Dürfen Auftraggeber auf Aussagen der Bieter vertrauen?
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Andrea Heim
Zusammenfassung
Ein öffentlicher Auftraggeber steht im Vergabeverfahren vor der Herausforderung, den „besten“ im Sinne von fachkundigen und leistungsfähigen (vgl. § 122 Abs. 1 GWB) sowie wirtschaftlichsten Bieter (vgl. § 127 Abs. 1 GWB) für die von ihm ausgeschriebene Leistung auszuwählen. Grundlage dieser Entscheidung bilden die vom öffentlichen Auftraggeber für das konkrete Vergabeverfahren festgelegten Anforderungen. Im Wesentlichen sind dies die Eignungs- und Zuschlagskriterien, die Leistungsbeschreibung und der Vertrag sowie die von den Bietern mit dem Teilnahmeantrag bzw. Angebot eingereichten Unterlagen und (Eigen)Erklärungen, anhand derer der Auftraggeber den Bestbieter ermittelt.
Doch wie weit darf der öffentliche Auftraggeber den darin enthaltenen Aussagen der Bieter vertrauen? Für die praktische Durchführbarkeit des Vergabeverfahrens ist ein gewisses Vertrauendürfen in diese Unterlagen und Angaben unerlässlich. Anlassbezogen bedarf es indes einer sorgfältigen Überprüfung, um einerseits die Integrität des Vergabeprozesses und andererseits das ureigene Interesse des öffentlichen Auftraggebers an einer der Leistungsbeschreibung entsprechenden Durchführung des vergebenen Auftrags zu schützen. Die Verantwortung des öffentlichen Auftraggebers bei der Auswahl des Bestbieters betrifft mitunter gleichermaßen die Vergaberechtskonformität des Verfahrens als auch die reibungslose Abwicklung des bezuschlagten Auftrags in der Vertragsausführungsphase.
Dieser Beitrag beleuchtet unter Einbeziehung aktueller Rechtsprechung der Vergabekammern und Oberlandesgerichte, in welchem Umfang Bieteraussagen als vertrauenswürdig und verlässlich gelten dürfen und unter welchen Voraussetzungen der öffentliche Auftraggeber in die Pflicht genommen wird, weitergehende Prüfungen vorzunehmen. Dies mit dem Ziel, sowohl vergaberechtskonform zu handeln als auch – nach Abschluss des Vergabeverfahrens durch Zuschlagserteilung – tatsächlich die ausschreibungsgegenständlichen Leistungen zu erhalten.
Abstract
May public contracting authorities rely on statements made by bidders?
Within the framework of public procurement procedures, public contracting authorities are required to scrutinize the performance promises made by bidders with particular care. As a general rule, they may rely on the self-declarations and performance commitments submitted by bidders. However, this trust is not unconditional: As soon as there are concrete doubts regarding the accuracy or consistency of the information provided, public contracting authorities are obliged to actively investigate and take appropriate measures to verify such information. The decisive criterion in this context is always plausibility, which demands an assessment of the bidders’ statements as comprehensible, logical, and credible. These verification obligations arise both from public procurement law requirements and from the public contracting authority’s own interest in ensuring proper and economical contract performance.
The conclusion is therefore as follows: Trust in the statements made by bidders is a necessary element of efficient procurement processes. However, appropriate control remains indispensable to ensure legally and economically sound outcomes in public procurement.
© 2025 RWS Verlag Kommunikationsforum GmbH & Co. KG, Aachener Str. 222, 50931 Köln.
Artikel in diesem Heft
- Cover
- Inhaltsverzeichnis
- Veranstaltungshinweise
- Aufsätze
- The EU’s Foreign Direct Investment Trilemma
- Kartellrechtskonforme Ausgestaltung von Zugangsbeschränkungen im Sport
- Dürfen Auftraggeber auf Aussagen der Bieter vertrauen?
- Entscheidungsbesprechung
- Zuständigkeit, Zustellung, Rechtsfähigkeit? – Die Reichweite der wirtschaftlichen Einheit im Kartellschadensprozess nach den Entscheidungen Rs C-425/22 – MOL und Rs C-632/22 – Volvo des EuGH
- Verhaltensweisen, die „ihrem Wesen nach“ gegen Art. 102 AEUV verstoßen? – Eine Spurensuche in der European Superleague-Entscheidung
- Impressum
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