Zusammenfassung
Angesichts unsicherer US-amerikanischer Unterstützung muss Europa selbst die militärischen Fähigkeiten generieren, um eine glaubwürdige Abschreckung gegenüber Russland zu gewährleisten. Für eine europäische Gesamtverteidigung müssen die konventionellen militärischen Fähigkeiten, der Schutz gegen hybride Bedrohungen sowie die Resilienz der Zivilgesellschaft in Vorbereitung eines möglichen Konflikts gestärkt werden. Im Sinne eines europäischen Burden-Sharing müssen alle europäischen Länder hierzu einen Beitrag leisten, wenn die europäische Verteidigung glaubwürdig sein soll. Welchen Staaten welche Aufgaben zukommen und wie es um die Verteidigungsfähigkeit ausgewählter Länder steht, soll in diesem Artikel gezeigt werden. Bisher unterscheiden sich die europäischen Staaten in Geschwindigkeit und Umfang der Wiederaufrüstung. Mehr Eile ist geboten, da Europa womöglich die Zeit davonläuft.
Abstract
In the face of uncertain U.S. support, Europe itself must generate the military capabilities to provide a credible deterrent against Russia. For a comprehensive European defence, conventional military capabilities, protection against hybrid threats, and civil society’s resilience need to be strengthened to prepare for a potential conflict. For European defence to be credible, all European countries must contribute to it, in the sense of European burden sharing. Which tasks states will be responsible for will be shown in the article, along with the state of defence of selected countries. So far, European countries differ in speed and scope of their rearmament. More hurry would be appropriate, as time might be running out for Europe.
1 Einleitung
Um die europäische Verteidigungsfähigkeit ist es nicht gut bestellt und Europa fehlt die Zeit, dies zu beheben. Die Situation ist ernst. Während Russland seinen Krieg gegen die Ukraine fortsetzt, rüstet es seine Streitkräfte für die nächste Konfrontation auf. Europa muss sich darauf einstellen, diesem Szenario alleine gegenüber zu stehen, da die Bündnisgarantie durch die USA wackelig geworden ist. Geld ist für die Aufrüstung nun reichlich vorhanden. Die Frage ist nur, ob daraus rechtzeitig militärische Fähigkeiten erzeugt werden können, die eine glaubwürdige Abschreckung Moskaus ermöglichen?
In einem ersten Schritt soll dieser Artikel eine Bestandsaufnahme der aktuellen strategischen Situation Europas bieten, die dem Kontinent nur die Wahl einer beschleunigten Aufrüstung lässt. Welche Form diese Aufrüstung annehmen soll und welches Land in einem gesamteuropäischen Verteidigungsdispositiv welche Aufgabe übernimmt, ist die Hauptfrage, die dann zu klären ist.
2 Europa muss sich selbst verteidigen
Die Bedrohung, die von Russland ausgeht, wächst. Russland sammelt seit drei Jahren Kriegserfahrung, sowohl auf dem Schlachtfeld als auch in der Rüstungsproduktion. Die massiven Personal- und Materialverluste in der Ukraine haben zwar die ursprüngliche Invasionsarmee und die sowjetischen Materialreserven aufgefressen, werden aber durch umfangreiche Rekrutierung und eine auf Rüstungsproduktion ausgelegte Kriegswirtschaft kompensiert.[1] Beides ist auf lange Sicht nicht nachhaltig und verzehrt die demografischen und finanziellen Ressourcen des Landes. Es wird jedoch eine zügige Regeneration und Erweiterung der russischen Streitkräfte ermöglichen, sobald der Krieg in der Ukraine endet.

US-Präsident Donald Trump und US-Verteidigungsminister Pete Hegseth beim NATO-Gipfel 2025 in Den Haag
Für den Rest Europas wird es dann gefährlich. Russland wird sein Momentum nicht vergeuden wollen und die Rüstungsproduktion erkalten lassen, nicht zuletzt, um die Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Früher oder später muss also damit gerechnet werden, dass Putin seine Aufmerksamkeit auf die NATO-Ostflanke richtet. Bis Ende des Jahrzehnts könnte Russland seine Expansionspläne mit einer neuen Armee fortsetzen.[2] Insbesondere im vulnerablen Baltikum droht eine Situation, in der Moskau den Zusammenhalt der NATO herausfordern könnte.
Das russische Kalkül wird hierbei durch den Umstand beeinflusst werden, dass der Rückhalt der USA für die europäische Sicherheit unsicher geworden ist und das transatlantische Bündnis massiv an Glaubwürdigkeit eingebüßt hat. Die Europäer haben sich nach Ende des Kalten Krieges freiwillig in eine extreme Abhängigkeit von den USA begeben, die ihnen jetzt auf die Füße fällt. Aufgrund strategischer Neuausrichtungen hat Washington jahrzehntelang mehr europäische Verantwortung für die eigene Sicherheit eingefordert, wurde aber ignoriert, da Europa sich letztendlich auf den nuklearen Schutzschirm der USA verließ.
Dieses Vertrauen hat im Nachgang des Eklats zwischen Wolodymyr Selenskyj und Donald Trump, der sich im Februar 2025 im Weißen Haus abspielte, sichtlich abgenommen. In der europäischen Politik war die Sorge erkennbar, dass die USA für eine Einigung mit Putin womöglich bereit wären, die Ukraine und in Verlängerung auch die europäische Sicherheit aufs Spiel zu setzen. Der nukleare Schutz durch die USA wurde öffentlich in Zweifel gezogen und über europäische Alternativen spekuliert. Wenngleich diese Diskussionen seitdem auffallend leise geworden sind, hat die Glaubwürdigkeit des bisherigen Abschreckungsdispositivs Schaden genommen.
Da aber bis auf Weiteres eine konventionelle Alternative fehlt, bleibt den Europäern nichts anderes übrig, als sich weiter nach den USA zu richten und zu hoffen, dass der Status quo so lange wie möglich erhalten bleibt. Die Rechnung für die eigene Abhängigkeit kam nun mit dem NATO-Gipfel in Den Haag. Einerseits in Form der demütigenden Schmeichelei gegenüber einem launischen Donald Trump, andererseits durch die beinahe widerstandslose Einigung auf die amerikanische Forderung nach einem Ausgabenniveau von 5 % des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Verteidigung.[3]
Geld scheint also zum ersten Mal nicht mehr das Hauptproblem zu sein. Nachdem man jahrelang damit gekämpft hat, wollen alle NATO-Staaten 2025 erstmals das 2 %-Ziel erfüllen, wobei einige längst höhere Ausgabenniveaus anvisieren.[4] Die Finanzierungsfrage wird größtenteils durch Schulden gelöst.[5] Die EU hat hierfür ihre Regeln für die Verschuldung gelockert und stellt europäische Kredite für die Rüstungsproduktion bereit. Deutschland hat im Eilverfahren die Verfassung geändert, um das Gros der Verteidigungsausgaben zukünftig von der Schuldenbremse ausnehmen zu können. Die Verteidigungsfähigkeit Europas hat sich dadurch aber nicht unmittelbar erhöht. Hohe Verteidigungsausgaben können zwar Symbolwirkung haben, stellen aber alleine keine Abschreckung dar. Dafür Europa braucht Fähigkeiten und ein glaubwürdiges Verteidigungsdispositiv.
Hier entstehen die größten Probleme. Beschaffungsprozesse dauern aufgrund politischer und bürokratischer Prozesse sehr lange, zumal das Geld natürlich für die richtige Ausrüstung ausgegeben werden soll. Anschaffungen lassen sich zwar auf Grundlage bisheriger Fähigkeitslücken planen, die Sinnhaftigkeit bisheriger Fähigkeitsprofile ist angesichts des rapiden technologischen Wandels auf dem Schlachtfeld in der Ukraine jedoch zweifelhaft. Von der Bestellung bis zur Einsatzfähigkeit eines Systems vergeht zudem viel Zeit. Da der Großteil Europas gerade aufrüstet, entstehen Wartezeiten. Die Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie sind trotz immenser Investitionen nicht grenzenlos; Massenproduktion von Großgerät war lange Zeit nicht gefragt und bedarf einer gewissen Anlaufzeit. Um das neue Material zu bedienen, ist außerdem ein personeller Aufwuchs notwendig, der sich vielerorts als schwierig erweist. Eine Rückkehr zur Wehrpflicht hat es bisher nur in wenigen Ländern gegeben.
Um die verloren gegangene Glaubwürdigkeit europäischer Abschreckung möglichst schnell wiederherzustellen, sind also nicht nur Investitionen in Gerät und Ausrüstung erforderlich, sondern auch grundlegende politische und gesellschaftliche Entscheidungen zugunsten einer effektiven Verteidigungsfähigkeit. Wenn diese Entscheidungen ausbleiben und die Aufrüstung nicht schnell genug erfolgt, besteht die Gefahr, dass die Abschreckung scheitert. Russland wird nicht abwarten, bis Europa ausreichend vorbereitet ist, sondern zum nächstmöglichen Zeitpunkt handeln. Sollten die USA in einem solchen Szenario passiv bleiben oder neue russische Expansionsversuche dulden, käme es dann auf die europäische Bereitschaft an, für die territoriale Integrität und Souveränität der Länder an seiner Ostflanke zu kämpfen.
Tut man dies nicht, muss man im schlimmsten Fall die Rückkehr von Einflusssphären und die erneute Verschiebung von Grenzen in Europa akzeptieren. Dass dazu vermutlich ein Großteil Europas bereit wäre, gehört zur schmerzhaften Wahrheit. „Mourir pour Dantzig?“ lautete die Frage französischer Appeasement-Befürworter vor dem Zweiten Weltkrieg, welche sich heute leicht auf die Situation im Baltikum ummünzen ließe. Den Krieg mit Russland riskieren, um die drei Ostseestaaten zu verteidigen, die aufgrund der geringen Bevölkerungsgröße selbst nicht dazu in der Lage wären? Das ist keineswegs selbstverständlich und seit 2022 keine abstrakte Frage mehr. Wie 1939, als man sich noch gut an die Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs erinnern konnte, haben wir nun vom Krieg, der Europa erwarten könnte, ein aktuelles Bild vor Augen.
Im Kalten Krieg war klar, dass die Deutschen, auf deren Boden sich ein eventueller Krieg abspielen würde, vermutlich den höchsten Blutzoll zahlen müssten. Darüber hinaus blieb aber die Annahme, dass eine Konfrontation zwischen NATO und Warschauer Pakt entweder sehr kurz dauern oder nuklear enden würde. Der russische Krieg gegen die Ukraine dauert nun bereits mehr als drei Jahre, hat Hunderttausenden Soldaten und Zivilisten das Leben gekostet, ohne aber nuklear zu eskalieren. Ein konventioneller Krieg zwischen Russland und der NATO könnte ähnlich aussehen. Der Ukraine wurde diese Situation aufgezwungen. Jede andere europäische Regierung wird eine Verwicklung in einen potenziell so verlustreichen Krieg aber vermeiden wollen, gegebenenfalls auch auf Kosten der Nachbarn. Waffen zu schicken ist das eine, Soldaten zu schicken etwas anderes.
Hinter der Frage, ob die USA im Ernstfall Europa militärisch verteidigen würden, steht also letztendlich auch die Frage, ob die Europäer einander verteidigen würden. Die Absicherung durch die USA hat bisher als Klammer fungiert, die das Bündnis zusammenhält. Nun muss es im schlimmsten Fall auch ohne Washington funktionieren. Denn die Parallele zum Zweiten Weltkrieg lehrt auch, dass Passivität keine Sicherheit garantiert. Wer das Glück haben wird, vom Konflikt unbetroffen zu bleiben, ist ungewiss. Die Eskalation liegt in der Natur des Krieges. Kriegsziele verändern sich. Putins „Militärische Spezialoperation“ war nicht als mehrjährige Materialschlacht gedacht und der Erste Weltkrieg sollte Weihnachten 1914 zu Ende sein. Hitler rechnete beim Polenfeldzug nicht mit dem Kriegseintritt der Westmächte. Dass nach Befriedigung der russischen „Sicherheitsinteressen“ eine stabile Friedensordnung eintritt, ist also eher zu bezweifeln.
Sofern man Russland nicht im Voraus Zugeständnisse machen möchte, bleibt also nur die Aufrüstung und Ausrichtung auf eine glaubwürdige Abschreckung. Europa sollte sich daher auf das konzentrieren, was in seiner Macht steht, und seine Abschreckungsfähigkeit gegenüber Russland so weit wie möglich durch konventionelle Fähigkeiten sicherstellen. Die europäischen NATO-Staaten müssen also Moskau glaubwürdig vermitteln, dass sie auch ohne die USA bereit und in der Lage wären, für die Verteidigung ihres Territoriums einen länger andauernden Konflikt hoher Intensität zu führen und zu gewinnen.
3 Was braucht es für Gesamtverteidigung?
Eine glaubwürdige Abschreckung besteht aus zwei Dimensionen. Es braucht die militärischen Fähigkeiten, einen Krieg zu führen, und es braucht die politische und gesellschaftliche Bereitschaft, einem Gegner mit eben diesen militärischen Kräften entgegenzuhalten. Beide Bedingungen sind in Europa nicht vollständig erfüllt. Ein schleichender Rückzug der USA ist in diesem Kontext verheerend, da ein sicherheitspolitisches Vakuum die Wahrscheinlichkeit für einen russischen Angriff auf europäisches NATO-Territorium massiv erhöht.
Auch wenn Europa aktuell nicht auf die Unterstützung der USA verzichten kann, muss die zukünftige Verteidigungsstrategie darauf ausgerichtet sein, sich eigenständig gegen einen russischen Angriff verteidigen zu können. Die konventionellen Fähigkeiten müssen von den europäischen NATO-Staaten auch ohne USA vollständig einsetzbar sein. Die dafür benötigten Rüstungsgüter und Streitkräfte sollten mittelfristig, das heißt in den nächsten fünf bis zehn Jahren, ganz von europäischen Bündnispartnern gestellt werden.
Viel schwieriger wird es sein, ohne die Führung der USA glaubwürdig zu demonstrieren, dass die NATO-Ostflanke von allen Bündnispartnern entschlossen verteidigt werden würde. Bereits die russische Invasion von 2022 kann als Signal gewertet werden, dass Putin eine europäische Reaktion als inkonsequent einschätzte. Es ist deshalb auch nachvollziehbar, dass die östlichen NATO-Staaten nun höchst alarmiert sind und ihren Möglichkeiten entsprechend aufrüsten.
Darüber, dass sich Europa besser verteidigen muss, ist man sich mehrheitlich einig. Die Diskussionen um das NATO-Ausgabenziel von 5 % zeigen jedoch, dass nicht alle Staaten die Gefahr gleich hoch einschätzen. Es ist deshalb unvermeidlich, dass die Verteidigungslast ungleich ausfallen wird. Die unterschiedlichen Gefährdungsniveaus, primär basierend auf der geografischen Nähe zu Russland, lassen sich nicht vollständig nivellieren. Abhängig davon, wie stark die russische Bedrohung wahrgenommen wird, werden dementsprechend hohe Anteile des Staatshaushalts für Verteidigung ausgegeben. Im Idealfall würde die kollektive Verteidigung Europas auch fair verteilt, doch die politische Realität ist eine andere. Es geht deshalb in erster Linie darum, dass jedes Land entsprechend seiner Fähigkeiten möglichst effizient zum europäischen Sicherheitsverbund beitragen kann. Und dies so schnell wie möglich.[6]
Die Kosten der benötigten Aufrüstung sind immer noch verschwindend gering im Vergleich zum finanziellen Schaden eines eventuellen Konflikts.[7] Allein schon die Bereitschaft, signifikante Mittel in die militärischen Verteidigungsfähigkeiten zu investieren, sendet eine Botschaft der Stärke aus. Aber nur, wenn dabei nicht zu viel gezögert wird. Das kürzlich neu beschlossene Ausgabenziel 5 % zeigt, dass für die Aufrüstung neue Maßstäbe gesetzt werden. Dass die Zielgröße erst 2035 erreicht werden muss, zielt aber völlig an der Realität vorbei. Der kritische Flaschenhals werden nicht die finanziellen Mittel, sondern die Zeit sein.
Die europäische Gesamtverteidigung muss auf drei verschiedenen Ebenen gedacht werden, bei denen überall ein gewisses Burden- und Knowledge-Sharing möglich ist.
So braucht es einerseits eine signifikante Aufrüstung der konventionellen Fähigkeiten, einschließlich des Fähigkeitsaufbaus von strategic enablers, welche bisher primär von den USA bereitgestellt wurden. Andererseits muss der Schutz gegenüber hybrider Kriegsführung erhöht und die Resilienz der Zivilbevölkerung gegen konventionelle und hybride Bedrohungen gestärkt werden.
3.1 Konventionelle Kriegsführung
Den europäischen Streitkräften fehlt es an Personal und einsatzbereitem Material, um einen länger andauernden Konflikt zu bestehen. Die bisherigen Verteidigungspläne der NATO vertrauen darauf, dass die USA innerhalb kurzer Zeit mit Tausenden von Soldaten und schwerem Material in einen Konflikt einsteigen würden.
Um die notwendigen Sollstärken der Heere zu erreichen, werden gewisse Länder nicht um eine Rückkehr zur Wehrpflicht herumkommen. Schweden hat diese bereits 2017 wieder eingeführt, Deutschland diskutiert dies aktuell. Länder wie Finnland zeigen vor, wie mit einem kleinen verfügbaren Personalpool effizient ein solides Fähigkeitsprofil aufgebaut wird. Dabei wird Verteidigung gesamtgesellschaftlich gedacht und alle relevanten militärischen und zivilen Akteure eingebunden.
Die Grenzstaaten zu Russland werden auch in Zukunft einen höheren Anteil an militärischem Personal zur Verfügung stellen müssen. Aufgrund der unmittelbaren Bedrohung für die Heimat und das eigene Leben ist es zudem nachvollziehbar, dass die Bereitschaft, in einem Konflikt mit Russland zu kämpfen, bei litauischen oder polnischen Bürgern größer ist als bei Portugiesen oder Spaniern. Dies mag zwar der europäischen Solidarität und Gleichheit widersprechen, ist aber politische Realität. Schlussendlich ist weniger relevant, wer an der Front kämpft, sondern wie motiviert diese Kombattanten sind. Gleichermaßen muss dann sichergestellt sein, dass die Kombattanten mit genügend Munition, Ausrüstung und schwerem Gerät versorgt werden können.
Die neue Organisation der NATO-Truppen, das NATO Force Model, entspricht dem neuen Gefahrenbild und skizziert einen dreistufigen Mobilisierungsprozess. Bei drohender Gefahr sollen in Stufe 1 innerhalb von zehn Tagen 100.000 Kombattanten bereitstehen. Diese setzen sich beispielsweise aus den nationalen estnischen Truppen sowie den dort stationierten NATO-Alliierten zusammen. Stufe 2 beinhaltet insgesamt 200.000 Truppen, welche innerhalb von zehn bis 30 Tagen mobilisiert werden. Stufe 3 sieht 500.000 Soldaten nach 180 Tagen vor. Für den Erfolg kritisch ist die Verifizierung, ob die Streitkräfte ihre Verpflichtungen für die Stufen 1 und 2 einhalten.[8] Die Bereitschaft von versprochenen Truppenkontingenten war in der Vergangenheit teilweise nicht gegeben.[9] Für eine glaubhafte Abschreckung muss die Einsatzfähigkeit der vorgesehenen Truppen aber in den kommenden Jahren garantiert sein. Und um sicherheitspolitisch souverän agieren zu können, müssen im Minimum der Personal- und Materialbedarf der Stufen 1 und 2 von europäischen Streitkräften bis 2030 vollständig erfüllt werden können.
Der Aufbau von hinreichenden Munitionsdepots ist zwar teuer, aber machbar. Dies muss allerdings in einem koordinierten Rahmen geschehen, sodass Skaleneffekte entstehen und keine gegenseitige Preistreiberei stattfindet.[10] Die europäische Rüstungsindustrie muss dabei ein viel größeres Produktionsvolumen stemmen können, gleichermaßen muss aber auch die zivile Industrie darauf vorbereitet werden, gegebenenfalls in kurzer Frist militärische Güter herzustellen. Das sollte vor allem auch für die europäischen Länder im Hinterland gelten, welche nicht direkt von Russland bedroht sind. Die Rüstungsindustrie sollte die Lehre aus der Ukraine ziehen, den Fokus nicht nur auf traditionelle militärische Plattformen zu legen. Vielmehr müssen kleine, günstige und hocheffektive Mittel produziert werden, um möglichst schnell die militärischen Abwehrfähigkeiten generieren zu können.[11] Die Luft- und Wasserdomänen sind ohne quantitative Überlegenheit durch Drohnen nicht mehr zu kontrollieren.
Große Lücken hat Europa beim Bereitstellen von strategic enablers, bei denen bisher stark auf amerikanische Kompetenzen vertraut wurde. Den europäischen NATO-Streitkräften fehlt es vor allem an Command-and-Control-Systemen (C2), Luft- und satellitengestützter Überwachung sowie Fähigkeiten zur Unterdrückung der gegnerischen Luftverteidigung (SEAD). Besonders die letztgenannte Fähigkeitslücke wird mindestens drei bis fünf Jahre bestehen.[12] Dabei muss man aber weiterhin auf amerikanische Lösungen vertrauen. Vollständig europäische Systeme werden frühestens in sieben bis zehn Jahren verfügbar sein.
Die luftgestützte elektronische Kriegsführung ist beispielhaft für die Probleme, welche die kleinen europäischen Streitkräfte im NATO-Verbund haben. Großbritannien verfügt mit drei Boeing RC-135 Rivet Joint als einziges Land über dezidierte Aufklärungsflugzeuge und hat durch das Joint Electronic Warfare Operational Support Centre erstklassige Fachkenntnisse in der Signalanalyse. Frankreich und Schweden können mit dem Rafale und Gripen elektronische Gegenmaßnahmen durchführen und verfügen genauso wie Deutschland und Italien über Fähigkeiten zur Signalaufklärung sowie zur Programmierung von Missionsdaten für ihre Kampfjetprogramme. Der Aufbau und Erhalt dieser hochspezialisierten Fähigkeiten sind jedoch kostspielig. Die meisten NATO-Mitgliedsländer sind schlicht zu klein, um nennenswerte Kapazitäten beizutragen. Außer sie entschieden sich, einen spezifischen Bereich zu priorisieren.

Eine EA-18G Growler der US-Marine während einer Luftbetankung
Vollständig abhängig von den USA ist man im Bereich der luftgestützten elektronischen Angriffe (EA), die eine entscheidende Voraussetzung für die Unterdrückung feindlicher Luftverteidigung sind. Die italienischen und deutschen Tornado ECR sind zwar für SEAD-Operationen einsetzbar, erreichen aber nicht die Fähigkeiten der amerikanischen Boeing EA-18 Growler. Die italienische Luftwaffe hat im Juli 2025 zwei Flugzeuge des Typs EA-37B im Wert von 300 Mio. Euro bestellt. Schweden, Deutschland und Großbritannien haben die Möglichkeit, bestehende Flugzeuge mit der nötigen Technik nachzurüsten. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass dies vor 2030 geschehen wird.[13] In kurzer Frist muss es das Ziel sein, die Fähigkeitslücken mit Radarköderdrohnen wie der ADM-160 MALD-X oder dem Marschflugkörper SPEAR EW zu reduzieren und den Einsatz von unbemannten Plattformen zu fördern. Kein europäisches Land besitzt aber die Kapazitäten, um alleine die notwendigen Fähigkeiten in allen Sphären der elektronischen Kriegsführung bereitzustellen.
Bei schweren Transportflugzeugen, militärischen Frachtschiffen und Spezialfahrzeugen, die für den Transport von Panzern und gepanzerten Einheiten erforderlich sind, sind gewisse Fähigkeiten zwar vorhanden, jedoch nicht in ausreichender Quantität.
Unabhängig davon kommen Defizite in der Verkehrsinfrastruktur dazu.[14] Die Höhe und Breite von Tunneln, die Tragfähigkeit von Brücken sowie fehlendes Rollmaterial verhindern ein schnelles Verschieben von Material in Europa. Das in Friedenszeiten größte Problem bei grenzüberschreitenden Transporten sind die Bürokratie und die unterschiedlichen nationalen Standards. Es ist davon auszugehen, dass gewisse Prozesse in einem Konflikt beschleunigt werden können. Aber nur bei wenigen Häfen und Transportkorridoren sind beispielsweise Transporte von Munition oder Gefahrgut erlaubt.
Die Verteidigungsminister von Polen, Deutschland und den Niederlanden haben im Januar 2024 eine Absichtserklärung unterzeichnet, um einen harmonisierten Transportkorridor zu implementieren. Die nordischen Länder, bei denen die Bedrohung in der Vergangenheit schon viel realer war, sind in der Zusammenarbeit schon viel weiter.[15]
Die bestehenden Transportkorridore basieren aber alle auf der Annahme, dass militärisches Material aus den USA von den Häfen und Flughäfen von West nach Ost transportiert wird. Eine Neuordnung der europäischen Verteidigung würde auch eine dezentralere Logistik bedeuten. Aus ganz Europa müssten dann aus den bestehenden Lagern und neuen Produktionsstätten das Material an die Front gebracht werden.
Im digitalen Raum und der Abwehr von hybriden Bedrohungen setzte man bisher stark auf die USA, wie auch beim Informationsaustausch innerhalb der Armeen. Einige amerikanische Systeme wie GPS oder Starlink, können durch Galileo oder in Zukunft mit IRIS² ersetzt werden, welches 2030 in Betrieb gehen soll. Vollständig lösen kann man sich kurzfristig aber nicht.
Viele der Backbone-Aufgaben müssen künftig von regionalen Leadern übernommen werden, was allerdings zu Diskussionen der Fähigkeitsverteilung führen wird. Es wäre sinnvoll, wenn die Kompetenzen zwar von einzelnen Ländern bereitgestellt werden, deren Finanzierung aber auch von kleineren, neutralen oder „kriegsmüden“ Ländern übernommen wird. So gelingt ein Burden-Sharing, das effizient gesamteuropäische Fähigkeiten aufbaut und nicht nur die gleichen Kompetenzen national repliziert.
3.2 Hybride Kriegsführung
Während der Wiederaufbau militärischer Fähigkeiten primär im Kontext der Abschreckung und zur Bereitschaft gegenüber einer zukünftigen konventionellen militärischen Aggression zu sehen ist, führt Russland schon seit Jahren einen hybriden Krieg gegen Europa. Seit 2022 nimmt dieser in seiner Intensität und Dreistigkeit zu. Zu Beginn eher auf die Ostflanke fokussiert, sind mittlerweile auch Spanien, Deutschland oder Frankreich direkt betroffen.[16] Gleichzeitig steigt hierfür in den staatlichen Institutionen langsam das Bewusstsein, auch wenn bisher nur zögerliche Maßnahmen umgesetzt wurden.
Die Attacken sind vielfältig und decken die ganze Palette hybrider Kriegsführung ab: Cyberangriffe auf zivile Infrastruktur, physische Sabotage von Kommunikationsmitteln, Brandanschläge, Desinformationskampagnen und Wahlmanipulation.[17] Das Jahr 2024 steht beispielhaft für die russische Eskalation. Die Anschlagspläne gegen den Vorstandsvorsitzenden der Firma Rheinmetall sowie die Brandbombenpakete in DHL-Logistikzentren nähern sich immer stärker der Schwelle kriegerischer Aggression.[18] Und sie folgen der russischen Logik einer permanenten Eskalation. Die europäische Antwort auf die andauernden Angriffe, wie zum Beispiel das Durchtrennen von Tiefseekabeln in der Ostsee, war in der Vergangenheit eher verhalten. Zum einen aufgrund fehlender Mittel zur Aufklärung und Prävention, andererseits aus Angst vor einer russischen Eskalation. Aber genau das Ausbleiben einer Reaktion ermutigt die Gegenseite. Und es erschwert das Ziehen einer zukünftigen roten Linie für die NATO. Denn die hybriden Attacken könnten die Auslösung der Beistandsklausel gemäß Artikel 5 des Nordatlantik-Vertrags ermöglichen.[19] Doch dafür fehlte bisher ein einheitliches Vorgehen sowie der Wille, Russland klar als Akteur zu bezeichnen.[20] Die Schwierigkeit der Attribution im digitalen Raum oder das Verwenden von Proxys, beispielsweise von chinesischen Schiffen, spielen dabei Russland in die Karten.[21] Solange die Folgen der Attacken eine kritische Schwelle nicht überschreiten und primär finanzielle Schäden verursachen, wird sicher nicht der Bündnisfall ausgerufen. Die bisherigen Attacken hatten zwar wenig militärische Bedeutung, führen aber zu Verunsicherung in der Zivilbevölkerung und zu Uneinigkeit innerhalb der NATO.[22] In Zusammenarbeit mit dem European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats (Hybrid CoE) müssen die jeweiligen Staaten in Zukunft aktiver gegen hybride Attacken vorgehen und insbesondere im digitalen Raum auch von einer rein defensiven Strategie absehen.
3.3 Gesellschaftliche Resilienz
Um einen längeren Konflikt bestreiten zu können, braucht es eine darauf vorbereitete Zivilbevölkerung. Eine resiliente Gesellschaft kann dadurch nicht nur gegen kriegerische Aktivitäten oder hybride Angriffe geschützt werden, sondern auch gegen Naturkatastrophen, Pandemien oder anderweitige Krisenfälle.
Ausgehend vom Niinistö-Bericht hat die Kommission eine EU-Strategie für eine krisenfeste Union erarbeitet.[23] Sie sieht vor allem in den Bereichen der hybriden Kriegsführung eine stärkere gesamteuropäische Zusammenarbeit vor und möchte in Zukunft EU-weit Krisen koordinieren und regelmäßige Übungen durchführen.
Der Schwerpunkt der Arbeit verbleibt jedoch bei den Nationalstaaten selbst. Auf der individuellen Ebene empfehlen die meisten Staaten ihren Bürgern einen Notvorrat anzulegen, der für mindestens 72 Stunden reicht. Die jeweiligen Behörden sind aber sehr unterschiedlich darauf eingestellt. Die skandinavischen Länder wie Finnland oder Schweden verfolgen einen Total Defence-Ansatz, bei dem von den Privatpersonen über Unternehmen bis zu den staatlichen Institutionen alle Akteure involviert sind.
Dies gilt insbesondere bei der Aufrechterhaltung kritischer Infrastruktur. In Schweden gilt seit 2017 wieder die allgemeine Wehrpflicht. Zusätzlich gibt es auch die Zivildienstpflicht sowie die allgemeine Dienstpflicht. Die drei Säulen tragen dazu bei, dass die ganze Bevölkerung sich an der Verteidigung beteiligen kann. Sie sorgt aber auch dafür, dass die zivilen Kompetenzen richtig eingesetzt werden. Mitarbeiter der Elektrizitätswerke sorgen im Krisenfall beispielsweise weiterhin für das Aufrechterhalten der Stromversorgung und sind nicht plötzlich für die Truppenküche verantwortlich.
Abgesehen von Finnland und der Schweiz verfügt kein Land über flächendeckende Bunkeranlagen, die für einen Großteil der Bevölkerung einsatzbereit sind. In kurzer Frist ist dies auch nicht zu ändern. Für die meisten Staaten entscheidender ist deshalb die Fähigkeit, schnell auf Disruptionen und Angriffe reagieren zu können. Dazu gehört unter anderem eine effektive Warninfrastruktur, Notstromaggregate und eine dezentrale Bevorratung essenzieller Güter sowie das regelmäßige Üben von Notfallmaßnahmen. Die Streitkräfte, welche in der Vergangenheit oft für subsidiäre Einsätze verwendet wurden, können in einem militärischen Konflikt nicht dafür eingesetzt werden.
Die Stärkung der gesellschaftlichen Resilienz kann insbesondere mit dem 1,5 %-Ausgabenziel der NATO erreicht werden. Härtung und Aufbau von ziviler Infrastruktur, Stärkung des Zivilschutzes sowie bessere Kooperation zwischen Behörden und zivilen Unternehmen fördern die Bereitschaft gegenüber jeglichen Disruptionen. Ein gesteigertes Sicherheitsgefühl kann dann auch die Akzeptanz der Bevölkerung für die gestiegenen Ausgaben erleichtern.
4 Burden-Sharing in der Praxis: Europäische Aufgabenverteilung
4.1 Die Frontstaaten im Baltikum
Die baltischen Staaten, die lange unter russischer Besatzung waren, beobachten die Entwicklung ihres Nachbarn schon seit jeher kritisch. Sie profitieren von der Präsenz der NATO-Truppen und sind dementsprechend am stärksten betroffen, wenn die Abschreckung gegenüber Russland nicht genügend glaubwürdig ist. Ihre isolierte Lage, die fehlende strategische Tiefe und die kleine Größe der Streitkräfte machen sie anfällig für russische Angriffe. Die früheren NATO-Stolperdraht-Pläne, in denen ein russischer Vormarsch zunächst durch kleine Truppenkontingente verzögert werden sollte, bis die Verstärkungen eintreffen, wurden zwischenzeitlich überholt. Die russischen Massaker an der ukrainischen Zivilbevölkerung haben das Bewusstsein geschärft, dass die Verteidigung direkt an der Grenze beginnen muss. Die Aufstockung der bestehenden NATO-Formationen und das neue NATO Force Model sind eine erste Reaktion darauf.[24]
Gemessen am Bruttoinlandsprodukt haben die baltischen Staaten nach Polen den größten Verteidigungshaushalt und werden das 5 %-Ziel bereits 2026 erreichen. Die Balten verfolgen eine Strategie der total defence, um eine ganzheitliche zivile und militärische Bereitschaft zu ermöglichen. Neben klassischen Waffensystemen zur Luftverteidigung, weitreichenden Präzisions-Marschflugkörpern und dem Aufbau von Munitionsvorräten steht die Befestigung und Härtung der Grenze im Fokus. Die Baltic Defense Line, bestehend aus Grenzzäunen, Panzersperren und Bunkeranlagen, soll einen Einmarsch signifikant verlangsamen.
Zusätzlich zu den physischen Befestigungen soll eine autonome, drohnenbasierte Überwachung entlang der Grenze feindliche Spionage, Sabotage oder Angriffe verhindern. Mit der Aufkündigung der Ottawa-Konvention geben sich die Länder auch die Möglichkeit, die Grenze im Ernstfall flächendeckend zu verminen.[25]
Im digitalen Raum hat Estland schon länger Erfahrungen damit, gegen russische Angriffe zu bestehen, und galt lange Zeit europaweit als führend in der Cyberabwehr. Zusammen mit den anderen baltischen Staaten wurde im Februar diesen Jahres das Stromnetz vollständig von Russland abgekoppelt; Energie bezogen sie schon länger nicht von Russland.[26] Mit dem 2015 in Betrieb genommenen LNG-Terminal im litauischen Klaipėda konnte bereits 2022 auf russische Gaslieferungen komplett verzichtet werden. Die etwas gestiegenen Energiepreise nehmen die Balten in Kauf, um dafür im Gegenzug die geopolitischen Abhängigkeiten von Russland reduzieren zu können.
Das Baltikum ist wie keine andere Region von Russland bedroht. Es besteht die latente Gefahr, dass Russland die Reaktion der Bündnispartner durch hybride Angriffe oder ein temporäres Eindringen auf NATO-Territorium testen wird. Mit ihren eigenen Bemühungen schaffen die baltischen Staaten zwar ein solides Fundament der Abwehr, sind aber letztendlich von der NATO abhängig. Für das Baltikum bleibt die glaubwürdige Abschreckung durch die NATO die Überlebensgarantie.
4.2 Das Bollwerk an der Ostsee
Im Falle eines Konflikts im Baltikum droht den Ostseeanrainern Schweden, Finnland, Polen und Deutschland aufgrund ihrer Lage die Gefahr, unmittelbar in Kampfhandlungen involviert zu werden. Um Russland von weiterer Aggression abzubringen, werden diese Länder daher auch überproportional stark zur europäischen Abschreckungsfähigkeit beitragen müssen.
Die Ostsee ist spätestens seit 2022 zum sicherheitspolitischen Brennpunkt geworden. Mit dem NATO-Beitritt von Schweden und Finnland ist das Meer nun von NATO-Staaten umschlossen, auch wenn Russland von der Exklave Kaliningrad aus weiterhin mit konventionellen und hybriden Mitteln störenden Einfluss nehmen kann. In den letzten Jahren war sie vermehrt Schauplatz hybrider Angriffe, die zunehmend in ihrer Anzahl und Intensität eskalieren.
Seit der Sabotage der Nord Stream Pipelines im September 2022 wurden zehn Unterseekabel beschädigt.[27] Im Gegensatz zu Nord Stream 1 und Nord Stream 2, bei denen gezielt Sprengsätze zur Detonation gebracht wurden, werden die Unterwasserkabel von Schiffsankern beschädigt, die teils über mehr als 100 Kilometer über den Meeresboden gezogen werden.[28] Die zivilen Fahrzeuge, die zur russischen Schattenflotte gehören, aber unter anderer Flagge segeln, erschweren die klare Attribution eines Angriffs. Und einige der Vorfälle sind tatsächlich Unfälle und nicht das Ergebnis von Sabotage.[29] Es ist aber bekannt, dass Russland seit Jahren die maritime Infrastruktur kartografiert, spezielle Unterwasserboote nutzt und sich bei maritimen Vorfällen regelmäßig russische Schiffe in der Nähe finden.
Bisher fehlten den NATO-Anrainerstaaten jedoch die Mittel und der Wille, um weitreichende Kontrollen und Überwachung in der Ostsee zu gewährleisten. Im Jahr 2023 hatte das chinesische Schiff NewNew Polar Bear nach der Beschädigung von zwei Unterwasserleitungen und einer Gaspipeline die Aufforderungen der finnischen und estnischen Küstenwache ignoriert und seinen Heimathafen angesteuert. Im Dezember 2024 wurde die Yi Peng 3 für mehrere Wochen im Kattegat zwischen Dänemark und Schweden festgehalten. Die schwedische Untersuchung, bei der jegliche Kooperation der chinesischen Behörden verweigert wurde, konnte schlussendlich nicht beweisen, dass die Unterwasserkabel vorsätzlich beschädigt wurden. Die drei Crewmitglieder der Eagle S, welche im Dezember 2024 das Estlink 2 Stromkabel zerstörte, werden sich Ende August vor einem finnischen Gericht verantworten müssen. Und auch gegen den Kapitän der NewNew Polar Bear läuft aktuell ein Gerichtsverfahren in Hongkong, nachdem die chinesischen Behörden 2024 überraschend zugaben, dass das Schiff für die Zerstörung der Pipeline verantwortlich ist.[30]
Die bisher direkteste Konfrontation fand am 13. Mai statt, als ein sanktioniertes Schiff der Schattenflotte nicht auf die Aufforderungen der estnischen Streitkräfte reagierte und kurze Zeit später ein russischer Kampfjet über dem Schiff hinwegflog, in direkter Verletzung des estnischen Luftraums.[31]
Die Fälle zeigen die zunehmende Bereitschaft, konsequenter gegen die Bedrohung vorzugehen. Im Januar 2025 verkündete NATO-Generalsekretär Mark Rutte den Start von Baltic Sentry. Die Mission hat zum Ziel, die Überwachung zu stärken und eine koordinierte Präsenz in der Ostsee zu gewährleisten.[32] Teil davon ist auch der Einsatz von unbemannten Wasserfahrzeugen, um eine flächendeckende Überwachung überhaupt zu ermöglichen. Diese werden aktuell in der Ostsee getestet und können als klares Signal an Russland angesehen werden.[33] Die Integration dieser autonomen Wasserfahrzeuge in die NATO-Flotte steigert die Fähigkeiten in der Region massiv. Bei tieferen operationellen Kosten können wochenlange Einsätze durchgeführt werden, ohne ein personelles Risiko eingehen zu müssen. Die Drohnen sind auch eine Abkehr von der bisherigen Beschaffungslogik. Kein starres Schema mit jahrzehntelangen Lieferfristen, sondern das Testen von auf dem Markt verfügbarem Material in einer operativen Umgebung, um zu sehen, was den militärischen Anforderungen genügt.
Mit den gesammelten Informationen können Anomalien beobachtet werden, wie zum Beispiel Schiffe, die häufig die Richtung ändern, in der Nähe von kritischen Kabeln verweilen oder dort langsamer werden. Mit den kombinierten Mitteln können so Reaktionszeiten von unter einer Stunde ermöglicht werden. Eine klare Verbesserung in Anbetracht der Tatsache, dass ein Schiff fast 17 Stunden seinen Anker am Meeresgrund mitschleppte.
Doch die Attribution und schnellere Erkennung reichen nicht, solange die Schiffe nicht konsequent sanktioniert und festgehalten werden. Eine Eskalation, auf die Russland wiederum sehr empfindlich reagiert.[34] Es ist ein schmaler Grat zwischen dem Einhalten völkerrechtlicher Normen und dem Durchsetzen von nationalen und europäischen Sicherheitsinteressen. Eine gemeinsame Linie der Ostseestaaten und die Bereitschaft, sich entschieden gegen hybride Angriffe zu wehren, senden ein klares Signal aus. Ein Signal, welches Angriffe zwar nicht verhindern kann, deren Wahrscheinlichkeit aber stark reduziert.
Im Falle eines Krieges müssten die NATO-Staaten die Ostsee vollständig kontrollieren können. Mit den zwei neuen NATO-Mitgliedern, sowie der maritimen Aufrüstung der Anrainerstaaten, entstehen bedeutende Mittel zur maritimen Abschreckung. Finnland verstärkt seine Flotte aktuell mit vier neuen Korvetten der Pohjanmaa-Klasse und Schweden plant, ab 2030 vier neue Schiffe der Luleå-Klasse in Betrieb zu nehmen. Polen wird ab 2029 das erste von drei neuen Fregatten der Miecznik-Klasse in Betrieb nehmen. Dazu kommen simultane Versuche mit maritimen Drohnen, welche dringend benötigte niederschwellige Fähigkeiten produzieren. Die Schwachstelle wird in Zukunft allerdings nicht das Material sein, sondern die bestehende Kommandostruktur sein. Angelehnt an die Verbände im Atlantik und dem Mittelmeer würde die Einführung eines dritten ständigen maritimen Einsatzverbands die Koordinierung in der Ostsee vereinfachen und die permanente Präsenz vereinheitlichen.[35] Mit der Einführung der Commander Task Force Baltic im Oktober 2024 wurden bereits erste Schritte unternommen, um unter deutscher Führung die Kommandostruktur in der Region zu verbessern und somit in Zukunft geschlossen auf Bedrohungen reagieren zu können.
Auf dem Festland wird die Aufgabe, Abschreckung durch den Aufbau zahlenstarker und gut ausgerüsteter Landstreitkräfte herzustellen, mitunter Polen und Deutschland zufallen.
Polen ist aufgrund seiner Lage und seiner historischen Erfahrungen besonders sensibel gegenüber der Gefahr, die von Russland ausgeht, und zählte deshalb schon vor 2022 zu den Staaten, die eindringlich vor russischen Expansionsplänen warnten. Seit Kriegsbeginn 2022 zählt Warschau zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine. Das Land hat mit Abstand am meisten ukrainische Flüchtlinge aufgenommen und stellt mit dem Flughafen Rzeszów, der kurz vor der polnisch-ukrainischen Grenze liegt, die logistische Drehscheibe für die westlichen Waffenlieferungen. Polen selbst hat vor allem in der Frühphase des Krieges die Ukraine mit Lieferungen von schweren Waffen unterstützt, die noch aus sowjetischer oder eigener polnischer Produktion stammten. Seitdem hat die Waffenhilfe abgenommen, beläuft sich aber insgesamt auf rund 4,5 Mrd. Euro.[36]
Polen muss sich nun zunächst ohnehin auf die eigene Verteidigung konzentrieren. Das Land steht unter Druck, schnell und massiv aufzurüsten. Seit 2022 wurde jedes Jahr der Verteidigungshaushalt erhöht; im Jahr 2025 soll dieser mit umgerechnet 43 Mrd. Euro bei rund 4,7 % des BIP liegen.[37] Bedeutende Mittel fließen nun in den Tarcza Wschód, einen umfangreichen Plan zur Errichtung von Befestigungsbauten und Sperren entlang der polnischen Grenze zu Belarus und der Oblast Kaliningrad. Der Großteil der Investitionen wird jedoch benötigt, um die leer geräumten Arsenale der polnischen Armee wieder aufzufüllen. Polen setzt dabei vor allem auf die USA und Südkorea als Waffenlieferanten und hat dort unter anderem Kampfpanzer, Panzerhaubitzen, Raketenartillerie und Kampfflugzeuge bestellt. Warschau erwartet zudem die Auslieferung von zweiunddreißig F-35 Kampfflugzeugen in den nächsten Jahren.[38]

Polnische Soldaten bei einer Parade in Warschau im Jahr 2024
Die Ambiguität von Trumps Ukrainepolitik hat jedoch nun erstmals Zweifel an der polnischen Sicherheits- und Rüstungspolitik aufkommen lassen, die sich bisher sehr einseitig auf die USA ausgerichtet hatte. Nach der Eskalation im Weißen Haus erklärte Premierminister Donald Tusk im März 2025, dass man Gespräche mit Frankreich bezüglich des französischen Nuklearschutzschirms führe. Polen will nun auch die eigene Rüstungsindustrie stärken und hier unabhängiger werden. In Polen hat die Branche zwar einige Eigenentwicklungen vorzuweisen, sie litt bisher jedoch unter geringen Bestellmengen und einer sehr hohen Konzentration des Marktes, den weiterhin Staatsunternehmen dominieren.[39]
Probleme bestehen auch beim personellen Aufwuchs der Armee. Die Armee, welche zuletzt knapp 210.000 Angehörige zählte, soll auf rund 300.000 Soldaten anwachsen. Einschließlich der Reserve plant Donald Tusk mit 500.000 Männern und Frauen. Auf die Rückkehr der 2009 ausgesetzten Wehrpflicht will man jedoch verzichten. Die Politik möchte über einen freiwilligen Grundwehrdienst und freiwillige Schulungen den Personalbedarf decken, doch die Zahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück.[40]
Es ist offensichtlich, dass Polen im Ernstfall zum Schutz seiner eigenen Grenzen einen Großteil des militärischen Personals stellen muss. Auch hier wird die Glaubwürdigkeit militärischer Abschreckung nicht nur durch den Einkauf militärischen Geräts herzustellen sein. Polen wird um diese Aufgabe nicht herumkommen und kein anderer Staat wird sie dem Land abnehmen. Andernfalls wird eine glaubwürdige Verteidigung des Baltikums nicht gelingen. Aufgrund seiner geografischen Lage muss sich Polen zudem besser auf die Bedrohungen für die Zivilgesellschaft einstellen, auf die es bisher unvorbereitet ist. Der Zivilschutz wurde lange vollständig vernachlässigt und hat erst zum Jahresbeginn 2025 wieder eine gesetzliche Grundlage sowie neue Geldmittel erhalten.[41] Polen hat demnach in puncto Gesamtverteidigung erheblichen Aufholbedarf.
In Deutschland sind die Herausforderungen ähnlich. Berlin zählt zu den wichtigsten europäischen Partnern der Ukraine und hat seit Beginn des russisch-ukrainischen Krieges wichtige Schritte unternommen, um in der europäischen Verteidigung eine zentrale Rolle einzunehmen. Der Weg dorthin war jedoch nicht einfach, da sich das Land aus historischen, aber vor allem auch wirtschaftlichen Gründen bis zuletzt an die Illusion friedlicher Kooperation mit Russland geklammert hat. Der russische Angriff auf die Ukraine traf die deutsche Politik und die Bundeswehr unvorbereitet. Auf Bündnis- und Landesverteidigung war man seit drei Jahrzehnten nicht mehr ausgerichtet. Das Heer stand in den Worten des damaligen Heeresinspekteurs „mehr oder weniger blank da“.[42]
Die drei Tage nach Kriegsbeginn verkündete „Zeitenwende“ markierte zwar einen politischen Kurswechsel, die Geschwindigkeit ließ jedoch zu wünschen übrig. Deutschland lieferte erstmals Waffen an die Ukraine, zunächst kleinere, später und unter erheblichem Druck auch Großgerät. Für die Bundeswehr wurde ein Sondervermögen in Höhe von 100 Mrd. Euro aufgesetzt, das die größten Ausrüstungslücken beseitigen sollte und Deutschland erstmals das 2 %-Ziel der NATO erreichen ließ. Nach jahrelangen Diskussionen wurden F-35 Kampfflugzeuge für den Erhalt der nuklearen Teilhabe bestellt, Transporthelikopter, Schützen- und Kampfpanzer gekauft und vor allem in Luftverteidigung investiert.[43]
Sämtliche Planungen in Berlin gingen jedoch von einer amerikanischen Führungsrolle aus, sowohl bei der militärischen Unterstützung der Ukraine als auch bei der europäischen Verteidigung. Die neue Ukraine-Politik der USA, die mit einem Regierungswechsel in Berlin zusammenfiel, hat daher zu einer Art zweiten Zeitenwende innerhalb der „Zeitenwende“ geführt.
Durch Verfassungsänderung wurde die Schuldenobergrenze für Verteidigungsausgaben aufgehoben und ein weiteres Sondervermögen für Infrastruktur in Höhe von 500 Mrd. Euro eingerichtet. Beide Maßnahmen kommen den Aufgaben zugute, die Deutschland für die europäische Verteidigung erfüllen muss.
Denn Deutschlands Rolle innerhalb der NATO wird größer werden müssen, je mehr sich die USA zurückziehen. Nicht nur, weil Deutschland aufgrund seiner zentralen Lage eine essenzielle Logistikdrehscheibe für die Versorgung der östlichen Bündnispartner darstellt, sondern auch, weil das Land aufgrund seiner Bevölkerungsgröße und Wirtschaftsleistung erneut ein militärisches Schwergewicht werden muss. Das Kampfpotenzial Deutschlands ist für die Glaubwürdigkeit europäischer Abschreckung unerlässlich. Investitionen in die veraltete und störungsanfällige Verkehrsinfrastruktur, insbesondere in das Schienennetz, stiften nicht nur zivilen Nutzen, sondern sind auch wichtig, damit Deutschland im Ernstfall als Aufmarschgebiet dienen kann, über das Truppen und Material aus verschiedenen Teilen Europas Richtung Osten transportiert werden können.[44] Diesbezügliche Planungen müssen daher unbedingt auch grenzüberschreitende Bahnverbindungen im Blick haben, die für gewöhnlich ignoriert werden.
Durch die faktische Aufhebung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben sind der Aufrüstung der Bundeswehr zumindest keine finanziellen Grenzen gesetzt. Dies macht sich bereits bei den angekündigten Bestellungen neuer Fahrzeuge bemerkbar; zuletzt wurde etwa gemeldet, dass Aufträge im Umfang von 1000 neuen Leopard 2 Kampfpanzern und 2.500 Radpanzern geplant seien.[45] Dass Quantität eine Qualität für sich darstellen kann, ist auch eine Lehre aus dem russisch-ukrainischen Krieg. Eine genügend große Materialreserve wird für die Abschreckung notwendig sein. Nicht zuletzt damit in Zukunft auch Einheiten an die Ostflanke verlegt werden können, ohne dass dabei große Lücken bei anderen Verbänden entstehen.[46]
Bis das bestellte Material aber beim Deutschen Heer einsatzfähig ist, wird noch viel Zeit vergehen. Parallel wird sich die deutsche Politik weiter mit der Frage des personellen Aufwuchses beschäftigen müssen. Freiwilligkeit mag zwar politisch gewünscht sein, wird aber vermutlich nicht schnell genug zu einem Anstieg der Truppenstärke führen. Hier verliert man Zeit, die man eventuell nicht hat. Genauso schwierig steht es um die Frage nach der Vorbereitung der Zivilgesellschaft auf einen Konflikt. Die Aufmerksamkeit für hybride Bedrohungen nimmt erst seit 2022 zu. Gegen konventionelle Bedrohungen hingegen fehlt Schutz, da der Zivilschutz in Deutschland nach 1990 stark vernachlässigt wurde.[47] Deutschlands rüstungsindustrielle Schlüsselrolle hilft zwar der kränkelnden Wirtschaft, macht das Land aber auch zur Zielscheibe. Von Kaliningrad bis zur deutschen Grenze ist es nicht allzu weit. Nur auf Luftverteidigung sollte man sich daher nicht verlassen.
Mit dem neuen Operationsplan Deutschland will die Bundeswehr die zivile Unterstützung für die Gesamtverteidigung vorbereiten, unter anderem durch den Einbezug von Privatunternehmen in die Logistik. Hier mangelt es jedoch bis jetzt an Koordination zwischen Behörden, Privatwirtschaft und anderen zivilen Akteuren. Dies wird durch die militärische Geheimhaltung des Operationsplans und die verschiedenen Kompetenzen von Bund, Ländern und Kommunen zusätzlich erschwert. So weiß die Bundesregierung nicht, ob Angehörige von Hilfsorganisationen oder sicherheitsrelevanten zivilen Lieferanten gleichzeitig in anderen Bereichen als Beamte bei Feuerwehr, Polizei oder der Bundeswehr tätig sind.[48] Die Unternehmen wissen nicht, welche Dienstleistungen im Krisenfall von ihnen gebraucht werden, was sie bevorraten müssen und wo ihre Mitarbeiter eingesetzt werden. Diese Informationsasymmetrie muss also so weit wie möglich abgebaut werden.[49]
4.3 Zaudernde Riesen
Aufgrund ihrer geografischen Lage sind Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien weit vom Kriegsschauplatz in der Ukraine entfernt und nicht unmittelbar durch Russlands Expansionismus bedroht. Wie im Kalten Krieg ist die Front weit weg, anders als damals sind die heutigen Armeen, insbesondere die Landstreitkräfte, jedoch kaum für einen Konflikt gerüstet.
Abgesehen von Großbritannien haben alle finanziell und militärisch eher wenig zur Unterstützung der Ukraine beigetragen. Eine Zeitenwende im deutschen Sinne mit vergleichbaren Aufrüstungsbemühungen ist bisher ausgeblieben.[50] Wenn man die potenzielle Rolle britischer und französischer Atomwaffen für die europäische Abschreckung ausklammert, stellt sich also die Frage, was diese vier Länder, die nach Deutschland das größte Bruttoinlandsprodukt in Europa aufweisen, für die europäische Verteidigung leisten können.
Das Vereinigte Königreich zählt in Europa zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine. London hatte früh vor der Bedrohung durch Russland gewarnt und der Ukraine noch vor Kriegsausbruch mit Trainingsmissionen und Waffenlieferungen geholfen.[51] Die Atommacht Großbritannien hat zudem in den letzten Jahrzehnten meistens das 2 %-Ziel erfüllen können; im Jahr 2024 wurden rund 2,3 % des BIP für Verteidigungsausgaben verwendet.[52]
Nichtsdestotrotz befinden sich die britischen Streitkräfte in einem desolaten Zustand. Wie andernorts haben Budgetkürzungen und Sparmaßnahmen zu einem massiven Rückbau bei Personal und Material geführt. Das britische Heer ist auf rund 72.000 Soldaten zusammengeschrumpft und verfügt nur noch über ein paar Dutzend einsatzfähige Kampfpanzer.[53] Der Royal Air Force mangelt es an Piloten und Flugzeugen für die neuen Flugzeugträger, deren Einsatzfähigkeit aufgrund diverser Probleme immer wieder in Frage steht.[54] Bei der Royal Navy werden ohnehin seit Jahrzehnten mehr Schiffe außer Dienst gestellt als neue der Flotte hinzugefügt. Die Anzahl einsatzfähiger Schiffe befindet sich auf einem historischen Tiefstand.[55] Fähigkeitslücken sind die Folge, genauso wie eine verminderte Glaubwürdigkeit der britischen Fähigkeit zur globalen Machtprojektion (power projection).
Ohne USA würde für London auch das special relationship entfallen, was für die atomare Abschreckung Großbritanniens Folgen hätte, da die seegestützten Trident-Raketen in den USA produziert und gewartet werden.[56] Das wiederholte Versagen dieses Raketentyps bei Übungen in den letzten Jahren machte zusätzlich einen schlechten Eindruck.[57] Wie ein Bericht des britischen Oberhauses 2024 feststellte, ist die britische Fähigkeit zur Abschreckung und die Glaubwürdigkeit einer wirksamen Beteiligung an einem potenziellen Krieg in Europa daher eher gering.[58]
Auch Frankreichs zukünftige Rolle ist nicht ganz klar. Traditionell stets auf Autonomie gegenüber den USA und der NATO bedacht, hat sich Frankreich bemüht, seit Ende des Kalten Krieges das volle Spektrum militärischer Fähigkeiten zu erhalten, wenn auch in zunehmend kleinem Maßstab. Für die französischen Anti-Terror-Kriege in Afrika hat eine solche „Bonsai-Armee“, die Material und Personal je nach Bedarf von einer Einheit zur nächsten verschiebt, gereicht; für einen guerre de haute-intensité in Europa reicht das aber nicht.[59] Der neue Armeehaushalt für die Jahre 2024 bis 2030 erhöht zwar die Geldmittel, verändert aber nicht die Struktur der Streitkräfte.[60] Vor allem das Heer geht größtenteils leer aus. Priorität genießen weiterhin Marine und Luftwaffe mit ihren Nuklearschlagskapazitäten, welche letztendlich die Sicherheit Frankreichs gewährleisten sollen. Zudem muss Frankreich im Indopazifik zunehmend Ressourcen in die Behauptung seiner Überseegebiete investieren.
Während die militärische Strategie also nicht auf die Verteidigung der NATO-Ostflanke ausgerichtet ist, ist die politische Glaubwürdigkeit Frankreichs diesbezüglich auch belastet. Frankreich hat seit Beginn von Putins Amtszeit stets versucht, eine verständnisvolle Vermittlerposition einzunehmen. Es verhandelte Waffenstillstände in Georgien und der Ostukraine und hätte Russland vor der Annexion der Krim beinahe noch zwei Helikopterträger der Mistral-Klasse verkauft.[61] Insbesondere Macron versuchte zunächst noch Putin zu umgarnen und fiel selbst nach Kriegsbeginn noch mit der Forderung auf, Putin für das Kriegsende eine gesichtswahrende Option zu bieten.[62]
Die Wiederwahl Trumps und der antizipierte Rückzug der USA sollten in der Theorie nun die Chance bieten, die von Paris stets geforderte autonomie stratégique zu realisieren und es Frankreich wieder zu ermöglichen, eine Führungsrolle zu übernehmen. Macrons Rhetorik vis-à-vis Moskau ist konfrontativer geworden. Die bisher überschaubare Ukrainehilfe wurde vergrößert und Macron schlug die Entsendung eigener Truppen zur Überwachung eines etwaigen Waffenstillstands vor.[63] Die Ambitionen scheitern jedoch an den finanziellen Mitteln und der geschwächten Position Macrons im eigenen Land. Frankreich ist hoch verschuldet und die Regierung hat keine eigene Mehrheit im Parlament. Extreme Rechte und Linke, die sich in ihrer Nähe zu Russland ähneln, bergen bei einem Wahlsieg die Gefahr eines isolationistischen Kurses.
Geldfragen sind auch in Italien und Spanien das Hauptproblem, wobei hinzukommt, dass dort die Gefahr durch Russland geringer eingeschätzt wird als die Herausforderungen vor der eigenen Haustür.
Italiens Verteidigungspolitik ist daher auch durch einen Balanceakt gezeichnet. Einerseits verfehlt das nach Griechenland am höchsten verschuldete Land der EU seit Jahren das Ausgabenziel der NATO. Trotz Anstieg erreichte Italiens Verteidigungsbudget 2024 nur knapp 1,5 % des BIP.[64] Andererseits hat sich Rom in den letzten Jahren durch eine überdurchschnittlich hohe Beteiligung an Militäroperationen der NATO und der EU ausgezeichnet, vor allem zur See.[65] Italiens strategische Prioritäten unterscheiden sich jedoch von denen der Gesamt-NATO. Der Fokus liegt auf dem „erweiterten Mittelmeer“ und die Sorgen drehen sich um Terrorismus, Instabilität und Migration in Afrika und dem Nahen Osten.[66] Zudem misst Italien dem Indopazifik zunehmend Bedeutung bei. Rom entsandte 2024 erstmals eine beeindruckende Flugzeugträgerkampfgruppe dorthin. Die modern ausgerüstete Marine und Luftwaffe genießen daher absolute Priorität.
Nichtsdestotrotz hat Italien, obwohl es ebenfalls stark von russischen Gaslieferungen abhängig war, die Ukraine seit 2022 mit militärischer und humanitärer Hilfe unterstützt.[67] Diese Politik, für die vor allem Ministerpräsidentin Giorgia Meloni einsteht, ist in Italien jedoch umstritten und stößt selbst in der Regierungskoalition, in der Matteo Salvinis Lega mit ihren offenen Sympathien für Russland vertreten ist, auf Kritik. Zudem regt sich in der linken Opposition und auf der Straße Widerstand gegen die Aufrüstung. In der Öffentlichkeit dominiert weiterhin eine pazifistische Grundstimmung aus Zeiten des Kalten Kriegs, weshalb Russland von der Mehrheit der Bevölkerung kaum als Bedrohung wahrgenommen wird.[68]
Italien lässt daher trotz gegenteiliger Bekenntnisse immer wieder Zweifel an seiner Entschlossenheit aufkommen. Sei es, wenn es gemeinsam mit Spanien neue Hilfspakete für die Ukraine ablehnt, einen weniger militärisch klingenden Titel für das EU-Rüstungspaket ReArm Europe durchsetzt oder 2025 im Voraus erklärt, sich nicht an etwaigen Friedensmissionen in der Ukraine zu beteiligen.[69]
Melonis Nähe zur Trump-Administration scheint sich darüber hinaus wenig ausgezahlt zu haben. Weder Trumps Ukrainepolitik noch die zukünftige verringerte Rolle der USA in Europa entsprechen italienischen Wünschen. Italien scheint sich aber dieser Realität noch zu verweigern, betont stets die transatlantische Partnerschaft und lehnt französische Vorstöße zu mehr europäischer Autonomie rigoros ab. Langfristig wird dies aber nicht funktionieren.
Im Falle Spaniens ist die Situation mit derjenigen Italiens vergleichbar. In Abwesenheit militärischer Bedrohungen konnte sich Spanien jahrzehntelang geringe Ausgaben für Verteidigung erlauben. Im Jahr 2014 lag ihr Anteil am Bruttoinlandsprodukt bei unter einem Prozent, 2024 bei knapp 1,28 %.[70] Davon fließt das meiste Geld aus naheliegenden Gründen in die Armada und die Luftwaffe. Nichtsdestotrotz hat Spanien stets an einer großen Bandbreite internationaler Friedens-, NATO- und EU-Missionen teilgenommen sowie in den letzten Jahren durchschnittlich rund 3.000 Soldaten und Soldatinnen ins Ausland entsendet, bei einer Armeegröße von nur 120.000.[71]
Spaniens strategischer Fokus liegt klar auf der NATO-Südflanke und als wichtigste Herausforderungen gelten unkontrollierte Migration, Terrorismus, Cyberattacken und die Sicherheit in der südlichen Nachbarschaft.[72] Die Bedrohung durch Russland liegt hingegen buchstäblich am anderen Ende Europas. Eine militärische Unterstützung der Ukraine und eine Wiederaufrüstung sind in dem pazifistisch geprägten Spanien daher nicht selbstverständlich und politisch umstritten.
Spanien hat zwar über zweihunderttausend ukrainische Flüchtlinge aufgenommen, die humanitäre, finanzielle und militärische Hilfe fällt in absoluten Zahlen jedoch bisher bescheiden aus. Die humanitäre Hilfe beläuft sich auf rund 500 Mio. Euro, zur militärischen Unterstützung zählen vor allem die Lieferung von 29 wieder instandgesetzten Leopard 2A4 Kampfpanzern, Patriot-Raketen sowie die Ausbildung von 7.000 ukrainischen Soldaten.[73]

HMS Queen Elizabeth der Royal Navy im Jahr 2021
Die Wiederaufrüstung in Europa und die Frage nach höheren Verteidigungsausgaben ist zudem zu einem zentralen Streitpunkt in der spanischen Politik geworden, insbesondere innerhalb der linken Regierungskoalition in Madrid. Die spanische Bevölkerung misst Verteidigung und Sicherheit einen deutlich niedrigeren Stellenwert bei als der EU-Durchschnitt, die Sorge vor Kürzungen im Sozialbereich ist groß.[74] Die Koalitionspartner von Ministerpräsident Pedro Sánchez lehnen die EU-Programme zur Wiederaufrüstung ab und stellen die NATO-Mitgliedschaft infrage. Sánchez selbst erwirkte zusammen mit Giorgia Meloni die Umbenennung von ReArm Europe in Readiness 2030, weil ihm der militärische Klang missfiel. Der EU solle ihr Soft-Power-Charakter erhalten bleiben.[75] Angesichts dieser politischen Zwänge grenzt es fast an ein Wunder, dass Spanien 2025 durch eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben erstmals das 2 %-Ziel erreichen will.[76] Lob wird Spanien dafür aber nicht mehr erhalten. Die vorauseilende Absage an das im Juni beschlossene 5 %-Ziel festigt eher eine Wahrnehmung, dass Madrid die Verteidigung Europas nicht so ernst nehme, wie der Rest der NATO.[77]
Je nach Land gibt es also unterschiedlich großen Aufholbedarf, um sich auf eine Welt vorzubereiten, in der sich Europa ohne die USA verteidigen muss. Was muss also passieren?
Selbstverständlich ist nicht zu erwarten, dass Großbritannien, Frankreich, Italien oder Spanien im Ernstfall den Großteil der Truppen im Osten des Bündnisgebiets stellen werden. Nichtsdestotrotz bleibt es gerade aus Gründen der Solidarität und zur Demonstration der Geschlossenheit wichtig, dass diese Länder ihren Beitrag zur Vorwärtspräsenz der NATO an der Ostflanke erhalten und im Einklang mit den Beschlüssen der letzten NATO-Gipfel weiter ausbauen. Der britische Abzug von Gerät und Truppen aus Estland geht in die falsche Richtung.[78] Italiens Pläne, bis zu 380 Kampfpanzer und rund 1.000 Schützenpanzer für sein Heer zu beschaffen, zeigen hingegen, dass sich das italienische Militär auch auf Kampfhandlungen auf dem Land einstellt.[79]
Darüber hinaus wird es wichtig sein, die Bedeutung und Notwendigkeit dieser Präsenz besser der Öffentlichkeit zu vermitteln, insbesondere in Italien und Spanien, wo die öffentliche Wahrnehmung der Bedrohungslage eine andere ist. Für beide Länder wäre auch die Einhaltung der Ausgabenziele, zumindest der nunmehr überholten 2 %-Vorgabe, wichtig, um nach innen und außen die Glaubwürdigkeit der Abschreckungsfähigkeit zu signalisieren. Das Versprechen, die Verpflichtungen der geheimen NATO-Fähigkeitsziele zu erfüllen, ist gut, aber weniger greifbar als nachweisbare Ausgabenniveaus.
Die Verteilung der Ausgaben darf in Italien und Spanien ruhig die unterschiedlichen Prioritäten an der Südflanke der NATO widerspiegeln. Beide könnten einen Schwerpunkt bei den Cyber-Kapazitäten setzen. Weil sie aus östlicher Perspektive weit im europäischen Hinterland liegen, wäre eine Stärkung der jeweiligen Rüstungsindustrie sinnvoll. Genauso wie in der Ostsee wird auch im Mittelmeer die Überwachung von Unterwasserinfrastruktur wichtiger. Die Entwicklung von Über- oder Unterwasserdrohnen böte also eine Möglichkeit, Synergien zwischen Ost- und Südflanke der NATO zu generieren. Die Chancen, die die EU-Initiativen für gemeinsame Rüstungsprojekte bieten, müssen stärker wahrgenommen werden.
Allen vier Ländern wird eine Verantwortung für die Gewährleistung der maritimen Sicherheit zukommen, nicht nur in Europa. Vor allem die Royal Navy muss wieder gestärkt werden, um der zunehmenden Bedeutung der Arktis und der Herausforderung durch die russische Nordmeerflotte gerecht zu werden.[80] Wie zu Zeiten des Kalten Krieges wird der Royal Navy die Aufgabe zukommen, die GIUK-Lücke zusammen mit den USA zu überwachen. Letztere werden auch in Zukunft aus Eigeninteresse daran mitwirken.
Für Spanien und Italien sollte das Mittelmeer absolute Priorität bleiben, insbesondere da Frankreich seine Kräfte auch auf den Indopazifik aufteilen muss. Frankreich und Italien könnten dort jedoch enger zusammenarbeiten, um eine europäische Präsenz in der Region zu gewährleisten.[81] Abgesehen vom Schutz der französischen Überseegebiete würden dadurch weiterhin wichtige Signale sowohl an die Partner in Asien als auch an die USA gesendet. Der amerikanische Fokus auf den Indopazifik muss nicht bedeuten, dass Europa diese Region völlig vernachlässigen sollte. Diese Aufgabe sollte in Europa aber auf wenige Staaten verteilt werden.
4.4 Die Neutralen
Wenn sich Europa selbstständig verteidigen können muss, stellt sich zuletzt noch die Frage, welche Rolle die neutralen Länder Europas zukünftig in einem veränderten geopolitischen Umfeld einnehmen wollen oder können. Der Kreis der neutralen Staaten Europas ist seit 2022 geschrumpft. Schweden und Finnland haben aufgrund der Nähe zu Russland ihre Neutralität aufgegeben und rüsten nun im Rahmen der NATO ihre zuvor schon schlagkräftigen Armeen auf. Übrig geblieben sind die weniger schlagkräftigen Armeen Irlands, Österreichs und der Schweiz. Malta wird aufgrund seiner geringen Größe bei dieser Betrachtung ausgeklammert. Als Neutrale sind die anderen drei Länder grundsätzlich nur ihrem eigenen Schutz verpflichtet, nicht aber zur Passivität. Könnten sie also einen Beitrag zur europäischen Gesamtverteidigung leisten?
Im Falle Irlands muss diese Frage vorläufig mit „Nein“ beantwortet werden, da dem Land auf absehbare Zeit die militärischen Mittel dazu fehlen werden. Für die europäische Sicherheit ist das problematisch, da die Insel strategische Bedeutung für Europa hat. Irland ist der wichtigste Knotenpunkt für transatlantische Unterseekabel, die Europa mit den USA verbinden und den Grund für eine zunehmende russische Marinepräsenz vor Ort darstellen. Irland selbst hat diesem Sicherheitsrisiko wenig entgegenzusetzen.
Aufgrund seiner Geografie und seiner selbst gewählten Neutralität hat das Land nie den Bedarf gesehen, Streitkräfte zu unterhalten, die es ernsthaft verteidigen könnten. Irland ist seit seiner Unabhängigkeit militärisch neutral, gehört keinem Verteidigungsbündnis an und hat die Teilnahme an EU- oder UN-Friedensmissionen stets an Mandate des UN-Sicherheitsrats geknüpft. Wenngleich Irland EU-Mitglied ist, bleibt es durch eine zusätzliche Klausel im Vertrag von Lissabon von der Verpflichtung zur gegenseitigen Unterstützung bei Aggression gemäß Artikel 42.7 ausgenommen. Die Sorge vor dem Verlust der Neutralität hatte damals dazu beigetragen, dass eine durch den Vertrag notwendige Verfassungsänderung in einem ersten Referendum abgelehnt worden war.[82]
Bis heute bleibt die Neutralität politischer Streitgegenstand, zumal sie von der Regierung in Dublin eher großzügig ausgelegt wird. Die USA nutzen beispielsweise den Flughafen Shannon im Westen der Insel als Logistikhub für Einsätze im Nahen Osten. Für die Luftraumüberwachung über Irland ist seit Zeiten des Kalten Krieges de facto Großbritannien zuständig. Aufgrund der erhöhten russischen Präsenz muss London auch zunehmend die irischen Gewässer mitüberwachen.[83] Dass Irland diese hoheitlichen Aufgaben nicht selbst übernehmen kann, liegt an mangelnden Investitionen in die Streitkräfte. Mit rund 1,29 Mrd. Euro gab das Land 2024 nur rund 0,2 % des BIP für Verteidigung aus und ist damit absolutes Schlusslicht in der EU.[84] Die kleine Marine ist kaum einsatzfähig und besitzt kein einziges Sonarsystem, mit dem russische U-Boote identifiziert werden könnten. Die Luftwaffe besitzt weder ein militärisches Radarsystem, um Tarnkappenflugzeuge im eigenen Luftraum zu erkennen, noch die Mittel, um diese abzufangen. Dass seit einigen Jahren die russische Spionagetätigkeit in Irland stark zugenommen hat, ist dementsprechend wenig überraschend.[85]
Österreichs Bekenntnis zur Neutralität war Bedingung für die Wiedererlangung seiner Souveränität im Jahr 1955. Die Fähigkeit und Bereitschaft des Landes, seine Neutralität selbstständig zu gewährleisten, waren jedoch schon im Kalten Krieg zweifelhaft und sind es heute umso mehr, da es nunmehr auch im Osten von NATO-Staaten umgeben ist.[86] Ohnehin ist die Kooperation eng. Österreich hat sich nicht nur an UN- und EU-Peacekeeping-Missionen beteiligt, sondern auch an NATO-Missionen, unter anderem im Irak und Afghanistan. Bei Ausbildung und Training wird intensiv zusammengearbeitet. Österreich hat nach wie vor eine Wehrpflicht und ein Milizwesen. Die Ausbildungsdauer des Grundwehrdienstes ist jedoch kurz und verpflichtende Übungen gelten nicht für alle Angehörigen der Miliz.[87] Die geplante Mobilisierungsstärke von nur 55.000 Soldaten ist deshalb kaum zu erfüllen, zumal die Zahlen rückläufig sind. Jahrzehntelange Unterinvestitionen haben erwartungsgemäß auch bei der Ausrüstung erhebliche Lücken entstehen lassen. Die Einsatzbereitschaft und die Fähigkeit zur Verteidigung sind nicht gegeben, wie ein Armeebericht schon 2019 warnte. Allein für den Erhalt bestehender Fähigkeiten wären Investitionen von rund 16 Mrd. Euro und Ausgaben von mindestens 1 % des BIP pro Jahr notwendig gewesen.[88] Bis dahin lagen die Ausgaben bei etwas über 2 Mrd. Euro pro Jahr. Da die nachfolgende Regierung diese Kosten als zu hoch einschätzte, wurden ein Jahr später kurzerhand die militärischen Bedrohungsszenarien gestrichen und festgestellt, dass Landesverteidigung nicht mehr der Schwerpunkt der Streitkräfte sei.[89] Einsätze im Innern, wie während der Corona-Pandemie, waren de facto zur Hauptaufgabe geworden und sollten es auch bleiben.
In der Schweiz, dem ältesten dauerhaft neutralen Land, ist die Neutralität seit 1848 stets eine bewaffnete gewesen. Die Schweiz blieb unberührt durch den Ersten und Zweiten Weltkrieg, war aber immer bereit, die Unverletzlichkeit ihrer Grenzen mit Waffengewalt zu verteidigen. Die Schweizer Armee blieb daher bis Ende des Kalten Krieges ein hochgerüsteter Staat, der durch sein traditionelles Milizsystem innerhalb kurzer Zeit bis zu 800.000 Mann unter Waffen bringen konnte.[90] In einem Land, das die Genfer Konventionen hervorgebracht und für seine diplomatischen Dienste berühmt ist, war dies nicht unumstritten. Zweimal wurde über eine Abschaffung der Armee abgestimmt, die nach 1990 für manche ihren Bestimmungszweck verloren zu haben schien.[91]
Mangels Bedrohungsszenario wurde, wie im Rest Europas, in den folgenden Jahrzehnten die Friedensdividende eingefahren. Die Armee wurde durch eine Verringerung von Personal und Ausrüstung schrittweise zurückgebaut. Einen Ersatz für alterndes Großgerät zu beschaffen, war bei geringen Verteidigungsausgaben schwierig und mit großen Widerständen verbunden. Der erste Anlauf zur Beschaffung neuer Gripen Kampfflugzeuge für die Luftraumüberwachung scheiterte 2014 an einer eidgenössischen Volksabstimmung. Und auch der zweite Versuch, der zur Bestellung von amerikanischen F-35A führte, bleibt umstritten.
Mit Beginn der russischen Invasion der Ukraine 2022 haben sich neue Dilemmata ergeben, die das Land zu einer Gratwanderung zwingen. Die Schweiz hat einerseits die Sanktionen der EU gegen Russland übernommen, Flüchtlinge aufgenommen und humanitäre Hilfe an die Ukraine im Wert von Hunderten Millionen Franken geleistet.[92] Andererseits hat das Verbot für NATO-Länder, ursprünglich aus der Schweiz stammende Waffen an die Ukraine weiterzugeben, zu Verärgerung in der Nachbarschaft geführt.[93] Ursache war eine Verschärfung der schweizerischen Gesetzgebung für Kriegsgüterausfuhr kurz vor Beginn des Krieges, die Waffenexporte in Kriegsgebiete rigoros untersagt.
Auf die Rückkehr militärischer Großkonflikte in Europa waren also weder Irland, Österreich noch die Schweiz vorbereitet. Und jetzt? Die Neutralität der genannten Länder mag hier und da umstritten sein, steht aber allgemein nicht zur Disposition. Ein Beitrag zur Sicherheit Gesamteuropas ist trotzdem möglich. Dies würde zunächst einmal bedeuten, dass die neutralen Staaten im Sinne einer bewaffneten Neutralität ernsthafte Bemühungen unternehmen, um ihren eigenen Schutz zu gewährleisten und nicht nur durch Unterlassung ein Sicherheitsrisiko für den Rest darzustellen.
Dies gilt aus genannten Gründen besonders für Irland, das den Druck seiner europäischen Partner zu spüren scheint. Dublin hat seine Anstrengungen zur Spionageabwehr erhöht und bemüht sich, wichtige Fähigkeitslücken zu schließen. Zur Überwachung von Luft und See wurden militärische Radar- und Sonarsysteme bestellt. Die Regierung plant den Kauf von Kampfjets, mit denen Irland erstmals wieder selbst seinen eigenen Luftraum schützen könnte.[94] Wenn Irland diese Aufgaben wieder übernehmen könnte, würde dies Kapazitäten von NATO-Verbündeten freimachen, die woanders eingesetzt werden können. Nichtsdestotrotz fällt der Umschwung zu langsam und bescheiden aus. Für die Beschaffung von Kampfjets werden bis zu zwei Jahrzehnte eingeplant und die Erhöhung der Verteidigungsausgaben bis 2028 sieht lediglich einen Anstieg auf 1,5 Mrd. Euro vor.[95] Eilig hat man es also nach wie vor nicht.
In Österreich ist man hingegen schon deutlich ambitionierter. Seit 2022 soll das Bundesheer wieder voll auf die militärische Landesverteidigung ausgerichtet werden. Durchhaltefähigkeit und Autarkie sind neue Zielbilder. Zur Umsetzung wurde ein auf zehn Jahre ausgelegter „Aufbauplan 2032+“ beschlossen, der umfangreiche Investitionen in Infrastruktur, Gerät und Personal vorsieht. Dazu zählen unter anderem die Beschaffung neuer Transportpanzer, die Modernisierung der veralteten Leopard 2A4 Panzer, sowie Modernisierungen und Neuanschaffungen für die Luftstreitkräfte.[96] Wien gehört darüber hinaus zu den Teilnehmern der European Sky Shield Initiative (ESSI), wodurch auch Österreich einen Beitrag zur weiträumigen Luftverteidigung in Europa leisten kann.
Ob die Personalprobleme gelöst werden können, wenn die Rahmenbedingungen von Grundwehrdienst und Miliz nicht angepasst werden, wird sich zeigen. Österreich macht zumindest deutlich, dass die Wiederbewaffnung ernst gemeint ist. Dies zeigt sich insbesondere darin, dass Österreich seine Pläne trotz allgemeiner Sparzwänge verfolgt und bereit ist, das Verteidigungsbudget bis 2032 auf zwei Prozent der Wirtschaftsleistung zu steigern.[97] Vor dem Krieg lag der Anteil noch bei weit unter einem Prozent. Laut Bundeskanzler Christian Stocker wolle Österreich dadurch auch einen eigenen Beitrag zur europäischen Verteidigungsfähigkeit leisten.[98] Die Zeit des Trittbrettfahrens scheint also vorbei zu sein.
Die Trend- bzw. Zeitenwende hat auch die Schweiz erreicht, wenngleich mit geringerer Geschwindigkeit. Im Zusammenhang mit dem Kauf des F-35A beschafft die Schweiz Radaranlagen und Patriot-Flugabwehr.[99] Die Leopard 2 Panzer der Armee sollen modernisiert und bestehende Artillerie ersetzt werden. Derweil wird in Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) sowie Cybersicherheit investiert und die Entwicklung eigener Drohnen anvisiert. Die Gelder bleiben jedoch knapp. Bei der Munition wird gespart und die Erhöhung des Verteidigungshaushalts auf bis zu einem Prozent des BIP ist erst für 2032 angesetzt.[100]
Um die eigene Rüstungsindustrie zu retten, plant die Schweizer Politik eine drastische Liberalisierung der Exportregeln, in trockenen Tüchern ist dies jedoch nicht.[101] Die geschundene Schweizer Rüstungsindustrie würde gerne von den neuen EU-Rüstungsprogrammen profitieren. Dafür wäre aber ein gesondertes Sicherheitsabkommen notwendig.[102] Die Schweiz hat jetzt bereits ihre Zusammenarbeit mit den Nachbarländern vertieft. Genauso wie Österreich nimmt das Land an der ESSI teil sowie an einem EU-Programm zur Förderung militärischer Mobilität. Die Annäherung an EU und NATO ist jedoch umstritten. Abstimmungen über eine striktere Auslegung der Neutralität sowie über die Rahmenverträge mit der EU bergen erhebliches Sprengpotenzial.
Hier bleibt nur abzuwarten. Ein Erhalt des rüstungsindustriellen Potenzials der Schweiz wäre aus gesamteuropäischer Perspektive zu begrüßen, gerade bei der noch verbliebenen Munitionsproduktion. Expertise könnte die Schweiz auch im Bereich Zivilschutz bieten, der dort nach 1990 auf hohem Niveau erhalten geblieben ist. Eine Kooperation in diesem Bereich wäre auch sicherlich mit der Neutralität vereinbar. Zuletzt bleibt auch die diplomatische Rolle der Schweiz von Bedeutung, da Europa ein Interesse daran haben sollte, dass vor Ort und nicht im Nahen Osten über seine Zukunft verhandelt wird. Dass die Schweiz sich hier weiter glaubwürdig anbieten kann, bleibt für ganz Europa von Nutzen.
5 Fazit und Ausblick
Europa muss sich in Zukunft selbstständig verteidigen können, wenn es sich nicht im Voraus einem mit Gewalt durchgesetzten russischen Imperialismus unterwerfen möchte. Unabhängig davon, wie stark die amerikanische Unterstützung bleiben wird, müssen die europäischen Staaten deshalb eine glaubwürdige Abschreckung gegenüber Russland erzeugen und im Ernstfall bereit sein, ihre Souveränität und territoriale Integrität mit militärischen Mitteln zu behaupten. Dafür braucht es eine koordinierte Leistung, um gemeinsam eine effektive europäische Gesamtverteidigung zu ermöglichen. Europa muss sich schnell konventionell wieder bewaffnen und militärische Fähigkeitslücken schließen, bei denen man bisher auf die USA gesetzt hat. Darüber hinaus ist eine erhöhte Aufmerksamkeit für hybride Bedrohungen notwendig, die seit 2022 stark zugenommen haben. Zuletzt muss die Zivilgesellschaft besser auf Bedrohungen konventioneller und hybrider Art vorbereitet werden, um die gesamtgesellschaftliche Resilienz im Konfliktfall zu erhöhen.
In der Praxis bewegen sich die europäischen Länder in die richtige Richtung, lassen sich aber zu viel Zeit. In allen Ländern haben seit 2022 tiefgreifende Veränderungen stattgefunden, vieles bleibt jedoch beim Alten. Finanzielle Spielräume und unterschiedliche Bedrohungsperzeptionen bestimmen weiterhin Geschwindigkeit und Umfang militärischer Wiederaufrüstung. Auch wenn man sich hinsichtlich der gesetzten Ziele einig ist, fehlt in manchen Ländern immer noch der Wille, diese möglichst schnell zu erreichen und die notwendigen finanziellen Mittel dafür bereitzustellen. Wo man in diesen Fragen schon weiter ist, stößt man hingegen unweigerlich auf das Problem, dass die Entscheidung zur Aufrüstung sich nicht unmittelbar in Verteidigungsfähigkeit übersetzt. Rüstungsindustrielle Kapazitäten begrenzen die Geschwindigkeit des materiellen Aufbaus. Durch die Wiedereinführung einer Wehrpflicht werden bei Berufsarmee und Reserve nicht von heute auf morgen alle Personalprobleme gelöst. Die Glaubwürdigkeit der europäischen Abschreckung lässt sich daher nicht sofort wiederherstellen. Alles benötigt seine Zeit, die Russland Europa eventuell nicht lassen wird.
Nicht alle Länder konnten in diesem Beitrag beleuchtet werden, was nicht bedeutet, dass die ungenannten Staaten bedeutungslos wären oder dort kein Verbesserungsbedarf zu zeigen ist. Der Fortbestand der Ukraine schützt die NATO-Staaten an der Südostflanke aktuell vor einer gemeinsamen Grenze mit Russland. Das Baltikum bleibt aber in größter Gefahr.
Europa hat nach Beginn der russischen Aggression gegen die Ukraine 2014 die erste Gelegenheit vertan, sich neu zu bewaffnen und durch entschlossenes Handeln dem russischen Expansionismus Einhalt zu gebieten. Der Verteidigungskampf der Ukraine seit 2022 lässt Europa nun eine zweite Chance, die es nutzen muss. Eine dritte Chance wird es nicht erhalten.
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