Die Ungleichbehandlung der Veräußerung von Anteilen an inländischen und ausländischen Kapitalgesellschaften in 2001 auf dem verfassungs- und europarechtlichen Prüfstand
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Randolf Schnorr
Abstract
Dem AdV-Beschluss des VIII. Senats des BFH vom 14.2.2006 VIII B 107/04 liegt eine Fragestellung von erheblicher praktischer Bedeutung als auch von hohem systematischen Stellenrang zugrunde. Durfte der deutsche Gesetzgeber bei der Veräußerung von Auslandsbeteiligungen die abgesenkte Beteiligungsschwelle von1%in § 17 EStG i.d.F. des Steuersenkungsgesetzes (§ 17 n.F.) schon im Jahre 2001 zur Anwendung bringen, obwohl diese bei der Veräußerung von Inlandsbeteiligungen im Grundsatz erst ab 2002 galt? Damit verknüpft ist die allgemeine Frage nach den verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Vorgaben, nach denen ein nationaler Gesetzgeber im Rahmen eines Systemwechsels (hier: Übergang vom Anrechnungs- zum Halbeinkünfteverfahren) einen nur schrittweisen Gleichlauf der Besteuerung inländischer und ausländischer Anteilseigner von Kapitalgesellschaften vorsehen darf. Da nach Ansicht des BFH ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit der Anwendungsregelungen zu § 17 EStG n.F. in §52 Abs. 34a und Abs.1 EStG mit Art. 56 EGV bestehen (vgl. Beschlussgründe unter II 4), hat er zu Vereinbarkeit der Ungleichbehandlung mit Art.3 Abs.1 GG nicht mehr Stellung beziehen müssen. Die Kohärenzprüfung nach Europarecht fällt dabei, aufgrund der vom EuGH insoweit aufgestellten strengen Kriterien, im Vergleich mit der ausdifferenzierten Rechtfertigungsprüfung nach Verfassungsrecht, wie nachfolgend zu sehen, eher schematisch aus. Insoweit zeigt der Fall exemplarisch die Schwachstelle der derzeitigen Anwendung der Grundfreiheiten auf das Gebiet der direkten Steuern. Vokabeln wie gesetzgeberische Einschätzungsprärogative, Folgerichtigkeit sowie Pauschalierungsbefugnis sind dem EuGH fremd, was zu einer bedenklichen Einschränkung der Handlungsspielräume des nationalen Gesetzgebers führt.
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