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Intelligente Produktionsplanung im Maschinen- und Anlagenbau

Anforderungsidentifikation und -einordnung
  • Laura Göbel

    Laura Göbel, M. Sc., geb. 1993, studierte Maschinenwesen mit dem Schwerpunkt Produktion und Logistik an der Technischen Universität München. Seit 2024 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Produktionsmanagement und Logistik am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb).

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    , Lasse Streibel

    Lasse Streibel, M. Sc., geb. 1997, studierte im Bachelor-Studiengang Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Produktionstechnik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. Anschließend absolvierte er sein Masterstudium in Entwicklung, Produktion und Management im Maschinenbau an der Technischen Universität München. Seit 2023 ist er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Produktionsmanagement und Logistik am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) tätig.

    and Michael F. Zäh

    Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh, geb. 1963, ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Technischen Universität München. Nach dem Studium des allgemeinen Maschinenbaus promovierte er bei Prof. Dr.-Ing. Joachim Milberg. Von 1996 bis 2002 war er bei einem Werkzeugmaschinenhersteller in mehreren Funktionen tätig. Gemeinsam mit Prof. Rüdiger Daub leitet er das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb).

Published/Copyright: March 21, 2025

Abstract

Aufgrund volatiler und komplexer Rahmenbedingungen ist zur effizienten Produktionsplanung im Maschinen- und Anlagenbau ein hoher manueller Planungsaufwand notwendig. Intelligente Planungsmethoden können bei der Bewältigung der Herausforderungen helfen. Aufgrund der Vielzahl an Stakeholdern innerhalb des Planungsprozesses ergeben sich zahlreiche Anforderungen. Der Beitrag stellt einen Anforderungskatalog für intelligente Planungsmethoden vor und ordnet die Anforderungen in den Planungsprozess ein.

Abstract

Due to volatile and complex environments, a high level of manual planning effort is required for efficient production planning in the machinery industry. Intelligent planning methods can help to overcome these challenges. Due to the large number of stakeholders within the planning process, there are many requirements that need to be fulfilled. This article presents a catalog of requirements for the targeted development of intelligent planning methods and maps the requirements to the planning process.

Einleitung

Produzierende Unternehmen sind den Rahmenbedingungen der VUKA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) ausgesetzt [1]. Aus internationalen Krisen wie der Covid-19-Pandemie [2] oder dem Krieg gegen die Ukraine [3] ergeben sich zusätzliche Herausforderungen für produzierende Unternehmen weltweit [4, 5]. Die Produktionsplanung wird aufgrund wachsender Komplexität und Unsicherheit herausfordernder [6, 7, 8]. Manuelle Planungsansätze stoßen dabei an ihre Grenzen, da aufgrund der Volatilität Planungen laufend angepasst oder neu erstellt werden müssen [7]. Kunden erwarten eine hohe Variantenvielfalt [9] und damit einhergehend eine möglichst hohe Anzahl an Individualisierungsmöglichkeiten [10]. Dadurch werden Produkte und die zugrunde liegenden Planungsprozesse komplexer. Der Maschinen- und Anlagenbau wird besonders stark von individuellen Kundenwünschen und den Rahmenbedingungen der VUKA-Welt beeinflusst [11]. Die damit verbundenen Herausforderungen erfordern flexible Produktionsprozesse und dadurch auch eine flexible Produktionsplanung zur effizienten Abwicklung der Prozesse [12]. Eine intelligente Produktionsplanung kann diese Flexibilität ermöglichen. Um eine Produktionsplanung intelligent zu gestalten, können Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) eingesetzt werden [13]. Anforderungen können verschiedenen Ebenen zugeordnet werden. In Modellen in der Forschung stellen Stakeholder-Anforderungen die oberste Ebene dar, zum Beispiel im V-Modell nach Heßeler [14]. Stakeholder-Anforderungen beschreiben auf einem hohen Abstraktionsgrad, welche Ergebnisse erreicht werden müssen, beispielsweise das Reduzieren der Durchlaufzeit. Die darunterliegende Ebene sind die Systemanforderungen, welche beschreiben, was ein System leisten muss [14]. Eine beispielhafte Systemanforderung im Kontext der intelligenten Produktionsplanung ist die Fähigkeit des Systems, die Durchlaufzeit zu prognostizieren. Dieser Beitrag identifiziert Stakeholder- und Systemanforderungen an eine intelligente Produktionsplanung. Die Systemanforderungen fokussieren sich auf die für die Entscheidungsfindung bereitzustellenden Informationen. Die Identifikation und die Einordnung der Anforderungen bilden die Grundlage für die zielgerichtete Entwicklung von Methoden zur intelligenten Produktionsplanung. Daraus ergibt sich die Fragestellung, welche Anforderungen eine intelligente Produktionsplanung erfüllen muss und wie sich diese in den Planungsprozess einordnen lassen. Bild 1 zeigt die Methodik des wissenschaftlichen Vorgehens im Rahmen dieses Beitrags. Als erster Schritt wird eine Anforderungsidentifikation durchgeführt. Dieser Schritt dient zur Identifikation, welche Anforderungen an die intelligente Produktionsplanung gestellt werden. Als zweiter Schritt wird ein geeignetes Prozessmodell aus der Literatur identifiziert. Anschließend erfolgt eine Einordnung der Anforderungen in das Prozessmodell. Der folgende Abschnitt beschreibt das wissenschaftliche Vorgehen zur Erstellung des Anforderungskatalog und die Einordnung der Anforderungen in den Planungsprozess.

Bild 1 Methodik zur Identifikation und Einordnung der Anforderungen
Bild 1

Methodik zur Identifikation und Einordnung der Anforderungen

Methodik

Anforderungen können in funktionale und nicht-funktionale Anforderungen, aufgeteilt werden [15, 16]. Nicht-funktionale Anforderungen lassen sich in Schnittstellenanforderungen, Leistungsanforderungen und Rahmenbedingungen unterscheiden [16]. Diese Anforderungen fokussieren sich zum Beispiel darauf, welche Leistung ein System erbringen soll und welche externen Schnittstellen notwendig sind [14]. Eine funktionale Anforderung hingegen spezifiziert die Funktionalitäten, die ein System erfüllen muss [17]. Dieser Beitrag fokussiert sich auf die funktionalen Anforderungen für die intelligente Produktionsplanung. Für eine Übersicht über nichtfunktionale Anforderungen an digitale Technologien zur Produktionsplanung wird auf die Vorarbeit von Bernhard et al. [18] verwiesen.Die Anforderungsidentifikation kombiniert eine strukturierte literaturbasierte Erhebung mit einer auf semi-strukturierten Interviews basierenden Erhebung nach Adams [19]. Im ersten Schritt erfolgte durch die Autoren dieses Beitrags eine literaturbasierte Identifikation von funktionalen Anforderungen (Teilschritt 1a). In der Literaturrecherche konnten keine bestehenden relevanten wissenschaftlichen Veröffentlichungen für die intelligente Produktionsplanung bezogen auf den Maschinen- und Anlagenbau identifiziert werden, die sich mit funktionalen Anforderungen beschäftigen. In Druckschriften der intelligenten Produktionsplanung im Maschinen- und Anlagenbau, die durch Autoren oder Herausgeber selber publiziert werden, existieren hingegen einzelne Beiträge wie z. B. [20] und [21], die sich jedoch auf die Stakeholder-Anforderungen beschränken.

Im weiteren Verlauf des Beitrags wird zwischen zwei unterschiedlichen Gruppen an Fachpersonen eines Herstellers von Maschinen und Anlagen unterschieden. Gruppe 1 sind neun Fachpersonen, die für einzelne Phasen des Produktionsplanungsprozesses zuständig sind. Die Gruppe 2 besteht aus vier Fachpersonen, die phasenübergreifend in der Produktionsplanung agieren. Zur Identifikation von Systemanforderungen erfolgte eine Befragung der Fachpersonen aus Gruppe 1 im Rahmen von acht semi-strukturierten Interviews (Teilschritt 1b). Um eine diverse Auswahl an Fachpersonen zu gewährleisten, wurden verschiedene Stakeholder entlang des Produktionsplanungsprozesses, darunter der Vertrieb, das Controlling und die Produktionsplanung, in die Interviews einbezogen. Die Fachpersonen beantworteten Fragen bezüglich der Entscheidungen, die sie in der Produktionsplanung treffen und welche Anforderungen für ihren Aufgabenbereich relevant sind. Nach der Anforderungsidentifikation wurden die Stakeholder- und Systemanforderungen in ein Prozessmodell aus der Literatur eingeordnet, das den Planungsprozess im Maschinen- und Anlagenbau auf einem hohen Abstraktionsgrad abbildet. Aus der Literatur wurde das Prozessmodell für den Auftragsabwicklungsprozess im Maschinen- und Anlagenbau nach Schmidt [22] als hierfür geeignet identifiziert (Teilschritt 2a). Die Auswahl des Prozessmodells erfolgte anhand der Kriterien Zielsetzung, Anwendungsbereich, Detailgrad, Komplexität, Transparenz und Prozesskoordination. Im Vergleich mit weiteren Modellen, wie z. B. dem Modell nach Adrodegari et al. [23], erfüllt das Prozessmodell nach Schmidt diese Kriterien am umfassendsten. Die Einordnung der identifizierten Anforderungen in das Modell fand im Rahmen eines Workshops (Teilschritt 3a) statt. Die Teilnehmenden des Workshops waren die Fachpersonen aus Gruppe 2. Anschließend wurden die Ergebnisse aus dem Workshop den Fachpersonen aus Gruppe 1 präsentiert. Dazu wurden erneut Interviews durchgeführt, in welchen das Prozessmodell und die Einordnung vorgestellt und durch die Fachpersonen bewertet wurden (Teilschritt 3b). Die folgenden zwei Abschnitte beschreiben die Ergebnisse.

Identifizierte Anforderungen an eine intelligente Produktionsplanung

Bild 2 zeigt für den Maschinen- und Anlagenbau den Katalog mit den funktionalen Anforderungen auf Basis der Literaturrecherche und der semi-strukturierten Interviews. Der Anforderungskatalog ist in vier Cluster eingeteilt. Die linken Cluster stellen die Methode der Anforderungsidentifikation dar. Die rechten Cluster zeigen die Anforderungsebene auf. Die Ergebnisse aus der Literaturrecherche beinhalten die Stakeholder-Anforderungen und spiegeln damit die oberste Ebene des V-Modells wider. Die Interviews ergänzen diese Anforderungen mit den Anforderungen an die Informationen, die die intelligente Produktionsplanung prognostizieren soll, und diese entsprechen damit den Systemanforderungen des V-Modells. Bild 2 zeigt die literaturbasierten Stakeholder-Anforderungen (STA-1 bis STA-8) und die aus den Interviews identifizierten Systemanforderungen (SYS-1 bis SYS-18).

Bild 2 Anforderungskatalog, der für eine intelligente Produktionsplanung im Maschinen- und Anlagenbau zu Grunde zulegen ist
Bild 2

Anforderungskatalog, der für eine intelligente Produktionsplanung im Maschinen- und Anlagenbau zu Grunde zulegen ist

Das Minimieren der Durchlaufzeit (STA-1) zielt auf das Minimieren der Dauer von Produktion und Montage ab. Die Termintreue soll maximiert werden (STA-2), um kommunizierte Kundentermine einzuhalten. Das Maximieren der Effizienz (STA-3) bezieht sich auf den gesamten Auftragsabwicklungsprozess. Es ist erforderlich, die Anzahl der Produktionsausfälle (STA-4) und die Lagerbestände (STA-5) möglichst zu minimieren. Auch der Planungs- und Steuerungsaufwand soll minimiert werden (STA-6). Die Ressourcenauslastung zeigt den Grad der Nutzung der Ressourcen und soll maximiert werden (STA-7). Die Reaktionsfähigkeit bedeutet, wie flexibel die Planung gestaltet ist, um auf sich ändernde Rahmenbedingungen reagieren zu können, und soll ebenfalls maximiert werden (STA-8). Die meistgenannte Systemanforderung ist die Prognose der Durchlaufzeit (SYS-1). Die Prognose der Durchlaufzeit wird benötigt, um die Bearbeitungsdauer eines Auftrags im Vorhinein angeben zu können. Zur Angebotserstellung muss der Liefertermin (SYS-2) bekannt sein. Die Prognose der Materialverfügbarkeit zum Produktionsbeginn (SYS-3) und die Prognose der Abweichung zwischen Ist-Ende und Soll-Ende (SYS-4) ergeben eine Abschätzung, wie wahrscheinlich es ist, dass der Auftrag termingerecht durchgeführt werden kann. Die Kosten (SYS-5), der Preis (SYS-6) und die Projektmarge (SYS-8) müssen prognostiziert werden, damit dem Kunden ein abgesichertes Angebot vorgelegt werden kann. Die Prognose der Durchführung des Werksabnahmetests (SYS-7) ergibt eine Indikation, ob zusätzliche Zeit und Fläche für den Werksabnahmetest beim Hersteller vor Ort eingeplant werden muss. Eine weitere Anforderung ist der Kundenkontakt (SYS-9). Besteht kein Kundenkontakt, kann sich dies auf den Abnahme- und den Liefertermin auswirken. Die Vertragserfüllung (SYS-10) bildet den Rahmen für die Abwicklung des Auftrags. Wird prognostiziert, dass der Vertrag nicht wie geplant erfüllt werden kann, können im Voraus korrigierende Maßnahmen ergriffen werden, damit die Vertragserfüllung doch noch gegeben ist. Die Fachpersonen unterscheiden zwischen den Anforderungen Prognose des Aufwands (SYS-11) und Prognose des zusätzlichen Aufwands (SYS-12). Der Aufwand bezieht sich auf den Ressourcenaufwand, während der zusätzliche Aufwand in der Vertriebskonfiguration ermittelt wird. Die Vertriebskonfiguration bewertet einzelne, vom Kunden gewünschte Merkmale des Produkts und weist den zusätzlich notwendigen Aufwand aufgrund dieser Merkmale aus. Die Kapitalbindung (SYS-13) beinhaltet alle gebundenen Vermögenswerte und steht damit auch im direkten Zusammenhang mit der Reduzierung der Lagerbestände (STA-5). Die Auslastung (SYS-14) gibt einen Überblick, in welchem Bereich die Ressourcenauslastung am höchsten ist und damit besondere Aufmerksamkeit erfordert. Die Beschaffungszeit (SYS-15) ist die Zeit zwischen der Bestellung von Materialien oder Halbfertigerzeugnissen bis zur Lieferung dieser. Eng mit der Beschaffungszeit verbunden ist der kritische Pfad der Beschaffung (SYS-16). Dieser beschreibt, welches zu beschaffende Material oder Halbfertigerzeugnis, die längste Beschaffungszeit aufweist. Diese beiden Informationen haben direkte Auswirkungen auf die Durchlaufzeit und den Liefertermin. Die benötigte Fläche (SYS-17) beschreibt, wie viel Platz in der Montage für eine Anlage benötigt wird. Weiterhin ist es wichtig zu wissen, welche Bereiche einen Engpass (SYS-18) darstellen, damit diesen Bereichen die notwendige Aufmerksamkeit gewidmet werden kann.

Einordnung der Anforderungen in ein Prozessmodell für die Auftragsabwicklung

Bild 3 zeigt das Prozessmodell zur Produktionsplanung von Schmidt [22] und die im vorherigen Abschnitt beschriebenen, eingeordneten Anforderungen.

Bild 3 Einordnung der Anforderungen in das Prozessmodell nach Schmidt [22]
Bild 3

Einordnung der Anforderungen in das Prozessmodell nach Schmidt [22]

Der erste Schritt des Auftragsabwicklungsprozesses ist die Angebotsbearbeitung, in der die Kundenanfrage in ein Angebot umgesetzt wird, welches dem Kunden vorgelegt wird. Mit der anschließenden Auftragsbestellung durch den Kunden beginnt die Projektierungsphase, in welcher die Auftragsklärung inkludiert ist. Teilprojekte werden definiert und eine grobe Terminplanung wird erstellt. Anschließend erfolgen die Auftragserstellung inklusive der Bedarfsermittlung und die Konstruktion des kundenspezifischen Leistungsumfangs. Danach wird im Einkauf eine Lieferantenvorauswahl getroffen und es werden Angebote eingeholt und bewertet. In der Fertigung werden Fertigungsaufträge erstellt und diese inklusive der notwendigen Ressourcen eingeplant und freigegeben. Nach der Fertigung erfolgen die Montage, die Inbetriebnahme beim Hersteller vor Ort, eine Vorabnahme (Werksabnahmetest) und anschließend der Versand des erstellten Produkts zum Kunden. Die Wieder-Inbetriebnahme des Produktes einschließlich der Endabnahme findet beim Kunden vor Ort statt. Die Anforderungen werden in das Prozessmodell eingeordnet, sodass erkennbar ist, welchen Planungsschritt die Anforderung betrifft bzw. wann die Information im Prozess benötigt wird. Die Fachpersonen aus Gruppe 2 strukturieren die Anforderungen in übergeordnete Anforderungen und Subanforderungen, da Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Anforderungen bestehen. Bei Subanforderungen handelt es sich um Anforderungen, die sich aus einer anderen Anforderung ableiten lassen können. Zum Beispiel können die Kosten eines Produkts als Subanforderung definiert werden. Diese müssen nicht notwendigerweise bekannt sein, da sich die maximal zulässigen Kosten unter Berücksichtigung der Gewinnmarge und weiterer Aufwände wie zum Beispiel Gehälter aus dem Preis ableiten lassen [24]. Es gibt vier Anforderungen, die nicht in eine spezifische Phase des Produktionsplanungsprozesses eingeordnet werden können. Die erste solche Anforderung ist die Durchlaufzeit (STA-1, SYS-1), welche phasenübergreifend relevant ist. Die Beschaffungszeit (SYS-15) und damit auch der kritische Pfad der Beschaffung (SYS-16) finden sich in der Durchlaufzeit wieder, da die Durchlaufzeit den kritischen Pfad definiert und in dieser auch die Beschaffungsdurchlaufzeit berücksichtigt wird [25]. Der Planungs- und Steuerungsaufwand (STA-6), die Reaktionsfähigkeit (STA-8) und die Kapitalbindung (SYS-13) können nicht in eine einzelne Phase eingeordnet werden. Diese Anforderungen beziehen sich auf den gesamten Auftragsabwicklungsprozess. So muss der Prozess möglichst reaktionsfähig sein und der Planungs- und Steuerungsaufwand des Prozesses muss minimiert werden. Die Prognose der Kapitalbindung kann lediglich unter Berücksichtigung des gesamten Prozesses erfolgen, da das gebundene Kapital in jedem Prozessschritt präsent sein kann. Alle weiteren Anforderungen wurden im Prozessmodell eingeordnet. Der geforderte Liefertermin (SYS-2) muss in der Angebotsbearbeitung bereits bekannt sein, damit ein Kundenangebot erstellt werden kann. Der Preis (SYS-6) wird anschließend in der Projektierung festgesetzt. Dadurch ergeben sich auch die Kosten (SYS-5) und die Projektmarge (SYS-8). Die Vertragserfüllung (SYS-10) muss bei der Projektierung erstmalig beachtet werden, ist aber für spätere Phasen weiterhin relevant. Die Engpassbereiche (SYS-18) müssen während der Konstruktion bekannt sein, damit diese frühzeitig behoben werden können. Wenn bekannt ist, welcher Bereich den Engpass darstellt, kann auch eine Aussage über die Ressourcenauslastung (STA-7) getroffen werden. Der zusätzliche Aufwand (SYS-12) wird in der Auftragserstellung erstmals benötigt, da dieser es ermöglicht, eine genauere Zeitplanung für die Fertigung und Montage zu erstellen. Dies gilt ebenso für den Aufwand (SYS-11). In der Fertigung muss die benötigte Fläche (SYS-17) des Auftrags bekannt sein, damit die Montage und der Versand genau geplant werden können. Die Abweichung zwischen Ist-Ende und Soll-Ende (SYS-4) bezieht sich auf das Ende der Montage. Die Anforderung Prognose der Termintreue (STA-2) erstreckt sich über den Einkauf bis hin zur Montage. In diesen Phasen muss die Anforderung erfüllt sein. Kann zum Beispiel der zugesagte Liefertermin für ein benötigtes Material nicht eingehalten werden, muss der Lagerbestand dies ausgleichen, indem dieses Material bevorratet wird. Ein Werksabnahmetest (SYS-7) ist nur mit Kundenkontakt (SYS-9) möglich. Der Test muss daher rechtzeitig vorab festgelegt werden, um die Bereitstellung der Maschinen zum vereinbarten Termin sicherzustellen.

Zusammenfassung und Ausblick

Die Identifikation von funktionalen Anforderungen und Informationen und die Einordnung dieser in ein Prozessmodell für den Maschinen- und Anlagenbau schafft eine Grundlage für die Entwicklung von Methoden zur intelligenten Produktionsplanung. Für den vorliegenden Beitrag wurde ein dreistufiges Verfahren zur Ermittlung der Anforderungen und zu deren Einordnung in ein Prozessmodell angewandt. Dabei wurden insgesamt 26 Anforderungen identifiziert. Diese Anforderungen umfassen acht Stakeholder-Anforderung und 18 Systemanforderungen hinsichtlich der zu prognostizierenden Informationen. Bei der Einordnung in das Prozessmodell ergaben sich 12 übergeordnete Anforderungen und 14 Subanforderungen, die den übergeordneten Anforderungen zugeordnet sind. Forschung und Unternehmen können auf Basis der ermittelten Ergebnisse individuelle Anwendungsfälle einordnen und den Katalog spezifisch an ihre Bedürfnisse anpassen. Zukünftige Arbeiten zur Entwicklung intelligenter Planungsmethoden, wie z. B. einer auf maschinellem Lernen basierenden Produktionsplanung, können die Ergebnisse nutzen, um eine zielgerichtete Entwicklung sicherzustellen. Dieser Beitrag stellt damit den ersten Schritt der Entwicklung einer intelligenten Produktionsplanung für den Maschinen- und Anlagenbau dar. Durch eine intelligente Produktionsplanung kann schnell auf sich ändernde Kundenwünsche oder externe Faktoren reagiert und die Produktion flexibel neu oder umgeplant werden. Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus können dadurch die Herausforderungen der VUKA-Welt zielgerichtet bewältigen.


Hinweis

Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen von den Mitgliedern des ZWF-Advisory-Board wissenschaftlich begutachteten Fachaufsatz (Peer-Review).



Tel.: +49 (0) 89 289-15436

About the authors

Laura Göbel

Laura Göbel, M. Sc., geb. 1993, studierte Maschinenwesen mit dem Schwerpunkt Produktion und Logistik an der Technischen Universität München. Seit 2024 ist sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Abteilung Produktionsmanagement und Logistik am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb).

Lasse Streibel

Lasse Streibel, M. Sc., geb. 1997, studierte im Bachelor-Studiengang Maschinenbau mit dem Schwerpunkt Produktionstechnik an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. Anschließend absolvierte er sein Masterstudium in Entwicklung, Produktion und Management im Maschinenbau an der Technischen Universität München. Seit 2023 ist er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Abteilung Produktionsmanagement und Logistik am Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb) tätig.

Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh

Prof. Dr.-Ing. Michael F. Zäh, geb. 1963, ist seit 2002 Inhaber des Lehrstuhls für Werkzeugmaschinen und Fertigungstechnik der Technischen Universität München. Nach dem Studium des allgemeinen Maschinenbaus promovierte er bei Prof. Dr.-Ing. Joachim Milberg. Von 1996 bis 2002 war er bei einem Werkzeugmaschinenhersteller in mehreren Funktionen tätig. Gemeinsam mit Prof. Rüdiger Daub leitet er das Institut für Werkzeugmaschinen und Betriebswissenschaften (iwb).

Danksagung

Die in diesem Beitrag vorgestellten Ergebnisse entstanden während der Forschungsaktivitäten des Projekts InProdMa (Förderkennzeichen DIK-2308-0006), welches vom Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie (StMWi) gefördert und vom Projektträger VDI/VDE Innovation + Technik GmbH betreut wird. Wir danken dem StMWi und der VDI/VDE für die hervorragende Unterstützung.

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Published Online: 2025-03-21
Published in Print: 2025-03-20

© 2025 Laura Göbel, Lasse Streibel und Michael F. Zäh, publiziert von De Gruyter

Dieses Werk ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 3.10.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zwf-2024-0135/html
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