Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel
Die Beiträge des vorliegenden Bandes thematisieren die ideellen und institutionellen Grundlagen und die Funktionen der Gymnasien sowie ihren Beitrag zur Hellenisierung. Dabei wird insbesondere die Übernahme neuer Funktionen hervorgehoben und nachgewiesen, wie sich diese städtische Institution, die ursprünglich einen Ort adliger Muße und sportlichen Wettbewerbs bildete, auch zum Ort militärischer Ausbildung entwickelte und sich schließlich in ein exklusives Bildungsinstitut verwandelte.
Gab es Intellektuelle in der Frühen Neuzeit? Die bisherige Forschung identifiziert diese soziale Gruppe im Mittelalter und im 19./20. Jahrhundert. Für die Frühe Neuzeit hingegen wird deren Existenz in Frage gestellt. Dem treten die im vorliegenden Band versammelten Aufsätze nachdrücklich entgegen: Die gelehrten Theologen, Juristen, Philosophen, Mediziner des 16. bis 18. Jahrhunderts lassen sich durchaus als geistig / geistlich engagierte Führungsgruppe in Europa identifizieren, die über Standesgrenzen hinweg zusammenarbeitete. In Studien zu einzelnen Sozialgruppen, Personen und Regionen in Europa gelangen die Autoren des Bandes zum Nachweis, dass es tatsächlich Intellektuelle in der Frühen Neuzeit gab. Miteinander verbunden waren sie nicht zuletzt durch eine europaweite Kommunikation über "das Politische", durch eine differenzierte Form der Obrigkeits- und Hofkritik.
Der falken- und hundeheilkundliche Traktat des "Moamin", das wohl meistverbreitete Handbuch seiner Art im Mittelalter, steht seit langem im Blickpunkt der Forschung. Wichtige Fragen, wie die seiner arabischen Quellen, seiner Entstehungs- und Überlieferungsgeschichte und besonders der Rolle, die Kaiser Friedrich II. (1194-1250) dabei spielte, blieben jedoch bislang ungeklärt oder strittig. Der vorliegende Band geht diesen Fragen auf den Grund, indem er die gesamte erhaltene Überlieferung – 40 Handschriften und drei Drucke, in lateinischer, franko-italienischer, italienischer und französischer Sprache – aufarbeitet und detailliert ihre räumliche, zeitliche und inhaltliche Entwicklung nachzeichnet. Er zeigt u. a., wie der ursprüngliche Text aus Tunis an den Stauferhof gelangte, wie er dort, aller Wahrscheinlichkeit nach von Friedrich II. selbst, beträchtlich gekürzt, nicht weniger stark erweitert und sprachlich geschärft wurde und wie die am Stauferhof erfolgte rasche Verbreitung den Erfolg des Traktats, der später zu den Aragonesen und Sforza, zu König Karl VIII. von Frankreich und Kaiser Maximilian I. gelangte, entscheidend beeinflusst hat.
Im Zentrum dieses Bandes steht die Untersuchung des Wechselspiels und der Eigenlogik von Politik, Religion und Philosophie im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit. Untersucht wird die Differenzierung religiöser und politischer Diskurse im Medium der aristotelischen Philosophietradition. Den Leitgedanken bildet dabei die Frage nach der Art und Weise, in der verschiedene Autoren jener Epoche – teils affirmativ, teils polemisch – auf Aristoteles und seine Philosophie Bezug nahmen und so zur Herausbildung einer bestimmten Form von Politischem Aristotelismus beitrugen, der religiöse und philosophische Argumentationen in ihren Geltungsansprüchen kritisch gegeneinander abhebt. Die diachrone Perspektive und die Gleichzeitigkeit von historischer und philosophischer Betrachtungsweise der Studien dieses Buchs fördern nicht nur bedeutende Ergebnisse im Hinblick auf die jeweils untersuchten Autoren und Problemzusammenhänge zutage, sondern erproben anhand des Politischen Aristotelismus zugleich ein Deutungsmuster für das Verhältnis von Wissenskultur und gesellschaftlichem Wandel überhaupt.
Die vorliegende Arbeit geht dem Wandel innerhalb der religiösen Wissenskultur der ländlichen Gesellschaft nach. Am Beispiel des Leseverhaltens, der Teilnahme an kirchlichen Vereinen und Veranstaltungen, aber auch des nonkonformen Verhaltens fragt sie nach dem Wandel der Kirchlichkeit des Einzelnen sowie gesellschaftlicher Gruppen.
In vergleichender Perspektive wird am Beispiel des Oberamts Esslingen (Württemberg) untersucht, wie die evangelische und die katholische Kirche auf diesen Wandel reagierten.
In diesem komplexen Rezeptions- und vor allem Transformationsprozeß werden zugleich die wissenschaftlichen und gesellschaftlich-institutionellen Grundlagen für den okzidentalen Prozeß der Rationalisierung und der Aufklärung gelegt, deren "Dialektik" nicht nur die Geschichte Europas bis zum heutigen Tag bestimmt. Die Beiträge des Bandes vermitteln damit nicht nur einen umfassenden und bisher in der Forschung in dieser Form nicht geleisteten Überblick über Reichweite und Grenzen der epistemologischen Debatten im 12. und 13. Jahrhundert sowie ihren jeweiligen historischen Ort in der Wissenskultur des Mittelalters, sondern stellen darüber hinaus in ihrer Gesamtheit auch einen Beitrag dar zu Fragen der Epistemologie der Gegenwart, etwa zum Problem der Axiomatik der Wissenschaften.
Die Publikation schließt damit nicht nur ein Desiderat in der Erforschung der mittelalterlichen Philosophie, sondern bildet zugleich einen genuinen Beitrag zu gegenwärtigen Fragestellungen der Epistemologie.
Die "Dissoi Logoi" - "Zweierlei Ansichten" - sind ein kurzer Traktat, der als Anhang zu den Schriften des kaiserzeitlichen Skeptikers Sextus Empiricus überliefert wurde. Der von einem anonymen Autor wahrscheinlich an der Wende vom 5. zum 4. Jh. verfaßte Text gibt einen einzigartigen Einblick in die Debatten und den Unterricht der Sophisten. Im Traktat werden am Beispiel verschiedener Gegensatzpaare, dem vom Guten und Schlechten, vom Schicklichen und Unanständigen, vom Gerechten und Ungerechten, von Wahrheit und Falschheit, von Sein und Nichtsein erörtert, wobei an der Debatte weniger der jeweils verhandelte Inhalt interessiert als vielmehr die Argumentationsweise, da gezeigt wird, daß alle Unterscheidungen bloß relativ und damit letztlich gleichgültig seien. Weitere Themen dieser Schrift sind die Lehrbarkeit von Tugend und Klugheit, die richtige Auswahl der Beamten, das für die politische Betätigung und Rede nötige Wissen sowie die Gedächtnistechniken. Das wesentliche Anliegen der vorliegenden Ausgabe besteht darin, diesen Text, der einen unmittelbaren Einblick in die sophistische Lehrsituation bietet, einem weiteren Leserkreis als bislang zugänglich zu machen und nahezubringen - sprachlich durch einen neugestalteten griechischen Text und eine beigegebene moderne deutsche Übersetzung, inhaltlich durch eine eingehende Erläuterung der Argumentation in den einzelnen Kapiteln und Analyse der philosophisch durchaus eigenständigen, häufig unterschätzten Position des Autors und schließlich historisch durch eine Skizze des historisch-politischen und intellektuellen Umfelds, aus dem die Schrift hervorgegangen ist.
Das Gymnasion zählte zu den öffentlichen Einrichtungen, über die eine Stadt im griechisch-hellenistischen Kulturraum verfügen mußte, um den Rang einer Polis beanspruchen zu können. Obwohl einzelne Gymnasien bereits seit archaischer Zeit in griechischen Städten belegt sind, bildete sich das Gymnasion erst in hellenistischer Zeit als öffentlich verwaltete und architektonisch gestaltete Anlage aus. Die Beiträge des vorliegenden Bandes thematisieren die ideellen und institutionellen Grundlagen und die Funktionen der Gymnasien sowie ihren Beitrag zur Hellenisierung. Dabei wird insbesondere die Übernahme neuer Funktionen hervorgehoben und nachgewiesen, wie sich diese städtische Institution, die ursprünglich einen Ort adliger Muße und sportlichen Wettbewerbs bildete, auch zum Ort militärischer Ausbildung entwickelte und sich schließlich in ein exklusives Bildungsinstitut verwandelte.
Institutionen des Wissens dienen der Pflege, Verstetigung oder dauerhaften Bewahrung von tradiertem und der Hervorbringung von neuem Wissen. Die verschiedenen Formen institutionalisierter Wissenspraxis spiegeln in besonderer Weise die Eigenart einer Wissenskultur wider. Zugleich sind sie für die Ausformung der Identität einer Gesellschaft bedeutsam: Wissensinstitutionen stoßen gesellschaftlichen Wandel an, sind aber selbst in diesen eingebunden. In Krisenzeiten, verstanden als eine Art verdichteter gesellschaftlicher Wandel, werden traditionelle Wissensbestände und Weltdeutungen nachdrücklich in Frage gestellt. Zugleich geraten die Institutionen, die dieses Wissen bereitstellen, unter starken Legitimationszwang. Sie sind gezwungen, auf den Relevanzverlust zu reagieren, ihre Aufgaben neu zu bestimmen und sich neu zu strukturieren. Der interdisziplinär angelegte Sammelband, der Fallstudien aus verschiedenen historischen Epochen und Kulturen, untersucht den theoretischen wie praktischen Umgang verschiedener Wissensinstitutionen mit zeitgenössischen gesellschaftlichen und politischen Umbruchssituationen. Dabei wird insbesondere der Frage nachgegangen, in welchem Maße die Bewältigung fundamentaler Krisen durch die Wissensinstitutionen gesellschaftliche und institutionelle Wandlungsprozesse in Gang setzt.
Das vorliegende Buch präsentiert mit der Untersuchung der komplexen historischen und systematischen Voraussetzungen und Konsequenzen des zweiten Anfangs der aristotelischen Philosophie die mittelalterlichen Grundlagen der europäischen Wissenskultur. In der ersten umfassenden Monographie zu Dominicus Gundissalinus (ca. 1110-1190) stellt Alexander Fidora einen herausragenden Vertreter der intellektuellen Revolution des 12. Jahrhunderts mit seinem Beitrag zum zweiten Anfang der aristotelischen Philosophie vor. Der Philosoph und Übersetzer Gundissalinus kann als einer jener frühen Rezipienten der aristotelischen Wissens- und Wissenschaftstheorie gelten, durch deren Rezeption und Interpretation der Stagirite die Physiognomie der abendländischen Wissenskultur nachhaltig bis in die Gegenwart hinein prägen sollte. Dabei verbindet der spanische Gelehrte, der im Spannungsfeld der drei großen abrahamitischen Religionen und ihrer kulturellen Überlieferungen in Toledo wirkte, in origineller Weise Motive des lateinisch-christlichen Denkens mit Elementen der arabisch-jüdischen falsafa und des durch sie der lateinischen Welt erstmals vollständig zugänglichen Corpus aristotelicum zu einem eigenständigen wissens- und wissenschaftstheoretischen Gesamtentwurf, der auch für die zeitgenössischen Diskussionen, etwa zum Status der Metaphysik, nichts an Bedeutung verloren hat.
Dieser Band geht auf ein Colloquium zurück, das vom 7. bis zum 9. November 2001 in Bad Homburg vor der Höhe stattgefunden hat. Er enthält zunächst einmal die je nach dem Bedürfnis oder Geschmack der Verfasser überarbeiteten Vorträge, die dort gehalten worden sind.
Seit einigen Jahren zeichnet sich in der Wissenschaftsgeschichte ein Ende des traditionellen Streites ab, ob man bei der Interpretation der Wissenschaftsentwicklung und allgemein bei der Wissensproduktion entweder vor allem auf die sozialen Faktoren (Organisations- und Vermittlungsformen, ökonomische, politische Einflüsse etc.) zu achten habe oder aber auf die als eigenständig zu begreifenden, wissenschaftsimmanenten ‚geistigen‘ Faktoren, wie Ideen, Begriffe und Methoden. Zunehmend hat sich die Strategie etabliert, das Aufkommen der Unterscheidung zwischen sozial konstruierten und ‚wissenschaftlichen‘ Momenten der Wissenschaftsentwicklung selbst zum Forschungsgegenstand zu machen. Wissenschaft wird in der Folge nicht mehr primär als Theorie begriffen, sondern als bestimmte, mehr oder weniger lokal situierte, kulturelle oder soziale Praxis. Die traditionellen Rechtfertigungskriterien für Wissen (Wissen als wahre und gerechtfertigte Meinung) werden sozial und kulturell kontextualisiert. Die im vorliegenden Band versammelten Aufsätze aus den Bereichen der Philosophie, Geschichtswissenschaft, Wissenschaftstheorie, Wissenschaftsgeschichte, Ethnologie und Soziologie unternehmen es, die neue Situation anhand von Fallstudien und theoretischen Überlegungen aus verschiedenen Perspektiven auszuloten. Mit Beiträgen von: Alexander Becker, Cora Bender ,Wolfgang Detel, Uljana Feest, Gundula Grebner, Hajo Greif, Thomas Kailer, Katrin Koehl, Andreas Niederberger, Alfred Nordmann, Ulrich Oevermann, Trevor Pinch und Claus Zittel.
Was verstand man unter Wissen im 17. Jahrhundert? Welche Ideal des Wissens und welche Kriterien des Wissens wurden formuliert, wie konkurrierten diese Konzepte miteinander, wie und warum wurden einige etabliert, andere nicht? Welche notwendigen und hinreichenden Bedingungen sollten erfüllt sein, damit einer Person Wissen zugeschrieben werden, und welchen Methoden wurden vorgeschlagen, um zu überprüfen, ob Wissensansprüche zu Recht bestehen? Dieser Sammelband vereinigt exemplarische Fallstudien international bekannter Spezialisten in der Erforschung der frühen Neuzeit, die das übliche Verständnis der Beziehung von Wissensidealen und Wissenskulturen unterlaufen. Zumindest in der frühen Neuzeit wurden Wissensideale weitgehend "im Rahmen" bestimmter Wissenskontexte formuliert und auf diese Weise in eine Historisierung hineingezogen. Außerdem waren die verschiedensten Wissensformen, z. B. wissenschaftliche Projekte, politische Entwürfe, konfessionelle Vorstellungen, ästhetische Konzeptionen und autobiographische Selbstbilder auf das Engste miteinander verflochten. Die Beiträge im interdisziplinär angelegten Band betrachten anhand ausgewählter und historisch wichtiger Fälle aus unterschiedlichen Blickwinkeln verschiedene "Methoden" des Erwerbs, der Begründung, Organisation, Darstellung, Anwendung und Vermittlung von Wissen im Europa des 17. Jahrhunderts.
Um den Charakter des Sammelbandes als programmatischem Auftakt zur Schriftenreihe herauszustellen, ersetzt im Folgenden eine Einordnung der Beiträge des Bandes in übergeordnete Fragen des Kollegs eine schlichte Aufzählung und Zusammenfassung: Anhand jener drei Schnittstellen von Wissenskultur und Gesellschaft – Sachkultur, Medien, Institutionen – und von vier Leitfragen, die das Forschungsprogramm des Kollegs maßgeblich prägen, können dessen zentrale Aspekte aus den Beiträgen herausgearbeitet werden.