REISERECHTHaftungsfalle: ReisereklamationRechtsanwalt Kay P. RodegraDie Fälle von Reklamationen enttäuschter Pauschal-urlauber und damit einhergehende reiserechtliche Klage-verfahren nehmen stetig zu. Nach dem Reisevertrags-recht mit seinen angrenzenden Rechtsvorschriften sindfür den Reisekunden bei der Geltendmachung von Min-derungs- und Ersatzansprüchen einige gesetzliche Vor-gaben zu beachten. Rechtsanwälte, die sich nur seltenmit dem Pauschalreiserecht befassen, können bei der In-teressenvertretung von Reisekunden leicht in einen Haf-tungsfall hineingeraten. Der Beitrag zeigt einen Über-blick über die Form- und Fristvorschriften bei Reisere-klamationen des Pauschaltouristen und enthält Hinwei-se, um das Haftungsrisiko minimieren zu können.Zudem können auch Rechtsabteilungen von Reisever-anstaltern Argumentationshilfen für eine erfolgreicheAbwehr von Minderungs- und Ersatzansprüchen vonReisekunden finden. Kritische Anmerkungen zeigen au-ßerdem auf, dass die gesetzlichen Vorgaben bei der Gel-tendmachung von Ansprüchen resultierend aus einemReisevertrag reformbedürftig sind.I. Anmeldung von Gewährleistungsansprü-chen1. AnmeldebefugnisIn der Praxis zeigt es sich regelmäßig, dass ein Rei-sekunde nicht nur für sich, sondern auch für seinen Rei-separtner oder eine ganze Reisegruppe Ansprüche anmel-det. Grundsätzlich gilt: Abzugeben ist die Anspruchs-anmeldung vom Anspruchsinhaber, d.h. regelmäßig vomReisenden als Vertragspartner oder seinem Bevollmäch-tigten.1a) FamilienreisenBei Familienreisen muss das Familienmitglied, das denReisevertrag für die Familienreise abgeschlossen hat, An-sprüche anmelden. Meldet ein anderes Familienmitglieddie Ansprüche an, so muss es von dem vertragsabschlie-ßenden Familienmitglied dazu bevollmächtigt sein oderihm müssen die Ansprüche abgetreten worden sein.2Fürpersönliche Schadensersatzansprüche ist jedoch zwin-gend, dass diese von jedem Geschädigten selbst geltendgemacht werden müssen. Dieser beruft sich dabei auf ei-nen Vertrag zugunsten Dritter (§328 BGB).3b) GruppenreisenBei einer Gruppenreise ist davon auszugehen, dass dieeinzelnen Reisenden Vertragspartner des Reiseveranstal-ters werden und nur diese aus dem Reisevertrag berech-tigt und verpflichtet werden;4demnach ist jeder Teilneh-mer für sich anmeldebefugt. Bucht jemand für einen Mit-reisenden mit abweichendem Familiennamen, so handelter regelmäßig als Vertreter für diesen, so dass bereits beiReisebuchungen für zwei Personen die Grundsätze füreine Gruppenreise zu beachten sind. Die Regeln für Fa-milienreisen gelten jedoch dann, wenn es für den Reise-veranstalter unschwer zu erkennen ist, dass es sich umein Ehepaar mit unterschiedlichen Nachnamen oder umeine nichteheliche Lebensgemeinschaft handelt.Hat der Anmelder einer Gruppenreise eine eigene Haf-tungserklärung dahingehend unterschrieben, dass er fürdie Verpflichtungen der Mitreisenden einsteht, ist er al-lerdings ermächtigt, für alle Mitreisenden Ansprüche an-zumelden.5Die Teilnehmer einer Gruppenreise könneneinen anderen mit der Anspruchsanmeldung bevollmäch-tigen. Werden Ansprüche wirksam abgetreten, ist zu be-achten, dass die Abtretungserklärung zeitlich vor der An-spruchsanmeldung liegen muss.62. FormDie Anmeldung reisevertraglicher Gewährleistungs-ansprüche ist formlos möglich. In den Allgemeinen Ge-schäftsbedingungen7(AGB) von Reiseveranstaltern fin-det sich gelegentlich eine Klausel, die für die Anspruchs-anmeldung die Schriftform vorschreibt. Eine entspre-chende Schriftformklausel ist jedoch unzulässig, da siesich gegen den klaren Wortlaut des §651g I BGB richtet.8Dem Reisekunden ist jedoch aus Beweisgründen drin-gend anzuraten, seine Reklamation schriftlich vorzutra-gen.3. Inhalta) ReisemängelZur Geltendmachung von reiserechtlichen Gewährleis-tungsansprüchen ist es erforderlich, dass die beanstande-ten Reisemängel im Rahmen der Anspruchsanmeldunggenau bzw. konkretisiert vorgetragen werden. Der Rei-sekunde hat gerade im Hinblick auf den notwendigen In-halt seines Beschwerdevortrages somit einiges zu beach-ten. Es genügt nicht, den Urlaubsverlauf allgemein nega-tiv zu bewerten und nur pauschale Wertungen wie „kata-strophaler Urlaub“, „unhygienische Zustände“ oder„schlechter Service“ vorzutragen.9Eine stichwortartigeBenennung der Mängel reicht jedoch aus, so z.B. Verpfle-gungsmängel, verschmutzter Strand, Fehlen von zugesi-cherten Ausstattungsmerkmalen, Bau-, Verkehrs- oderFluglärm usw. Der Reisekunde braucht seine Ansprüche,die er geltend macht, dabei nicht rechtlich zu qualifizie-ren.10In einem ggf. folgenden Klageverfahren müssen dieeinzelnen Mängelpunkte allerdings substantiiert vor-getragen werden.Aufgrund dieser inhaltlichen Anforderungen an den Be-schwerdevortrag kann es bereits beim ersten Anschrei-ben an den Reiseveranstalter zu Fehlern kommen, diemögliche Minderungs- und Ersatzansprüche des Kundensodann vereiteln. So genügt es beispielsweise nach einerEntscheidung des AG Düsseldorf für den notwendigenInhalt eines Anspruchsschreibens nicht, wenn dieses kei-nerlei Beschreibung eines Mangels beinhaltet, sondernjDer Autor ist Rechtsanwalt in Würzburg und Dozent für Reise- undLuftverkehrsrecht.1 Palandt/Sprau, BGB-Kommentar, 68.Aufl. 2009, §651g BGB Rz.2.2Führich, Reiserecht, 5.Aufl. 2005, Rz.452; ebenso OLG Düsseldorf,Urt. v. 18.6.2003 – I-18 U 230/02, RRa 2003, 211ff.3 Vgl.Tonner, Der Reisevertrag, 5.Aufl. 2007, §651g BGB Rz.21.4 OLG Frankfurt, Urt. v. 24.5.2004 – 16 U 167/03, RRa 2005, 23ff.5 EbensoFührich, s.Fn.2, Rz.452.6 AG Hamburg-Altona, Urt. v. 12.7.2001 – 318 cC 128/00, RRa 2001,5ff.; ebensoFührich, s.Fn.2, Rz.452.7 In der Reisebranche werden AGB zumeist als Allgemeine Reisebedin-gungen (ARB) bezeichnet.8 BGH, Urt. v. 22.3.1984 – VII ZR 189/93, MDR 1984, 749 = NJW1984, 1752f.; ebenso Palandt/Sprau, s.Fn.1, §651g Rz.2;Tonner,s.Fn.3, §651g BGB Rz.2.9 Ebenso AG Kleve, Urt. v. 9.3.2001 – 3 C 445/00, RRa 2001, 122.10Tonnerin MünchKomm/BGB-Komm., Band 4, 5.Aufl. 2009, §651gBGB Rz.24.Rodegra782MDR 14/2009Haftungsfalle: Reisereklamation