur christlichen Theologie und gar antikatholischen Ressentiments. Der Band rekonstruiert die unterschiedlichen Reflexions- und Handlungsfelder des Aufklärers und versucht sie – im Hinblick auf den Begriff der Radikalaufklärung sowie das aufklärerische Theorie-Praxis-Verhältnis zu synthetisieren. Mit Beiträgen von Sebastian Abel, Kevin Hilliard, Dieter Hüning, Jutta Heinz, Arne Klawitter, Till Kinzel, Stefan Klingner, Hans-Jürgen Lüsebrink, Martin Mulsow, Ere Nokkola, Hans-Peter Nowitzki, Michael Schwingenschlögl, Gideon Stiening und Udo Thiel.
Als Romancier und Publizist als auch Philosoph und Wissenschaftspolitiker hat Friedrich Heinrich Jacobi in der Zeit um 1800 eine bedeutende Wirkung entfaltet. Der Band führt die auf verschiedene Disziplinen verteilte Forschung zu seinem Werk zusammen und stellt diese zur Diskussion.
Hermann Samuel Reimarus (1694–1768) war eine der bekanntesten und einflussreichsten Persönlichkeiten der deutschen Hochaufklärung. Er lehrte ab 1723 am Gymnasium Johanneum in Hamburg und beschäftigte sich hauptsächlich mit klassischer und orientalischer Philologie. In den 1750ern erschienen seine philosophischen Hauptwerke, „Die vornehmsten Wahrheiten der natürlichen Religion", „Die Vernunftlehre" und die „Allgemeinen Betrachtungen über die Triebe der Thiere", in denen er als Deist, scharfsinniger Naturgelehrter und eigenständiger Logiker hervortrat. Sie stießen auf starkes Interesse und weite Verbreitung über die Grenzen der deutschsprachigen Länder hinweg, wobei ihr klarer und populärer Stil geschätzt wurde. Allerdings wirkte allein seine bibelkritische, nur in Auszügen herausgegebene Schrift „Apologie oder Schutzschrift für die vernünftigen Verehrer Gottes" auch über die Diskussionen des 18. Jahrhunderts hinaus, indem sie Religionskritik wie Theologie bis ins 20. Jahrhundert wiederholt beeinflusste. Der Band gibt einen Gesamtüberblick über das Werk von Reimarus. In Einzelbeiträgen wird dessen Gehalt erschlossen und jeweils durch Rekurs auf die zeitgenössischen philosophischen und wissenschaftlichen Diskussionen kontextualisiert.
Der Band bietet Einblicke in den reichen Kosmos des lambertschen Oeuvres. Neben Texten zur Logik und zu Metaphysik werden auch Beispiele für Lamberts Positionen zur Theologie, zur Politik und zur Ästhetik präsentiert. Dabei wird Lamberts lateinsiche Ästhetik erstmalig in einer Übersetzung vorgestellt. Darüber hinaus bietet der Band die Erstedition einer Auswahl der Gedichte des Berliner Mathematikers und Philosophen. Ein umfangreicher Erläuterungsapparat erschließt die Weite der historischen Kontexte.
Johann Heinrich Lambert (1728–1777) galt schon den Zeitgenossen als Universalgenie von europäischem Rang. Tatsächlich forschte und publizierte Lambert als Mathematiker und Philosoph, und zwar vor allem zur Logik und Metaphysik, zur Erkenntnis- und Sprachtheorie, als Astronom und Physiker. Seinem Aufklärungsverständnis gemäß wirkte er nicht nur mit einer Vielzahl von Publikationen in die Wissenschaften, sondern als Popularphilosoph darüber hinaus auch in die sich ent- wickelnde Gesellschaft und den Staat der Aufklärung hinein. Dass Lambert vor dem Hintergrund dieses Selbstverständnisses als Aufklärer auch Gedichte verfasste, überrascht dabei nicht. Der Band versammelt erstmals Studien zu allen Werkteilen des Berliner Gelehrten.
Von den beiden einleitenden Aufsätzen skizziert der erste die Stellung, die Garves Schrift in der ihr zeitgenössischen Literatur zum Thema einnimmt. Der zweite erläutert jenen auffälligen Abschnitt, in dem Garve der allgemein bekannten Syllogistik – dem Regelwerk für wahrheitserhaltende Schlüsse – eine Wahrscheinlichkeits-Syllogistik an die Seite stellt. Der editorische Teil umfasst, neben Garves Text in Original und Übersetzung, auch Hinweise auf die Entstehungsumstände, die Quellen und die spärliche Wirkungsgeschichte.
Der Band lenkt die Aufmerksamkeit von Philosophen/-innen und Germanisten/-innen auf eine sachlich gewichtige Frühschrift Garves und bietet Zugangshilfen dazu an.
Christian Garves Texte wurden im späten 18. Jahrhundert als heraustragende Beispiele für eine gelehrte und populäre Schreibweise bewundert. Zugleich genoss der Breslauer Aufklärer auch unter Fachkollegen aus der Philosophie und der Philologie große Reputation. Mit seinen Übersetzungen und Kommentaren englischer Autoren und lateinischer Klassiker beeinflusste er Generationen von Literaten und Philosophen. Der Band bietet erstmalig eine zwiesprachige Edition seiner frühen Dissertation zur Logik sowie seine ebenso berühmte wie umstrittene Studie zum Verhältnis von 'Moral und Politik'. Ergänzt wird diese Auswahl aus seinen monographischen Arbeiten durch kommentierte Editionen von Aufsätzen, dem Kommentar zur Fergussson-Übersetzung sowie repräsentative Rezensionen.
Christian Garve (1742–1798) zählte zu den prägenden Philosophen, Übersetzern und Publizisten der europäischen Aufklärung zwischen 1770 und 1800, und zwar sowohl innerhalb gewichtiger Teilbereiche der Fach- oder Schulphilosophie, wie der Moralphilosophie und Politik, als auch im Zusammenhang literarischer und populärphilosophischer Diskurse der sich entwickelnden und an Dynamik gewinnenden Öffentlichkeit. Garve nahm entscheidenden Einfluss auf wichtige Debatten, Kontroversen und Forschungsentwicklungen seiner Zeit; so entwickelte er Vorformen soziologischen Forschens und Argumentierens. Seine durch Friedrich II. angeregte Neuübersetzung und Kommentierung von Ciceros 'De officiis' war nicht nur ein großer Verkaufserfolg, sondern hatte auch immensen Einfluss auf die Debatten zur Moralphilosophie und deren pädagogische Umsetzung im späten 18. Jahrhundert – namentlich auf Kant.
Heinrich Friedrich von Diez (1751–1817) war eine der schillerndsten Figuren der deutschsprachigen Spätaufklärung. Als Philosoph und Publizist schon in frühen Jahren ein Freidenker mit großen Ambitionen und ungewöhnlichen Ansichten – so zu Spinoza oder der Emanzipation der Juden – avancierte er ab den 1780er Jahren zum preußischen Geschäftsträger in Konstantinopel. Hier entwickelte er eine rege politische Tätigkeit, begann aber auch mit orientalischen Studien und der Anlage einer umfangreichen Handschriften- und Büchersammlung. Als Berater Goethes bei dessen Arbeiten zum West-Östlichen Divan konnte er noch im Alter seine umfangreichen Kenntnisse einflussreich vermitteln. Der Band versammelt erstmals Studien zu allen Reflexions- und Handlungsfeldern und aus allen Lebensphasen dieses ungewöhnlichen Aufklärers.
Der in Leipzig lehrende Philosoph und Theologe Christian August Crusius (1715–1775) ist bisher vorwiegend im Rahmen der Kant-Forschung berücksichtigt worden. Dabei war Crusius einer der ersten ernstzunehmenden Kritiker der Philosophie von Christian Wolff, der entscheidende Impulse von Christian Thomasius aufgriff, philosophisch vertiefte und bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts wirkungsvoll tradierte. Der Sammelband nimmt die unterschiedlichen Aspekte des philosophischen und theologischen Schaffens von Crusius in den Blick und rekonstruiert die eigenständige Kontur eines Denkers, der einerseits auf allen Gebieten der Philosophie tätig war und andererseits nach seiner Berufung zum Professor der Theologie ausschließlich an seinem theologischen Œuvre arbeitete. Auf der damit greifbaren Spannung zwischen Philosophie und Theologie liegt ein Hauptaugenmerk des interdisziplinären Sammelbandes.
Dabei ist weder Feders Auseinandersetzung mit Kant auf die Rezension der KrV beschränkt, sondern vielmehr bis in die 1790er Jahre zu verfolgen, noch ist Feders gesamtes Werk und dessen Wirkung auf diese Kontroverse zu beschränken.
Der Band versammelt Studien von Philosophen, Literaturwissenschaftlern und Wissenschaftshistorikern zu allen Werkbereichen Feders, insbesondere zur lange Zeit vernachlässigten Erkenntnistheorie und Psychologie sowie zu seinen weitgehend unbekannten Beiträgen zur Theologie, zur Ethik und zur Rechtsphilosophie.
Johann Georg Heinrich Feders Schriften bieten einen repräsentativen Einblick in die Entwicklung des philosophischen Denkens, die der deutschsprachige Empirismus zwischen den späten 1760er und den frühen 1790er Jahren nahm. Mit dieser ersten, kommentierten Edition der Schriften des berühmtesten zeitgenössischen Kant-Kritikers entsteht ein plastisches Bild der ,Neuen Göttinger Wissenschaften‘ während der Spätaufklärung. Neben zahlreichen Zeitschriftenbeiträgen und Rezensionen werden paradigmatische Auszüge aus schwer zugängigen Monographien Feders präsentiert. So wird erstmals wird Feders einflussreiche Dissertation „De sensu interno“ im Original und in einer Übersetzung vorgestellt. Auch viele der bislang unberücksichtigen Kritiken an Kants Transzendentalphilosophie werden in kommentierter Form präsentiert. Darüber hinaus dokumentiert der Band die Bandbreite des federschen Schaffens in Schul- und Popularphilosophie. Insgesamt entsteht ein facettenreichen Bild der philosophischen und publizistischen Schriften eines der produktivsten Philosophen der Spätaufklärung.
Der Göttinger Philosoph Michael Hißmann (1752-1784), der nicht nur, aber auch seiner materialistischen Positionen wegen ein besonderes Interesse der Philosophiegeschichte verdient, pflegte ein weitgespanntes Netz von Korrespondenzen mit Freunden und Kollegen. Der erst kürzlich wiederaufgefundene Nachlass Hißmanns ermöglicht jetzt eine umfassende Dokumentation dieses Briefwechsels. Zu Hißmanns Briefpartnern gehörten mit Christian Garve, Christian Konrad Wilhelm Dohm, Karl Franz von Irwing und Jakob Mauvillon herausragende Vertreter der intellektuellen Prominenz des späten 18. Jahrhunderts. Beispielhaft lassen sich an diesem Briefkorpus nicht allein die Alltagskultur eines prekären Gelehrtenlebens im späten 18. Jahrhundert nachvollziehen, sondern auch die wissenschaftspolitischen Dimensionen eines radikalaufklärerischen Programms nachzeichnen.
Georg Friedrich Meier (1718-1777) gehörte zu den prägenden Philosophen und Publizisten der europäischen Aufklärung zwischen 1750 und 1780, und zwar sowohl innerhalb aller Teilbereiche der Fach- und Schulphilosophie als auch im Kontext literarischer und populärphilosophischer Diskurse.
Als Professor für Philosophie wirkte Meier zeitlebens in Halle, wo sich nach der 1694 erfolgten Gründung der Universität ein intellektuelles Zentrum der Aufklärung in Deutschland etabliert hatte, das in der Wahrnehmung der Zeitgenossen über das gesamte 18. Jahrhundert hinweg von außerordentlicher Attraktivität war. Als Philosoph zog Meier Studenten aus ganz Deutschland an und hatte somit nicht nur an dieser Entwicklung Halles als geistiges Zentrum, sondern an der deutschsprachigen Aufklärung insgesamt bis in die 1770er Jahre maßgeblichen Anteil.
Stellt man zusätzlich die Wertschätzung in Rechnung, die ihm etwa durch Mendelssohn, Lessing, Herder und Kant zuteil wurde, dann muss erstaunen, dass Meiers bedeutende Stellung in der intellektuellen Landschaft der europäischen Aufklärung noch keine Entsprechung in der Forschung erfahren hat. Diese Lücke schließt der Band, indem er ein Gesamtbild von Meiers Œuvre zeichnet.
Johann Nikolaus Tetens (1736-1807) gehörte zu den prägenden Gestalten der europäischen Aufklärung, und zwar sowohl innerhalb der Philosophie, im Kontext sprachtheoretischer und ästhetischer Diskurse, als auch in einer Reihe von Einzelwissenschaften (etwa der Mathematik und der Naturforschung). All diese Werkbereiche werden im vorliegenden Band von international renommierten Forschern eingehend betrachtet. Tetens hat als einer der ersten deutschsprachigen Autoren die Philosophie John Lockes und David Humes systematisch studiert und für die epistemologischen und moralphilosophischen Diskussionen der Zeit fruchtbar gemacht. Nicht zufällig wurde ihm in den britischen Debatten der Zeit der Titel eines ‚deutschen Locke' verliehen. Er prägte wichtige Debatten, Kontroversen und Forschungsentwicklungen zwischen 1760 und 1790 insbesondere in seinem namhaften Einfluss auf Immanuel Kant. Tetens großer philosophischer Entwurf, Philosophische Versuche über die menschliche Natur und ihre Entwickelung von 1777, zeigt mit allem Nachdruck, dass es eine bedeutende und nachhaltige Rezeption und affirmative Aufnahme des britischen und französischen Empirismus in Deutschland gegeben hat. Dennoch suchte Tetens zugleich, die neuen Einflüsse dieses Empirismus mit den wolffianischen und leibnizianischen Lehren seiner Ausbildung zu vermitteln. Dieser spezifischen Vermittlungsleistung gilt ein besonderes Augenmerk aller Beiträge des Bandes.
Das Werk von 1777 zählt zu den bedeutendsten Veröffentlichungen der Philosophie der Spätaufklärung. In insgesamt 14 umfangreichen Essays versucht Tetens die Grundprobleme der Aufklärungsphilosophie zu lösen. Der Band bietet die erste vollständige und kommentierte Ausgabe dieses opus magnum der empiristischen Spätaufklärung seit der Erstpublikation.
Es gehört zu den wirksamsten Dogmen der Aufklärungsforschung, dass die deutschsprachige Philosophie keine materialistische Theorie ausgebildet habe Die Texte Michael Hißmanns (1752–1784) zeigen dagegen, dass sich im Kontext der Göttinger empiristischen Schule im späten 18. Jahrhundert durchaus ein ambitionierter Materialismus entwickelte. Hißmann hat seine materialistische Grundlagentheorie auf vielerlei Feldern der Philosophie umzusetzen gesucht; so in der Psychologie, Anthropologie, praktischen Philosophie, in den Geschichtswissenschaften, der Sprachphilosophie und Poetik. Vor dem grundsätzlich materialismuskritischen Hintergrund der deutschen Spätaufklärung wirkt diese affirmative Aufnahme und systematische Ausarbeitung eines Materialismus durch Michael Hißmann besonders auffällig, und sie wurde daher von vielen Zeitgenossen argwöhnisch begleitet. Dieser Band versammelt erstmalig Texte Michael Hißmanns aus allen – z. T. schwer zugängigen – Werkbereichen, so den popularphilosophischen „Briefen über Gegenstände der Philosophie“ sowie eine vollständige Präsentation seines Hauptwerkes „Psychologische Versuche“ von 1777. Darüber hinaus werden Studien und Aufsätze zum Naturrecht, zur Philosophiegeschichte und Geschichtsphilosophie sowie zur Religionsphilosophie und Ästhetik vorgestellt und kommentiert, die ein facettenreiches Bild des Materialismus in der deutschen Aufklärung bieten.
Michael Hißmann gehört zu den großen Unbekannten der deutschsprachigen Spätaufklärung in den 1770er und 1780er Jahren. Diese Position gründet vor allem in der materialistischen Konzeption, die der Philosoph im Kontext der Göttinger empiristischen Schule entwarf. Der seit der Mitte 18. Jahrhundert europaweit intensiv diskutierte Materialismus konnte sich in der deutschsprachigen Philosophie der Spätaufklärung schwerer durchsetzen als etwa in England oder Frankreich, da sich in ihr der Einfluss des Leibnizschen und Wolffschen Rationalismus als dominierend erwies. Vor diesem materialismuskritischen Hintergrund wird die affirmative Aufnahme und systematische Ausarbeitung eines Materialismus durch Michael Hißmann besonders auffällig, und sie wurde daher von vielen Zeitgenossen argwöhnisch begleitet. Die Forschung hat sich bisher weder mit der spezifischen Rezeption des Materialismus durch Michael Hißmann noch gar mit dessen eigener materialistischer Philosophie befasst. Auf den Feldern der Psychologie, der Anthropologie, der Metaphysik, der praktischen Philosophie, der Geschichtswissenschaften und Poetik suchte der Göttinger Philosoph seine materialistische Grundlagentheorie zu realisieren.
Johann Georg Sulzer gehörte zu den prägenden Gestalten der europäischen Aufklärung in den 1750er und 1760er Jahren, sowohl in der Philosophie als auch in einer Reihe von Einzelwissenschaften - wie der Mathematik und der Pädagogik - sowie im Kontext literarischer und ästhetischer Diskurse. Federführend nahm er an den wichtigen Debatten, Kontroversen und Forschungsentwicklungen teil, die etwa in Berlin, in Leipzig oder in Paris die Aufklärung beschäftigte. Der vorliegende Band versammelt Studien von Philosophen, Literaturwissenschaftlern und Wissenschaftshistorikern zu allen Werkbereichen Sulzers, insbesondere zur lange Zeit vernachlässigten Erkenntnistheorie und Psychologie. Zugleich wird seine bislang weitgehend unbekannte praktische Philosophie diskutiert. Darüber hinaus werden auch Sulzers Sprach- und Kunsttheorie sowie seine Enzyklopädistik analysiert.
Mit Beiträgen von: Élisabeth Décultot, Werner Euler, Frank Grunert, Jutta Heinz, Marion Heinz, Dieter Hüning, Heiner Klemme, Hans-Peter Nowitzki, Udo Roth, Gideon Stiening, Udo Thiel, Achim Vesper und Falk Wunderlich.
August Wilhelm Rehberg (1757–1836) ist vor allem als konservativer Politiker dargestellt worden, obwohl er bedeutende Beiträge zu metaphysischen, moralphilosophischen und literarischen Diskussionen seiner Zeit verfasst hat. Auch in der Aufklärungsforschung ist er weitgehend in Vergessenheit geraten. Bekannt sind in erster Linie seine kritischen Rezensionen von Kants Kritik der praktischen Vernunft und dessen Gemeinspruch sowie seine konservative Sicht auf die Französische Revolution. Der Wert von Rehbergs Denken beschränkt sich jedoch keineswegs auf seine Beschäftigung mit dem Werk Kants oder sein Hervortreten als einer der Gründer des deutschen Konservatismus. Vielmehr umfasst seine vielfältige intellektuelle Tätigkeit zahlreiche Aspekte philosophischer, mathematischer, politischer, literaturkritischer und historischer Art. Der vorliegende Band lenkt den Blick auf den Philosophen und Publizisten Rehberg und unternimmt es, das einseitige und bruchstückhafte Bild von Rehberg als konservativem Politiker zu überwinden und sein facetten- und einflussreiches Gesamtwerk in den Blick zu nehmen. Damit wird zugleich eine neue Perspektive auf die Philosophiegeschichte der deutschen Spätaufklärung eröffnet.