Volume 1, Issue 4

Deutschland wird erneuert. Im Jahr 2003 wurden in diesem Land die tief greifendsten Strukturreformen seit je auf den Weg gebracht. Wir haben in einer außergewöhnlich schwierigen Lage einen Prozess der Modernisierung und Erneuerung eingeleitet, um die Wirtschafts- und Sozialordnung auf die sich wandelnden Bedingungen der Weltwirtschaft und zugleich auf die demografischen Veränderungen einzustellen. Der Erneuerungsprozess erfordert Reformen in fast allen Politikbereichen. Dazu gehören auch neue Verfahren und Instrumente der Politik, die das Verhältnis zwischen Bürger und Staat, aber auch die Strukturen der staatlichen Ordnung an sich auf eine neue Grundlage stellen. Der größte Schritt jedoch ist, dass wir einen Mentalitätswandel im wechselseitigen Verhältnis zwischen Staat und Bürgern eingeleitet haben, der in seiner Wirkung weit über die Summe der einzelnen Reformmaßnahmen hinaus reicht.

Classical theories of bureaucracy, of which that of Max Weber is the most impressive example, seem to be out of kilter with contemporary accounts of change within the civil service in particular and modern politico-administrative systems more generally. Hierarchy and rulebound behaviour seem hard to square with an environment characterised by new public management, “governance” and postmodernity. Is there any case for taking such classical theories of bureaucracy seriously any more? There are two lines of defence of Weberian theory. The least promising defence is one that tries to salvage the reputation of the man – by showing that he was well aware of the fact that states did not run on hierarchies and formal rules and by showing how the idea that empirical reality does not conform to theoretical “expectations” misses the point of the methodology of ideal types. The more promising defence seeks to argue that concepts and ideas found in Weber's analysis have something to offer contemporary discussions of bureaucratic reform by exploring a number of concepts from Weber's sociology of law, including the expansion of free contract, forms of association and forms of contract. Abstract Klassische Bürokratietheorien – darunter auch und gerade jene Max Webers – scheinen auf aktuelle Entwicklungen des öffentlichen Dienstes bzw. moderner politisch-administrativer Systeme nicht mehr anwendbar zu sein. Hierarchie und regelgeleitetes Verhalten sind auf den ersten Blick kaum mit einer Umwelt zu vereinbaren, die durch new public managmement, „governance” und Postmoderne gekennzeichnet ist. Sind solche Bürokratietheorien überhaupt noch zeitgemäß? Man kann die Webersche Theorie auf zwei Arten verteidigen. Wenig ertragreich ist der Hinweis, dass Weber sich sehr wohl bewusst war, dass Staaten nicht aufgrund von Hierarchien und formalen Regeln funktionieren oder dass das Argument, die empirische Realität stimme nicht mit den theoretischen Erwartungen überein, am methodologischen Sinn des Idealtypus' vorbeigeht. Erfolgversprechender erscheint der Versuch, Konzepte und Argumente Webers auf die gegenwärtige Diskussion zur Verwaltungsreform zu übertragen. In diesem Zusammenhang kann man einige Begrifflichkeiten aus seiner Rechtssoziologie mit Gewinn heranziehen, etwa die Entwicklung der Vertragsfreiheit oder die Unterscheidung von Verbands- und Vertragsformen.

Die Ausgestaltung der föderalen Ordnung in Westdeutschland 1948/49 war stärker durch die deutsche Staatstradition als durch externe Modelle geprägt. Trotz erheblichen Widerstands der Alliierten konnte der Parlamentarische Rat seine föderative Konzeption im Grundgesetz festschreiben und bereitete damit dem „unitarischen Bundesstaat” den Weg. Dies zeigt sich gleichermaßen anhand der Verteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten, der Finanzverfassung und der Institution des Bundesrats. Abstract The reconstitution of the federal polity in West Germany 1948/49 was stronger influenced by the German state tradition than by foreign models. Despite considerable opposition of the Allied Forces, the Parliamentary Council succeeded to set its federative concept into the Basic Law, thus paving the way to a “unitary federal state”. This is being documented by the distribution of legislative and executive competencies, the structure of fiscal federalism as well as the institution of the Bundesrat .

Das Land Berlin befindet sich aufgrund seiner außerordentlich hohen Verschuldung in einer extremen Haushaltsnotlage. Nach der Verfassungsrechtsprechung hat das Land in dieser Lage einen Anspruch gegen den Bund auf die Gewährung von Bundesergänzungszuweisungen zur Sanierung, weil es die ihm zumutbaren Konsolidierungsanstrengungen unternimmt, sich jedoch aus eigener Kraft nicht aus der Notlage befreien kann. Die Hilfeleistungspflicht des Bundes findet ihre Grundlage im Bundesstaatsprinzip. Da extreme Haushaltsnotlagen angesichts der Haushaltsprobleme mehrerer Länder auch künftig nicht ausgeschlossen werden können, ist eine Ergänzung der Finanzverfassung um eine Verfahren zur Verhinderung von Haushaltsnotlagen dringend geboten. Abstract The excessive government deficit of the Land Berlin has caused an extreme budgetary situation. In this case the Federal State is obliged to provide for Berlin supplementary federal grants, as long as the Land does not have enough means, but undertakes all reasonable efforts to consolidate its budgetary situation. The principle of federalism is the normative basis for this financial aid. Amendments to the constitution are necessary to prevent excessive government deficits in the future.

Im Baltikum hat die Verfassungsstaatlichkeit wegen der kurzen Zeitspanne seit der Unabhängigkeitswerdung noch keine lange Tradition. Alle baltischen Staaten verfügen jedoch über eine ausgeprägte Verfassungsgerichtsbarkeit; in Lettland und Estland wurde sie in den letzten Jahren umfassend reformiert. Während Litauen und Lettland dem Modell institutionell verselbständigter Verfassungsgerichte folgen, hat Estland eine originelle Sonderlösung entwickelt, bei der die verfassungsgerichtlichen Funktionen bei einem besonderen Spruchkörper des höchsten Gerichts konzentriert sind. Der Beitrag befasst sich mit den verschiedenen Formen der abstrakten, konkreten und inzidenten Normenkontrolle sowie der Rechtssatzverfassungsbeschwerde der Gemeinderäte (Lettland, Estland) und des Bürgers (Lettland), die als Unterfälle des Normenkontrollverfahrens ausgestaltet sind. Außerdem werden die baltischen Lösungen zum Problem des Entscheidungstenors und der Entscheidungswirkung im Falle der Verfassungswidrigkeit von Gesetzen (Nichtigkeit oder Vernichtbarkeit) vorgestellt. Abstract In the newly independent Baltic states, constitutionalism has no long tradition. All three countries, however, have introduced detailed regulations of constitutional review; Latvia and Estonia even saw far-reaching reforms during the last years. Whereas Lithuania and Latvia have institutionalised their constitutional review by separate constitutional courts, Estonia has elaborated an original solution by providing all relevant powers to a special panel at the supreme state court. This article aims at an analysis of the various types of abstract, concrete and “incidental” (“diffuse”) constitutional review in the Baltic states. It furthermore deals with constitutional complaints against laws by city councils (Latvia, Estonia) and citizens (Latvia), being designed as special cases of constitutional review. Finally it is shown how relevant courts formulate the operative part of a judgement and which the legal effects of the judgement are when a law proves to be unconstitutional (nullity or annulment).

I. Einführung Die grundlegende Modernisierung der öffentlichen Verwaltung bildet nach übereinstimmender Meinung der großen politischen Parteien in Bund und Ländern eine entscheidende Zukunftsaufgabe . Blickt man auf die entsprechenden Bemühungen der Gebietskörperschaften, wird allerdings ein Missverhältnis von Ankündigung und Ertrag deutlich. Während auf Bundesebene trotz der Empfehlungen zahlreicher Kommissionen von einer nachhaltigeren Regierungs- und Verwaltungsreform bislang kaum die Rede sein kann, bleiben die Initiativen der Länder meist auf punktuelle Aktivitäten beschränkt. Lediglich im Bereich der Gemeinden findet sich eine Reihe konsequenter Reformen, die allerdings weniger der Einsicht in zum Teil noch vormoderne Verwaltungsabläufe als vielmehr den Zwängen der Haushaltssituation geschuldet sind.

John Gillingham: European Integration 1950–2003. Superstate or New Market Economy? Cambridge: Cambridge University Press 2003, 588 S. ( JJH ) Michael Mitterauer: Warum Europa? Mittelalterliche Grundlagen eines Sonderwegs. München: C. H. Beck 2003, 348 S. ( JJH ) Jörn Leonhard: Liberalismus. Zur historischen Semantik eines europäischen Deutungsmusters. München: Oldenbourg Verlag 2001, 800 S. ( DL ) Thomas Giegerich: Europäische Verfassung und deutsche Verfassung im transnationalen Konstitutionalisierungsprozeß: Wechselseitige Rezeption, konstitutionelle Evolution und föderale Verflechtung. Berlin u. a.: Springer 2003, 1534 S. ( FG ) Gerken, Lüder/Märkt, Jörg/Schick, Gerhard/Renner, Andreas: Eine freiheitliche supranationale Föderation. Zur Aufgabenverteilung in Europa. Baden-Baden: Nomos 2002, 352 S. ( FG ) Weise, Christian/Banse, Martin/Bode,Wolfgang/Lippert, Barbara/Nölle, Ferdinand/ Tangermann, Stefan: Die Finanzierung der Osterweiterung der EU. Baden-Baden: Nomos 2002, 254 S. ( FG ) Ian Shapiro: The State of Democratic Theory. Princeton/Oxford: Princeton University Press 2003, 183 S. ( JJH ) Ezra Suleiman: Dismantling Democratic States. Princeton: Princeton University Press 2003, 327 S. ( JJH ) Am Rande oder: Zu guter Letzt Wilhelm Hennis: Das Problem der Souveränität (1951). Tübingen: Mohr Siebeck 2003, 127 S. ( JJH )