Family Values and Social Change
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Herausgegeben von:
Isabel Heinemann
Wie veränderten sich Normen und Werte unter den Bedingungen intensiven sozialen Wandels in der Moderne? Die Familie bildet die ideale Sonde zur Beantwortung diese Frage, da ihr Zustand gemeinhin als Gradmesser für das Wohlergehen der Gesellschaft gilt. Aus diesem Verständnis von „Familie“ als „Basis der Nation“ beziehen Debatten und Expertendiskurse um das dominante Familienideal und den Umgang mit Abweichungen ihre besondere Sprengkraft.
Die Studien der Münsteraner Emmy Noether-Gruppe analysieren den Wandel der Familienwerte und Geschlechternormen in der US-amerikanischen Gesellschaft des 20. Jahrhunderts aus verschiedenen Blickwinkeln: öffentliche Debatten, Experteninterventionen, Umgang mit Minderheiten, Populärkultur. Sie zeichnen ein differenziertes Bild des spannungsreichen Verhältnisses von Norm und Lebenswirklichkeit in den modernen USA.
Fachgebiete
The book analyses the PMRC’s campaign on explicit lyrics and provides insights into their strategy and success from a historical perspective.
In welchem Verhältnis standen Selbstverständnis und Praxis institutionalisierter nichtkonfessioneller sowie katholischer Eheberatungsstellen? In ihrer an der Schnittstelle von Sozialgeschichte, Geschichte der Sozialen Arbeit und Kirchengeschichte angesetzten Studie blickt Vera-Maria Giehler auch auf der Mikroebene in die Beratungssituation selbst. Mit den zum ersten Mal ausgewerteten Briefwechseln, Protokollen und Berichten aus Beratungsstellen soll so eine Forschungslücke zu einem zeitgenössisch viel diskutierten Themenfeld geschlossen werden.
Eheberatung diente den Ratsuchenden, jedoch auch gesellschaftlichen Ordnungsvorstellungen. Die Autorin arbeitet verschiedene Aspekte der Beratungen heraus: individuelle Hilfe, soziale Kontrolle, Institutionalisierung, Professionalisierung sowie Beratende und auch Ratsuchende als die Situation beeinflussende Akteure. Dabei wird eine starke Ambivalenz aufgezeigt – zurückzuführen auf miteinander verwobene institutionelle Ebenen, denen unabhängig agierende Beratende gegenüberstanden. Selbstverständnis und Zielsetzung vorgesetzter Ebene spiegelten sich nur selten in der Praxis, die sich eher an den Bedürfnissen der Ratsuchenden orientierte. Darüber hinaus werden insbesondere die Kontinuität eugenischen Denkens in der nichtkonfessionellen Eheberatung und die weibliche Laienarbeit mit personalem Ehe- und Liebesverständnis in der katholischen Beratung verdeutlicht.
The structure of the African American family has been a recurring theme in American discourse on the African American community. The role of African American mothers especially has been the cause of heated debates since the time of Reconstruction in the 19th century. The discourse, which often saw the African American family as something that needed fi xing, also put the issue of women’s reproductive rights on the political agenda. Taking a long-term perspective from the 1920s to the early 1990s, Anne Overbeck aims to show how normative notions of the American family infl uenced the perspective on the African American family, especially African American women. The book follows the negotiations on African American women’s reproductive rights within the context of eugenics, modernization theory, overpopulation, and the War on Drugs. Thereby it sets out to trace both continuities and changes in the discourse on the reproductive rights of African American women that still infl uence our perspective on the African American family today.
Die Analyse von Normveränderungen auf dem Feld der Familienwerte eignet sich besonders gut, um zu einem breiteren Verständnis gesellschaftlichen Wandels zu gelangen. Dies liegt erstens daran, dass die Familie während des gesamten 20. Jahrhunderts als wichtigste Mikroeinheit der Gesellschaft nach dem Individuum und als zentrale Instanz der Wertevermittlung an die nächste Generation galt. Öffentliche Debatten um die Familie, ihre Strukturen und ihre Werte unterstreichen stets deren Bedeutung für die Gesellschaft. Zweitens entfaltete das Familienideal der weißen „Middle Class" im 20. Jahrhundert eine prägende Wirkung für alle US-Amerikaner/innen. Es diente als Projektionsfläche von Integrations- und Aufstiegshoffnungen, inspirierte aber auch Diversifizierungs- und Abgrenzungsstrategien.
Quellen der Studie sind insbesondere die nationale Tages- und Wochenpresse, Grundsatzentscheide des Supreme-Court und ihre Begründungen, Statements von Präsidenten und ihrer Stäbe, Ratgeber-Literatur und zeitgenössische wissenschaftliche Publikationen sowie Veröffentlichungen religiöser Organisationen und sozialer Bewegungen. Als zentrale Untersuchungsachsen dienen die Kategorien „Race, Class, and Gender" sowie die Frage nach der Gültigkeit des sozialwissenschaftlichen Postulats eines „Wertewandels".
Anhand von Debatten um die Vaterschafts- und Familienkonzepte der Sitcoms Love, Sidney, The Cosby Show und Murphy Brown, die in der medienvermittelten US-amerikanischen Öffentlichkeit Aufmerksamkeit fanden, zeigt Dechert auf, dass die 1980er und frühen 1990er Jahre als komplexe Phase gesellschaftlichen Wandels zu beschreiben sind. Während das Modell der Kernfamilie im Zuge sozialer Bewegungen wie dem Gay Rights Movement, dem Civil Rights Movement oder dem Second Wave Feminism herausgefordert und kritisch hinterfragt wurde, wirkte es dennoch als das weithin etablierte US-amerikanische Familienideal. Im Spiegel von Decherts Monographie erscheint nicht nur die Sitcom als bedeutender Aushandlungsort von Familienwerten, auch die 1980er und frühen 1990er Jahre erscheinen als bedeutende Phase für die Aushandlung von Familienwerten in den USA, in denen das Kernfamilienideal für Minoritäten geöffnet worden ist.
Sowohl in Mexiko als auch in den USA galt im 20. Jahrhundert die Familie als die Basis der Gesellschaft. Idealvorstellungen von Familie unterschieden sich jedoch fundamental. Claudia Roeschs Monographie untersucht mexikanisch-stämmigen Familien und den Wandel von Männlichkeits- und Mutterschaftsnormen im Kontext der amerikanischen Familiengeschichte. Der Fokus liegt auf der Verhandlung von Familiennormen in Sozialexpertenstudien, sowie Maßnahmen von Sozialarbeitern und Bürgerrechtsaktivisten für Familien. Das Buch schließt Forschungslücken in der Geschichte der amerikanischen Familie im 20. Jahrhundert, der Forschung zur Geschichte der Mexican Americans und der Wissenschaftsgeschichte der Sozialwissenschaften. Es schlägt einen Bogen von der ersten Welle mexikanischer Masseneinwanderung der 1910er und 1920er Jahre zu den Neuen Sozialen Bewegungen der 1970er Jahre. In einer Langzeitperspektive werden Einflüsse der Amerikanisierungs- und der Eugenikbewegung, der Modernisierungstheorie, der Psychoanalyse und der Chicano Bürgerrechtsbewegungen in den Blick genommen. So bietet das Buch wichtige neue Erkenntnisse über das Verhältnis von der Verwissenschaftlichung sozialer Arbeit und Familienwerten im Wandel im Zeitalter der Moderne.