Kaiser in der Krise – religions- und rechtsgeschichtliche Aspekte der ,Familienmorde' des Jahres 326
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Konstantin Olbrich
Zusammenfassung
Die Festlegung des Konzils von Nicaea auf Wesensgleichheit von Gottvater und Gottsohn konnte im Jahr 325 nicht allein als dogmatische Entscheidung verstanden werden: Vielmehr wurde damit in der Tradition römischer Herrscherideologie, welche den Kaiser durchgängig als lebende Gottheit verstand, in für die Öffentlichkeit erkennbarer Weise das Verhältnis zwischen dem Kaiser und Crispus als gleichrangig präfiguriert, nachdem deren gemeinsamer Sieg über Licinius bereits 324 mit dem Zusammenwirken zwischen Gottvater und Christus verglichen worden war. Damit war in der Nachfolgefrage eine Vorentscheidung zu Lasten der Söhne Faustas getroffen. Die Familienkrise des Jahres 326, in deren Verlauf Crispus hingerichtet, Fausta jedoch ermordet wurde, dürfte hierdurch mitverursacht worden sein. Rechts- und religionsgeschichtliche Argumente legen nahe, daß es sich beim anschließenden Palästinaaufenthalt der Kaiserin Helena um ein Ehrenexil handelte. Dies dürfte die einzige Möglichkeit dargestellt haben, mit welcher der Kaiser eine persönliche Beteiligung seiner Mutter an den Ereignissen von 326 ahnden konnte.
Abstract
The decision for consubstantiality of God Father and Son taken by the Nicene council of 325 cannot, in a 4th C. environment, have been understood as being of solely dogmatic nature: In the tradition of a long standing Roman imperial ideology defining the Emperor as living deity, it must have been likewise understood by the Roman public as prefiguring an equal ranking between Constantine and Crispus, whose conjoint victory over Licinius had been compared to the interaction of God the Father and Christ as early as 324. This was a decisive step towards settling the issue of succession at the expense of Fausta′s sons. The family crisis of 326, in the course of which Crispus was executed, whereas Fausta was murdered, may partly have been provoked hereby. Considering the following events from standpoints of legal and religious history, Empress Helen′s journey to Palestine appears to have been an honorary exile rather than a pilgrim age. It seems to have been the sole possibility for the Emperor to redress his mother′s personal participation in the events of 326.
© by Akademie Verlag, Berlin, Germany
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