Beiträge zu Grundfragen des Rechts
Diese Studie widmet sich der Auswertung und Rekonstruktion von Notizen zum jungen Friedrich Carl von Savigny (1779–1861), die Stephan Meder 2024 unter dem Titel »Franz Peter Bremer. Der junge Savigny zwischen Frühromantik und Rechtswissenschaft« herausgab und die vor über 100 Jahren durch den Straßburger Rechtsprofessor Dr. Franz Peter Bremer (1832–1916) in Vorbereitung auf eine große Biografie zu dem Begründer der Historischen Rechtsschule angefertigt wurden. Dabei richtet sich dieses Buch auch an jene, die den sogenannten Bremer-Nachlass nicht kennen. Die Untersuchung zeigt: Das Interesse an ideengeschichtlichen Ansätzen, biografischen Informationen und prägenden Netzwerken ist innerhalb der Savigny-Forschung älter als bisher anzunehmen war.
This study is dedicated to the evaluation and reconstruction of notes on the young Friedrich Carl von Savigny (1779–1861), published in 2024 by Stephan Meder under the title “Franz Peter Bremer. Der junge Savigny zwischen Frühromantik und Rechtswissenschaft” which were compiled over 100 years ago by the Strasbourg law professor Dr Franz Peter Bremer (1832–1916) in preparation for a major biography of the founder of the German historical school of jurisprudence. This publication is also aimed at those who are not familiar with the so-called Bremer-Nachlass (estate of Bremer). The study shows: The interest in approaches to the history of ideas, biographical information and formative networks within Savigny research is older than previously assumed.
Lennard Hermann Oonk untersucht, ob der § 84 HGB als Ausgangsnorm des Handelsvertreterrechts Influencer erfassen kann und ob die §§ 84–92c HGB der Praxis taugliche Instrumente an die Hand geben, um die mit dieser ausschließlich online agierenden Berufsgruppe verbundenen Problemfelder billigen Ergebnissen zuzuführen. Dabei kommt der Autor infolge einer Analyse des Pflichtenkreises der Parteien zu dem Ergebnis, dass die Merkmale des § 84 HGB bei der Installation von Affiliate-Links in Vertragskonstellationen, die sich nicht nur auf das einmalige Hochladen von Beiträgen in sozialen Medien beziehen, regelmäßig kumulativ vorliegen. Die §§ 84–92c HGB würden dabei weitgehend zu in sich konsistenten Ergebnissen führen und seien in der Lage, eine Vielzahl der Konfliktpotentiale nachhaltig interessengerecht zu lösen.
Lennard Hermann Oonk examines whether sec. 84 of the German Commercial Code (HGB) can cover influencers as a basic standard of commercial agency law and whether sec. 84–92c HGB provide practitioners with suitable instruments to bring about equitable results in problem areas relating to this professional group that operates exclusively online. Following an analysis of the parties’ duties, the author comes to the conclusion that the characteristics of sec. 84 HGB are regularly present cumulatively in the installation of affiliate links in contract constellations that do not only relate to the one-time uploading of posts on social media. Sec. 84–92c HGB would largely lead to consistent results and would be able to solve a large number of potential conflicts in a sustainable, interest-oriented manner.
Die Beiträge dieses Bandes behandeln das breite Spektrum historischer und aktueller Problemstellungen eines interessengerechten Urheberrechts. Sie reichen von Textübernahmen in den Werken des Humanisten Conrad Lagus über die Zensurpolitik gegen Gerhart Hauptmanns Sozialdrama »Die Weber« bis zu der Frage, ob ein Mäzen einen Künstler zur Werkschöpfung gerichtlich zwingen kann. Darüber hinaus werden Einblicke in die Frühgeschichte des EDV-Rechts gewährt sowie Aufschlüsse über die Lizenzierung von Plattform-Software und das Leistungsschutzrecht für Presseverleger gegeben. Der Band macht deutlich, dass der in allen Zeiten bestehende Interessenkonflikt zwischen Schöpfer, Verwerter und Nutzer mit vorgefertigten Schablonen nicht zu lösen ist.
The contributions in this volume deal with the broad spectrum of historical and current problems of copyright law. They range from text adaptations in works by the humanist Conrad Lagus to the censorship policy in Gerhart Hauptmann's social drama “The Weavers” (“Die Weber”) and to the question of whether a patron can force an artist to create a work. In addition, insights are provided into the early history of IT law as well as findings on the licensing of platform software and the copyright law for press publishers. The volume makes it clear that the conflict of interests between creator, exploiter and user, which has always existed, cannot be resolved with ready-made templates.
Für die juristische Untersuchung der kolonialrechtlichen Erwerbsprozesse sind die dem deutschen Zivilrecht immanenten Gerechtigkeitsideale und Billigkeitsgrundsätze maßgeblich. Robin Leon Gogol gibt durch eine rechtshistorische Quellenauswertung einen Überblick über das Kolonialrecht und stellt mittels der Untersuchung des rechtlichen Rahmens der deutschen Kolonialisierungsgeschichte die Auswirkungen des Rechts auf die Provenienzforschung fest, um dann abschließend Kategorien rechtlicher Legitimität für den konkreten Einzelfall einer historischen Provenienzprüfung zu erarbeiten. Dabei behandelt er neben abstrakten juristischen Fragestellungen auch die spannende Herkunftsgeschichte der »Federkrone aus Kamerun«, die mutmaßlich vom Besitz des Manga Ndumbe Bell in die Hände des deutschen Missionars Theodor Christaller gelangt ist.
The legal investigation of colonial acquisitions is governed by the ideals of justice and equity immanent in German civil law. Robin Leon Gogol provides an overview of colonial law by evaluating legal-historical sources. Besides, he analyses the legal framework of the German colonisation history and its impact on laws on provenance research in order to elaborate categories of legal legitimacy for an individual case of a historical provenance analysis. In doing so, he addresses abstract legal issues as well as the interesting provenance story of the “Feather Crown of Cameroon”, which presumably passed from the possession of Manga Ndumbe Bell, into the hands of the German missionary Theodor Christaller.
Die Beiträge dieses Bandes behandeln das breite Spektrum historischer Problemstellungen und bis heute ungelöster Fragen eines interessengerechten Urheberrechts. Sie reichen von einem Plagiatsfall des Humanisten Lorenzo Valla über die Kritik an dem Entwurf des Urheberrechtsgesetzes von 1870 bis zu den historischen Hintergründen des urheberrechtlichen Werkbegriffs. Darüber hinaus werden Reformpunkte des Datenschutzrechts und neue Erkenntnisse aus dem Kunstrecht (Provenienzforschung) mit urheberrechtlichen Vorzeichen gewürdigt. Der Band macht deutlich, dass der in allen Zeiten bestehende Interessenkonflikt zwischen Werkschöpfer, Verwerter und Nutzer mit vorgefertigten Schablonen nicht zu lösen ist.
The contributors deal with the wide range of historical problems and unresolved questions of copyright law. They range from a case of plagiarism by the humanist Lorenzo Valla to criticism of the draft copyright law of 1870 and to the historical background of the German concept of a work under copyright law. In addition, reform points of data protection law and new findings from art law (provenance research) are acknowledged with copyright signs. The volume makes it clear that the conflict of interest between creators, users and users, which has always existed, cannot be solved with ready-made templates.
Wie verhält sich das Strafrecht zu Normen und Verhaltensregeln in sozialen Netzwerken? Welche Rechtsqualität und welche Bedeutung besitzt der ›Deutsche Corporate Governance Kodex‹? Ist die Tarif- und Betriebsautonomie nur komplementär zu staatlicher Regulierung oder können Kollektivorgane gesetzliches Arbeitsrecht sogar abwählen? Vermag der Staat in Regelungsregime von Sportverbänden einzugreifen? In einer globalisierten, beschleunigten und zunehmend technologiegestützten Welt konkurriert das Recht des Nationalstaats immer häufiger mit anderen normativen Ordnungen. Dabei wirken außerstaatliche und staatliche Normenregime auf komplexe Weise zusammen, geraten bisweilen aber auch in Konflikt. Die Beiträge beleuchten aktuelle Systeme der Selbstregulierung in verschiedenen Lebensbereichen, bieten innovative Denkanstöße und eröffnen neue Perspektiven auf ein Recht ›jenseits des Staates‹.
How does criminal law relate to norms and rules of conduct in social networks? What is the legal quality and significance of the ‘German Corporate Governance Code’? Is collective bargaining and company autonomy only complementary to state regulation or are collective bodies even able to deselect statutory labour law? Can the state intervene in the regulatory regimes of sports associations? In a globalised, accelerated and increasingly technology-based world, the law of the nation state increasingly competes with other normative orders. In this context, extra-state and state normative regimes interact in complex ways, but sometimes also get into conflict. The contributions examine current systems of self-regulation in various spheres of life, offer innovative impulses for discussion and open up new perspectives on a law ‘beyond the state’.
Die sog. Fehleridentität bei der Anfechtung eines Rechtsgeschäfts wegen Eigenschaftsirrtums nach § 119 Abs. 2 BGB ist die umstrittenste Fallgruppe im Anfechtungsrecht. Die Fehleridentität führt dazu, dass die Anfechtungsnorm nicht nur zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts, sondern auch des (abstrakten) dinglichen Rechtsgeschäfts führt. Ihre Anwendbarkeit wird kontrovers diskutiert. Der Streit geht auf das Abstraktionsprinzip zurück, das zu den charakteristischen Merkmalen des deutschen Zivilrechts gehört und als Vollendung des Trennungsprinzips angesehen wird. Das Trennungs- und Abstraktionsprinzip im Insolvenzverfahren (manifestiert in § 47 InsO), der Grundsatz der Gläubigergleichbehandlung (par conditio creditorum) sowie weitere spezifisch insolvenzrechtliche Wertungen und Maßgaben verhindern, dass ein rechtsgrundlos Verfügender die wirtschaftlich vorteilhafte Stellung eines Aussonderungsberechtigten im Insolvenzverfahren erlangen kann. Vielmehr wird der gemäß § 119 Abs. 2 BGB Anfechtende den gewöhnlichen Insolvenzgläubigern nach § 38 InsO gleichgestellt.
The “identity of errors” (Fehleridentität) in the avoidance of a legal transaction on the grounds of a mistake in property in accordance with section 119 (2) of the German Civil Code (BGB) is the most controversial case in the law of voidability (Anfechtungsrecht). The identity of errors provokes not only the invalidity of the obligatory transaction (Verpflichtungsgeschäft), but also the (abstract) legal transaction in rem. Its applicability has therefore been controversially discussed. The dispute has its origin in the abstraction principle (Abstraktionsprinzip), a characteristic of the German Civil Code, which is regarded as the completion of the separation principle (Trennungsprinzip).
Der Bundesgerichtshof schuf den familienrechtlichen Ausgleichsanspruch 1959, um einen Ausgleich für geleisteten, aber nicht geschuldeten Kindesunterhalt zu ermöglichen. Janina Schaffert zeigt nicht nur die zahlreichen Kritikpunkte an dem Grundsatzurteil sowie der heutigen Ausgestaltung und seiner Durchsetzbarkeit auf, sondern bietet einen Lösungsweg auf Basis des geschriebenen Rechts, dessen Vorteile unverkennbar sind. Anhand der genetisch-historischen Analyse zeigt die Autorin, dass die dem familienrechtlichen Ausgleichanspruch zugrunde liegende Problematik bereits lange vor dem Grundsatzurteil bestand. Die von Janina Schaffert entwickelte Lösung steht daher im Einklang mit der historischen Entwicklung des Regressanspruchs und ermöglicht – im Gegensatz zum BGH – einen gerechten Ausgleich.
1959 the Federal Supreme Court established the family law compensation claim to faciliate compensation in respect of child support which has been paid but is not owed. Janina Schaffert does not only outline the numerous points of criticism of the fundamental judgment as well as the current form and its practicability, but also offers a solution based on written law, of which the advantages are undeniable. The genetic-historical analysis in particular shows that the problem underlying the family law compensation claim existed long before the leading decision. The solution developed by Janina Schaffert is in line with the historical development of the right of recourse and – in contrast to the Federal Supreme Court – enables a fair compensation.
Angestellte Urheber befinden sich in einem rechtlichen Spannungsfeld: Auf der einen Seite steht das urheberrechtliche Postulat des autonomen Schöpfers. Auf der anderen Seite bewertet das Arbeitsrecht den Urheber als einen Kreativen, der seine Arbeitsleistung gegen Geld eintauscht. Wem soll vor diesem Hintergrund das Urheberrecht am Arbeitsergebnis gebühren? Der Gesetzgeber hat den konfliktträchtigen Sachverhalt mit § 43 UrhG nur gestreift. Obwohl das Thema erneut auf Interesse in der Forschung stößt, bildet die rechtshistorische Dimension nach wie vor eine terra incognita. Diese Studie zur Weimarer Republik ist der Versuch, die in der heutigen Rechtsdogmatik kursierenden Vorverständnisse über ›abhängige Autoren‹ durch historische Aufklärung transparent zu machen. In einem Wechselspiel zwischen Anschluss und Distanzierung werden sowohl Angebote für die gegenwärtige Rechtsanwendung unterbreitet als auch kritische Selbstbeobachtungen für die Jurisprudenz im Urheber- und im Arbeitsrecht geliefert.
Employed authors are in a legal area of conflict: On the one hand there is the copyright postulate of the autonomous creator. On the other hand, labor law rates the author as a creative person who exchanges his work for money. To whom should the copyright belong? The legislature only touched on this conflict-prone issue with section 43 UrhG. Although the topic is again of interest in research, the historical dimension continues to be a terra incognita. The present study on the Weimar Republic is an attempt to make the previous understandings of ‘dependent authors’ in today’s legal dogmatics transparent through historical elucidation. In an interplay between connection and distancing, offers are made for the current application of law as well as critical self-observation for the jurisprudence in copyright and labor law.
Rudolf von Jherings wissenschaftliches Werk hat in gleich zweifacher Hinsicht Grenzen gesprengt: zum einen nationale Grenzen im Sinne eines bisher nur in Ansätzen erforschten ›legal transfer‹, der weit über die Grenzen Europas hinausreicht, sowie zum anderen Grenzen zwischen wissenschaftlichen Disziplinen wie Recht, Soziologie oder Kulturanthropologie. Jherings Auseinandersetzung mit den Wechselbeziehungen zwischen Recht und Leben, besonders in seinem Spätwerk »Der Zweck im Recht«, und deren Einfluss auf die Pioniere der Rechtssoziologie ist bis heute kaum untersucht worden. Gleiches gilt für den Umstand, dass umgekehrt auch er selbst unter dem Einfluss verschiedener Naturwissenschaften stand, insbesondere der sich um 1850 revolutionierenden Chemie.
Rudolf von Jhering’s scientific Œuvre broke boundaries in two respects: national borders in the sense of a legal transfer, which extended far beyond the borders of Europe and has to date only been explored to a limited extent, and disciplinary boundaries between law, sociology and cultural anthropology. Jhering’s thorough examination of the interrelations between law and real life, especially in his late work “Law as a Means to an End”, and its influence on the pioneers of legal sociology, has been scarcely explored so far. The same applies to the fact that, he himself was in fact influenced by various natural sciences, especially chemistry, which had been revolutionised around 1850.
Warum hat es kein römisches Urheberrecht gegeben? Hat der Humanist Konrad Lagus die Aequitas-Lehre bei seinem Kollegen Budé einfach abgekupfert? Worum ging es bei dem Kampf zwischen Richard Strauss und Luigi Denza? Wer streitet sich um die »Original-Sachertorte«, und was hat das Foto des toten Bismarcks mit der DSGVO zu tun? Die Beiträgerinnen und Beiträger aus Wissenschaft und Praxis erörtern das breite Spektrum urheberrechtlicher Sachverhalte und Entscheidungen. Inhaltlich behandeln die Beiträge die Geschichte des Urheberrechts in verschiedensten Werkarten. Dabei wird deutlich, dass der in allen Zeiten bestehende Interessenkonflikt zwischen Werkschöpfer, Verwerter und Nutzer mit vorgefertigten Schablonen nicht zu lösen ist. Mit einem Blick »zurück nach vorn« liefern sie Anstöße zum Nachdenken über ein künftiges Urheberrecht.
Why didn’t Roman copyright exist? Did the humanist Konrad Lagus just copy the theory of aequitas from his colleague Budé? What was the dispute between Richard Strauss and Luigi Denza about? Who is litigating against the “original Sachertorte” and what does the photo of the dead Bismarck have to do with the DSGVO? The contributors from science and practice discuss the wide range of copyright cases and decisions. In terms of content, the articles deal with the history of copyright in various types of work. The articles make it clear that the conflict of interest that exists at all times between the creator of the work, the copyright owner and the user cannot be solved with pre-made templates. With a look backwards they provide impulses for thinking about future copyright law.
Carl Bulling gehört zu den ersten Juristen, die die Abschaffung jeglicher Eheherrschaft des Mannes über die Frau postuliert haben. Warum fehlt aber bislang in der rechtshistorischen Literatur eine umfassende Darstellung von Leben und Werk des langjährigen Richters und Rechtsgelehrten? Dafür gibt es mehrere Gründe: Zum einen wurde den Arbeiten der ersten Welle der Frauenbewegung lange Zeit kaum Beachtung geschenkt. Zum anderen sind Bullings Arbeiten im Schnittfeld von Rechtsgeschichte, Rechtsdogmatik, Familienrecht und Rechtspolitik zu verorten. Neben juristischen Quellen wertet Alexander Ihlefeldt daher eine große Bandbreite sowohl philosophischer als auch soziologischer Literatur aus, um die Persönlichkeit Carl Bulling und dessen bedeutendes Werk zu würdigen.
Carl Bulling is one of the first lawyers who have postulated the abolition of any husband’s reign over the wife. Nevertheless, so far the legal historical literature lacks a comprehensive treatise of the life and work of the long-time judge and lawyer. There are multiple reasons for this. On the one hand, the work of the first wave of the women’s movement has for a long time received little attention. On the other hand, Bulling’s works are to be located in the intersection of legal history, legal doctrine, family law and legal policy. In addition to legal sources, the author evaluates a wide range of both philosophical and sociological literature in order to honor the personality of Carl Bulling and his significant work.
Im Gegensatz zu Gewerbetreibenden wurde den freiberuflich Tätigen traditionell eine altruistische Berufseinstellung in ihrer eigenpersönlich und auf Grund der besonders qualifizierten Ausbildung fachlich unabhängigen Berufsausübung zugeschrieben. Diese idealistische Komponente ist heute zunehmend einer marktorientierten Strukturanpassung gewichen. Der Gesetzgeber hat – neben der Entwicklung des vormals »schmutzigen Gewerbes« hin zu einer Dienstleistungswirtschaft – mit der von ihm geschaffenen Heterogenität der freien Berufe im Berufskatalog des §18 Abs. 1 Nr. 1 Einkommensteuergesetz dazu beigetragen, dass beide Erwerbsbereiche kaum noch unterscheidbar sind. Freie Berufe weisen daher keine Wesensmerkmale (mehr) auf, die geeignet sein könnten, ihre bestehende Sonderstellung in der Rechtsordnung zu rechtfertigen.
In contrast to traders, liberal professionals were traditionally regarded as altruistic and independent in pursuing their work due to their high professional qualification. This idealistic component has been replaced by an increasing market-oriented structural adjustment. Apart from the development of the former »dirty trade« to a service-oriented business, the government has contributed to the fact that both sectors are hardly distinguishable by creating a heterogeneity of liberal professions in the job catalogue of section 18 (1) sentence 1 of the German Income Tax law. As a result, liberal professions hardly have any characteristics which are suitable for justifying their existing special role in jurisdiction.
Nach der sog. Ewigkeitsklausel des Grundgesetzes (Artikel 79 Abs. 3 GG) sollen vor allem der Schutz der Menschenwürde und die fundamentalen Staatsstrukturprinzipien des Artikel 20 GG durch keine parlamentarische Mehrheit beseitigt werden können. Die richtige Inhaltsbestimmung der auf diese Weise geschützten Identität des Grundgesetzes kann nur gelingen, wenn die genannten Staatstrukturprinzipien als inhaltliche Präzisierung der Garantenstellung des Staates verstanden werden, die ihn zur Achtung und zum Schutz der Menschenwürde i. S. des Artikel 1 Abs. 1 GG verpflichtet. Daneben hat die Auslegung des Artikel 79 Abs. 3 GG seine besondere Geschichtlichkeit in Rechnung zu stellen, die sich aus dem Charakter dieser Vorschrift als Ausdruck der verfassungsgebenden Gewalt des deutschen Volkes ergibt. Die so bestimmte Verfassungsidentität des Grundgesetzes wird aber, wie in einem besonderen Anhang gezeigt wird, durch die heutige Verfassungswirklichkeit nachhaltig in Frage gestellt. Deshalb schließt Albert Janssen seine Überlegungen mit einigen Reformvorschlägen für das Grundgesetz.
According to the so-called eternity clause of the German Constitution (article 79(3)) the protection of the human dignity and the fundamental state structural principles of article 20 of the German Constitution shall not be abolished by any parliamentarian majority. The correct definition of the content of this protected identity of the Constitution can only be realised if the mentioned state structural principles are understood as a clarification of the guarantor’s position of the state which is committed to respect and to protect the human’s dignity in accordance with article 1 (1) of the German Constitution. In addition, the interpretation of article 79(3) of the German Constitution has to consider the particular historicity which results from the character of this regulation as an expression of the constitutional power of the German people. However, the defined constitutional identity of the Constitution is permanently challenged as demonstrated in the appendix. For this reason, Albert Janssen concludes his thoughts with several reform proposals for the Constitution.
Der unbestimmte Rechtsbegriff des Kindeswohls dient nicht nur als Eingriffslegitimation des Staates bei Gefährdungslagen, sondern wird auch zum Entscheidungsmaßstab. Immer wieder aufs Neue muss er mittels richterlicher Entscheidungen konkretisiert werden – sei es zur Begründung und Ausgestaltung des Sorgerechts oder zur Erfüllung des staatlichen Kinderschutzauftrages. In all diesen Phasen treffen unterschiedliche Interessen und Funktionen aufeinander, um das Beste für das Kind zu erreichen. Der Autor analysiert die daraus resultierenden Besonderheiten für das Kindeswohl. Sein Fazit: Um das gesetzliche Kindeswohlprinzip optimal erfüllen zu können, müssen strukturelle Änderungen in kindschaftsrechtlichen Verfahren sowie beim beruflichen Zugang zu diesen in Kraft treten.
The undefined German legal term “Kindeswohl” (“the best interest and welfare of the child”) not only serves as a legitimization of the state to intervene when a child is in a dangerous situation but also serves as a measuring scale for decisions. Often, the term has to be concretised with the help of legal decisions – both for the support and fulfilment of custody and for guaranteeing the child’s well-being by the state. In all these steps different interests and functions collide in order to find the best solution for the child. The author analyses the resulting peculiarities for the best interest and welfare of the child. His conclusion is as follows: In order to fulfil the legal principle for the best interest and welfare of the child, structural changes in processes concerning the law of parent and child as well as the professional access to these must come into force.
Die dingliche Surrogation, d.h. der Ersatz eines Gegenstands oder Vermögens kraft Gesetzes mit dinglicher Wirkung ohne gesonderten Übertragungsakt, ist ein Element zahlreicher europäischer Rechtsordnungen. Ihre Ursprünge liegen in dem altgriechischen und römischen Zivilrecht. Die bestehenden gesetzlichen Regelungen zur dinglichen Surrogation werfen eine Reihe privat- und vermögensrechtlicher Fragen auf, die nach wie vor nicht vollständig geklärt sind. Die vorliegende rechtsvergleichende Untersuchung beleuchtet die begrifflichen Charakteristika der dinglichen Surrogation, ihre Entwicklung sowie ihre einzelnen Fallgestaltungen im griechischen Zivilgesetzbuch (Astikos Kodikas, AK) und im deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) unter dogmatischen und methodologischen Gesichtspunkten. Die Anerkennung eines umfassenden Surrogationsprinzips könnte es der heutigen Jurisprudenz ermöglichen, eine Lösung für umstrittene Rechtsfragen zu entwerfen.
The surrogation in rem, that is the substitution of an object or assets by act of law with effect in rem without special act of transmission, is an element of numerous European jurisdictions. It has its origin in the ancient Greek and Roman Civil law. The existing legal regulations on surrogation in rem provoke many questions on private and property law, which are still not fully answered. The present comparative law study enlightens the characteristics of the term surrogation in rem, its development as well as several cases in the Greek civil code (Astikos Kodikas, AK) and the German civil code (BGB) under a dogmatic and methodological point of view. The acceptance of a comprehensive surrogation principle might enable modern jurisprudence to formulate a solution for controversial legal questions.
Die Juristische Hermeneutik tritt mit dem 20. Jahrhundert in eine entscheidende Phase: Es handelt sich einerseits um den Abschluss einer langen Tradition der juristischen Interpretation, die den Akzent vornehmlich auf den schöpferischen Charakter der Rechtsanwendung gelegt hat. Andererseits ist das 20. Jahrhundert aber auch ein paradigmatischer Neuanfang. Denn gegen die in jener Zeit zunehmend an Einfluss gewinnende analytische Rechtstheorie formiert sich ein »hermeneutischer Widerstand« durch Gustav Radbruch, Arthur Kaufmann und Winfried Hassemer. Der vorliegende, in Italien bereits erschienene Quellenband versammelt hierzu die wichtigsten Texte mit kurzen Einführungen.
The beginning of the 20th century marks a crucial point in legal hermeneutics: On the one hand, it concerns the ending of a long tradition of legal interpretation which had mainly focused on the creative character of legal application. On the other hand, the 20th century is a paradigmatic new beginning, since Gustav Radbruch, Arthur Kaufmann and Winfried Hassemer form a "hermeneutical opposition" against the increasingly influential analytic theory of law. The present volume, previously published in Italy assembles the most important writings with short introductions.
Die Beiträge dieses Bandes behandeln das breite Spektrum historischer Problemstellungen und bis heute ungelöster Fragen eines interessengerechten Urheberrechts. Sie reichen von Leibniz’ Perspektive auf das Urheberrecht über rechtsvergleichende Aspekte bei der Kunstfälschung bis zur aktuellen Frage nach der Bedeutung eines ontologischen Werkbegriffs. Insgesamt wird deutlich, dass der zu allen Epochen und Zeiten bestehende Interessenkonflikt zwischen Autor, Verlag und Rezipienten mit vorgefertigten Schablonen nicht zu lösen ist.
The contributions in this volume deal with a wide spectrum of historical issues and questions of a copyright in the interest of the parties which have not been resolved until today. They range from Leibniz’s perspective on copyright, to comparative law aspects concerning art forgery and recent debates concerning the meaning of an ontological work notion. The contributions show that the long-time existing conflict of interests between author, publishing house and recipients cannot be solved with preassembled patterns.
Rudolf von Jhering (1818–1892) gehört zu den großen deutschen Rechtsgelehrten mit internationalem Rang. Es gibt auch keinen zweiten Rechtsgelehrten, der in der Mitte seines wissenschaftlichen Lebens die Zäsur seiner rechtsmethodologischen Auffassungen öffentlich so effektvoll zelebriert hätte wie Jhering. Bis heute ist offen, ob und inwieweit er damit der berufene Interpret seiner eigenen früheren Auffassungen war. Die vorliegende Untersuchung nimmt das zum Anlass, um auf Grundlage veröffentlichter und unveröffentlichter Schriften, Briefe und Nachlassdokumente Jherings der Frage nach Kontinuität und Wandel seiner Auffassungen zum Begriff des Rechts und zur Methode der Rechtswissenschaften im zeitgenössischen Kontext von Pandektistik und wissenschaftstheoretischer Diskussion nachzugehen.
Rudolf von Jhering (1818–1892) is one of the most popular German legal scholars of international renown. There has been no other legal scholar who tremendously and publicly celebrated the breach of his legal conceptions in the middle of his scientific career. Until today, it is unclear how and how far he has been the called interpreter of his own early conceptions. For this reason, the present work analyses published and unpublished writings, letters and posthumous documents in order to examine continuity and change of his conceptions on the notion of law and juristic methods in the contemporary context of pandectism and theoretical discussions.
Nach den Erfahrungen mit der willkürlichen Gesetzgebung im Dritten Reich bemühte sich die deutsche Rechtswissenschaft um eine Neubegründung von Recht und Gerechtigkeit, indem sie auf alte Konzepte eines »Naturrechts« zurückgriff. Diese Bemühungen scheiterten jedoch, wie bereits in der Vergangenheit die theoretische Begründung eines Naturrechts gescheitert war. Deshalb dominiert heute wieder der staatliche Rechtspositivismus, doch bleibt das Problem der Autonomie einer bürgerlichen Friedensordnung bestehen. Im vorliegenden Band untersucht der Autor das Verhältnis von Mensch und Staat aus rechtstheoretischer Sicht. Daher ergeben sich neue Ansätze für das Verständnis von Eigentum und Erbrecht, für die seit Karl Marx streitige Frage der industriellen Arbeit, für das Mietverhältnis oder für das Stiftungswesen, deren gesetzliche Regelung die Bedürfnisse der Bürger so wenig befriedigen, wie dogmatische Begründungen dieser Institute fehlen. Gleiches gilt für Ehe und Familie, deren moralische Werte der Gesetzgeber heute glaubt bestimmen zu können. Im internationalen Bereich erklärt der Autor das Wesen der staatlichen Souveränität sowie den Unterschied zwischen Föderationen und Supranationalen Gemeinschaften und fordert eine Reorganisation der Vereinten Nationen, um diese zum Zentrum einer Weltfriedensordnung zu machen.
Following the experiences of arbitrary legislation in the Third Reich, German jurisprudence sought to re-establish law and justice by resorting to old concepts that, under the concept of a “natural law”, were intended to provide access to the foundations of law. However, these efforts also failed, just as the theoretical justification of a natural law had failed in the past. The author first examines the relationship between man and state from a constitutional-theoretical perspective. It thereby becomes apparent that there are new approaches to the dogmatics of the civil law, whose regulation by the legislature seems fundamentally questionable. In the international arena, the author explains the nature of state sovereignty to be an achievement of the international peace order as well as the distinction between federation and supranational community. He also analyses the present form of the United Nations and develops principles for its reorganisation to make it the centre of a world peace order.
Diese Studie stellt den Tatbestand der condictio ob rem vom Kopf auf die Füße. Seit langem wird das in § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB kodifizierte »Rechtsgeschäft« nur noch als Anhängsel des Schuldvertragsrechts marginalisiert oder gar als systemwidrig bezeichnet. Dagegen können historisch-genetische Analysen und dogmatische Rekonstruktionen zeigen, dass der Rechtsgrund der condictio ob rem einen verpflichtungsfreien Kausalvertrag mit konditionaler Verknüpfung eigener Art bildet. Durch Kritik einer von Schuld und Markttausch beherrschten Rechtsdogmatik zeigt Christoph Sorge eine eigenständige Bedeutung der condictio ob rem innerhalb des Verkehrs- und Vermögensrechts auf.
This study turns the facts of the condictio ob rem upside down. The concept of “legal transaction”, codified in Section 812 (1) sentence 2 alt. 2 of the German Civil Code (BGB), has long been marginalised as a mere appendage to the laws governing contractual obligations and even called anti-systemic. Contrarily, historical-genetic analyses and dogmatic reconstructions show that the legal basis of the condictio ob rem constitutes a non-binding, causal contract with conditional links of its own. Through critiquing a legal doctrine dominated by debt and market exchange, Christoph Sorge points out an autonomous meaning of the condictio ob rem within traffic and property law.
Der Rechtstext muss beständig fortgelesen werden, um bestimmte interpretative Positionen nicht auszuschließen. Damit sich der Interpret aus dem Kontinuum immer gleicher Lesungen lösen kann, muss der Text für den Einzug des Anderen offengehalten werden. Die juristische Entscheidung gerät so zu einer verantwortlichen Interpretation des Rechts: Der Freiheit des Interpreten, den Text und seinen pluralen Sinn immer weiter auszuschöpfen, geht die Verantwortung voraus, eben dies zu tun. Dieser Imperativ ruft den juristischen Entscheidungsträger in die Pflicht, den Rechtstext nicht als durch die juristisch dogmatischen Sedimente verschlossen zu betrachten, sondern eine Entscheidung jenseits des juristischen Schematismus zu treffen. Das Buch entwirft eine so verstandene verantwortliche Interpretationstheorie des Rechts.
Legal texts must constantly be read and re-read so as not to rule out certain interpretative points of view. In order for interpreters to be able to disengage from the continuum of invariable interpretation, texts must remain open to permit otherness. Judicial decisions thus constitute the responsible interpretation of the law: the freedom of the interpreter to continuously draw from the texts and their plural meanings is preceded by the responsibility to do just that. This imperative calls upon legal decision-makers to not regard legal texts as shut and sealed by layers of legal dogmatic sediment, but to make their decisions beyond legal schematism. This volume draws up the concept for an interpretative theory of law understood in this way.