Band 63, Heft 2

Vorspann Der einhundertste Jahrestag des Beginns des Ersten Weltkriegs wurde von einer Debatte von überraschender Wucht begleitet. Im Fokus stand einmal mehr die Frage nach der Verantwortung für seine Auslösung und vor allem die Antwort, die Christopher Clark mit seinem monumentalen Werk „Die Schlafwandler“ darauf gegeben hat. Doch das Echo des Zentenariums war noch viel breiter: Eine Fülle von Veranstaltungen, weitere schwergewichtige Studien und geschichtspolitische Debatten um das deutsche Selbstverständnis. Michael Epkenhans, Leitender Wissenschaftler des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr, nimmt eine kritische Sichtung der intellektuellen Erträge des Gedenkjahres 2014 vor.

Vorspann Der 1919 ins Leben gerufene Völkerbund hat keine gute Presse. Sein Scheitern in den 1930er Jahren überschattet auch die Frühphase seiner Geschichte, die durchaus vielversprechend war. Namentlich die sogenannten Nachfolgestaaten wie Polen, Rumänien, Jugoslawien und die Tschechoslowakei nutzten die Genfer Bühne mit großem Geschick, um ihren nationalen Anliegen Gehör zu verschaffen, wie die französische Historikerin Isabelle Davion zeigen kann. Der Erfolg blieb nicht aus, die Nachfolgestaaten fanden sogar in den besonders strittigen Minderheitenfragen einen gemeinsamen Nenner; allerdings nur so lange, wie der Völkerbund im Spannungsfeld rivalisierender Großmachtinteressen funktionsfähig blieb.

Vorspann Enrico Mattei und Hjalmar Schacht gehören zu den schillerndsten Figuren der europäischen Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Der italienische „Erdöl- Korsar“ und der deutschnationale Finanzjongleur mit dem Ruf eines Zauberers hatten auf den ersten Blick wenig gemeinsam - hier der christdemokratische Kämpfer gegen den Faschismus, dort der ehemalige Bankier Hitlers. Doch sie einte nach 1949 die Überzeugung, Italien und die Bundesrepublik müssten eigene wirtschaftspolitische Akzente setzen, um insbesondere der Dominanz der Vereinigten Staaten etwas entgegensetzen zu können. Zu einem zentralen Feld der Auseinandersetzung entwickelte sich seit den späten 1950er Jahren die Ölpolitik, wobei Süddeutschland als Markt immer stärker in den Blick geriet. Jens van Scherpenberg zeichnet diesen Konflikt nach und fügt der Frühgeschichte des Erdölzeitalters der Bundesrepublik auf der Basis neuer Quellen ebenso neue Akzente hinzu wie der Biographie von Hjalmar Schacht.

Vorspann Gab es doch eine Alternative zur restriktiven Finanz- und Haushaltspolitik der von Heinrich Brüning geführten Präsidialkabinette? Hätte Weimars Ende vielleicht verhindert werden können, wenn der Reichskanzler nicht so stur gewesen wäre und ein französisches Kreditangebot akzeptiert hätte? Paul Köppen bejahte diese Fragen in der Juliausgabe 2014 der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Knut Borchardt, einer der international angesehensten deutschen Wirtschaftshistoriker, entzieht Köppens Thesen die Grundlage; er weist nach, dass es ein französisches Kreditangebot nicht gegeben hat.

Vorspann Weimar steht plötzlich wieder auf der Agenda. Gab es doch mehr Demokraten als bisher angenommen, war das Zukunftspotenzial doch größer? Eng mit solchen Fragen verbunden ist das Problem der „Handlungsspielräume“ der Regierung, das vor zwei, drei Jahrzehnten in einer der faszinierendsten und komplexesten Debatten der deutschen Zeitgeschichte, der sogenannten Borchardt-Debatte, im Zentrum stand. Paul Köppen und Tim B. Müller haben in den Vierteljahrsheften für Zeitgeschichte die Weimar- und Borchardt-Debatte wiederbelebt und damit auch die Politik von Reichskanzler Heinrich Brüning erneut auf den Prüfstand gestellt. Roman Köster, Historiker an der Universität der Bundeswehr in München, setzt sich mit ihren Argumenten kritisch auseinander. Er bietet ebenso souverän Orientierung wie Knut Borchardt, der im selben Heft zu Wort kommt.

Vorspann Franz von Papens Bild in der Geschichte ist nicht zu retten. Auch die hier präsentierten, bisher nur in Auszügen bekannten Briefe an Hitler vom Sommer 1934 werden an diesem Befund nichts ändern. Historisch uninteressant sind sie dennoch nicht, wie André Postert und Rainer Orth zeigen. In ihnen spiegeln sich die letzten Rückzugsgefechte und Hoffnungen des jungkonservativen Lagers, die taktische Schläue Hitlers und - erneut - die Naivität von Papens, die allerdings nicht umstandslos mit Feigheit und Unterwürfigkeit gleichgesetzt werden kann. Ganz einfach war seine Lage nach der „Marburger Rede“ vom 17. Juni und nach dem „Röhm-Putsch“ ja nicht.