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Seitenwechsler im Zentralbankwesen – Karrieren im Beziehungsdreieck von Finanzwelt, Wissenschaft und Politik (1948 bis 1970)

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Published/Copyright: September 19, 2023

Abstract

The article examines the careers of German central bankers and the phenomenon of the revolving door in the first two postwar decades. It focuses on the personnel changes between central banking and politics resp. private banking and asks for the social structure of German central bankers, their training paths and changes in comparison to the Reichsbank era. Finally, the impact of recruitment practices on central bank policy will be outlined. The paper is based on the thesis that party-political orientation became significant for the rise of the presidents of the land central banks (Landeszentralbankpräsidenten) after 1945 and that relations to private banking were primarily evident in training, whereas such aspects were of secondary importance for central bank monetary policy.

Einleitung

Als 2007 die Weltfinanzkrise infolge eines spekulativ aufgeblähten Immobilienmarkts in den USA ausbrach und die Zinsen für Interbankenkredite sprunghaft anstiegen, stellten viele Zentralbanken in einem vorher noch nie gekannten Ausmaß kurzfristig zusätzliche Liquidität bereit. Spätestens mit der Lehman-Pleite Mitte September 2008 breitete sich panikartig ein Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten aus, auf den die Zentralbanken mit der Öffnung der Liquiditätsschleusen reagierten.[1] Wie nur selten zuvor zeigte sich hier die Bedeutung der Zentralbanken für die Stabilität des Banken- und Finanzsystems und die Funktionsfähigkeit der Realwirtschaft. Dies hatte zur Folge, dass einerseits wirtschaftspolitische Forderungen nach einer stärkeren Bankenregulierung durch die Zentralbanken aufkamen, andererseits wurde angesichts dieses Finanzstabilitätsmandats vor der Vereinnahmung (capture) der Zentralbanker durch Finanzinteressen gewarnt und die gesamte Finanzarchitektur infrage gestellt.[2]

Dabei ist der Versuch privatwirtschaftlicher oder staatlicher Akteure auf die Geldpolitik von Zentralbanken einzuwirken ebenso wenig ein Novum der Weltfinanzkrise des frühen 21. Jahrhunderts wie der personelle Wechsel zwischen Politik, Finanzinstituten und Zentralbanken. Mario Draghi und Christine Lagarde an der Spitze der Europäischen Zentralbank (EZB) sind nur die beiden bekanntesten Beispiele jenes Wechselspiels. Draghi wurde 1981 zunächst auf eine Professur für Wirtschaftswissenschaften berufen und wechselte nach seiner Tätigkeit für die Weltbank (1984–1990) und das italienische Finanzministerium (1991–2001) zur internationalen Investmentbank Goldman Sachs, bevor er 2006 Gouverneur der Banca d’Italia und 2011 dann Präsident der EZB wurde. Lagarde hatte erst eine Reihe von Ministerposten in der französischen Regierung inne, ehe sie den Posten der geschäftsführenden Direktorin des Internationalen Währungsfonds (2011–2019) übernahm und anschließend Draghi bei der EZB folgte. Doch auch schon die beiden Reichsbankpräsidenten der 20er Jahre, Hans Luther und Hjalmar Schacht, waren keine genuinen Gewächse der Zentralbank, die auf eine Hauskarriere zurückblickten. Luther hatte sich zuvor über die Kommunalpolitik bis zum Reichskanzler hochgearbeitet, und Schacht war vor seinem Eintritt in die Reichsbank 1923 als Vorstandsmitglied der Nationalbank für Deutschland bzw. der Darmstädter und Nationalbank tätig.[3]

Der Wechsel von Zentralbankern zwischen unterschiedlichen Sphären, die zweifellos nur in der Theorie als klar abgrenzbare Bereiche behandelt werden können und in der Praxis eng miteinander verzahnt sind, ist einerseits erwünscht, um neben dem soliden Portfolio zentralbankpolitischer Standpunkte und Zusammenhänge auch frische Ideen und externe Erfahrungen in Entscheidungsfindungen einfließen zu lassen. Andererseits birgt der Wechsel das Risiko der Vereinnahmung in sich.[4] Emmanuel Carré und Élise Demange unterscheiden in diesem Kontext zwischen dem Eintritt von Finanzakteuren in die Zentralbank und dem Wechsel von Zentralbankern in die Finanzbranche.[5]

Der Eintritt von Bankiers in das Zentralbankwesen könne demnach zu einer direkten Vereinnahmung der Notenbank führen und ihre Unabhängigkeit vom Finanzsektor gefährden. Dies sei insbesondere in Konfliktsituationen möglich, wenn Forderungen des Finanzsektors und gesellschaftliche Interessen gegeneinander abgewogen werden müssten und der bisherige Werdegang (career background) in der Finanzbranche Entscheidungen beeinflusse. In der Agency-Theorie wird dieses Risiko durch einen impliziten Vertrag zwischen dem Zentralbanker (agent) und dem Finanzsektor (principal) sowie einen expliziten Vertrag mit der Gesellschaft formalisiert.[6] Statt seines offiziellen Mandats würde der Zentralbanker demzufolge den Interessen seines impliziten Prinzipals folgen. Dadurch steige das Risiko einer Lockerung der Bankenregulierung und damit die Gefahr einer Instabilität des gesamten Finanzsystems – mit möglicherweise erheblichen Kosten für Realwirtschaft und Gesellschaft.[7] Ferner sei eine kognitive Vereinnahmung vorstellbar, bei der Bankiers die von ihnen in der privaten Finanzbranche verinnerlichten Werte in die Zentralbank hineintragen oder bei der durch fortlaufende Begegnungen mit Ex-Kollegen ein habituelles Gemeinschaftsgefühl entsteht, das die Interessen des Finanzsektors stützt.[8]

Ebenso könnten Abgänge von Zentralbankern in den Finanzsektor eine indirekte Vereinnahmung der Zentralbank nach sich ziehen, wenn ehemalige Zentralbanker über ihr fortbestehendes Personennetzwerk Lobbyarbeit für die Interessen der Finanzbranche oder über die öffentliche Meinung Druck auf die Zentralbank ausüben würden.[9] Auch Formen der Vereinnahmung aufgrund persönlicher Karriereinteressen seien denkbar. Die Präferenz für eine zukünftige Karriere in der Finanzbranche könnte einen Anreiz darstellen, so zu handeln, dass die persönlich-berufliche Attraktivität des Zentralbankers für den künftigen Arbeitgeber im privaten Finanzsektor steigt.[10]

Neben den Übertritten zwischen Zentralbank und Finanzbranche sind mindestens noch zwei Formen des Seitenwechsels zu erwähnen, die bereits bei den obigen Beispielen angeklungen sind. Zum einen gibt es infolge der Professionalisierung des Bankbetriebs und der Herausbildung der modernen Wirtschaftswissenschaften im 20. Jahrhundert enge Beziehungen und berufliche Wechsel zwischen Zentralbanken und Wissenschaft. Zum anderen finden sich zahlreiche Beispiele für Wechsel zwischen dem politischen Feld und Zentralbanken. Derartige Seitenwechsel von der oder in die Politik unterliegen nicht nur im Fall der Privatwirtschaft moralischen Beurteilungen, auch im Fall der Zentralbanken kamen hierbei regelmäßig Bedenken auf. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass Zentralbanken im Laufe des 20. Jahrhunderts eine immer größere Unabhängigkeit gegenüber politischen Instanzen erreichten, doch jene – von den Zentralbanken selbst immer wieder als unerlässlich betonte – Unabhängigkeit durch personelle Wechsel ihrer Leitungsfiguren aus oder in politische Ämter konterkariert wurde. Dabei waren längst nicht alle Zentralbanken im 20. Jahrhundert von den Anweisungen der jeweiligen Regierung unabhängig.[11] Gerade für die im Folgenden zu betrachtende deutsche Zentralbank nach 1945 gehörte die institutionelle Unabhängigkeit von der Bundesregierung allerdings zu ihrem Gründungsmythos und wurde Teil ihres Selbstverständnisses, weshalb den personellen Wechseln zwischen Zentralbank und Politik besondere Beachtung beigemessen wird.[12] Nicht zuletzt konnte sowohl der Seitenwechsel in die Privatwirtschaft wie auch in die Politik die Glaubwürdigkeit der Institution Zentralbank verringern, wenn der Eindruck entstand, geld- und währungspolitische Entscheidungen würden auf parteipolitischen, bankenspezifischen oder individuellen karrierestrategischen Präferenzen beruhen.[13]

Historische Untersuchungen über deutsche Zentralbanker als Seitenwechsler und ihre Rolle als Lobbyisten gibt es bisher nicht in nennenswerter Form.[14] Die folgenden Betrachtungen bedienen sich daher unterschiedlicher Perspektiven und schließen konkret an drei Forschungsstränge an: Hier sind erstens Studien zu nennen, die sich direkt mit dem Thema der revolving door – speziell im Bereich der Bankenregulierung – beschäftigen. Besonders nach der Finanzkrise 2007 entstanden einige – meist sozial- und wirtschaftswissenschaftliche – Arbeiten, die sich der Rolle von (Zentral-)Bankern zuwandten. So identifizieren David Miller und William Dinan zahlreiche Risiken solcher Seitenwechsel mit Blick auf die Integrität der Regulierungsbehörden und eine mögliche Verzerrung des Wettbewerbs innerhalb des Finanzsektors.[15] Auch Lars Frisell, Kasper Roszbach und Giancarlo Spagnolo erkennen eine Gefahr, wenn Zentralbanker am Ende ihrer Amtszeit dazu verleitet werden, die Finanzregulierung zu lockern, um nach ihrem Ausscheiden einen lukrativen Job in der Finanzbranche zu erhalten.[16] Dabei sind karrierestrategische Überlegungen angesichts der Unsicherheit beruflicher Lebenswege von Funktionseliten durchaus nachvollziehbar.[17]

Anat Admati und Martin Hellwig zufolge vertritt der Regulierer auch weiterhin die Interessen der Finanzbranche, wenn er von dort kommt und wieder dorthin zurückkehren will. Dabei muss es sich nicht immer um einen unmittelbaren Akt der Interessenvertretung handeln, vielmehr kann auch eine intellektuelle Vereinnahmung durch Überzeugungen und Einstellungen entstehen, die auf die Interessen der Finanzwelt ausgerichtet sind. Persönliche Beziehungen, gegenseitige Sympathien und Wissensnetzwerke verschaffen dem Finanzsektor demnach einen privilegierten Zugang zu Regulierungsbehörden.[18] In diesem Kontext hat Christopher Adolph auf empirisch breiter Basis gezeigt, dass Zentralbanker durch spezifische berufliche Hintergründe geprägt sind und sich in Abhängigkeit von ihren Karriereverläufen für unterschiedliche geldpolitische Maßnahmen entscheiden. Dieses Ergebnis widerspricht der weit verbreiteten Annahme, dass die Unabhängigkeit der Zentralbank eine neutrale Lösung zur makroökonomischen Steuerung biete.[19] Einige Studien bezweifeln hingegen die vorgebrachten Risiken eines Seitenwechsels und verweisen darauf, dass gerade nicht die dem Finanzsektor wohlgesonnen Zentralbanker in die Finanzbranche wechseln würden, sondern – im Gegenteil – die Vertreter einer rigorosen Bankenregulierung.[20]

Hier sind überdies Studien anzuführen, die sich grundsätzlich mit dem Phänomen des Seitenwechsels beschäftigen. Dabei deuten die unterschiedlichen Begriffe – Seitenwechsel im Deutschen, pantouflage im Französischen und revolving door im Englischen – auf nationale Unterschiede hin, wie Gesellschaften derartige berufliche Wechsel beurteilen. So geht der französische Begriff pantouflage wohl auf das Wort pantoufle, also Pantoffel, zurück und meint, dass die Studierenden der Pariser Eliteschulen sich nicht auf den öffentlichen Dienst einlassen, sondern sich nach ihrem Studium ihre Pantoffel anziehen und ins Private, d. h. zu Privatunternehmen, abwandern.[21] Damit ist aber nicht unbedingt eine Abwertung im moralischen Sinne gemeint. Wechsel zwischen politischer Administration und wirtschaftlichen Leitungspositionen sind in Frankreich wesentlich häufiger als in Deutschland anzutreffen.[22]

Die französischen Soziologen Michel Bauer und Bénédicte Bertin-Mourot, die sämtliche Jahrgänge der École Nationale d’Administration (ENA) von 1960 bis 1990 unter die Lupe genommen haben, kommen zu dem Ergebnis, dass sich die ENA immer mehr von ihrer Aufgabe entfernt habe, Führungskräfte für den höheren Verwaltungsdienst auszubilden.[23] Der Anteil der Absolventen, die in die Geschäftswelt wechselten, stieg seit 1982 immer weiter an, wohingegen dies bis 1977 noch ein Randphänomen war. Hierfür liefern Bauer und Bertin-Mourot unterschiedliche Erklärungen: Erstens die Größe der Jahrgänge, denn diese habe sich zwischen 1962 und 1987 mehr als verdreifacht; und zweitens die zunehmende Schwierigkeit, attraktive Stellen in der höheren Verwaltung zu finden. Ferner lässt sich der Bruch durch neue Gesetze erklären. Mit dem Wahlsieg Mitterrands wurde eine ganze Reihe von Privatunternehmen verstaatlicht, in deren Leitungspositionen Personen aus dem Wirtschafts- und Finanzministerium gelangten.

Zweitens ist hier die Forschung über Lobbyismus zu nennen, bei der man neben system- und konflikttheoretischen Ansätzen vor allem pluralistische und korporatistische Konzepte unterscheiden kann.[24] Dabei basiert der international verbreitete Pluralismusgedanke auf der Idee der Interessenaushandlung unterschiedlicher Gruppen; Lobbyismus gehört damit zu seinen konstitutiven Bestandteilen. Jedoch wurde dem Konzept die Ausblendung struktureller gesellschaftlicher Ungleichheiten vorgeworfen.[25] Die deutsche Aversion gegen Formen des Lobbyismus ist vornehmlich auf dessen Assoziation mit dem negativ besetzten Begriff des Konkurrenzdenkens zurückzuführen.[26] Korporatistische Ansätze – wie sie besonders in der Bundesrepublik seit den 70er Jahren Verbreitung fanden – streben hingegen eine Synthese sozioökonomischer und soziopolitischer Faktoren zur Erklärung liberal-demokratischer Industriegesellschaften an. Sie stellen die Einbindung gesellschaftlicher Gruppen statt lobbyistischer Tätigkeiten ins Zentrum ihrer Erklärung.[27] In beiden Fällen wird der Frage nach der Durchsetzung von Interessen (bspw. bei Gesetzesvorhaben) viel Gewicht beigemessen, wohingegen die Akteure – speziell Seitenwechsler und ihre Karrieren – nur wenig Aufmerksamkeit erfahren. Dies gilt gleichermaßen für die historische Verbandsforschung.[28] Dabei konstatieren jüngere politikwissenschaftliche Studien einen zunehmenden Einfluss des Lobbyismus auf politische Entscheidungsverfahren und – im Unterschied zum klassischen Lobbyismus über Wirtschaftsverbände – eine steigende Bedeutung direkter Unternehmensinteressen.[29]

Drittens ist hier schließlich die Literatur über die Unabhängigkeit von Zentralbanken anzuführen, denn gerade jenes Prinzip wird durch die Einflussnahme von Finanzakteuren oder Politikern infrage gestellt. In Deutschland wurde die institutionelle Unabhängigkeit der Reichsbank gegenüber der Reichsregierung im Zuge des Konflikts mit den Reparationsgläubigern 1922 gesetzlich verankert. Nach Überwindung der Hyperinflation wurde jene Weisungsungebundenheit mit dem neuen Bankgesetz vom August 1924 im Rahmen des Dawes-Plans nochmals unterstrichen.[30] Die von außen implementierte, institutionelle Unabhängigkeit von der Regierung bildete fortan, d. h. auch nach 1945, die Richtschnur, an der sich die Zentralbanker als Idealzustand orientierten. Ihrer Argumentation zufolge war sie notwendig, um Preisstabilität zu garantieren und eine ausufernde Staatsverschuldung zu verhindern. Die Deutsche Bundesbank und ihre Vorgängerinstitution, die Bank deutscher Länder, waren seit ihrer Gründung von Weisungen der Bundesregierung unabhängig.[31] Seit 1990 nahm die Anzahl der institutionell unabhängigen Zentralbanken – nicht zuletzt im Kontext der EZB-Gründung – international nochmals stark zu.[32] Auch in den Wirtschaftswissenschaften wird jene Unabhängigkeit weitläufig als Bedingung für eine niedrige Inflation angesehen.[33]

Vor diesem Hintergrund stehen die Karrierewege deutscher Zentralbanker sowie die personellen Wechsel zwischen Politik und Zentralbank bzw. zwischen privatem Bankgewerbe und Notenbank im Folgenden im Zentrum. Dem Aufsatz liegt die These zugrunde, dass die parteipolitische Orientierung nach 1945 bedeutsam für den Aufstieg der Landeszentralbankdirektoren wurde und sich die Verbindungen zur privaten Bankwirtschaft und zur Wissenschaft vor allem in der Ausbildung zeigen. Für die Geldpolitik der Zentralbank waren derartige Wechsel aufgrund eines Anpassungsprozesses an die Institution hingegen von nachrangiger Bedeutung. Daher wird danach gefragt, wer nach dem Zweiten Weltkrieg in der westdeutschen Zentralbank aufstieg, wem ein Wechsel aus Politik oder Privatwirtschaft gelang, wodurch sich diese Personengruppen auszeichneten, und wie sich die Rekrutierungswege nach 1945 im Vergleich zur Reichsbankzeit veränderten. Schließlich werden die Auswirkungen der Rekrutierungspraxis auf die Zentralbankpolitik skizziert.

Institutionelle Grundlagen

Die Eintritts- und Aufstiegsmöglichkeiten bei der Zentralbank sind durch die persönlichen Präferenzen und Leistungen der Aspiranten, durch informelle Kontakte wie auch durch formelle Regeln der Organisation gekennzeichnet. Dabei war der Zugang zu den beiden Leitungsorganen der Zentralbank nach 1945 – dem Direktorium und der Zentralbankrat – neben der fachlichen Eignung insbesondere durch die rechtlich festgelegten Ernennungsinstanzen bestimmt.

Während der 20er und 30er Jahre stellten Wechsel aus der Politik in die Reichsbank eher die Ausnahme dar. Dem habilitierten Nationalökonomen und ehemaligen Staatssekretär Karl Helfferich wäre es 1923 beinahe gelungen, den Posten des Reichsbankpräsidenten zu übernehmen, doch letztlich unterlag er seinem Konkurrenten Hjalmar Schacht, der der Reichsbank anschließend bis 1930 vorstand. Dessen Nachfolger Hans Luther ist hingegen ein Beispiel für einen gelungenen Seitenwechsel, denn der promovierte Jurist Luther war bis zum Reichskanzler aufgestiegen und somit ganz und gar Berufspolitiker, ehe er 1930 die Nachfolge Schachts antrat.[34] Allerdings war die Reichsbank seit 1923 unabhängig von der Reichsregierung und rekrutierte ihr Führungspersonal eigentlich nicht aus Ministerien und Behörden. Mit Blick auf die Karrieremuster bei der Reichsbank war die Anbindung an das private Bankwesen wesentlich bedeutsamer. Viele aufsteigende Reichsbanker hatten eine Banklehre im privaten Bankgewerbe absolviert oder andere bankpraktische Erfahrungen in der Privatwirtschaft gesammelt, bevor sie zur Reichsbank kamen.[35]

Nach dem Bankgesetz von 1924 wurde der Reichsbankpräsident für eine Amtsdauer von vier Jahren vom Generalrat gewählt, der sich aus sieben deutschen Mitgliedern und jeweils einem Vertreter Großbritanniens, Frankreichs, Italiens, Belgiens, der USA, der Niederlande und der Schweiz zusammensetzte; der Reichspräsident musste dieser Wahl zustimmen. Die übrigen Mitglieder des Reichsbankdirektoriums wurden nach Zustimmung des Generalrats vom Reichsbankpräsidenten für zwölf Jahre ernannt, wobei nachfolgende Kandidaten der Zustimmung des Reichsbankdirektoriums bedurften. Die Reichsbank war damit nicht nur institutionell von der Reichsregierung unabhängig (§ 1), vielmehr sicherte die lange Amtszeit der Direktoriumsmitglieder ihre personelle Unabhängigkeit gegenüber politischen und privatwirtschaftlichen Einflussnahmen. Darüber hinaus wurde durch das Zustimmungserfordernis des Reichsbankdirektoriums bei Nachfolgekandidaten ein Selbstrekrutierungsmechanismus implementiert, der vor äußeren Einwirkungen schützte.[36]

Jene institutionellen Festlegungen hinsichtlich der Wahl des Reichsbankdirektoriums blieben auch über die Machtübernahme der Nationalsozialisten hinweg in Kraft, bis ein Großteil seiner Mitglieder infolge eines an Hitler gerichteten Memorandums 1939 ihres Amtes enthoben und die Reichsbank unmittelbar dem «Führerwillen» unterstellt wurde.[37] Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Reichsbank recht schnell zerschlagen, und 1946/47 wurden ganz im Sinne der alliierten Dezentralisierungs-Politik Landeszentralbanken (LZB) gegründet. In der britischen Zone blieben die alten Reichsbankstrukturen noch etwas länger erhalten, aber im Zuge der Vorbereitung der Währungsreform entstanden auch hier Landeszentralbanken – nicht zuletzt aufgrund des Drucks der USA. Daraufhin wurde am 1. März 1948 die Bank deutscher Länder (BdL) als Spitzeninstitut eines zweistufigen Zentralbanksystems gegründet, womit der Weg für die Währungsreform im Juni 1948 frei war. Von geringfügigen Änderungen abgesehen bestand jenes zweistufige Zentralbanksystem bis zur Gründung der Deutschen Bundesbank 1957.[38]

Abbildung 1: Direktorium und Zentralbankrat der Bank deutscher Länder (1948–1957)
Quelle: Gesetz Nr. 60. Errichtung der Bank deutscher Länder. Vom 1. März 1948, in: Amtsblatt der Militärregierung. Deutschland – amerikanisches Kontrollgebiet, 1948, Ausgabe L, 6–12; eigene Zusammenstellung.

Bemerkung: Wahl des Vorsitzenden des Zentralbankrates durch einfache Stimmenmehrheit der Mitglieder des Zentralbankrates; Wahl des Präsidenten des Direktoriums und seines Stellvertreters durch den Zentralbankrat; Ernennung der übrigen Mitglieder des Direktoriums durch den Zentralbankrat; Ernennung der LZB-Präsidenten auf Vorschlag des jeweiligen Finanzministers durch den jeweiligen Ministerpräsidenten.
Abbildung 1:

Direktorium und Zentralbankrat der Bank deutscher Länder (1948–1957)

Quelle: Gesetz Nr. 60. Errichtung der Bank deutscher Länder. Vom 1. März 1948, in: Amtsblatt der Militärregierung. Deutschland – amerikanisches Kontrollgebiet, 1948, Ausgabe L, 6–12; eigene Zusammenstellung.

Bemerkung: Wahl des Vorsitzenden des Zentralbankrates durch einfache Stimmenmehrheit der Mitglieder des Zentralbankrates; Wahl des Präsidenten des Direktoriums und seines Stellvertreters durch den Zentralbankrat; Ernennung der übrigen Mitglieder des Direktoriums durch den Zentralbankrat; Ernennung der LZB-Präsidenten auf Vorschlag des jeweiligen Finanzministers durch den jeweiligen Ministerpräsidenten.

Das neue föderale Prinzip der Bank deutscher Länder spiegelte sich gleichfalls in ihren Leitungsorganen wider. Zwar wurde die Leitung der Bank wieder in die Hand eines Direktoriums gelegt, doch war die Festlegung der allgemeinen Geschäftspolitik fortan dem Zentralbankrat (ZBR) vorbehalten, der sich aus einem Vorsitzenden, dem Präsidenten des Direktoriums sowie den Präsidenten der Landeszentralbanken zusammensetzte. Er war das oberste Organ der Zentralbank. Dabei wurde der Vorsitzende des Zentralbankrates durch die Mitglieder des Zentralbankrates gewählt; die LZB-Präsidenten wurden auf Vorschlag des jeweiligen Finanzministers vom entsprechenden Ministerpräsidenten ernannt. Das BdL-Direktorium wiederum bestand aus einem Präsidenten, seinem Stellvertreter und weiteren Mitgliedern, die vom Zentralbankrat ernannt wurden. Nicht zuletzt hierin spiegelte sich die übergeordnete Stellung des von Karl Bernard geführten Zentralbankrats wider, auch wenn jenes Gremium im Laufe der 50er Jahre gegenüber dem Direktorium unter dem machtbewussten, ehemaligen Reichsbanker Wilhelm Vocke an Einfluss einbüßte.[39]

Mit Ausnahme der Alliierten Bankkommission war die Bank deutscher Länder nicht an Weisungen politischer Stellen gebunden, d. h. sie war in der Festlegung ihrer Geld- und Währungspolitik insbesondere von den deutschen Landesregierungen unabhängig und blieb es auch nach der Gründung der Bundesrepublik von der Bundesregierung. Die institutionelle Unabhängigkeit der Zentralbank galt fortan als unumstößliches Kernprinzip.[40] Dass die BdL trotzdem nicht vollkommen frei von politischen Einflüssen war, lag zum einen an den von den jeweiligen Ministerpräsidenten ernannten LZB-Präsidenten und zum anderen am Auftrag der Legislative nach Art. 88 GG, eine Währungs- und Notenbank als Bundesbank zu errichten. Das am 26. Juli 1957 verkündete Bundesbankgesetz stellt zweifellos eines der wichtigsten ordnungspolitischen Grundlagengesetze der Bundesrepublik dar. Es garantierte fortan die institutionelle Unabhängigkeit der Zentralbank von Weisungen der Bundesregierung.[41]

Mit Gründung der Deutschen Bundesbank 1957 wurde das Notenbanksystem wieder stärker auf die Zentrale ausgerichtet, dennoch blieben Teile des zweistufig-föderativen Aufbaus erhalten. Zwar gewann das Direktorium, das fortan ebenfalls dem Zentralbankrat angehörte, merklich an Gewicht, aber nach wie vor konnten die LZB-Präsidenten über den Zentralbankrat auf die Geld- und Währungspolitik einwirken. Hierin unterschied sich die Bundesbank erheblich von der Reichsbank. Personell wurde die Unabhängigkeit der Bundesbanker auf der einen Seite gestärkt, indem die Amtszeit der ZBR-Mitglieder von bislang sechs auf acht Jahre erhöht wurde. Auf der anderen Seite nahm die Einflussmöglichkeit der Bundesregierung auf die Rekrutierung des Leitungspersonals zu, da ihr fortan das Vorschlagsrecht für die Direktoriumsmitglieder zustand. Die Präsidenten der Landeszentralbanken wurden von nun an vom Bundesrat vorgeschlagen, wobei sich dieser an den Vorschlägen des jeweiligen Landes orientierte, d. h. die Landesregierungen bestimmten auch weiterhin über das Amt des LZB-Präsidenten. Vor dem Hintergrund dieser sich wandelnden rechtlichen Festlegungen eröffneten sich für das Führungspersonal der deutschen Zentralbank nach dem Zweiten Weltkrieg unterschiedliche Rekrutierungswege und Möglichkeiten zum Seitenwechsel.

Abbildung 2: Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank (ab 1957)
Quelle: Deutsche Bundesbank, Die Geldpolitik der Bundesbank, Frankfurt a.M. 1995, 19; eigene Zusammenstellung.
Abbildung 2:

Zentralbankrat der Deutschen Bundesbank (ab 1957)

Quelle: Deutsche Bundesbank, Die Geldpolitik der Bundesbank, Frankfurt a.M. 1995, 19; eigene Zusammenstellung.

Aufstiegs- und Karrierewege nach 1945

Angesichts der Involvierung der Reichsbank in die Verbrechen des Nationalsozialismus stand die Institution der Zentralbank nach 1945 nicht nur vor einem Legitimations-, sondern auch vor einem Leitungsproblem. Obwohl das Memorandum vom Januar 1939 nach dem Zweiten Weltkrieg als Beleg dafür diente, dass sich die «echten» Reichsbanker gegen die ausufernde Rüstungsfinanzierung und die personelle Nazifizierung der Reichsbank zur Wehr gesetzt hätten, und Reichsbankpräsident Schacht im Nürnberger Kriegsverbrecherprozess mit einem Freispruch davongekommen war, standen durchaus Zweifel im Raum, ob man die Finanzexperten wieder in ihren ursprünglichen Funktionen installieren sollte. Vor allem die USA meldeten hiergegen massive Bedenken an. Dabei gab es neben der in der Reichsbank verbreiteten Form der Hauskarriere drei weitere mögliche Rekrutierungswege: Erstens aus dem privaten Bankwesen, zweitens aus der Wissenschaft und drittens aus der Politik. Die Zentralbank befand sich damit bei der Rekrutierung ihres Führungspersonals inmitten eines Beziehungsdreiecks. Seitenwechsel waren sowohl in die Zentralbank hinein als auch aus ihr heraus möglich. Bevor jene Drehtüreffekte näher beleuchtet werden, soll zunächst die Sozialstruktur des Leitungspersonals illustriert werden. Dabei kann man zwei Gruppen unterscheiden, nämlich zum einen die Mitglieder des Direktoriums und zum anderen die LZB-Präsidenten, die bis zur Gründung der Bundesbank 1957 allein und dann mit dem Direktorium den Zentralbankrat bildeten.[42]

Direktoriumsmitglieder

Bei der Betrachtung des BdL-Direktoriums ergibt sich ein zweigeteiltes Bild. Auf der einen Seite finden sich hier viele ehemalige Reichsbanker, die sich innerhalb der Zentralbank hochgearbeitet hatten, über entsprechende bankinterne Qualifikationen verfügten und – sofern sie studiert hatten – zu den Rechtswissenschaften neigten. Auf der anderen Seite gab es im BdL-Direktorium eine etwa gleich große Gruppe promovierter, aufstrebender Ökonomen, die vor 1945 im Statistischen Reichsamt, im Institut für Konjunkturforschung oder in der Reichs-Kredit-Gesellschaft tätig gewesen waren. Mit dieser neuen Gruppe von Ökonomen, die teils andere geld- und währungspolitische Vorstellungen vertraten, wenn es um konjunkturpolitische Eingriffsmöglichkeiten des Staates und die Goldbindung der Währung ging, mussten sich die Reichsbanker fortan ihre Macht teilen.

Einschließlich aller Personalwechsel umfasste die Gruppe der BdL-Direktoriumsmitglieder bis zur Gründung der Bundesbank insgesamt elf Personen. Mit Ausnahme der beiden Katholiken Otmar Emminger und Wilhelm Könneker waren alle evangelisch. Allerdings ist nicht erkennbar, dass die religiöse Zugehörigkeit für die Personalauswahl oder zentralbankpolitische Entscheidungen relevant war. Ebenso wenig gab es bei der Zentralbank eine öffentliche Debatte um die konfessionelle Bindung ihrer Führungskräfte, wie sie die Regierung Adenauer erlebte, die sich dem Vorwurf ausgesetzt sah, die Interessen und das Personal katholisch-konservativer Kreise überdurchschnittlich zu fördern.[43] Mit sechs Personen stellen die Reichsbanker in diesem Personensample knapp die Mehrheit und besetzten (mit Vocke als Präsident und Könneker als Stellvertreter) zudem die beiden Leitungsfunktionen. Der Neubeginn der Zentralbank basierte somit zu einem beträchtlichen Teil, aber eben nicht allein auf dem Personal der alten Reichsbank.

Sieben Direktoriumsmitglieder hatten eine Banklehre und sieben ein Studium absolviert und immerhin sechs waren promoviert worden. Hier sind die Verankerung des Führungspersonals im privaten Bankwesen und ihr hoher Akademisierungsgrad zu erkennen. Direkte Wechsel von der Politik in das Exekutivorgan der Bank deutscher Länder erfolgten hingegen nicht, auch wenn drei Personen zuvor Erfahrungen im Reichswirtschaftsministerium gesammelt hatten. Als Studienfach dominierte die Volkswirtschaftslehre gegenüber der Jurisprudenz. Nur die beiden alten Reichsbanker Wilhelm Vocke und Karl Friedrich Wilhelm gehörten zu den klassischen Juristen, wie sie über weite Strecken des 20. Jahrhunderts die höheren Ebenen von Behörden und Ministerien dominierten («Juristenmonopol»). Im BdL-Direktorium waren die Juristen damit gegenüber den Ökonomen in der Minderheit. In der Zentralbank benötigte man weniger die starre Fixierung klassischer Volljuristen an rechtlichen Kategorien, vielmehr waren die Einbeziehung neuer währungs- und finanzwissenschaftlicher Erkenntnisse sowie – bis zu einem gewissen Grad – ein flexibel-pragmatischer Umgang mit aktuellen Währungsentwicklungen gefragt.[44]

Nach der Gründung der Deutschen Bundesbank umfasste der Personenkreis der Direktoriumsmitglieder bis zum Ende der Amtszeit von Bundesbankpräsident Karl Blessing insgesamt 13 Personen. Dabei war das Leitungsorgan aufgrund zahlreicher Personalkontinuitäten ähnlich wie in den vorangegangenen neun Jahren strukturiert. Der Großteil der Organmitglieder war weiterhin evangelisch. Sechs Mitglieder hatten eine Banklehre und drei eine kaufmännische Lehre absolviert. Eine gewisse bankpraktische Erfahrung, wie man sie sich üblicherweise in einer Banklehre aneignete, stellte damit immer noch ein wichtiges Qualifikationsmerkmal dar. Ferner zeichnete sich das Direktorium weiterhin durch einen hohen Akademisierungsgrad aus: Acht Mitglieder konnten ein Universitätsstudium vorweisen und hatten mit Promotion abgeschlossen; andere – wie Karl Blessing oder Werner Lucht – hatten mehrere Semester an der Berliner Handelshochschule verbracht. Das fachliche Schwergewicht der Volkswirte blieb gleichfalls erhalten. Ebenso blieben die Kontinuitäten zur Reichsbank bestehen. Neben Karl Blessing waren fünf weitere Mitglieder des Direktoriums schon in der Reichsbank tätig gewesen.

Politische Wechsel ins Direktorium gab es auch nach der Gründung der Bundesbank nur wenige, aber zumindest der Fall Henckel, der 1966 als Nachfolger von Könneker ins Direktorium eintrat, scheint erwähnenswert. Der Zentralbankrat erhob zwar keine Bedenken gegen ihn, dennoch war seine Wahl untypisch, denn der promovierte Jurist Henckel hatte im Grunde eine Ministerialkarriere fernab des Bankwesens eingeschlagen. Henckel verfügte weder über ein volkswirtschaftliches Studium noch über eine Banklehre und hatte in der ersten Hälfte der 30er Jahre zunächst als Gerichtsassessor, Justiziar und Amtsgerichtsrat gearbeitet. Erst Ende 1935 war er zum Reichskommissariat für das Kreditwesen unter Leitung des Bankiers Friedrich Ernst gewechselt und auf diese Weise mit geld- und währungspolitischen Sachverhalten in Berührung gekommen.[45]

Im März 1949 rekrutierte ihn das hessische Finanzministerium für die Abteilung Banken und Versicherungen und nur ein Jahr später wechselte er ins Bundeswirtschaftsministerium. Hier stieg er zum Ministerialrat (1952) und Leiter der Unterabteilung Finanzfragen und Versicherungen in der Abteilung Geld und Kredit (1956) auf und wurde überdies Mitverfasser an den Entwürfen zum Bundesbankgesetz. Aufgrund seiner zahlreichen Initiativen galt er zu Recht als «Vater des Bundesbankgesetzes».[46] Seitens der Presse wurde der Wechsel aus dem Bundesministerium in die Bundesbank deshalb kritisch begleitet, doch weder Henckel noch die Zentralbank sahen hierin einen Interessenkonflikt. Letztlich weilte Henckel allerdings nur kurz im Direktorium und nahm folglich auch keinen nachhaltigen Einfluss auf die Geld- und Währungspolitik, denn Anfang Februar 1967 erlag er einem Herzanfall.[47]

Damit musste man erneut auf die Suche nach einem Nachfolger gehen und fand ihn in Rolf Gocht, einem Ökonomen, der 1939 mit einer Dissertation über die Lenkung der Produktion bei Walter Eucken in Freiburg promoviert worden war. Gocht hatte nach Kriegsgefangenschaft 1946 eine Anstellung im badischen Arbeitsministerium gefunden und war 1951 – wie Henckel – ins Bundeswirtschaftsministerium gewechselt.[48] Henckel und Gocht repräsentierten exemplarisch die dauerhaften und engen personellen Verbindungen zwischen Bundesbank und Bundeswirtschaftsministerium.[49] Dass man mit Gocht erneut eine Person aus dem Ministerium für das Bundesbank-Direktorium rekrutierte, war ungewöhnlich und gewiss kein Zufall. Der Zentralbankrat erhob auch gegen diesen vom Bundeswirtschaftsministerium initiierten Vorschlag der Bundesregierung keine Einwände.[50] Ohne Zweifel war Gocht für das Amt bestens qualifiziert, dennoch durchbrach man mit den Ernennungen von Henckel und Gocht eine bis dahin ungeschriebene Regel, wonach sich das Personal des Direktoriums aus der Zentralbank selbst (Reichsbank), aus dem privaten Bankgewerbe (Geschäftsbanken/Sparkassen) oder aus wissenschaftlichen Forschungsinstituten (wie dem Institut für Konjunkturforschung) rekrutierte.

Landeszentralbankpräsidenten

Die Alliierten nahmen nicht nur erheblichen Einfluss auf die rechtliche Konstruktion der Landeszentralbanken und der Bank deutscher Länder, sondern ebenfalls auf die personelle Auswahl des Führungspersonals. Dies galt in besonderer Weise für die 1946/47 ernannten ersten Landeszentralbankpräsidenten. Während in der amerikanischen Zone mit Max Grasmann (Bayern), Fritz Cahn-Garnier und Otto Pfleiderer (Württemberg-Baden), Otto Veit (Hessen) und Hermann Tepe (Bremen) ausschließlich Personen ohne Reichsbank-Hintergrund an die Spitze der Landeszentralbanken gelangten, traf dies in den anderen Zonen nur auf Wilhelm Boden (Rheinland-Pfalz), Max Sentz (Niedersachsen), Otto Burkhardt (Schleswig-Holstein) und Karl Klasen (Hamburg) zu. Gleichwohl stellten die Nicht-Reichsbanker damit im Zentralbankrat eine bedeutende Gruppe.[51]

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, über welche Voraussetzungen und Kompetenzen die Mitglieder des Zentralbankrats verfügen mussten. Vor allem ehemalige Reichsbanker erhoben den Anspruch, die währungs- und geldpolitische Entscheidungskompetenz wieder in die Hände der Zentralbank zu legen. Gleichzeitig äußerten sie Kritik an den LZB-Präsidenten als geldpolitischen Entscheidungsträgern, da diese nach landespolitischen Gesichtspunkten urteilen und nationale Währungsfragen daher hintanstellen würden. Doch machten die Amerikaner die Ernennung der LZB-Präsidenten nicht allein von fachlichen Kriterien abhängig. Ein personeller Schnitt zur Reichsbank an der Spitze der Landeszentralbanken schien ihnen sinnvoll, um die verkrusteten Reichsbankstrukturen aufzubrechen und zu verhindern, dass Erfahrungen aus der NS-Zeit prämiert würden.[52]

Insgesamt umfasste die Gruppe der Mitglieder im Zentralbankrat in der BdL-Zeit inklusive Bernard, Vocke und aller Personalwechsel 23 Personen. Das Saarland und Berlin nahmen nicht bzw. nur als Gast an den Sitzungen des Zentralbankrats teil. In Südwestdeutschland fand bis 1953 mit der Vereinigung der drei Landesteile zum neuen Bundesland Baden-Württemberg eine Konsolidierung der Zentralbankstrukturen statt, in deren Folge die drei eigenständigen Landeszentralbanken unter Eugen Christian Hinckel (Baden), Karl Mürdel (Württemberg-Hohenzollern) und Otto Pfleiderer (Württemberg-Baden) zur LZB von Baden-Württemberg zusammengefasst wurden. Letzterer wurde Präsident der neu eingerichteten Landeszentralbank. Ähnlich zur Verteilung im BdL-Direktorium lag das konfessionelle Übergewicht im Zentralbankrat auf Seiten der Protestanten, ohne dass sich hiervon Konsequenzen für die Geldpolitik ableiten lassen.

Das Qualifikationsniveau der Zentralbanker zeigt, dass immerhin fünf eine Banklehre absolviert hatten und elf von ihnen Erfahrungen im privaten Bankgewerbe nachweisen konnten. Neben der klassischen Banklehre war beispielsweise der Landeszentralbankpräsident von Hamburg, Karl Klasen, zuvor als Justiziar der Deutschen Bank tätig gewesen. Insofern war zumindest bei der Hälfte der Zentralbankratsmitglieder eine große Nähe zum privaten Bankgeschäft erkennbar. Der Anteil ehemaliger Reichsbanker lag mit etwa einem Drittel hingegen niedriger als im BdL-Direktorium. Der personelle Schnitt von der Reichsbank zur Bank deutscher Länder war – nicht zuletzt infolge der Besetzungspraxis der LZB-Präsidenten in der amerikanischen Zone – somit tiefer als im Exekutivorgan der Zentralbank.

Mit 19 von 23 Personen, die ein Universitätsstudium absolviert hatten, war der Zentralbankrat ebenso hoch qualifiziert wie das Direktorium, allerdings zeigt sich hier ein wesentlicher Unterschied: Während der Einzug aufstrebender Ökonomen neben dem Verbleib alter Reichsbanker typisch für das Direktorium war, überwog im Zentralbankrat Jura als Studienfach. Insgesamt 16 Personen hatten Rechtswissenschaften studiert, davon zehn sogar mit Promotion abgeschlossen. Einige von ihnen hatten zuvor eine Banklehre absolviert, hatten zusätzlich Lehrveranstaltungen in Nationalökonomie belegt, oder waren in anderer Funktion im privatwirtschaftlichen Bankgewerbe tätig, so dass auch bei diesen «Juristen» eine gewisse Nähe zur Finanzbranche erkennbar war. Nichtsdestotrotz standen sie der juristisch orientierten Ausbildungstradition im deutschen Verwaltungsstaat sehr viel näher als neuen ökonomischen Denkweisen. Im Fall der beiden promovierten Juristen Fritz Cahn-Garnier (Württemberg-Baden) und Heinrich Troeger (Hessen), die während der Weimarer Republik in der Mannheimer Stadtverwaltung bzw. als Bürgermeister von Neusalz an der Oder (Nowa Sól) Karriere gemacht hatten, ist dies ganz offensichtlich.

Tabelle 1:

Sozialstruktur der Leitungsorgane der Bank deutscher Länder und der Deutschen Bundesbank (1948–1969)

Direktorium

LZB-Präsidenten (ZBR)

BdL

BBK

BdL

BBK

Anzahl (N)

11

13

23

20

Geburtsjahr (Ø)

1900

1905

1896

1905

NSDAP-Mitgliedschaft

3 

4 

5 

8 

Abitur

11

12

21

17

Banklehre

7 

6 

5 

9 

kaufmännische Lehre

1 

3 

3 

1 

Studium

VWL

5 

5 

3 

5 

Jura

2 

3 

16

10

gesamt

7 

8 

19

15

Promotion

VWL

5 

5 

2 

4 

Jura

1 

3 

10

5 

gesamt

6 

8 

12

9 

Tätigkeit in Reichsbank

6 

6 

8 

6 

Auch nach der Gründung der Bundesbank 1957 zeichneten sich die LZB-Präsidenten im Zentralbankrat durch ein hohes Qualifikationsniveau aus. Immerhin neun hatten eine Banklehre absolviert, wobei sich weder ein Monopol der Aktienbanken noch der Privatbanken, Sparkassen oder Genossenschaften erkennen lässt. Deutlich niedriger als im Direktorium – und damit ähnlich zur BdL-Zeit – lag hingegen der Anteil der Personen mit bankpraktischer Erfahrung in der Reichsbank. Nur sechs Mitglieder waren vor 1945 in der Reichsbank tätig. Mit Blick auf das an Universitäten erworbene volkswirtschaftliche Wissen waren die Direktoriumsmitglieder weiterhin gegenüber den LZB-Präsidenten im Vorteil. Zwar hatten 15 der 20 ZBR-Mitglieder ein Studium absolviert, doch nach wie vor lag der fachliche Schwerpunkt im Zentralbankrat auf den Rechtswissenschaften. Insgesamt setzte sich damit nach 1957 das Bild eines von Reichsbankern, Ökonomen und Verwaltungsjuristen durchzogenen Zentralbankrats fort, bei dem Letztere unter den LZB-Präsidenten in der Mehrheit waren.

Parteipolitische Färbungen

Die Bedeutung des richtigen Parteibuchs zeigte sich vor allem bei den Landeszentralbankpräsidenten. So standen Otto Burkhardt, Karl Klasen und Erich Leist, die Anfang der 50er Jahre den Landeszentralbanken in Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vorstanden, wo zu dieser Zeit SPD-Regierungen an der Macht waren, allesamt den Sozialdemokraten nahe. Insofern waren die vielfach vorgebrachte Kritik an den Auswahlkriterien und die Infragestellung der fachlichen Eignung der LZB-Präsidenten nicht ganz unbegründet. Während die Mitglieder des Direktoriums fachlich überaus qualifiziert waren, strömten über die politische Karte Personen in den Zentralbankrat, die geringe Erfahrungen im Zentralbankwesen besaßen, auch wenn bei ihnen meist ein finanzpolitischer Hintergrund zu erkennen war. Dieser parteipolitische Einfluss lässt sich besonders gut im Fall der Landeszentralbankpräsidenten in Berlin, Hessen und Rheinland-Pfalz verdeutlichen.

Als Rudolf Gleimius 1959 nach seiner zweiten Amtszeit im Alter von 69 Jahren aus der Berliner Zentralbank ausschied, rückte Franz Suchan auf seine Position nach. Doch verlief diese Nachfolgeregelung keineswegs reibungslos. Denn der Zentralbankrat und besonders Bundesbankpräsident Karl Blessing zeigten sich über die geplante Ernennung Suchans keineswegs erfreut. Suchan war nämlich im Juli 1957 vom Posten des Vizepräsidenten mit der Begründung zurückgetreten, dass das neue Bundesbankgesetz sein Amt massiv abwerte. Für Blessing stand daher außer Frage, dass man Suchan folglich nicht mit der Leitung der Berliner Landeszentralbank betrauen könne. Darüber hinaus hatte sich Suchan – vergeblich – um andere Leitungsaufgaben außerhalb des Zentralbankwesens bemüht, weshalb seine Ernennung mit einem Prestigeverlust für die Bundesbank einherging. Schließlich hatte Suchan den erkrankten Gleimius dazu gedrängt, vorzeitig von seinem Amt zurückzutreten, damit Suchan dessen Position übernehmen konnte. Dieses Drängen beurteilten einige Mitglieder des Zentralbankrats als kaum entschuldbares Verhalten. In der Summe sah Blessing keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit – zumal Suchan der SPD angehörte.[53]

Doch konnte sich der konservative Bundesbankpräsident mit diesen Argumenten im Frühjahr 1959 nicht gegen den Regierenden Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, durchsetzen, der darauf hinwies, dass nicht alle ZBR-Mitglieder seine Einschätzung teilten und der Berliner Senat laut Bundesbankgesetz ein Vorschlagsrecht besitze. Außerdem sei Suchan bei seinem Rücktritt vom Amt des Vizepräsidenten vom Vorsitzenden des Verwaltungsrates (Friedrich Ernst) und dem zuständigen Fachsenator (Paul Hertz) unterstützt worden. Brandt bestritt überdies Spannungen zwischen Suchan und den leitenden Angestellten der Berliner Zentralbank. Im Bündnis mit dem Berliner Senator für Wirtschaft und Kredit (Hertz) – ebenfalls SPD – stellte sich Brandt damit den Bedenken des Bundesbankpräsidenten entgegen.[54]

Doch Blessing mochte sich nicht geschlagen geben, denn immerhin besaß der Zentralbankrat bei der Wahl der Landeszentralbankpräsidenten ein Anhörungsrecht. Im Mai 1959 ließ er deshalb eine geheime Probeabstimmung im Zentralbankrat durchführen, bei der Suchan kläglich scheiterte, woraufhin er Brandt im Namen des gesamten Kollegiums darum bat, Suchan nicht als Präsidenten vorzuschlagen. Doch wollte sich Brandt vom obersten Währungshüter der Bundesrepublik nicht einschüchtern lassen. Anfang Juni 1959 teilte er Blessing mit, dass der Berliner Senat einstimmig an der Kandidatur Suchans festhalte. Daraufhin beschloss der Bundesrat am 10. Juli 1959, dem Bundespräsidenten Suchan als Präsidenten der LZB in Berlin vorzuschlagen; im September erfolgte seine Ernennung. Mit der Personalie Suchan hatte sich die Berliner Politik somit gegen Blessing und die Mehrheitsmeinung im Zentralbankrat durchgesetzt.[55]

In Hessen wurde im März 1947 zunächst der Ökonom Otto Veit zum Präsidenten der Landeszentralbank ernannt. Sein wirtschaftswissenschaftlicher Hintergrund ermöglichte es ihm, 1952 auf einen Lehrstuhl an der Universität in Frankfurt a.M. zu wechseln und parallel das Amt des Direktors des Instituts für Kreditwesen zu übernehmen. Er ist damit ein Beispiel für den Wechsel zwischen Zentralbank und Wissenschaft. Dass sein Vertrag nicht verlängert wurde, war zugleich Gegenstand öffentlicher Debatten, denn Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) warf Ministerpräsident Georg August Zinn (SPD) im Mai 1952 vor, dass seit der Neubildung der hessischen Landesregierung mehrere Beamte, die nicht der SPD angehörten, in obersten Landesbehörden zurückgesetzt worden seien; hierbei nannte er explizit auch Landeszentralbankpräsident Veit. Zinn verwahrte sich gegen die Anschuldigungen des Kanzlers und konterte, dass Personalfragen in Hessen nicht parteipolitisch behandelt würden.[56] Zweifelsohne strebte Veit auch von sich aus an die Universität, gleichwohl war er der hessischen Landesregierung offensichtlich aus politischen Gründen nicht mehr genehm. Immerhin wurde auf seine Anregung hin und im Einverständnis mit dem hessischen Finanzminister Heinrich Troeger wenig später Ernst Walther Wolfslast (1896–1975) als Nachfolger ernannt.[57]

Ein weiteres Vorstandsmitglied der Landeszentralbank zu jener Zeit war Fritz Paersch, der für den im Mai 1948 zur Bank deutscher Länder gewechselten Wilhelm Könneker nachgerückt war. Dabei war Paerschs Wahl in den Vorstand gleich aus mehreren Gründen diffizil. Denn zunächst brachte Veit nicht Paersch, sondern den Vize-Präsidenten der LZB von Schleswig-Holstein, Fridolin Dejon, in Vorschlag. Dieser stammte aus dem Rheinland, war mit Mitte 50 im besten Alter, stand der SPD nahe und blickte zudem auf eine langjährige Reichsbankerfahrung zurück. Besonders die letzten beiden Punkte schienen für die hessische Landesregierung entscheidend. «Der dritte Posten bei der Landeszentralbank muss m. E. mit einem Reichsbankmann besetzt werden. […] Sein grosser Vorteil ist seine politische Einstellung, da er ein alter SPD Mann ist. Das würde manches erleichtern – so hoffe ich. Andererseits hat die SPD wenig Leute zu präsentieren, die in Frage kämen.»[58]

Während der Weimarer Republik hatte Dejon neben seiner Reichsbanklaufbahn für die sozialdemokratische Zeitung «Vorwärts» gearbeitet. In den Personalbeurteilungen der 30er Jahre war er stets als intelligent, strebsam, theoretisch begabt und organisatorisch wie journalistisch gewandt bezeichnet worden. Darüber hinaus war Dejon laut dem Hauptausschuss in Kiel nicht vom Entnazifizierungsgesetz betroffen. Allerdings machte er bei seiner Vorstellung in Wiesbaden einen «müden Eindruck», weshalb Veit schließlich dazu tendierte, dem beim Vorstand der LZB von Hessen tätigen, früheren Reichsbanker Jakobus Söngen den Vorzug zu geben. Doch kam dieser als Mitläufer hierfür nicht in Frage.[59] Letztlich wurde jedoch weder Dejon noch Söngen zum Vize-Präsidenten ernannt. Stattdessen wurde Paersch im Januar 1949 kommissarischer Stellvertreter des Präsidenten und am 1. Januar 1950 offiziell zum Vizepräsidenten der LZB von Hessen ernannt.

Dass Paersch nun 1952 nicht Nachfolger von Veit als LZB-Präsident wurde, sondern man Wolfslast ernannte, war insbesondere auf Paerschs Einbindung in die NS-Ausbeutungspolitik zurückzuführen, denn dieser hatte während des Zweiten Weltkrieges als Vorstandsmitglied der Reichskreditkassen und Bankdirigent der Emissionsbank von Polen fungiert. Wolfslast war schon seit November 1947 bei der Landeszentralbank von Hessen tätig, politisch unbelastet und stand zudem der SPD nahe, weshalb er 1933 seinen Posten als Bankdirektor in Frankfurt/Oder hatte räumen müssen. Dies war im SPD-dominierten Hessen ein schwergewichtiges Argument. Doch verblieb auch Wolfslast nicht lange auf dem Posten des LZB-Präsidenten, da er schwer erkrankte und im Oktober 1954 wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden musste.[60] Die Suche nach einem Nachfolger gestaltete sich schwierig. Nach zwei Jahren ohne Führung übernahm schließlich der hessische Finanzminister und Sozialdemokrat Heinrich Troeger im Oktober 1956 den Posten, der jedoch mit Ablauf des Jahres 1957 in die Zentrale der neu gegründeten Deutschen Bundesbank wechselte. Erst mit seinem Nachfolger Leopold W. Bröker – gleichsam SPD-Mitglied – stabilisierte sich ab 1958 die Lage an der Spitze der hessischen Landeszentralbank.[61]

Das dritte Beispiel stellt Wilhelm Boden dar. Im Dezember 1946 berief ihn die französische Militärregierung zum ersten provisorischen Ministerpräsidenten des neu gebildeten Landes Rheinland-Pfalz und am 13. Juni 1947 erfolgte seine Wahl zum rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten. Boden knüpfte damit an seine beruflichen Stationen vor 1933 an und schlug wieder eine politische Karriere ein. Bis Juni 1947 zeigte er wenig Ambitionen ins Zentralbankwesen zu wechseln, doch verlor er die Unterstützung seiner Fraktion und musste im Juli 1947 sein Amt als Ministerpräsident aufgeben.[62]

Boden zog sich daraufhin auf sein Abgeordnetenmandat zurück, das er bis zu seinem Tod behielt, und übernahm parallel ab August 1947 die Leitung der neu eingerichteten Landeszentralbank von Rheinland-Pfalz. Er blieb Teil des Landtags und damit vor allem Politiker. Sein Präsidentenamt war gewissermaßen ein «Versorgungsposten». Dies drückte sich besonders darin aus, dass er sich zu Beginn der zweiten Legislaturperiode 1951 zum Vorsitzenden der CDU-Fraktion im rheinland-pfälzischen Landtag wählen ließ. Gesetzlich war diese Verquickung von politischem Mandat und ZBR-Mitgliedschaft zwar nicht verboten, aber in der Praxis dennoch ungewöhnlich und höchst selten. Als Präsident der LZB von Rheinland-Pfalz trat Boden Ende Mai 1959 während seiner dritten Amtsperiode vorzeitig aus gesundheitlichen Gründen zurück. Obschon er zu Blessing und vielen anderen Mitgliedern des Zentralbankrats ein freundschaftliches Verhältnis pflegte, blieb er vornehmlich im konservativen politischen Feld gebunden.[63]

Auch nach seinem Ausscheiden folgte man in Rheinland-Pfalz dem Prinzip, den Präsidentenposten an Personen aus dem politischen Spektrum zu vergeben. Seine beiden Nachfolger Hans-Georg Dahlgrün und Fritz Duppré waren gleichfalls Juristen, die in der Ministerialverwaltung Karriere gemacht hatten. Dahlgrün war bis 1942 zum Ministerialrat im Reichsfinanzministerium und 1958 zum rheinland-pfälzischen Finanzminister aufgestiegen. Duppré gehörte als CDU-Mitglied und Chef der Mainzer Staatskanzlei zu den engsten politischen Weggefährten des rheinland-pfälzischen Ministerpräsidenten Peter Altmaier, mit dem er im Mai 1969 gemeinsam aus dem Amt schied, bevor er die Führung der Landeszentralbank übernahm.[64] Das «richtige» Parteibuch spielte somit nicht nur im «roten» Hessen, sondern auch im konservativen Rheinland-Pfalz eine entscheidende Rolle für die Besetzung der Landeszentralbankspitze.

Wahlinteressen und Bankenlobbyismus

Schon mehrfach wurden Überlegungen angestellt, inwiefern die Zentralbank die Finanzpolitik der Bundesregierung systematisch akkommodiert und auf diese Weise deren Wiederwahl gestützt habe, d. h. ob die Regierung die Zentralbank vor Wahlen zu einer konjunkturstimulierenden Geldpolitik bewegen konnte, um von einem damit einhergehenden temporären Rückgang der Arbeitslosigkeit zu profitieren. So untersuchte Roland Vaubel, ob die Geldpolitik der Bundesbank auf das Vorherrschen parteipolitischer Präferenzen im Zentralbankrat zurückzuführen sei und sich die Zentralbanker in den Dienst «ihrer» Partei stellen würden. Ihm zufolge wird die Hypothese bestätigt, dass sich die monetäre Expansion der Geldmenge beschleunigt, wenn die Regierung zu Beginn der Vorperiode eine politische Mehrheit im Zentralbankrat hat oder wenn sich die politische Mehrheit im Zentralbankrat während der Vorwahlperiode zu Gunsten der Regierung ändert. Umgekehrt würde sich die monetäre Expansion verlangsamen, wenn das Gegenteil der Fall sei.[65] Hierfür hat er alle Mitglieder des Zentralbankrats und des Direktoriums seit 1950 der SPD und der CDU zugeordnet – entweder als Mitglied oder als eine der beiden Parteien näherstehend. Dieses Vorgehen muss jedoch kritisch hinterfragt werden, denn es gibt zumindest einige Personen, bei denen diese Zuordnung fragwürdig ist. So wurde Vocke trotz seiner Differenzen mit Adenauer mit einem «C», also den Christdemokraten zugehörig, klassifiziert und Boden mit einem Fragezeichen versehen, obschon er der CDU angehörte.[66]

Einen ähnlichen Zusammenhang wie Vaubel konstatierten bereits Bruno Frey und Friedrich Schneider. Nach ihrer Analyse folgte die Bundesbank im Zeitraum 1957 bis 1977 dem finanzpolitischen Kurs der Bundesregierung mit einer Verzögerung von einem halben Jahr.[67] Demnach passte sich die Bundesbank mit ihrer Geldpolitik der Wirtschaftspolitik der Regierung an. Helge Berger kommt hingegen zu dem Ergebnis, dass diese Hypothese zu verwerfen sei.[68] Er hebt vor allem die Konflikte zwischen Bundesregierung und Bundesbank hervor, wie bei der Etablierung der Europäischen Zahlungsunion 1950/51, im Fall der Gürzenich-Affäre 1956 oder bei der Aufwertung 1960/61. Während die Bundesregierung ihren Blick hierbei stärker auf die Wirtschaftsdaten und die Arbeitslosenzahlen richtete, legte die Bundesbank ihren Fokus auf die Inflation und die Zahlungsbilanz. Nicht zuletzt die geld- und ordnungspolitischen Differenzen in den ersten 20 Nachkriegsjahren sprechen für diese Interpretation Bergers.

Schließlich wurde die These der politischen Nähe von Manfred Neumann überprüft, indem er untersuchte, ob die Bundesbank zur Stützung der jeweiligen Bundesregierung in Vorwahlperioden (15 Monate) den Diskontsatz senkte oder nicht. Seine Auswertung der Diskontsatzpolitik vor sämtlichen Bundestageswahlen von 1953 bis 1994 kommt zu zwei Ergebnissen: Erstens zeigt sich, dass die Bundesbank nicht immer die Bundesregierung stützte, d. h. die Zentralbank war nicht einfach ein verlängerter Arm der Regierung. Zweitens ging er der Frage nach, ob sich der Zentralbankrat bei seinen Zinsentscheidungen von parteipolitischen Präferenzen leiten lässt. Hierfür nutzte er die parteipolitische Zuordnung von Vaubel und prüfte, ob Zinsentscheidungen vor Wahlen zugunsten oder zulasten der Bundesregierung mit den politischen Mehrheitsverhältnissen im Zentralbankrat korrespondierten (Wiederwahl- bzw. Abwahlhypothese). Lässt man die Kritik an der Klassifizierung von Vaubel einmal beiseite, wird hier deutlich, dass sich die parteipolitische Aufgliederung nicht durchweg in entsprechende Abstimmungsergebnisse übersetzte. Beide Hypothesen sind daher zu verwerfen. Vielmehr kommt Neumann zu dem Ergebnis, dass die meisten Beschlüsse im Zentralbankrat von einer großen Mehrheit getragen wurden (76 bis 86 Prozent), d. h. auch bei entgegengesetzten Parteizugehörigkeiten. Einige Mitglieder der Regierungscouleur stimmten somit vor Wahlen für Zinserhöhungen – und ebenso unterstützten Mitglieder der Opposition Zinssenkungen.[69]

Die Ergebnisse von Neumann und Berger illustrieren, dass sich die Mitglieder des Zentralbankrats im Laufe der Zeit in ihr Amt fügten und nicht durchweg für parteipolitische Ziele instrumentalisieren ließen. Obschon Geld- und Währungspolitik kein apolitischer Bereich war und ist, ließen sie sich in ihrer Mehrheit nicht für parteipolitische Wahlinteressen einspannen. Nachdem sie einmal in ihrer Position waren, übernahmen sie vielfach währungs- und geldpolitische Argumente aus der Welt der Zentralbanken (Becket-Effekt). Da Eintrittsalter und Amtsdauer oftmals so kombiniert wurden, dass das Amt des LZB-Präsidenten die letzte Station im Berufsleben darstellte, war der Anreiz für politische oder privatwirtschaftliche Rücksichtnahmen relativ klein. Wilhelm Könneker zufolge waren die Assimilationskraft und das gemeinsame Verantwortungsfühl innerhalb des Zentralbankrats so groß, dass sich stets notenbankpolitische Gesichtspunkte gegenüber anderen Interessen durchsetzten.[70]

Dieses Urteil gilt in ähnlicher Form für die Vereinnahmung des Zentralbankrats für die Interessen der Finanzbranche. Zweifellos gab es auch in der deutschen Notenbankgeschichte Wechsel zwischen dem privaten Bankgewerbe und der Zentralbank. Hjalmar Schacht und Karl Klasen wären hierfür die prominentesten Beispiele. Doch kamen diese Wechsel seltener als Übertritte aus dem politischen Feld vor. Der promovierte Jurist Klasen (1909 bis 1991) galt bei Kriegsende als großes Talent mit praktischer Bankerfahrung und kehrte im Juni 1945 zunächst zur Deutschen Bank zurück, wo er mit der Umsetzung von Finanzgesetzen der britischen Militärregierung betraut wurde und in diesem Kontext auch in Kontakt zur Reichsbankleitstelle in Hamburg und zum Hamburger Senat trat. Als 1948 die Position des LZB-Präsidenten von Hamburg zu besetzen war, erfüllte Klasen die vom Senat an das Amt gestellten Kriterien in hervorragender Weise. Überdies gehörte er – wie der Erste Bürgermeister der Hansestadt Max Brauer – der SPD an. Infolgedessen wurde er 1948 mit nur 39 Jahren Landeszentralbankpräsident und war damit deutlich jünger als die übrigen amtierenden LZB-Präsidenten; lediglich Otto Pfleiderer (1904–1989) hob sich altersmäßig noch gleichermaßen von seinen Kollegen ab.[71]

Für den aufstrebenden Klasen bot die Position des LZB-Präsidenten 1948 angesichts der Zerschlagung der Großbanken zunächst eine attraktive Perspektive. Gleichwohl blieb er dem privaten Finanzgewerbe verbunden. Dies zeigte sich nicht zuletzt in der Frage der Rezentralisierung der Großbanken. Als das BdL-Direktorium unter dem zentralistisch eingestellten Vocke den Landeszentralbankpräsidenten im Februar 1950 einen Vorschlag zur Neuordnung der Großbanken unterbreitete, der eine mit den Großbankenvertretern (Hermann J. Abs, Carl Goetz, Paul Marx) abgestimmte Lösung mit drei Bankbezirken beinhaltete, stimmte nur Klasen zu. Er ging sogar – ganz im Sinne der großen Aktienbanken – darüber hinaus und forderte eine Zweierlösung. Doch lehnte der Zentralbankrat die Vorschläge am 19./20. April 1950 mit elf gegen zwei Stimmen (Vocke und Klasen) ab. Die Inkongruenz der geplanten Bankbezirke mit den bestehenden Landeszentralbankgrenzen und fiskalische Interessen der Länder, in denen kein Hauptsitz einer Großbank mehr bestehen würde, gaben hierfür den Ausschlag. Vor allem die LZB-Präsidenten der US-Zone standen den Plänen abweisend gegenüber.[72] Doch letztlich setzte sich der Rezentralisierungsgedanke durch. Vor dem Hintergrund des im Juni 1950 ausgebrochenen Koreakriegs und dem Interesse an einer leistungsfähigen westdeutschen Wirtschaft trat die US-amerikanische Prinzipientreue hinsichtlich der Dezentralisierung zunehmend in den Hintergrund. Auch Teile des Zentralbankrats und das Bundeswirtschaftsministerium unterstützten nun die Pläne zur Schaffung größerer Bankbezirke, so dass das Großbankengesetz nach längeren Verhandlungen schließlich im April 1952 in Kraft trat. Dieses sah drei abgegrenzte Niederlassungsbereiche für Kreditinstitute vor. Damit fand zwar noch keine vollständige Rezentralisierung statt, aber die Großbanken hatten ihre Interessen weitgehend durchgesetzt. Klasen betrieb hier also eine Bankenpolitik im Sinne seines früheren und späteren Arbeitgebers, wobei er damit seiner Auffassung nach nicht den Interessen der von ihm geleiteten Landeszentralbank zuwiderhandelte.[73]

Zugleich wirkte Klasen auf diese Weise an einer Struktur im privaten Bankgewerbe mit, in die er selbst unmittelbar wieder einstieg, denn 1952 wechselte er in den Vorstand der Norddeutschen Bank in Hamburg, einem der drei Nachfolgeinstitute der Deutschen Bank. Angesichts seiner exponierten Position in der Frage der Neuordnung ist dieser Seitenwechsel durchaus kritisch zu sehen. Er verweist sowohl auf die habituellen Aneignungen in der Finanzbranche und die fortbestehenden Beziehungen in der Welt der Bankiers als auch auf persönliche Karriereambitionen.

Nachdem Klasen 1957 die Rezentralisierung der Deutschen Bank selbst mitgestaltet hatte und als ihr Vorstandssprecher von 1967 bis 1969 im Zenit des Finanzinstituts angekommen war, wechselte er Anfang 1970 in der Nachfolge Blessings in das Amt des Bundesbankpräsidenten.[74] Blessing versicherte dem amtierenden Bundeswirtschaftsminister Schiller mehrfach, dass Klasen und Emminger, der als Stellvertreter vorgesehen war, die Zustimmung des Zentralbankrats finden würden. Dabei kannte Klasen Schiller noch aus seiner Hamburger Zeit, als Schiller dort von 1948 bis 1953 als Senator für Wirtschaft und Verkehr fungiert hatte.[75] Mit der Ernennung von Klasen und Emminger rückte die Zentralbank einerseits ein Stück weit näher an die Finanzbranche heran, andererseits zeigte sich in der Berufung des promovierten Ökonomen Emminger die steigende Bedeutung theoretisch-ökonomischen Wissens für Entscheidungsfindungen in der Bundesbank. Dabei spiegelten der aus einem konservativen Elternhaus stammende Emminger und das SPD-Mitglied Klasen im Grunde unter umgekehrten Vorzeichen (wie bei Blessing und Troeger) den politischen Proporz der Bundesrepublik in den ausgehenden 60er Jahren wider. Insofern überlagerten sich bei den Seitenwechseln von Klasen parteipolitische, privatwirtschaftliche und zentralbankspezifische Aspekte.

Mit seinem Übertritt in die Privatwirtschaft bildete der Zentralbanker Klasen gleichwohl eine Ausnahme. Zwar finden sich vereinzelt solche Fälle. So wechselte der niedersächsische Landeszentralbankpräsident York Hoose nach zwei Amtsperioden im Juni 1962 in den Vorstand der Schleswig-Holsteinischen Westbank AG.[76] Doch insgesamt verblieben die Landeszentralbankpräsidenten und Direktoriumsmitglieder lange auf ihren Positionen und wechselten – wenn überhaupt – eher innerhalb des Zentralbanksystems. Eine privatwirtschaftliche Prägung erfuhren die Zentralbanker hingegen stärker über ihre Ausbildung, denn ein nicht unbeträchtlicher Teil hatte zu Karrierebeginn eine Banklehre absolviert.

Fazit

Das Personal der deutschen Zentralbank nach 1945 bewegte sich neben der weit verbreiteten Hauskarriere und der damit zusammenhängenden Kontinuität zur Reichsbank vor allem in einem Beziehungsdreieck zwischen den drei Polen Privatwirtschaft, Politik und Wissenschaft. Ihr Führungspersonal rekrutierte sie entweder aus sich selbst heraus oder aus einem dieser drei Felder. Dabei lassen sich mit Blick auf die Seitenwechsler für die ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte drei Punkte festhalten.

Erstens kann man zwei Personengruppen voneinander differenzieren. Auf der einen Seite standen die Direktoriumsmitglieder, von denen etwa die Hälfte aus der Reichsbank kam und bei denen ein Bedeutungsgewinn akademisch ausgebildeter Ökonomen zu verzeichnen war; auf der anderen Seite finden sich die LZB-Präsidenten, bei denen Jura als Studienfach überwog und die parteipolitische Bindung eine größere Rolle spielte. Seitenwechsel aus der Politik – wie Henckel – kamen im Direktorium nur selten vor, auch wenn das Duo Troeger-Blessing weitgehend den parteipolitischen Proporzvorstellungen der beiden Volksparteien entsprach. Die Unterscheidung zwischen diesen beiden Gruppen ist neben unterschiedlichen Aufgabengebieten vor allem auf abweichende Ernennungswege zurückzuführen. Während der BdL-Zeit wurde das Direktorium durch den Zentralbankrat bestimmt, ab 1957 dann durch die Bundesregierung, wobei hier stets starke Selbstrekrutierungsmechanismen wirksam waren. Die Präsidenten der Landeszentralbanken wurden hingegen von den Landesregierungen ausgewählt, für die parteipolitische Gesichtspunkte bedeutsam waren.

Zweitens kamen Wechsel in die Wissenschaft oder in die Privatwirtschaft auch, aber eher selten vor. Der Übertritt von Karl Klasen zur Deutschen Bank und dann an die Spitze der Bundesbank ist hierfür ein herausragendes, aber wenig repräsentatives Beispiel. Gleiches gilt für die Übernahme einer Professur durch Otto Veit. Die Anbindung der Zentralbank an diese beiden Pole – Finanzbranche und Wissenschaft – erfolgte eher über die Ausbildung, d. h. über eine Banklehre oder ein wirtschaftswissenschaftliches Studium – und weniger über Wechsel im späteren Berufsleben.

Während man somit zweifelsfrei festhalten kann, dass parteipolitische Bindungen für den Aufstieg der Landeszentralbankpräsidenten eine Rolle spielten, waren diese Bande – drittens – bei zentralbankpolitischen Entscheidungen offensichtlich von untergeordneter Bedeutung. Natürlich streiften die Zentralbanker ihre parteipolitischen Standpunkte oder Verbindungen in die private Bankenwelt mit ihrem Eintritt in die Zentralbank nicht über Nacht ab, doch zentralbankpolitische Gesichtspunkte – wie Geldwertstabilität – gaben fortan augenscheinlich den Ausschlag. Auch wenn Klasens Eintritt für die Rezentralisierung der Großbanken schon stark an klassischen Lobbyismus erinnerte. Nicht zuletzt die zahlreichen Konflikte zwischen Regierung und Zentralbank verweisen darauf, dass sich die Zentralbanker nicht einfach für parteipolitische Wahlinteressen instrumentalisieren ließen.

Zweifellos sind Seitenwechsel nicht unproblematisch. Zu Recht hat die Ombudsfrau der EU Emily O’Reilly im Mai 2021 darauf hingewiesen, dass der Wechsel von Vertreter:innen der Regulierungsbehörden in Wirtschaftsbereiche, die sie früher selbst reguliert haben, zu einem Problem geworden sei.[77] Das gilt auch für Zentralbanken und die von ihnen beaufsichtigten Banken. Transparente Regeln oder temporäre Jobverbote können helfen, dieses Dilemma zu umschiffen.[78] Aber umgekehrt gibt es auch immer ein Interesse an Seitenwechslern, sowohl seitens der Akteure selbst als auch von den Institutionen. Für eine Institution wie die Bundesbank, die unabhängig von politischen Weisungen der Bundesregierung agiert, kann es sich als durchaus nützlich erweisen, wenn sie ihr Leitungspersonal nicht nur aus sich selbst hervorbringt, sondern sich gleichsam personelle Zugangswege aus Politik, Wissenschaft und Wirtschaft offenhält.

Tabelle 2:

LZB-Präsidenten und ihre parteipolitische Zuordnung nach Roland Vaubel (1950–1970)

  

B(W)

BAY

HB

HH

H 

NDS

NRW

RLP

SH

B 

S 

1950

C 

C 

S 

S 

C 

? 

? 

? 

S 

- 

- 

1951

C 

C 

S 

S 

C 

S 

? 

? 

S 

- 

- 

1952

C 

C 

S 

S 

S 

S 

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? 

S 

- 

- 

1953

C’

C 

S 

S 

S 

S 

C 

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S 

- 

- 

1954

C’

C 

S 

S 

S 

S 

C 

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S 

- 

- 

1955

C’

C 

S 

S 

S 

S 

C 

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S 

- 

- 

1956

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

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S 

- 

- 

1957

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

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S 

- 

- 

1958

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

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S 

? 

- 

1959

C’

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S 

S 

S 

S 

S 

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S 

? 

- 

1960

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

C’

S 

S 

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1961

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

C’

C 

S 

C 

1962

C’

S 

S 

S 

S 

C 

S 

C’

C 

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1963

C’

S 

S 

S 

S 

C 

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C’

C 

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C 

1964

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

C’

C 

S 

C 

1965

C’

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S 

S 

S 

S 

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C 

S 

C 

1966

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

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S 

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1967

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

C’

C 

S 

C 

1968

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

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C 

S 

C 

1969

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

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C 

S 

C 

1970

C’

S 

S 

S 

S 

S 

S 

C’

C 

S 

C 

  

B(W)

BAY

HB

HH

H 

NDS

NRW

RLP

SH

B 

S 

1950

Hinckel

Grasmann

Tepe

Klasen

Veit

Sentz

Kriege

Boden

Burkhardt

- 

- 

1951

Hinckel

Grasmann

Tepe

Klasen

Veit

Leist

Kriege

Boden

Burkhardt

- 

- 

1952

Hinckel

Grasmann

Tepe

Klasen

Wolfslast

Leist

Kriege

Boden

Burkhardt

- 

- 

1953

Pfleiderer

Grasmann

Tepe

Leist

Wolfslast

Hoose

Geiselhart

Boden

Burkhardt

- 

- 

1954

Pfleiderer

Grasmann

Tepe

Leist

Wolfslast

Hoose

Geiselhart

Boden

Burkhardt

- 

- 

1955

Pfleiderer

Grasmann

Tepe

Leist

  

Hoose

Geiselhart

Boden

Burkhardt

- 

- 

1956

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Leist

Troeger

Hoose

Fessler

Boden

Burkhardt

- 

- 

1957

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Leist

Troeger

Hoose

Fessler

Boden

Burkhardt

- 

- 

1958

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Schelling

Bröker

Hoose

Fessler

Boden

Burkhardt

Gleimius

- 

1959

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Schelling

Bröker

Hoose

Fessler

Boden

Burkhardt

Gleimius

- 

1960

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Schelling

Bröker

Hoose

Fessler

Dahlgrün

Burkhardt

Suchan

Werner

1961

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Schelling

Bröker

Hoose

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1962

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Schelling

Bröker

Hoose

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1963

Pfleiderer

Wagenhöfer

Tepe

Schelling

Bröker

Irmler

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1964

Pfleiderer

Wagenhöfer

Gleske

Schelling

Bröker

Irmler

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1965

Pfleiderer

Wagenhöfer

Gleske

Schelling

Bröker

Rahmsdorf

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1966

Pfleiderer

Wagenhöfer

Gleske

Schelling

Bröker

Rahmsdorf

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1967

Pfleiderer

Wagenhöfer

Gleske

Schelling

Bröker

Rahmsdorf

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1968

Pfleiderer

Wagenhöfer

Gleske

Schelling

Bröker

Rahmsdorf

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1969

Pfleiderer

Wagenhöfer

Gleske

Schelling

Bröker

Rahmsdorf

Fessler

Dahlgrün

Kähler

Suchan

Schütz

1970

Pfleiderer

Wagenhöfer

Gleske

Schelling

Bröker

Rahmsdorf

Fessler

Duppré

Kähler

Suchan

Schütz

Anmerkung: Baden(-Württemberg) (B(W)); Bayern (BAY); Bremen (HB); Hamburg (HH); Hessen (H); Niedersachsen (NDS); Nordrhein-Westfalen (NRW); Rheinland-Pfalz (RLP); Schleswig-Holstein (SH); Berlin (B); Saarland (S)

Quelle: Roland Vaubel, The bureaucratic and partisan behavior of independent central banks: German and international evidence, in: European Journal of Political Economy 13 (1997), 201–224, hier 216–218; Historisches Archiv der Deutschen Bundesbank (Hg.), Der Zentralbankrat der Bank deutscher Länder und der Deutschen Bundesbank 1948–2002, Frankfurt a.M. 2002; eigene Zusammenstellung.

Online erschienen: 2023-09-19
Erschienen im Druck: 2023-09-11

© 2023 bei den Autoren, publiziert von De Gruyter.

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Articles in the same Issue

  1. Titelseiten
  2. Aufsätze (Articles)
  3. «Seitenwechsel» – Unternehmer in der Politik und Politiker in der Wirtschaft. Eine Einleitung
  4. Kaufleute als Konsuln – Zu den Anfängen deutscher Handelsdiplomatie in Ostasien im 19. Jahrhundert
  5. Januskopf der deutschen Geldwirtschaft: Karl Helfferich (1872 bis 1924)
  6. Universalitätsansprüche – Verbandsvertreter in der deutsch-französischen Wirtschaftsdiplomatie der 20er und frühen 30er Jahre
  7. Vom Röhren-Manager zum Verteidigungs-Staatssekretär und zurück: Der mehrfache Seitenwechsel von Ernst Wolf Mommsen
  8. Seitenwechsler im Zentralbankwesen – Karrieren im Beziehungsdreieck von Finanzwelt, Wissenschaft und Politik (1948 bis 1970)
  9. Donald Trump, anti-establishment populism and the revolving door between business and politics in the United States
  10. Rezensionen (Reviews)
  11. Joachim Scholtyseck, Die National-Bank. Von der Bank der christlichen Gewerkschaften zur Mittelstandsbank, 1921–2021, C.H. Beck, München 2021, 464 S., € 39,95.
  12. Patrick Bormann/Friederike Sattler, Die DZ HYP. Eine genossenschaftliche Hypothekenbank zwischen Tradition und Wandel (1921–2021), C.H. Beck, München 2021, 523 S., € 44,00.
  13. Martin Schmitt, Digitalisierung der Kreditwirtschaft. Computereinsatz in den Sparkassen der Bundesrepublik und der DDR 1957 bis 1991, Wallstein Verlag, Göttingen 2021, 656 S., € 58,00.
  14. Sebastian Justke, Ein ehrbarer Kaufmann? Albert Schäfer, sein Unternehmen und die Stadt Hamburg 1933–1956, Metropol, Berlin 2022, 264 S., € 24,00.
  15. Angela Bhend, Triumph der Moderne. Jüdische Gründer von Warenhäusern in der Schweiz, 1890–1945, Chronos Verlag, Zürich 2021, 351 S., € 58,00.
  16. Philipp Julius Meyer, Kartographie und Weltanschauung. Visuelle Wissensproduktion im Verlag Justus Perthes 1890–1945, Wallstein Verlag, Göttingen 2021, 480 S., € 56,00.
  17. Michael A. Kanther, Thyssengas. Die Geschichte des ersten deutschen Unternehmens der Ferngasversorgung von 1892 bis 2020, Aschendorff Verlag, Münster 2021, 434 S., € 29,80.
  18. Zur Rezension in der Geschäftsstelle eingegangene Bücher
  19. Mitteilung (information)
  20. Preis für Unternehmensgeschichte Ausschreibung 2024
Downloaded on 23.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/zug-2023-0012/html
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