Werke und Briefwechsel
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Ludwig Achim von Arnim
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Herausgegeben von:
Roswitha Burwick
Die historisch-kritische Ausgabe der Werke von Ludwig Achim von Arnim (1781–1831) erscheint in Zusammenarbeit mit der Klassik Stiftung Weimar und wird ca. 40 Bände umfassen. Ziel der HKA ist es, das bisher nicht umfassend kritisch erschlossene poetische, diskursive und epistolarische Werk des großen Romantikers und frühen Modernen, der Realismus, phantastische Erfindungsgabe und symbolische Bedeutung auf unvergleichliche Weise verband und der auf allen Gebieten in die Auseinandersetzungen seiner Zeit eingriff, in seinem Lebens- und Zeitkontext und in dem Überlieferungsganzen zu präsentieren. Die Edition erscheint bis zur Publikation des letzten Bandes in Subskription.
Der erste Band der Weimarer Arnim-Ausgabe enthält die frühesten, zwischen 1791 und 1800 entstandenen Niederschriften Achim von Arnims (1781-1831) mit nichtnaturwissenschaftlichem Inhalt. Von keinem anderen deutschen Dichter der klassisch-romantischen Epoche ist wohl ein vergleichbares Korpus an Schüler- und Studentenschriften überliefert. Mit wenigen Ausnahmen sind die Texte bisher unveröffentlicht. Sie gewähren einen Einblick in die Pädagogik und in das Bildungsgut des preußischen Bürgertums im ausgehenden 18. Jahrhundert und dokumentieren, wie sich Arnims vielfältige Interessen aus dem Unterricht und der ergänzenden Lektüre entwickeln. Zum ersten Mal wird deutlich, wie sehr Arnim durch die Berliner Spätaufklärung geprägt wurde. Mit der Vielfalt von Texten, die sich von streng an eine Vorlage gebundenen Arbeiten, Übungen und Abschriften bis zu frei formulierten Aufsätzen oder Reden zu gesellschaftlichen, historischen, philosophischen und strafrechtlichen Themen und mit zum Teil fiktionalem und autobiographischem Inhalt erstrecken, bietet der Band einen Einblick in die Entwicklung des Schülers und Studenten und belegt sowohl seine Interessen für die Wissenschaft als auch seine Neigung zum Poetischen. Arnims frühe Schriften stellen nicht nur für die Romantik-, sondern auch für die schulgeschichtliche Forschung wichtige Quellen dar.
Der zweite Band der Weimarer Arnim-Ausgabe enthält sämtliche veröffentlichten naturwissenschaftlichen Schriften Arnims mit Erläuterungen. Die insgesamt 71 publizierten Texte erschienen in Gilberts »Annalen der Physik«, Scherers »Allgemeinem Journal der Chemie«, und Wolffs »Chemischen Annalen der Literatur«. Arnims Zeitschriftenbeiträge und sein Buch, »Versuch einer Theorie der elektrischen Erscheinungen« (1799), wurden in den einschlägigen Fachzeitschriften, den großen Physikalischen Wörterbüchern (Gehler, Fischer) und Trommsdorffs »Geschichte des Galvanismus« rezipiert. Arnims Publikationen bestehen aus Exzerpten aus französischen Journalen, Rezensionen und eigenständigen Arbeiten zu Elektrizität, Magnetismus und Galvanismus, in denen er sich mit einschlägigen Wissenschaftlern wie Alessandro Volta, Martin van Marum, Alexander von Humboldt, Anthony Carlisle, William Nicholson, Schelling und Ritter auseinandersetzte. Das Arnimsche Werk erfasst damit im wesentlichen das Wissen der zeitgenössischen Naturwissenschaften und liefert mit seinen Berichten und Kommentaren aus aktuellen naturwissenschaftlichen Schriften die Auseinandersetzung mit den gängigen Theorien der Zeit in einem wahrhaft enzyklopädischen Ausmaß. In der Vielfalt der Experimente, der Beschäftigung mit Messinstrumenten, der Zusammenstellung von Ideen, Hypothesen und Theorien und der Aufstellung von Gesetzen steht Arnim in der Reihe der progressiven Naturforscher, die mit ihren Arbeiten richtungweisend für die Zukunft wurden. Auch für den Literaturwissenschaftler ist die Kenntnis von Arnims naturwissenschaftlichen Schriften wichtig, da sie die Grundlage seiner Ästhetik bilden. Erst die Integration der bisher nur parallel laufenden wissenschaftshistorischen und literaturwissenschaftlichen Projekte kann das Werk Arnims einem angemessenen kulturwissenschaftlichen Verständnis zuführen.
Die „Zeitung für Einsiedler“ ist eine der originellsten Zeitschriften der deutschen Romantik. Herausgeber war Achim von Arnim, der das Blatt bewusst ohne Tagesneuigkeiten zunächst als eine Art Anthologie begann. Dieser Charakter wurde immer mehr durch eine Literaturfehde mit dem Homer-Übersetzer Johann Heinrich Voß und dem „Morgenblatt“ verdrängt. Der Kommentar untersucht alle Texte und nonverbalen Beiträge historisch-kritisch.
Arnims Bearbeitung der mittelalterlichen Sage von der Päpstin Johanna, die in typisch romantischer Weise epische, lyrische und dramatische Elemente verbindet, wird in der Forschung mittlerweile als eines der bedeutendsten Werke dieses Autors angesehen und gehört doch zu den am wenigsten bekannten. Die 1812/13 entstandene Dichtung wurde zu Lebzeiten Arnims nicht veröffentlicht und war bislang einzig in einer durch Bettina von Arnim bearbeiteten Fassung im 1846 postum publizierten 19. Band der »Sämmtlichen Werke« Arnims greifbar. Die vorliegende Ausgabe gibt den Text erstmals nach den Handschriften wieder, die glücklicherweise nahezu komplett erhalten sind. Dabei kann die Entwicklung des Werks von ersten Skizzen und Entwürfen über insgesamt vier Vorfassungen bis hin zur Fassung letzter Hand verfolgt werden; eine singuläre Dokumentation der Arbeitsweise des Autors Arnim, wie sie in dieser Vollständigkeit bei keinem anderen seiner dichterischen Hauptwerke möglich ist. Vor allem ist aber mit der »Päpstin Johanna«, die schon von Zeitgenossen des Dichters wie Jacob Grimm mit Goethes »Faust« verglichen wurde, eine der originellsten und reichhaltigsten Schöpfungen Arnims wie der deutschen Romantik überhaupt zu entdecken.
Der Band versammelt erstmals alle Dokumente der deutschen Tischgesellschaft, die am 18. Januar 1811 von L. Achim von Arnim mit Unterstützung Adam Müllers gegründet wurde. Es handelt sich um die bedeutendsten Zeugnisse für das kulturpolitische Engagement der Berliner Romantik mit nationalistisch-antifranzösischer und antisemitischer Tendenz. Zu diesen Texten gehören neben wichtigen patriotischen Liedern und satirischen Tischreden Arnims u.a. Brentanos Satire Der Philister vor, in und nach der Geschichte sowie Beiträge Fichtes (Vorsitzender der Tischgesellschaft ab Mitte 1811) zur Vereinsgeselligkeit.
Mit dem Preußischen Correspondenten wird nach der Zeitung für Einsiedler (WAA Bd. VI) eine zweite Zeitung in die Weimarer Arnim-Ausgabe aufgenommen, für die Arnim als Herausgeber zeichnet. Seine Redaktion fiel in die vier Monate, in denen sich die Herrscher und Völker Europas zusammentaten, um den Eroberer Napoleon zu besiegen – von der „Völkerschlacht" bei Leipzig bis zum Überschreiten der Grenzen nach Frankreich. Der Herausgeber Arnim liefert dazu Berichte unter möglichst vielen Aspekten und informiert gleichzeitig über die Befreiungskämpfe in Nord- und Mittel-Amerika. Neben teils erschütternden Kriegsberichten und trockenen Übernahmen aus zweiter oder dritter Hand schrieb Arnim eigene Texte, um auf das Publikum einzuwirken, es durch Kultur und Kunst zu bereichern und gelegentlich zu erheitern, um ihm Hoffnung zu geben. So wurde der Preußische Correspondent zu einer von der Persönlichkeit des Herausgebers geprägten Tageszeitung, die sich von den übrigen europäischen Presseorganen und den alteingesessenen Berliner Tageszeitungen, der Vossischen Zeitung und der Spenerschen Zeitung, deutlich unterschied.
Mit dem vorliegenden 13. Band der Weimarer Arnim-Ausgabe ergibt sich die Möglichkeit, für dieses kulturhistorisch entscheidende Werk Arnims erstmals eine angemessene Textgrundlegung auf der Basis der Erstausgabe bzw. der Handschriften zu leisten und die Schaubühne zugleich über die Kommentierung in ihrer komplexen Intertextualität aufzubereiten. Die Schaubühne von 1813 ist - abgesehen von dem erneuten Abdruck in den durch Bettine von Arnim herausgegebenen Sämmtlichen Werken - nach 1900 nur in Teilabdrucken publiziert worden. Aufgrund dieser spärlichen Editionslage kann man im Fall der Schaubühne-Dramen von einer - sogar bei Literaturwissenschaftlern - nahezu vollständigen Unkenntnis der zehn darin enthaltenen Stücke ausgehen.
Die Schaubühne für den wissenschaftlichen Diskurs (sowohl für die germanistische als auch für die historische und kulturwissenschaftliche Diskussion) zugänglich zu machen, ist in diesem Sinne ein dringendes Anliegen dieser Ausgabe. Der Band versteht sich als fundierte Forschungsgrundlage für wissenschaftliche Studien und Analysen zum dramatischen Schaffen Arnims und möchte das Interesse an den bislang noch nicht publizierten Stücken und Entwürfen Arnims, deren größter Teil noch zu erschließen ist, wecken.
Der Band enthält die in Arnims Kindheit und Jugend, während seiner Schul- und Universitätsjahre bis zum Beginn der Bildungsreise überlieferten sowie erschlossenen Briefe von ihm (107) und an ihn (94) mit Erläuterungen. Außerdem werden Stammbuch-Eintragungen und Kontextdokumente ediert. Ein erheblicher Teil der Brief- und sonstigen Texte wird erstmals oder erstmals vollständig nach Handschriften gedruckt: 14 von Arnim, 88 von anderen. Wäre die Ausgabe auf die Briefe Arnims beschränkt, wüßte man kaum die Hälfte von dem über ihn, was sich aus dem gesamten Briefwechsel ergibt. Die mit ihm korrespondierenden Naturwissenschaftler verschiedener Disziplinen hatten großenteils wegweisend an den wissenschaftlichen Innovationen um 1800 Anteil. Arnims Schul- und Universitätsfreunde, darunter der Historiker Friedrich von Raumer, gehörten zur geistigen Elite des preußischen Staates im Zeitalter seiner Reform. Und auch Verwandte wie die Großmutter Caroline von Labes und ihr Sohn, der Onkel Hans von Schlitz, waren einflußreiche Zeitgenossen. So kommen mit den drei hauptsächlichen Korrespondentenkreisen des jungen Ludwig Achim von Arnim (1781-1831) - Naturwissenschaftlern, Schülern und Studenten, Familienangehörigen - gesellschaftlich wichtige Gruppen der Übergangszeit um die Jahrhundertwende in Persönlichkeiten zum brieflichen Ausdruck, denen biobibliographische Mitteilungen in einem Verzeichnis der Korrespondenten (im Anhang) zusätzlich Profil verleihen sollen.
Der Band enthält Arnims Briefwechsel während seiner Bildungsreise von Anfang 1802 bis Ende 1804: 117 überlieferte und erschlossene Briefe von ihm, 89 an ihn sowie detaillierte Erläuterungen. Ein erheblicher Teil der edierten Texte, darunter Konzepte und Exzerpte Arnims, wird erstmals oder erstmals vollständig nach Handschriften gedruckt: 29 von Arnim, 28 von anderen. Wesentliche Reisestationen waren Regensburg, Wien, München, der Rhein zwischen Frankfurt und Koblenz, Zürich, Genf, Paris, London, Südengland und Schottland. Arnim korrespondierte mit Familienangehörigen und Reisebekanntschaften, unter denen sich exorbitante Frauen befanden (Madame de Staël, Juliane von Krüdener, Dorothea Veit, Helmina von Chézy, Bettina Brentano). Den Hauptanteil bildet die frühe Freundschaftskorrespondenz mit Clemens Brentano, die während der Arnimschen Reisejahre zu einem der außerordentlichsten Briefwechsel der deutschen Literatur geriet. Er ist nunmehr für die ersten Jahre der Beziehung so vollständig und genau wie möglich dokumentiert. Bedeutsam ist er vor allem wegen der großartigen Unkonventionalität der Briefe, die in der Übergangszeit von der sich auflösenden Jenaer Romantik zur sich herausbildenden Heidelberger eine in ihrer Originalität noch kaum angemessen erfaßte Phase der deutschen Romantik bezeugen. Die Briefe sind großenteils Briefdichtungen nicht nur in dem Sinn, daß sie Gedichte enthalten, sondern vor allem in dem universalpoetischen der frühromantischen Ästhetik. In diesem Sinn bilden sie eine indirekte Gegen- und Komplementärkorrespondenz zum etwa gleichzeitigen Goethe-Schiller-Briefwechsel, dessen Partnern es eher darauf ankam, mittels ihrer Briefe große Kunst statt großer Briefkunst zu produzieren.
Die in diesem Band enthaltenen Briefe von und an Arnim entstammen der Zeit der Vorbereitung, Drucklegung und Frührezeption des ersten Bandes von „Des Knaben Wunderhorn“. Arnims hauptsächlicher Briefpartner in diesen beiden Jahren war Clemens Brentano. Außerdem sind in diesem Band Korrespondenzen mit Brentanos Frau Sophie, geb. Mereau, mit dessen Schwester Bettina sowie Briefe an Goethe von herausragender Bedeutung. Textgrundlagen sind in fast allen Fällen die Handschriften, die so genau wie möglich ediert und erläutert werden.
Der Band enthält die von Anfang 1807 bis Ende 1808 von und an Arnim geschriebenen Briefe, soweit sie überliefert sind oder mit hinreichender Sicherheit erschlossen werden konnten. Mit ihnen endet Arnims in den Bänden 31 und 32 der Arnim-Ausgabe dokumentierte Korrespondenz seiner Reisejahre, die im November 1801 begonnen hatten. Daß Arnim in dieser Zeit zunächst Brentano und dessen Schwester Bettina, dann den Juristen Savigny und 1807/08 auch die Brüder Grimm sowie Görres zu Freunden und Vertrauten gewann, war nicht der geringste Ertrag seiner Peregrination. Da sie alle bedeutende Briefschreiber waren und Gewichtiges mitzuteilen hatten, war der Gewinn der Freunde auch einer für die deutsche Briefliteratur. Insgesamt werden 299 Briefe, Konzepte und Exzerpte von Arnim sowie 203 an ihn ediert oder registriert, außerdem als Anhang I 29 Stammbuch-Eintragungen, als Anhang II 11 Kontextbriefe und Beilagen, als Anhang III und IV zwei Konvolute mit Briefexzerpten. Ein erheblicher Teil der Brief- und sonstigen Texte wird erstmals oder erstmals vollständig nach Handschriften mitgeteilt.