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2,3-Dihydro-4,5-diisopropyl-1,3-dimethylimidazol-2-yliden und seine Chalkogenone

  • Martin Göhner , Norbert Kuhn EMAIL logo , Cäcilia Maichle-Mößmer and Elke Niquet
Published/Copyright: January 13, 2015
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Abstract

2,3-Dihydro-4,5-diisopropyl-1,3-dimethylimidazol-2-ylidene (6) is prepared by reduction of the corresponding thion 7a with potassium. The selenium compound 7b is obtained from 6 and selenium. In the solid state, 7a and 7b exist as their isomers, as revealed by their crystal structures.

Zusammenfassung

2,3-Dihydro-4,5-diisopropyl-1,3-dimethylimidazol-2-yliden (6) ist durch Reduktion des entsprechenden Thions 7a mit Kalium zugänglich. Die Selenverbindung 7b wird durch Umsetzung von 6 mit Selen erhalten. Im festen Zustand liegen 7a und 7b als Paare von Isomeren vor.

1 Einleitung

2,3-Dihydroimidazol-2-ylidene (1) [1–3] haben wegen ihrer ausgeprägten Nukleophile beachtliches Interesse gefunden [4–6]. Zur Stabilisierung dieser heterozyklischen Carbene leisten die exozyklischen Substituenten einen wesentlichen, jedoch nicht immer vollständig verstandenen Beitrag. Insbesondere die Bedeutung der in 4,5-Stellung befindlichen Gruppen ist unsicher.

Wir fanden vor kurzem, dass der Austausch der Methylsubstituenten im Carben 2 [3] gegen Isopropylgruppen dem hierbei resultierenden Carben 3 zu einer deutlich erhöhten Stabilität verhilft [7]. Ein Vergleich der Thione 4 und 5 und des Carbens 3 ergibt hinsichtlich der NMR-Daten und Strukturen [3, 8–10] essentielle Unterschiede hinsichtlich der relativen Orientierung der Isopropylgruppen. Zur Bewertung der Funktion der Isopropylgruppen in 4,5-Stellung haben wir deshalb die zu 2 und 4 „invers“ substituierten Carbene 6 und Chalkogenone 7 (E = S, Se) untersucht.

2 Ergebnisse und Diskussion

Die Synthese des Thions 7a folgt mit der Kondensation von N,N-Dimethylthioharnstoff und Butyroin dem durch den Aufbau von 4 [3] und 5 [10] vorgegebenen Weg. Die sehr geringen Ausbeuten zeigen die Bedeutung der im Butyroin vorliegenden sterischen Überfrachtung, die durch die Methylsubstituenten des Thioharnstoffs nicht vermindert wird. Die nachfolgende mittels Kalium durchgeführte Entschwefelung zum Carben 6 sowie dessen Umsetzung mit Selen zu 7b verlaufen hingegen problemlos (vgl. [7, 11]).

Die NMR-Daten der Titelverbindungen 6 und 7 zeigen im Vergleich mit denen der Referenzsubstanzen 25 [3, 7, 10, 11] keine nennenswerten Abweichungen (vgl. Exp.Teil). Die Reaktivität von 6 ist der von 2 entsprechend [3], folglich gegenüber 3 [7] deutlich erhöht.

Vom Carben 6, das bei Raumtemperatur als Öl vorliegt, konnten keine zur Strukturanalyse tauglichen Einkristalle erhalten werden. Die Chalkogenone 7 kristallisieren isotyp in der Raumgruppe Pmn21 (Tabelle 1). Sie liegen jeweils als 2 Rotamere vor, in denen die Isopropyl-Substituenten bezüglich der sekundären CH-Fragmente einander zugewandt (A) oder in Form einer zahnradartigen Anordnung (B) angeordnet sind. In der asymmetrischen Einheit findet man 2 halbe Moleküle, wobei ein Molekül (A) eine Spiegelebene durch C1 und S bzw. Se aufweist, das Zweite (B) dagegen in der Ebene des Fünfrings. Zusätzlich findet man in dieser Ebene eine Fehlordnung, bei der die beiden Anordnungen um ca. 30° gegeneinander verdreht sind. Der Grund für diese Fehlordnung liegt in der Orientierung der Moleküle begründet. Durch Vergleich der beiden Individuen zeigt sich, dass sie sich durch Drehung um 180° ineinander überführen lassen. Es scheint im Kristall eine alternierende Anordnung der beiden Orientierungen vorzuliegen, die sich röntgenographisch nicht auflösen lässt. Die Wahl einer größeren Elementarzelle führte zu keinem besseren Ergebnis, und auch das Vorliegen eines Zwillings kann ausgeschlossen werden. Ausgewählte Bindungslängen und -winkel sind in Tabelle 2 aufgeführt. Die Isomere der Selenverbindung 7b sind in Abb. 1 und 2 wiedergegeben.

Tabelle 1

Kristallstrukturdaten für 7a und 7b.

7a7b
SummenformelC11H20N2SC11H20N2Se
Mr212.35259.25
Kristallgröße [mm3]0.20 × 0.15 × 0.100.20 × 0.14 × 0.11
Kristallsystemorthorhombischorthorhombisch
RaumgruppePmn21Pmn21
a [Å]12.130(2)12.121(12)
b [Å]8.794(2)8.9722(8)
c [Å]11.560(2)11.628(1)
V3]1233.1(4)1264.6(2)
Z44
Dber. [mg cm–3]1.141.36
μ(MoKα) [mm–1]0.22.9
F(000) [e]464536
Gemessene Reflexe10 12518 448
Unabh. Reflexe/Rint2806/0.0612812/0.0907
Verfeinerte Parameter263264
R(F)/wR(F2)a, b (alle Reflexe)0.0827/0.05210.0486/0.0606
x(Flack)0.5(2)0.054(4)
GoF (F2)c1.1431.189
Δρfin (max/min) [e Å–3]0.272/–0.2930.646/–0.559

aR(F) = ∑||Fo|–|Fc||/∑|Fo|; bwR(F2) = [∑w(Fo2Fc2)2/∑w(Fo2)2]1/2; cGoF = [∑w(Fo2Fc2)2/(nobsnparam)]1/2; w = [σ2(Fo2)+(aP)2+bP]–1, where P = (Max(Fo2, 0)+2Fc2)/3.

Tabelle 2

Ausgewählte Bindungslängen [Å] und -winkel [°] der Verbindungen 7a.

7a7b
Isomer A
 C(1)–E(1)1.683(4)1.857(1)
 C(1)–N(1)1.359(3)1.351(6)
 N(1)–C(2)1.400(3)1.398(6)
 C(2)–C(2a)1.342(5)1.349(9)
 N(1)–C(6)1.459(4)1.455(7)
 C(2)–C(3)1.504(4)1.508(7)
 N(1)–C(1)–N(1a)105.6(3)106.2(6)
 C(1)–N(1)–C(2)110.1(2)109.9(4)
 N(1)–C(2)–C(2a)107.11(14)106.9(2)
 E(1)–C(1)–N(1)127.13(16)126.4(3)
 C(1)–N(1)–C(6)121.6(3)123.2(4)
 N(1)–C(2)–C(3)124.0(2)124.9(4)
Isomer Bb
 C(11)–E(11)1.685(12)1.846(14)
 C(11)–N(11)1.343(18)1.37(2)
 N(11)–C(12)1.394(14)1.401(16)
 C(12)–C(22)1.336(14)1.351(18)
 C(22)–N(21)1.402(13)1.390(16)
 N(21)–C(11)1.361(18)1.34(2)
 N(11)–C(16)1.470(14)1.467(16)
 C(12)–C(13)1.512(14)1.500(17)
 C(22)–C(23)1.510(14)1.518(17)
 N(21)–C(26)1.446(14)1.457(17)
 N(11)–C(11)–N(21)105.6(10)106.4(13)
 C(11)–N(21)–C(22)109.3(12)109.9(16)
 N(21)–C(22)–C(12)107.7(13)108.2(17)
 C(22)–C(12)–N(11)106.3(13)106.1(16)
 C(12)–N(11)–C(11)111.1(12)109.5(15)
 E(11)–C(11)–N(11)127.1(13)125.6(16)
 C(11)–N(11)–C(16)117.7(13)124.9(19)
 N(11)–C(12)–C(13)124.6(14)123.3(18)
 C(12)–C(22)–C(23)127.5(15)127(2)
 C(22)–N(21)–C(26)124.8(3)129.6(19)

aE = S (7a), Se (7b); bWerte des jeweils E(11) zugehörigen Isomers.

Abb. 1 Ansicht des Isomers A von C11H20N2Se (7b) im Kristall.
Abb. 1

Ansicht des Isomers A von C11H20N2Se (7b) im Kristall.

Abb. 2 Ansicht der Isomere B von C11H20N2Se (7b) im Kristall.
Abb. 2

Ansicht der Isomere B von C11H20N2Se (7b) im Kristall.

Die Kristallstrukturen von 7a und 7b entsprechen hinsichtlich der relativen Orientierung der Isopropylgruppen grundsätzlich der für die Chalkogenone 5 [10] gefundenen Vielfalt. Die Bedeutung des gear effect für die Rotation der dem Janustyp zugehörigen Substituenten [12, 13] haben wir dort diskutiert. In den NMR-Spektren der Chalkogenone 7 ist bei Raumtemperatur, anders als bei 5b, infolge der geringeren sterischen Belastung kein dynamischer Prozess zu beobachten.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Austausch von Methylgruppen gegen Isopropyl-Substituenten in 4,5-Stellung der Carbene wesentliche Änderungen im chemischen Verhalten nur bei gleichzeitiger Gegenwart N-ständiger Isopropyl-Substituenten, d. h. dem Übergang von 2 zu 3 entsprechend, bewirkt. Die durch die Eigenart der Isopropyl-Substituenten erzeugte Komplexität wird auch in der Strukturchemie der Chalkogenone 7 sichtbar.

3 Experimenteller Teil

Sämtliche Umsetzungen wurden in gereinigten Lösungsmitteln unter Schutzgas durchgeführt. Die zur Synthese der Titelverbindungen benötigten Chemikalien wurden im Handel erworben.

3.1 C11H20N2 (6)

Eine Lösung von 0.693 g (3.26 mmol) 7a in 15 mL Tetrahydrofuran wird mit 0.300 g (7.67 mmol) Kalium versetzt und für 4 h unter Rückfluss erhitzt. Die filtrierte Lösung wird i. Vak. zur Trockne eingeengt und der verbleibende Rückstand bei –78 °C aus Diethylether umkristallisiert. Ausbeute: 0.535 g (91 % d. Th.), gelbes Öl. – 1H-NMR (CDCl3, TMS ext.): δ = 1.12 (d, 12 H, 4,5-CHMe2, 3J = 6.9 Hz), 2.90 (sept, 2 H, 4,5-CHMe2), 3.63 ppm (s, 6 H, 1,3-Me). – 13C-NMR (CDCl3, TMS ext.): δ = 21.7 (4,5-CHMe2), 24.7 (4,5-CHMe2), 37.0 (1,3-Me), 131.3 (C4,5), 215.4 ppm (C2). – Elementaranalyse für C11H20N2 (180.29): gef. (ber.) C 72.92 (73.28), H 11.37 (11.20), N 15.39 (15.54) %.

3.2 C11H20N2S (7a)

4.3 g (41.6 mmol) N,N-Dimethylthioharnstoff und 6.0 g 41.6 mmol 2,3-Dimethyl-4-hydroxyhexan-3-on (Isobutyroin) werden in 75 mL 1-Hexanol für 18 h am Wasserabscheider unter Rückfluss erhitzt. Das Lösungsmittel wird weitgehend abdestilliert. Anschließend wird zur Kristallisation auf –26 °C gekühlt und filtriert. Der Rückstand wird i. Vak. getrocknet und aus Ethanol umkristallisiert. Ausbeute: 0.692 g (8 % d. Th.), farblose Kristalle. – 1H-NMR (CDCl3, TMS ext.): δ = 1.19 (d, 12 H, 4,5-CHMe2, 3J = 7.3 Hz), 3.07 (sept, 2 H, 4,5-CHMe2), 3.59 ppm (s, 6 H, 1,3-Me). – 13C-NMR (CDCl3, TMS ext.): δ = 21.1 (4,5-CHMe2), 24.4 (4,5-CHMe2), 33.2 (1,3-Me), 129.2 (C4,5), 161.2 ppm (C2). – Elementaranalyse für C11H20N2S (212.35): gef. (ber.) C 62.02 (62.21), H 9.77 (9.51), N 12. 94 (13.19) %.

3.3 C11H20N2Se (7b)

Eine Lösung von 0.535 g (2.97 mmol) 6 in 15 mL Tetrahydrofuran wird mit 0.270 g (3.42 mmol) Selen versetzt und 12 h gerührt. Die filtrierte Lösung wird i. Vak. zur Trockne eingeengt und der verbleibende Rückstand mit 60 mL Toluol extrahiert. Aus der filtrierten Lösung wird bei –78 °C die Zielverbindung in Form hellbrauner Kristalle erhalten. Ausbeute: 0.517 g (67 % d. Th.). – 1H-NMR (CDCl3, TMS ext.): δ = 1.23 (d, 12 H, 4,5-CHMe2, 3J = 7.3 Hz), 3.14 (sept, 2 H, 4,5-CHMe2), 3.73 ppm (s, 6 H, 1,3-Me). – 13C-NMR (CDCl3, TMS ext.): δ = 21.0 (4,5-CHMe2), 24.7 (4,5-CHMe2), 35.5 (1,3-Me), 131.5 (C4,5), 155.0 ppm (C2). – 77Se-NMR (C6D6, TMS ext.): δ = 36.4 ppm. – Elementaranalyse für C11H20N2Se (259.25): gef. (ber.) C 50.63 (50.96), H 7.91 (7.79), N 10.61 (10.81) %.

3.4 Kristallstrukturanalysen

Die Daten wurden mit einem Imageplate Diffraktometer (Stoe IPDS 2T) mit MoKα-Strahlung (λ = 0.71073 Å) unter Verwendung eines Graphitmonochromators vermessen. Intensitätdaten wurden mit dem Stoe x-area software Paket [14] gemessen, die Strukturen mit shelxs/l-97 [15, 16] gelöst und verfeinert. Beide Messungen wurden bei –100 °C durchgeführt. Für Verbindung 7b wurde eine empirische Absorptionskorrektur mit dem Programm platon/mulabs [17] durchgeführt.

Die Verbindungen kristallisieren im orthorhombischen Kristallsystem mit den möglichen Raumgruppen Pmmm und Pmn21. Nur in der nichtzentrosymmetrischen Raumgruppe war die Verfeinerung möglich. Eine Verfeinerung als Inversionszwilling brachte keine Verbesserung. Rechnungen in der höher symmetrischen Raumgruppe bringen eine zusätzliche Spiegelebene in das System, was zu einer Verschlechterung der Gütefaktoren (R-Werte, GoF und Temperaturfaktoren) führt. Die Orientierung der Isopropylgruppen lässt diese Symmetrieerhöhung nicht zu, so dass nur der Fünfring den Bedingungen genügen würde.

CCDC-1020117 (7a) und CCDC-1020118 (7b) enthalten die beim Cambridge Crystallographic Data Centre hinterlegten Kristallstrukturdaten. Anforderung: www.ccdc.cam.ac.uk/data_request/cif.


Corresponding author: Norbert Kuhn, Institut für Anorganische Chemie der Eberhard-Karls-Universität Tübingen, Auf der Morgenstelle 18, D-72076 Tübingen, Germany, e-mail:
Professor Klaus-Peter Zeller zum 70. Geburtstag gewidmet.

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Received: 2014-8-21
Accepted: 2014-9-1
Published Online: 2015-1-13
Published in Print: 2015-2-1

©2015 by De Gruyter

Downloaded on 24.9.2025 from https://www.degruyterbrill.com/document/doi/10.1515/znb-2014-0191/html
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