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AR-basierte, interdisziplinäre Fabrikplanungsprojekte

Methode zur Mitarbeitendenpartizipation
  • Olivia Bernhard

    Olivia Bernhard, M. Sc., geb. 1996, studierte im Bachelor Wirtschafsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau an der Technischen Universität Darmstadt. Anschließend absolvierte sie ihr Masterstudium in Entwicklung, Produktion und Management im Maschinenbau an der Technischen Universität München. Seit 2022 ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Produktionsmanagement und Logistik am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) tätig.

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    , Caroline Colsman

    Caroline Colsman, B. Sc., geb. 2001, ist derzeit Masterandin im Studiengang Maschinenwesen an der Technischen Universität München mit den Schwerpunkten Fabrikplanung und Veränderungsmanagement. Seit 2023 arbeitet sie als wissenschaftliche Hilfsmitarbeiterin am iwb.

    and Michael F. Zäh

    Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh, geb. 1963, ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhles für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Technischen Universität München. Nach dem Studium des allgemeinen Maschinenbaus promovierte er bei Prof. Dr.-Ing. Joachim Milberg. Von 1996 bis 2002 war er bei einem Werkzeugmaschinenhersteller in mehreren Funktionen tätig. Gemeinsam mit Prof. Rüdiger Daub leitet er das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb).

Published/Copyright: March 21, 2025

Abstract

Die produzierende Industrie steht zunehmend vor komplexen Herausforderungen, die sich aus der Globalisierung, den kürzeren Produktlebenszyklen und den gestiegenen Anforderungen an die Nachhaltigkeit ergeben. Herkömmliche Fabrikplanungsmethoden, die häufig ohne Einbezug der Produktionsmitarbeitenden durchgeführt werden, stoßen dabei an ihre Grenzen. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, wird in diesem Beitrag eine Methode zur Mitarbeitendenpartizipation in Augmented Reality (AR)-basierten, interdisziplinären Fabrikplanungsprojekten vorgestellt. Der Einsatz von AR ermöglicht es, komplexe Sachverhalte verständlicher darzustellen und so die Zusammenarbeit zwischen Produktionsmitarbeitenden, Fabrikplanenden und Führungskräften zu fördern und damit die Qualität von Planungsprozessen zu steigern.

Abstract

The manufacturing industry is facing increasingly complex challenges due to globalization, shorter product lifecycles, and increased sustainability requirements. Traditional factory planning methods, often conducted without the involvement of production workers, are reaching their limits. To address these challenges, this article presents a method for employee participation in Augmented Reality (AR)-based, interdisciplinary factory planning projects. The use of AR makes it possible to present complex issues in a more understandable way, thus promoting cooperation between production workers, factory planners, and managers, and thereby improving the quality of the planning processes.

Einleitung

Die produzierende Industrie steht angesichts der Globalisierung, verkürzter Produktlebenszyklen und steigender Nachhaltigkeitsanforderungen vor großen Herausforderungen [1]. Diese erfordern kontinuierlich angepasste und interdisziplinär ausgerichtete Fabrikplanungsprozesse. Traditionelle Planungsmethoden, die ohne die Einbeziehung der Produktionsmitarbeitenden durchgeführt werden, stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Verlängerte Inbetriebnahmezeiten, kostenintensive Nachbesserungen und eine geringere Akzeptanz der geplanten Maßnahmen sind die Folge [2].

Eine interdisziplinäre Fabrikplanung, die die Zusammenarbeit von Produktionsmitarbeitenden, Planenden und Führungskräften fördert, gewinnt dabei sehr stark an Bedeutung. Ein vielversprechender Ansatz zur Unterstützung dieses Prozesses ist der Einsatz von Augmented Reality (AR). Diese Technologie erleichtert das Verständnis und die Akzeptanz komplexer Inhalte durch virtuelle Überlagerungen der realen Umgebung [3, 4].

In diesem Beitrag wird eine Methode zur Mitarbeitendenpartizipation (MiPa) in AR-basierten Fabrikplanungsprojekten entwickelt. Ziel ist es, die Zusammenarbeit zu fördern, die Prozessqualität zu verbessern und die Umsetzung von Veränderungen zu erleichtern. Auf Basis einer systematischen Literaturrecherche und Expertenbefragungen werden sowohl technische als auch organisatorische Anforderungen berücksichtigt und innovative Wege zur MiPa aufgezeigt.

Rollen und Partizipation in der Fabrikplanung

Fabrikplanung ist ein strukturierter und iterativer Prozess, der die Planung, die Gestaltung und die Optimierung von Fabriken umfasst [5]. Durch eine zielorientierte Planung soll eine wirtschaftliche, flexible, wandlungsfähige und attraktive Fabrik geschaffen werden [6]. Die systematische Strukturierung des Fabrikplanungsprozesses ermöglicht eine effiziente und zielgerichtete Realisierung von Fabrikplanungsprojekten [7]. Insgesamt lässt sich der Prozess in sieben Phasen unterteilen (vgl. Bild 1), beginnend mit der Konzeptentwicklung und endend mit der Inbetriebnahme der Produktion [6]. Dabei können Fabrikplanungsprojekte eine Vielzahl von Anwendungsfällen abdecken, die den gesamten Fabrikplanungsprozess umfassen. Anwendungsfälle stellen dabei spezifische und situationsbezogene Aufgaben bzw. Szenarien innerhalb der Fabrikplanungsphasen dar, die sich alle den vier übergeordneten Anwendungsfällen Fertigungs- und Logistikprozesse, Flächenvisualisierung, Layoutumgestaltung und Kollisionsprüfung zuordnen lassen [5]. Eine Zuordnung der Anwendungsfälle zu den Fabrikplanungsphasen ist ebenfalls in Bild 1 dargestellt.

Bild 1 Der Fabrikplanungsprozess und Einordnung etablierter Anwendungsfälle in den Fabrikplanungsprozess
Bild 1

Der Fabrikplanungsprozess und Einordnung etablierter Anwendungsfälle in den Fabrikplanungsprozess

Der vorliegende Beitrag fokussiert sich auf interdisziplinäre Fabrikplanungsprojekte, die die Komplexität eines Planungsprozesses durch die Kombination unterschiedlicher Perspektiven, beispielsweise in Form von Fachbereichen, adressieren. In der wissenschaftlichen Literatur werden die Begriffe „interdisziplinär“ und „kollaborativ“ häufig synonym verwendet, weshalb im Folgenden eine terminologische Abgrenzung vorgenommen wird. Die beiden Begriffe lassen sich insofern voneinander abgrenzen, als dass Kollaboration einen Zustand beschreibt, in dem eine Aufgabe von Menschen in enger Zusammenarbeit gemeinsam bearbeitet wird [8]. Dadurch kann ein tieferes Verständnis der Aufgabe erreicht werden, da alle Beteiligten ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zusammenführen [9]. Der Begriff der Interdisziplinarität bezeichnet ebenfalls einen Zustand enger Zusammenarbeit, beispielsweise zur Lösung einer Aufgabe [10]. Im Gegensatz zur Kollaboration arbeiten hier jedoch Personen aus unterschiedliche Disziplinen zusammen [11].

Innerhalb der Fabrikplanung lassen sich die verschiedenen Disziplinen den drei Rollen Produktionsmitarbeitende, Fabrikplanende und Führungskräfte zuordnen [12, 13]. Durch die Einbindung der Produktionsmitarbeitenden kann neben der Qualität auch die Akzeptanz des Planungsprojekts und des -ergebnisses erhöht bzw. sichergestellt werden [5]. Die zentrale Rolle in einem interdisziplinären Planungsprojekt kommt den Fabrikplanenden zu. Sie stellen zudem die Schnittstelle zwischen den Produktionsmitarbeitenden und den entsprechenden Führungskräften des Unternehmens dar. Beginnend mit der Zieldefinition und der damit verbundenen Anforderungsdefinition in Abstimmung mit dem produzierenden Unternehmen bis hin zur Überwachung der Hochlaufphase begleiten und steuern die Fabrikplanenden das Projekt durch alle Phasen des Fabrikplanungsprozesses [5]. Auch den Führungskräften kommt im Planungsprozess eine entscheidende Rolle zu. Sie geben beispielsweise die strategischen Unternehmensziele und die damit verbundenen Priorisierungen vor, welche als Leitfaden für den gesamten Planungsprozess dienen. Darüber hinaus stellen sie Informationen über verfügbare Ressourcen und Daten bereit [5]. Die Zuordnung der Rollen zu den Phasen des Fabrikplanungsprozesses ist ebenfalls in Bild 1 dargestellt.

Die Einbeziehung von Produktionsmitarbeitern, Fabrikplanenden und Führungskräften in den Fabrikplanungsprozess bietet eine Reihe von Vorteilen, wie z. B. die Symbiose bei der Nutzung von rollenspezifischem Wissen oder Erfahrungswerten, durch die die Planungsqualität erhöht werden kann [2, 6, 13]. Bei der Bereitstellung von Wissen ist zwischen explizitem und implizitem Wissen zu unterscheiden. Unter explizitem Wissen wird formal dokumentiertes und damit für das Unternehmen zugängliches und für den Planungsprozess direkt nutzbares Wissen verstanden. Implizites Wissen bezieht sich auf nicht direkt greifbares Wissen, welches häufig auf den Erfahrungen der Mitarbeitenden basiert und sich somit in deren Köpfen befindet. Implizites Wissen ist daher oft schwer zu vermitteln, bietet aber einen großen Mehrwert zur Steigerung der Qualität und Akzeptanz von Planungsmaßnahmen und kann bei spezifischen Fragestellungen oder Maßnahmen innerhalb des Planungsprozesses unterstützen. [2] Für eine erfolgreiche und nachhaltige Partizipation ist es daher einerseits wichtig, das implizite Wissen für den Planungsprozess zu extrahieren und in diesen zu integrieren. Andererseits ist es im Sinne des demografischen Wandels notwendig, durch ein erfolgreiches Wissensmanagement sicherzustellen, dass dieses implizite Wissen nicht verloren geht. Partizipation ist demnach definiert als die Einbeziehung der Mitarbeitenden in den Planungsprozess und setzt voraus, dass diese ihr Wissen bestmöglich kommunizieren und in Planungsentscheidungen einbringen können [2].

Aktueller Forschungsstand

Um den aktuellen Forschungsstand zur AR-basierten Fabrikplanung zu erfassen, wurde eine systematische Literaturrecherche durchgeführt. Ziel der Recherche war es, bestehende Konzepte im Bereich der AR-basierten Fabrikplanung zu identifizieren und hinsichtlich vorhandener Partizipationsansätze zu analysieren. Die Suchergebnisse, die anhand definierter Suchbegriffe aus den wissenschaftlichen Datenbanken Scopus und Web of Science gewonnen wurden, wurden gesichtet und bewertet. Die Ergebnisse der systematischen Literaturrecherche lieferten eine umfassende Grundlage für die Identifikation der Forschungslücke und die Entwicklung einer Methode zur MiPa.

Bestehende Forschungsarbeiten beinhalten unterschiedliche Ansätze zur AR-basierten Fabrikplanung. Angeli et al. [12] entwickelten ein Framework, das die Effizienz von Planungsprozessen durch nutzendenfreundliche AR-Technologien steigert und damit die Integration von Stakeholdern erleichtert. Tan et al. [14] legten den Schwerpunkt auf den flexiblen Einsatz von AR über den gesamten Planungszyklus und Jiang et al. [15] konzentrierten sich auf die Optimierung der Zusammenarbeit durch den Abbau von Kommunikationsbarrieren mittels AR. Bracht und Schlegel [3] betonten die Rolle von AR bei der Verbesserung der Interdisziplinarität und der Planungsqualität.

Trotz dieser Fortschritte bestehen weiterhin große Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der Akzeptanz der Technologie bei allen Beteiligten und der damit verbundenen effektiven Partizipation der Mitarbeitenden. Bisherige Ansätze zur AR-basierten Fabrikplanung vernachlässigen sowohl organisatorische als auch technische Faktoren, die für die Akzeptanz und damit für die erfolgreiche Implementierung von AR in Fabrikplanungsprozessen entscheidend sind. Ein etablierter Ansatz nach Baker [16] berücksichtigt diese Faktoren, um sicherzustellen, dass die Aspekte eines Unternehmens, die die Akzeptanz einer Technologie beeinflussen, betrachtet werden. Dieser Ansatz dient daher im Folgenden als Orientierungsrahmen für die Entwicklung und die Klassifizierung von Anforderungen an die Methode zur MiPa (vgl. nächstes Kapitel). Ziel dieser Arbeit ist es also, die bestehende Forschungslücke zu schließen, indem eine Methode entwickelt wird, die sowohl die technischen als auch die organisatorischen Anforderungen an eine effektive MiPa mittels AR berücksichtigt.

Methode für die Mitarbeitendenpartizipation in AR-basierten und interdisziplinären Fabrikplanungsprojekten

Im folgenden Abschnitt wird die Methode für die MiPa vorgestellt und beschrieben. Dabei wird zunächst die Vorgehensweise bei der Entwicklung der Methode beschrieben, bevor die Anforderungen an die Methode definiert werden und schließlich die Methode selbst vorgestellt wird. Der Begriff Methode bezeichnet dabei ein systematisches Vorgehen zur Erreichung eines zuvor definierten Ziels. Dadurch wird eine konsistente und nachvollziehbare Umsetzung gewährleistet [17].

Vorgehen

Um eine Methode zur MiPa in AR-basierten, interdisziplinären Fabrikplanungsprojekten zu entwickeln, wurde im ersten Schritt eine Anforderungsanalyse durchgeführt. Dabei wurde zwischen literaturbasierten und expertenbasierten Anforderungen unterschieden. Für die literaturbasierten Anforderungen wurden insbesondere die Quellen nach [13, 18, 19, 20, 21, 22, 23, 24, 25, 26] berücksichtigt. Für die expertenbasierten Anforderungen wurden fünf Expertinnen und Experten aus der Industrie und der Wissenschaft befragt. Nach der Erfassung der Anforderungen wurden diese Anforderungen in einen Anforderungskatalog überführt und in formale und inhaltliche Anforderungen unterteilt. Anschließend wurden die inhaltlichen Anforderungen mit den Rollen sowie den Phasen der Fabrikplanung verknüpft. Abschließend wurden Handlungsempfehlungen und Praxisbeispiele erarbeitet, um die Anwendbarkeit der Methode sicherzustellen. Die visuelle Darstellung der Zusammenhänge zwischen den Anforderungen, den Rollen und den Phasen der Fabrikplanung, ergänzt durch die Handlungsempfehlungen und die Praxisbeispiele, ergab die Methode.

Anforderungen

Insgesamt konnten mit der oben dargestellten Vorgehensweise 18 Anforderungen identifiziert werden, die den Kategorien formale (zehn Anforderungen) und inhaltliche Anforderungen (acht Anforderungen) zugeordnet wurden. Ein Überblick über die Anforderungen ist in Bild 2 dargestellt. Formale Anforderungen adressieren den Aufbau der Methode und inhaltliche Anforderungen die von der Methode abzubildenden Kriterien.

Bild 2 Anforderungen an die Methode
Bild 2

Anforderungen an die Methode

Die in Summe acht identifizierten inhaltlichen Anforderungen wurden in drei technische und fünf organisatorische Anforderungen unterteilt. Die jeweils aufgeführten Anforderungen wurden darüber hinaus in weitere Teilanforderungen aufgeteilt. Insgesamt konnten 18 technische und 10 organisatorische Teilanforderungen identifiziert werden. So umfasst die Anforderung Ergonomie und Benutzendenkomfort beispielsweise die Forderung nach einem hohen Tragekomfort und einer hohen Bewegungsfreiheit.

Ergebnis

Die entwickelte Methode zur MiPa in AR-basierten, interdisziplinären Fabrikplanungsprojekten ist in einem strukturierten, folienbasierten Format dargestellt und richtet sich an alle Beteiligten eines AR-basierten Fabrikplanungsvorgehens (Fabrikplanende, Produktionsmitarbeitende, Führungskräfte). Ziel der Methode ist es, die Partizipation beim AR-basierten Fabrikplanungsvorgehen zu erhöhen. So können die Beteiligten eines AR-basierten Fabrikplanungsprojekts mithilfe der Methode die Partizipationsanforderungen in jedem Schritt des Fabrikplanungsprozesses prüfen und erfolgreich umsetzen, um die interdisziplinäre Teilnahme an der Planung zu erhöhen. Zusätzlich können die Anwendenden der Methode sofort erkennen, für welche Rolle die Anforderungen relevant sind. Anhand von Handlungsempfehlungen, z. B. zum Tragekomfort, und entsprechenden praktischen Umsetzungsbeispielen (z. B. leichte Materialien und Polsterung) zu jeder Anforderung können die Anwendenden der Methode schnell überprüfen, wie sie in der aktuellen oder einer zukünftigen Fabrikplanungsphase die Partizipation aller Beteiligten fördern können.

Die Ausführung der Methode beginnt mit einer umfassenden Übersicht der technischen und organisatorischen Anforderungen sowie deren Teilanforderungen. Diese Anforderungen sind den relevanten Rollen – Produktionsmitarbeitenden, Fabrikplanenden und Führungskräften – zugeordnet, für die sie jeweils von Bedeutung sind, um eine erfolgreiche Partizipation sicherzustellen. Darüber hinaus zeigt die Übersicht, welche Anforderungen in welcher Phase des Fabrikplanungsprozesses berücksichtigt werden müssen, um eine effektive Mitarbeitendenbeteiligung zu gewährleisten. Eine besondere Ergänzung der Methode ist die Einführung einer Vorphase, die sich auf die Entwicklung und Implementierung des AR-Systems konzentriert. Damit wird sichergestellt, dass technische Anforderungen frühzeitig in den Planungsprozess einfließen. Diese Übersicht ermöglicht es den Anwendenden, schnell und zielgerichtet zu erkennen, welche Anforderungen für welche Rolle und in welcher Phase relevant sind. Bild 3 veranschaulicht diese Übersicht.

Bild 3 Übersicht über alle Anforderungen zu Beginn der Methode
Bild 3

Übersicht über alle Anforderungen zu Beginn der Methode

Nach der Übersicht werden die Anforderungen und ihre zugehörigen Teilanforderungen durch detaillierte Steckbriefe vertieft. Die Steckbriefe bieten umfangreiche Informationen zur Zuordnung der Teilanforderungen zu den jeweiligen Rollen und enthalten praxisnahe Checklisten mit konkreten Maßnahmen zur Umsetzung. Diese Checklisten unterstützen die anwendenden Personen bei der Umsetzung und Anpassung der Anforderungen in ihren spezifischen Projekten. Ein Beispiel eines Steckbriefs zur Anforderung Ergonomie und Benutzendenkomfort ist in Bild 4 dargestellt. Der Aufbau der Steckbriefe ist für alle Anforderungen einheitlich.

Bild 4 Beispiel des Steckbriefes zu der Anforderung „Ergonomie und Benutzendenkomfort“ aus der Kategorie der technischen Anforderungen
Bild 4

Beispiel des Steckbriefes zu der Anforderung „Ergonomie und Benutzendenkomfort“ aus der Kategorie der technischen Anforderungen

Jeder Steckbrief wird durch eine weitere Folie ergänzt, die die Checklisten anhand von praxisnahen Beispielen konkretisiert. Diese Praxisbeispiele veranschaulichen, wie die technischen und die organisatorischen Anforderungen in realen Projekten erfolgreich umgesetzt werden können. Sie geben den anwendenden Personen somit konkrete Handlungsempfehlungen und zeigen auf, wie die Methode in der Praxis angewendet werden kann. Die anwendenden Personen haben die Möglichkeit, die dargestellten Szenarien auf ihre eigenen Anwendungsfälle zu übertragen und an die spezifischen Gegebenheiten anzupassen. Bild 5 zeigt exemplarisch ein Praxisbeispiel für den Steckbrief der Anforderung Ergonomie und Benutzendenkomfort.

Bild 5 Beispiel der Best-Practices zu der Anforderung „Ergonomie und Benutzendenkomfort“ aus der Kategorie der technischen Anforderungen (Quelle: Microsoft [27])
Bild 5

Beispiel der Best-Practices zu der Anforderung „Ergonomie und Benutzendenkomfort“ aus der Kategorie der technischen Anforderungen (Quelle: Microsoft [27])

Die Methode ermöglicht eine systematische und zielgerichtete Einbindung der verschiedenen Beteiligten in AR-basierte Fabrikplanungsprozesse. Durch die klare Zuordnung der Anforderungen zu den relevanten Rollen und Phasen der Fabrikplanung sowie die praxisnahen Handlungsanweisungen wird die Zusammenarbeit der beteiligten Stakeholder gezielt gefördert. Die Unterstützung durch Praxisbeispiele erleichtert die Anwendbarkeit der Methode. Dadurch kann eine verbesserte Partizipation erreicht werden, die sowohl die Qualität der Planung als auch die Akzeptanz der vorgeschlagenen Lösungen erhöht.

Zusammenfassung und Ausblick

Im vorliegenden Beitrag wurde eine Methode zur MiPa in AR-basierten, interdisziplinären Fabrikplanungsprojekten vorgestellt. Diese Methode wurde entwickelt, um die Qualität und Effizienz von Planungsprozessen durch die Einbindung aller relevanten Beteiligten zu erhöhen. Basierend auf einer systematischen Literaturrecherche und einer Befragung von Expertinnen und Experten wurden technische und organisatorische Anforderungen identifiziert, die den Kern der entwickelten Methode bilden. Die Methode ist modular aufgebaut und ermöglicht ihre flexible Integration in bestehende Planungsprozesse. Sie ordnet die Anforderungen gezielt den jeweiligen Rollen und Phasen in der Fabrikplanung zu, sodass jede Rolle in den relevanten Phasen effektiv partizipiert. Ergänzend wurden Handlungsempfehlungen und Praxisbeispiele definiert, die als Orientierungshilfe für die praktische Umsetzung dienen.

Zukünftige Forschung sollte die Methode validieren und verifizieren. Eine mögliche Weiterentwicklung umfasst die Digitalisierung der Methode, um die Flexibilität und die Integration in AR-Projekte zu optimieren. Die Einbeziehung weiterer Faktoren, wie z. B. des Alters der Beteiligten, könnte die Akzeptanz weiter erhöhen. Darüber hinaus sollte die Integration der Methode in die Unternehmensstruktur untersucht werden, um die Umsetzung und eine veränderungsfreundliche Unternehmenskultur zu fördern.


Hinweis

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen von den Mitgliedern des ZWF-Advisory-Board wissenschaftlich begutachteten Fachaufsatz (Peer-Review).



Tel.: +49 (0) 89 289-55475

About the authors

Olivia Bernhard

Olivia Bernhard, M. Sc., geb. 1996, studierte im Bachelor Wirtschafsingenieurwesen mit Schwerpunkt Maschinenbau an der Technischen Universität Darmstadt. Anschließend absolvierte sie ihr Masterstudium in Entwicklung, Produktion und Management im Maschinenbau an der Technischen Universität München. Seit 2022 ist sie als Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Produktionsmanagement und Logistik am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) tätig.

Caroline Colsman

Caroline Colsman, B. Sc., geb. 2001, ist derzeit Masterandin im Studiengang Maschinenwesen an der Technischen Universität München mit den Schwerpunkten Fabrikplanung und Veränderungsmanagement. Seit 2023 arbeitet sie als wissenschaftliche Hilfsmitarbeiterin am iwb.

Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh

Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh, geb. 1963, ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhles für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Technischen Universität München. Nach dem Studium des allgemeinen Maschinenbaus promovierte er bei Prof. Dr.-Ing. Joachim Milberg. Von 1996 bis 2002 war er bei einem Werkzeugmaschinenhersteller in mehreren Funktionen tätig. Gemeinsam mit Prof. Rüdiger Daub leitet er das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb).

Danksagung

Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse entstanden während der Forschungsaktivitäten des Projekts ARZuKMU (Förderkennzeichen 02L22B025), welches vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut wird. Wir danken dem BMBF und dem PTKA für die hervorragende Unterstützung.

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Published Online: 2025-03-21
Published in Print: 2025-03-20

© 2025 Olivia Bernhard, Caroline Colsman und Michael F. Zäh, publiziert von De Gruyter

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 13.12.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zwf-2025-1022/html
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