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»Ein paar militärisch-knappe Zeilen an die Rekrutierungsbehörde«

Populäre Erwartungen an die Demokratisierung der Bundeswehr in Bürgerbriefen an Helmut Schmidt, 1964–1971
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Published/Copyright: May 14, 2024
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Zusammenfassung

Anhand zentraler bundeswehrpolitischer Debatten der mittleren 1960er bis frühen 1970er Jahre und der Zuschriften aus der Bevölkerung, die Helmut Schmidt zuerst als Verteidigungsexperten der SPD und dann als Verteidigungsminister der Bundesrepublik erreichten, spürt dieser Aufsatz den Erwartungen »gewöhnlicher« Bürger und Soldaten nach, die diese zu den Debatten um die Reform der Bundeswehr und zum Zustand der Streitkräfte äußerten. Der Aufsatz fragt, wie westdeutsche Bürgerinnen und Bürger den verschlungenen Prozess der Demokratisierung der Bundeswehr wahrnahmen und wie sie die Bundeswehr, die ein präsenter Teil des Alltags vieler Menschen war, mit ihren politischen Erwartungen an Sicherheits- und Verteidigungspolitik und an das Verhältnis von Bürgern und Staat in der liberalen Demokratie verbanden. Die Fallstudie versucht so, das Verfassen von Briefen an Politiker als politische Praxis in der westdeutschen Demokratiegeschichte zu verorten.

I. Einleitung

Er richte lediglich »ein paar militärisch-knappe Zeilen an die Rekrutierungsbehörde«, so formulierte ein westdeutscher Bürger 1971 in einem Brief an Helmut Schmidt, der zu diesem Zeitpunkt Verteidigungsminister der Bundesrepublik war. Knapp fiel der Brief nicht aus, dafür war er gespickt mit Spitzen gegen die Bundespolitik, einer Kritik am deutschen Militarismus, den der Briefschreiber nach seinen Angaben am eigenen Leib zu spüren bekommen habe, und Erwartungen an die Zukunft. Sein Sohn, so rief der Schreiber Schmidt zu, werde nicht wie sein Vater Soldat, er werde nicht gegen andere Deutsche kämpfen und sich nicht den ritualisierten Schikanen in der Kaserne aussetzen müssen.[1] Der Brief war eine Reaktion auf eine wehrpolitische Debatte im Bundestag, die in Radio und Fernsehen übertragen und in Zeitungen besprochen wurde. Sie wurde durch die dramatisch steigenden Wehrdienstverweigerungszahlen der späten 1960er und frühen 1970er Jahre ausgelöst. Zu diesem Anlass erhielt Helmut Schmidt zahlreiche Briefe von Bundesbürgerinnen und -bürgern, von Soldaten wie Zivilisten. Manche äußerten sich wie der anfangs erwähnte Briefschreiber, andere forderten vom sozialdemokratischen Minister Härte und Durchgreifen. Gemeinsam war den Briefen eines: Die Debatte rief die selbstbewussten Staatsbürger dazu auf, ihr persönliches Verhältnis zum Militärischen in der westdeutschen Demokratie zu reflektieren, den Ort der Bundeswehr in der Gesellschaft zu vermessen und ihre Erwartungen nicht nur an die Verteidigungspolitik, sondern an die Politik insgesamt zu äußern.

Dieser Aufsatz fragt danach, wie westdeutsche Bürgerinnen und Bürger den verschlungenen Prozess der Demokratisierung der Bundeswehr wahrnahmen und wie sie die Bundeswehr, die ein präsenter Teil des Alltags sehr vieler Menschen war, mit ihren politischen Erwartungen an Sicherheits- und Verteidigungspolitik und an das Verhältnis von Bürgern und Staat in der liberalen Demokratie verbanden. »Demokratisierung« wurde zeitgenössisch seit den späten 1960er Jahren zu einem »integrierenden Schlagwort«, das für eine Ausweitung der Demokratie um neue Beteiligungsformen und auf alle Lebensbereiche stand und mit einem neuen Bild vom aktiven und der Selbstregierung fähigen Staatsbürger korrespondierte:[2] »Bürger, die politisch interessiert und fähig, tolerant und selbstbewusste Gegenüber ihrer Parteien und Politiker sind.«[3] Dieser oft als fundamentaler Wertewandel gefasste Prozess wurde in der Demokratiegeschichte lange zu einhellig dargestellt.[4] In diesem Aufsatz wird Vorstellungen des Demokratischen in ihren Ambivalenzen nachgespürt.[5] Er argumentiert, dass im Spannungsfeld von Disziplin, Gehorsam und Tradition auf der einen Seite und dem Wunsch nach mehr Beteiligung sowie einem steigenden staatsbürgerlichen Selbstbewusstsein auf der anderen Seite sich Debatten um das innere Gefüge und den Stellenwert der Bundeswehr in der Gesellschaft besonders eignen, um Aushandlungsprozessen über das Demokratische nachzuspüren. Helmut Schmidt stand seit Mitte der 1960er Jahre und insbesondere als Bundesminister der Verteidigung ab 1969 für die Idee einer transparenteren Bundeswehr, die zudem größere soldatische Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen sollte.[6] Das ambitionierte Programm löste Erwartungen und Befürchtungen gleichermaßen aus, die mit einer Demokratisierung der Bundeswehr verbunden wurden.

Mittels einer Analyse von Briefen, die Helmut Schmidt zwischen den mittleren 1960er und frühen 1970er Jahren von Bürgerinnen und Bürgern verschiedenster sozialer und politischer Herkunft erreichten, wird herausgearbeitet werden, wie in ihren Zuschriften die eigene Erfahrung mit politischen Vorstellungen verbunden wurde und wie sich diese Form des Kontaktes zwischen Repräsentanten und Repräsentierten in eine Geschichte der Demokratie verorten lässt.

Drei bundesdeutsche Debatten über die Bundeswehr, zu denen Schmidt jeweils eine Vielzahl von Zuschriften erreichte, stellten das Verhältnis der bundesdeutschen Demokratie und ihrer Bürger zum Militärischen besonders in den Mittelpunkt: (1) 1964 kam es zu einer breiten Diskussion um die Veröffentlichung des Jahresberichts des Wehrbeauftragten Hellmuth Heye in der Illustrierten Quick im Jahr 1964 unter dem Titel »In Sorge um die Bundeswehr«, in dem dieser zum Ärger Bonns in diesem Medium statt im Parlament öffentlich scharfe Kritik an der Umsetzung der Konzeption der »Inneren Führung« und an der Idee des »Staatsbürgers in Uniform« äußerte. (2) Fünf Jahre später löste ein hochrangiger Repräsentant der Bundeswehr erneut eine Debatte über das innere Gefüge der Streitkräfte und ihren gesellschaftlich-medialen Ort in der Bundesrepublik aus. Der Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Albert Schnez, und eine Gruppe hochrangiger Offiziere monierten in einer öffentlich gewordenen Studie gravierende Mängel in der Disziplin und Handlungsfähigkeit der Bundeswehr und kritisierten, die Innere Führung könne die Streitkräfte empfindlich schwächen.[7] (3) Schließlich stritt die Nation, wie eingangs erwähnt, im Übergang zu den 1970er Jahren über Wehrdienstverweigerer, einen zivilen Ersatzdienst und die Implikationen dieser gesellschaftspolitischen Stimmung für die Sicherheit der Bundesrepublik. Eine wehrpolitische Debatte im Bundestag im Frühjahr 1971, die zwei großen Anfragen der CDU/CSU zur Sicherheitspolitik folgte, löste in Presse und Bürgerschaft hitzige Debatten aus.[8]

Was macht gerade diese drei Debatten besonders geeignet für eine populäre Geschichte der Bundeswehr in der Demokratie? Erstens waren sie Medienereignisse. Ihnen folgten Zeitungskommentare und medienwirksame Repliken aus Politik und Bundeswehr, die Kritikpunkte wurden in Sendungen wie »Unter uns gesagt« (ARD 1964) oder in dem Magazin »Panorama« (ARD 1970) diskutiert. Auch Bundestagsdebatten konnten in Radio und Fernsehen live verfolgt werden. Soldaten wie Zivilisten sahen die Debatten auf ihren TV-Bildschirmen und besprachen sie mit ihrer Familie und ihren Arbeitskollegen. Fragen des Militärischen wurden so über Presse und Rundfunk in »unmilitärischen Öffentlichkeiten« verhandelt.[9] Es handelte sich zweitens um bundeswehrpolitische Kontroversen, die anregten, sie mit grundlegenden Fragen politischer Repräsentation und sozialer Gerechtigkeit zu verbinden. Sie erschienen nicht als abgeschottete Erwägungen militärpolitischer Insider, sondern rückten die Reibungskraft der militärischen und politischen Logik ins Licht.[10] Diese Debatten ragten in den Alltag der Bürgerinnen und Bürger hinein. Sie taten das als Ausdruck eines Sicherheitsbedürfnisses im Kalten Krieg, das sich auch an der Funktionstüchtigkeit der Streitkräfte bemaß,[11] aber auch insofern, als das Militärische eine zentrale lebensgeschichtliche Erfahrung Vieler in den beiden Weltkriegen war. Kriegserfahrungen der Vergangenheit boten Anhaltspunkte, um Fragen des Soldatischen in der Gegenwart einzuordnen. Eine Wehrpflichtarmee war zudem mehr als eine Berufsarmee die Sache aller, weil Enkel und Söhne einberufen wurden und so die Bundeswehr mitten in der persönlichen Lebenswelt platziert war.[12] Das führte dazu, dass das Ringen um den gesellschaftlichen Ort der Bundeswehr »nicht bei einer innermilitärischen Angelegenheit blieb, sondern das Leitbild des ›Staatsbürgers in Uniform‹ auch von Staatsbürgern ohne Uniform reflektiert wurde«.[13]

Helmut Schmidt war als Ansprechpartner nicht nur für die beiden Debatten in den Jahren 1969 und 1971 prädestiniert, in denen er das Amt des Verteidigungsministers (1969–1972) innehatte. In seinen frühen Jahren als Parlamentarier, so Hartmut Soell, hatte Schmidt sich nur am Rande mit »Fragen der Verteidigungsstrategie« befasst.[14] Das änderte sich mit den Debatten zur atomaren Wiederbewaffnung am Ende der 1950er Jahre, denen er erst mit Ablehnung begegnete, dann mit dem Versuch, im Sinne eines militärischen Gleichgewichts von konventioneller und atomarer Rüstung eine verantwortungsethische Position zu entwickeln. Dass Schmidt im Oktober 1958 als Sozialdemokrat an einer Wehrübung der Bundeswehr teilnahm, sorgte für ein größeres Medienecho.[15] Schmidt hatte sich, zuerst als Hamburger Innensenator (1961), dann auch als Mitglied des Bundestages in der Großen Koalition (seit 1965) und als Fraktionsvorsitzender der SPD (1967–1969), als Verteidigungsexperte in der SPD platziert, indem er unter anderem verteidigungspolitische Schriften veröffentlichte.[16] Eine transparentere Bundeswehrpolitik forderte er bereits Mitte der 1960er Jahre, etwa verbunden mit der Aufforderung, den Bericht des Wehrbeauftragten um ein jährliches Verteidigungsweißbuch zu ergänzen, was er 1970 als Bundesminister auch umsetzte.[17] In seinem Amt als Verteidigungsminister sah Schmidt sich der Aufgabe gegenüber, eine Bundeswehr hinter sich zu vereinen, die im Inneren um ihr Selbstverständnis rang und von außen von einem linksliberalen, aber auch sozialdemokratischen Milieu mit Argwohn bedacht wurde.[18] An den hier behandelten Debatten war er 1964 als öffentlicher Diskussionsteilnehmer und danach in direkter ministerialer Verantwortung präsent. Für die Briefschreiber galt Schmidt als ehemaliger Oberleutnant der Wehrmacht zudem als Politiker mit eigener Militärerfahrung und damit als geeigneter Adressat ihrer Erwartungen, wie manche von ihnen explizit reflektierten.

In der Zeitgeschichte der westdeutschen Demokratie, zu diesem Fazit kommt Dominik Geppert 2014 in einer Bestandsaufnahme der Geschichtsschreibung zur Bundeswehr, spielen die Streitkräfte eine seltsam abwesende Rolle, das Militärische wurde lange ausgegliedert in die Kalter-Kriegs-Forschung und in militärhistorische Spezialforschungen.[19] Dieses Urteil gilt nicht mehr ohne Weiteres, Militär und Gesellschaft werden vermehrt auf eine integrative Weise untersucht und ihre Interdependenz betont.[20] In einer neueren Demokratiegeschichte, die Demokratie als eine durch soziale Praktiken immer neu verhandelte, »unfertige« politische Herrschaftsform versteht, spielt die Geschichte der Bundeswehr dennoch weiterhin eine untergeordnete Rolle. Seit ihrer Aufstellung war die Bundeswehr Gegenstand von Protesten und rang um ihre Wahrnehmung in einer Gesellschaft, die sie mit einer Grundskepsis bedachte.[21] Dieser Blick auf die Bundeswehr wandelte sich, ohne je unproblematisch zu werden. Grund genug, Thomas Mergels Plädoyer zu folgen und verstärkt nicht Generalstab und Spitzenbeamte in den Blick zu nehmen, sondern den »Resonanzboden« bundeswehrpolitischer Debatten, die Soldaten oder Bürger, die ihre Erwartungen an verteidigungs- und sicherheitspolitische Erwägungen äußerten und politische Konsequenzen aus ihnen zogen.[22] Hierbei soll nicht die Perspektive der Herrschenden durch die der Beherrschten ersetzt werden, sondern politische Repräsentation als eine »Beziehungsgeschichte« verstanden werden.[23] Mit Michael Saward kann Repräsentation als eine dynamische und stets neu zu verhandelnde Beziehung verstanden werden, in der politische Akteure Repräsentationsangebote (representative claims) erzeugen, die von ihrem Publikum in eigenwilliger, kritischer Weise gelesen und zurückgespielt werden.[24] Bürgerinnen und Bürger und ihre Repräsentanten standen in mal direkterer, mal indirekterer Form in einem ständigen kommunikativen Verhältnis zueinander. Den Bürgerinnen und Bürgern stand dabei ein »Repertoire kommunikativer Praktiken« zur Verfügung, durch das sie mit ihren Repräsentanten in Kontakt traten.[25]

Bürgerbriefe als Narrationen des Selbst und demokratische Praktik

In diesem Aufsatz stehen die Briefe, die Abgeordnete aus allen Bevölkerungsschichten erreichten, im Fokus. In diesen Briefen sprechen, anders als in soziologischen Umfragen oder Meinungsforschungsdaten, die Menschen selbst, statt dass über sie gesprochen wird, auch wenn diese Briefe nicht mit der ungefilterten »Stimme des Volkes« zu verwechseln sind. Das Recht, sich mit Bitten und Beschwerden an seine Abgeordneten zu wenden, war in der bundesrepublikanischen Verfassung verankert und wurde zunehmend als solches wahrgenommen, wie steigende Zahlen von Petitionen illustrieren.[26] Die Eingabe bot eine niedrigschwellige Art und Weise, Abgeordnete mit Erwartungen und Beschwerden zu konfrontieren. Für die Bürger ermöglichte das Schreiben, die in der repräsentativen Demokratie angelegte Lücke zwischen Volkssouveränität und Repräsentanz zu überbrücken. Durch den Briefkontakt konnten sie sich, so schien es den Schreibenden, aus der soziopolitischen Peripherie den politischen Schaltzentralen nähern. Sie erarbeiteten sich ein Stück direkte Mitbestimmung.[27] Bürgerinnen und Bürger erschrieben sich ihre politische Subjektivität, ebenso wie sie in diesen »Narrationen des Selbst«[28] auf kulturell und politisch tradierte Register zurückgriffen. Die Briefe sind insofern ein »modernes Resonanz-Korrespondenzphänomen«,[29] als dass das Gespräch in der Medienöffentlichkeit, in Illustrierten und Fernsehsendungen dazu veranlasste, die eigenen, oft aus dem biografischen Erfahrungsraum schöpfenden politischen Erwartungen im persönlich-unpersönlichen Briefgespräch an die Repräsentanten zu übermitteln und auch abseits der individuellen Antwort als zu achtenden Beitrag zur politischen Gemengelage zu begreifen.[30]

Die zumeist mit einem Formbrief beantworteten Briefe an Schmidt sind nicht ein Dialog im genuinen Sinne, auch wenn einzelne Schreiber die Sammelantworten als eine Aufnahme des Gespräches missverstanden. Obwohl die Briefe meist generisch und von Referenten beantwortet wurden: Politiker konnten aus ihnen politische Stimmungen in einer Form ablesen, die über unpersönliche Meinungsumfragen oder Wahlergebnisse hinausgingen. Die Pflege des engen Bürgerkontaktes konnte zudem öffentlichkeitswirksam inszeniert werden.[31] Dass Politiker auf Landes- wie auf Bundesebene beträchtliche Zeit und Ressourcen investierten, wenn ein geschilderter Konflikt lösbar erschien, zeigt, dass diese durchaus ernst genommen wurden.[32] Die Bürgerinnen und Bürger, die Briefe schrieben, taten das aus verschiedenen Motivationen: um politisch wahrgenommen und repräsentiert zu werden; aus dem Gefühl heraus, dass das Problem sie unmittelbar anging; aus einem Pflichtbewusstsein heraus, »als Staatsbürger« nicht schweigen zu dürfen; aus Wut, Besorgnis und oft – das zeigen die Briefe immer wieder – auch aus Einsamkeit. Es handelt sich bei den Briefschreibern nicht um eine repräsentative Öffentlichkeit, sondern um ein spezifisches Milieu, für das sich der verhältnismäßig voraussetzungslose und private Kontaktversuch zur politischen Erwartungsäußerung eher eignete als der Gang an die Öffentlichkeit oder die Teilhabe an organisierten politischen Strukturen.

Im Folgenden wird der Gegenstand in vier Schritten erschlossen. Zuerst wird gezeigt werden, dass die hier besprochenen Bundeswehrdebatten als Medienereignisse zu verstehen sind und dass dieser mediale Resonanzraum die Voraussetzung bildete, um als Bürger an dem Gespräch über die Bundeswehr aktiv teilzunehmen. Zweitens werden die Debatten um die Bundeswehr als Anlässe der Subjektivierung rekonstruiert. Im Schreiben verständigten die Schreiber sich über ihre Identität als Soldaten, Staatsbürger und politische Subjekte. Sie setzten ihr eigenes Erleben zu ihrer politischen Gegenwart narrativ in ein Verhältnis und schufen daraus Repräsentationserwartungen. Drittens und viertens werden die Kritiken der Demokratie und politischen Kultur sowie die Erwartungen an die Sozialdemokratie, die die Bürger aus der Debatte ableiteten, aufgezeigt. Im anlassbezogenen Schreiben entwickelten Bürger Idealtypen politischen Handelns und übersetzten ihre Erfahrungen in politische Erwartungen, für die der vieldeutige Begriff Demokratie sich in besonderem Maße eignete. Zuletzt soll der Umgang Helmut Schmidts mit den Briefen nachvollzogen und überlegt werden, wie der sozialdemokratische Politiker und sein Stab zwischen der Beruhigung politischer Kontroversen, der Inszenierung von Bürgernähe und dem Signalisieren einer Resonanzbereitschaft navigierten.

II. Bundeswehrdebatten als Medienereignisse

Hellmuth Heye, Abgeordneter der CDU im Bundestag, bekleidete seit 1961 und auch mit den Stimmen der Opposition das Amt des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages, einer parlamentarischen Kontrollinstanz für die Streitkräfte und Anlaufstelle für Beschwerden von Soldaten aller Ränge.[33] Er hatte am 16. und 28. Juni sowie am 7. Juli 1964 in der auflagenstarken Illustrierten Quick in einer dreiteiligen Serie Auszüge des jährlichen Berichts des Wehrbeauftragten unter dem Titel »Die Zukunft der Bundeswehr« veröffentlicht.[34] Heye äußerte dort eine scharfe Kritik an der demokratischen Substanz des inneren Gefüges der Streitkräfte. Die Umsetzung der Konzeption der »Inneren Führung« und ihres Leitbilds des »Staatsbürgers in Uniform« bemängelte er auf verschiedenen Ebenen. Anlass zur auf den Bericht folgenden öffentlichen Kontroverse war jedoch weniger der Inhalt – den die Sozialdemokraten der Tendenz nach begrüßten, die Union wiederum eher ablehnte, der bevorstehende Wahlkampf verschärfte diese Polarisierung freilich.[35] Vielmehr irritierte der Weg der Veröffentlichung über eine Illustrierte. Diesen Weg wählte Heye absichtlich. Das Amt des Wehrbeauftragten war, das war ihm bewusst, als »parlamentarisches Kontrollorgan« an die Öffentlichkeit rückgebunden: Der Jahresbericht war das gewichtigste Mittel des Wehrbeauftragten, erzielte aber nur dann seine Wirkung, wenn er eine »Rezeption in der Öffentlichkeit« erzeugte, die Heye mit der Veröffentlichung im populären Medium erzwingen wollte.[36]

In seinem Vortrag vor dem Verteidigungsausschuss verteidigte Heye seinen ungewöhnlichen Schritt, den Bericht in Quick zu veröffentlichen. Heye hatte den Jahresbericht bereits dem Parlament vorgelegt, zu diesem Zeitpunkt jedoch noch ohne jeden Skandal. Es mangelte an einer substanziellen Diskussion der Inhalte, befand er, und appellierte an die »öffentliche Meinung«, da nur diese ihm »ihre Unterstützung leiht«, wie er bereits gegenüber Bundestagspräsident Eugen Gerstenmaier in einem Brief am 17. März 1964 geäußert habe.[37] Ein gewichtiger Grund für diese Auffassung lag in der »Nagold-Affäre« aus dem Jahr 1962, in der Misshandlungen und unwürdige Ausbildungsmethoden in einem Fallschirmjäger-Bataillon in der südwestdeutschen Stadt bekannt wurden, die gar einen Todesfall nach einem 17-km-Marsch in großer Hitze nach sich zogen. Diese Debatte ging der Quick-Veröffentlichung unmittelbar voraus. Die Nagold-Affäre schlug national wie international hohe Wellen und Heye wollte das zaghafte Vorgehen, das ihm vorgehalten wurde, nicht noch einmal wiederholen.[38]

Heyes Bericht schlug ein »wie eine Bombe«, was Quick dazu veranlasste, die Artikelserie mit einem Vorwort des Chefredakteurs, einem Kommentar von Franz-Josef Strauß[39] und einer Auswahl von Pressereaktionen noch im selben Jahr als schmales Buch zu veröffentlichen.[40] Die Abendpost schrieb, man müsse »trampeln vor demokratischem Entzücken«, weil Heye angesichts des langweiligen »parlamentarischen Gleichschritts« mit seiner Veröffentlichung »Mannesmut und geistig[e] Autorität« gezeigt habe, einen Dienst am Zivilen.[41] Für die Süddeutsche Zeitung dagegen hatte Heye den Bericht »dahingepfeffert«, ähnlich sah es die Frankfurter Allgemeine, die darauf bestand, zwischen der Form und der Sachlichkeit der vorgebrachten Kritik bestehe nun einmal ein Zusammenhang.[42] Eine Vielzahl der Briefe aus der Bevölkerung erreichten Schmidt nach einer am Vortag ausgestrahlten Fernsehdiskussion zum Thema in der von Kurt Wessel moderierten Reihe »Unter uns gesagt«.[43] In der Sendung war neben Schmidt Bundestags-Vizepräsident Richard Jaeger zu Gast, der zugleich Vorsitzender des Verteidigungsausschusses war.

Wie auch in der veröffentlichten Reaktion war der Publikationsort für die Briefschreiber ein dominantes Thema. Die einen kritisierten Heye, so Herr L. in einem Brief an Schmidt versehen mit der Kopie eines Schreibens an den Wehrbeauftragten, dafür, »ausgerechnet eine Illustrierte für Ihre Kritik an der Bundeswehr« zu verwenden, für den Schreiber ein Ausweis schlechten Benehmens, das einem hochdekorierten Offizier nicht gut zu Gesicht stehe. Auf diese Weise lasse Heye sich auf die »Halbstarken und Lederjacken« ein, die hier als Leser der Illustrierten imaginiert wurden.[44] Häufiger wurde jedoch der Fokus der medialen Debatte auf den Publikationsort kritisiert. Herr M. aus Düsseldorf bedankte sich bei Schmidt, dass dieser den Wehrbeauftragten vor »Verunglimpfungen des Herrn Jaeger in Schutz genommen« habe, die er in der Fernsehsendung »Unter uns gesagt« zu beobachten glaubte. Er sei zwar der Meinung, es wäre besser gewesen, wenn Heye die Kritik in seinem Bericht dem Bundestag vorgelegt hätte – dass dieser von der Artikelserie inhaltlich nicht wesentlich abwich, schien dem Schreiber nicht bewusst zu sein –, dennoch sei es nachvollziehbar gewesen, dass Heye »sich direkt an die Öffentlichkeit« gewendet habe, da er »von Seiten der Regierung und des Bundestages erwarten durfte, mit seinen Ansichten nicht durch-zu-dringen«, zumal das Amt des Wehrbeauftragten ständig »in den Schmutz« gezogen werde.[45]

Die Aufrichtigkeit und Wahrhaftigkeit in Heyes Verhalten waren etwas, das sich aus Sicht der Briefschreiber positiv von der Routine und dem Instrumentellen des alltäglichen Politikbetriebs abhob. Herr J., der nicht nur an Helmut Schmidt geschrieben hatte, sondern seinem Brief auch eine Durchschrift an Jaeger beilegte, warf diesem vor, mit dem Verweis auf die Verfahrensachtung das eigentliche Thema, die Kritik Heyes, zu umschiffen. Jaeger, so Herr J., achte nur auf »verletzte Förmlichkeit«, er habe gar zugestanden, dass Heye »in der Sache recht hat«. Diese Beobachtung verleitete den Schreiber zu einer grundsätzlichen Kritik am Politikbetrieb und dessen Umgang mit kritischen Debatten: Es wäre, so J. an Jaeger, »typisch für Sie und Ihre Parlamentsausschüsse, die Form stets zu betonen und immer mit einem Auge auf die Wirkung in der Öffentlichkeit wegen der bevorstehenden Wahlen zu schielen«.[46]

Wie immer man die Motive hinter der Veröffentlichung deutet: Durch den Weg über die auflagenstarke Illustrierte Quick, die eine Übertretung der institutionalisierten politischen Form bedeutete, generierte der Bericht erst jene Aufmerksamkeit, die ihm politisches Gewicht verlieh. Durch diese Form wurde er zu einem medialen Ereignis, an dem Soldaten wie Zivilisten rege Anteil nahmen. Als medienpolitisches Ereignis fand der Jahresbericht seinen Weg in Diskussionssendungen und Zeitungen und schuf einen Resonanzraum, um sich über die Erwartungen an die gesellschaftliche Rolle der Bundeswehr zu verständigen.

Briefschreiber verbanden ihre politische Kritik, und das kann als durchaus typisch für das Genre des Bürgerbriefs gelten, mit einer televisuellen Kritik im Nachgang des TV-Auftritts. Im Gegensatz zum ruhigen, besonnenen Schmidt, so der Brief von J. aus Flensburg, den er an beide Politiker geschickt hatte, habe Jaeger »am Bildschirm einen zappeligen, keineswegs günstigen Eindruck gemacht«. Die Rückkopplung politischer an mediale Logiken wurde von den Schreibenden dabei grundsätzlich registriert und reflektiert. Herr S. aus Hamburg, der sich mit einer Generalschelte gegen die vermeintliche Unkenntnis der SPD über das Innenleben der Bundeswehr an Schmidt wandte, thematisierte das in aller Deutlichkeit und gab zur selben Zeit zu erkennen, dass er sich bewusst war, dass der persönliche Briefkontakt zu Politikern der ersten Reihe in gewisser Weise die politische Logik der repräsentativen Demokratie überschritt: »Da hiermit [der Diskussion des Themas im Fernsehen, MF] ja die Öffentlichkeit angesprochen wurde[,] erlaube ich mir folgende Bemerkung.«[47]

Dass Bürgerinnen und Bürger Briefe zu politischen Themen und in größerer Zahl an ihre höchsten Repräsentanten schrieben, nachdem diese sich im Rundfunk geäußert hatten, war nicht auf die Kontroverse um Heyes Veröffentlichung beschränkt. Immer wieder, sei es nach Wahlsendungen, nach Auftritten in Unterhaltungsprogrammen oder nach reichweitenstarken Berichten in Zeitungen und Zeitschriften, erhielten Politiker in kurzer Zeit größere Mengen solcher Briefe.[48] Diese Praxis entspricht den Aufmerksamkeitslogiken der »Mediengesellschaft«:[49] Wie einige Briefschreiber explizit machten, war es oft das Gefühl von Nähe, das die audiovisuelle Übertragung erzeugte, das ihnen das Gefühl vermittelte, sich an »ihren« Bundeskanzler oder Minister wenden zu können, und ihnen den Mut brachte, den Stift trotz des Rollenunterschiedes in die Hand zu nehmen. Unabhängig von der jeweiligen Resonanz, die der einzelne Brief erzeugte, verließen die Schreibenden so ihre Rolle als Publikum und reine Konsumenten medialer Erzeugnisse, was von Medienhäusern durchaus auch bemerkt wurde.[50]

Als wiederum Albert Schnez und die in der nach ihm benannten Studie federführenden Offiziere gut fünf Jahre nach Heye die entgegengesetzte Befürchtung äußerten, dass die Innere Führung die Streitkräfte schwäche, schlug auch dieser Vorwurf hohe Wellen.[51] Die unter dem Titel »Schnez-Studie« bekannt gewordene Denkschrift sah sich einem reformerischen verteidigungspolitischen Zeitgeist gegenüber, getrieben von einer neuen Linken, die gegen alles Militärische agitiere. Dagegen betonten sie die Eigenständigkeit des Militärberufs »sui generis«, die Notwendigkeit von Disziplin und klaren Hierarchien, eine Bereitschaft zum Kampf und folglich eine politische und mediale Unterstützung der Bundeswehr gegen diesen Zeitgeist. Nachdem das vertrauliche Papier der Öffentlichkeit bekannt wurde, stritten nicht nur Journalisten um seine Deutung und Folgen, auch die bundeswehrinterne Debatte zwischen vermeintlichen Reformern und Traditionalisten, jungen Leutnanten und konservativen Generälen wurde durch offene Briefe über die Zeitungen ausgetragen.[52]

Im medialen Rummel um das Papier sorgten zwei Stellungnahmen für besondere Aufregung bei den Briefschreibern. Zum einen hatte Rudolf Augstein in seinem Spiegel nach Jahreswechsel unter dem Titel »Albert Schnez sui generis« in einem polemischen Kommentar auf die Denkschrift reagiert. Zum anderen sendete das populäre »zeitkritische« Magazin »Panorama« am 26. Januar 1970 eine Reportage über die Geschichte der Bundeswehr, die mit einem ausführlichen Portrait des Albert Schnez besonders auf dessen Wehrmachtsvergangenheit und Werdegang fokussierte. Die Sendung präsentierte Schnez als überzeugten Nationalsozialisten und skandalisierte seinen raschen Aufstieg im bundesdeutschen Militär sowie seine 1967 diskutierte Verwendung als NATO-Oberbefehlshaber »Europa-Mitte«, die nach Protest des Bündnispartners Niederlande verworfen wurde.[53]

Mit Rudolf Augstein und »Panorama«-Moderator Peter Merseburger boten zudem die vermeintlich links positionierten Autoren der Beiträge eine Angriffsfläche für selbsterklärte Gegner des bundeswehrfeindlichen und progressiven Zeitgeistes am Ausgang der 1960er Jahre.[54]

Schmidt reagierte auf die Sendung nach wenigen Tagen mit einer Presseerklärung, die sich eindeutig gegen die von »Panorama« vorgebrachte Stoßrichtung wandte. Er habe zwar, so wurde in der Mitteilung vorgeschoben, an die Soldaten der Bundeswehr appelliert, sie müssten »öffentliche Kritik« ertragen, aber dennoch gebe es »Einzelfälle der öffentlichen Kritik, die eine Zurückweisung nötig machten«. Die »Panorama«-Sendung vom 26. Januar habe bezüglich der Wehrmachtsvergangenheit von Albert Schnez »alte, bekannte Vorwürfe« wiederholt, die »zuletzt im Jahre 1968 durch den damaligen Verteidigungsminister Gerhard Schröder sorgfältig geprüft« und als unbegründet eingeordnet worden seien. Die Bundeswehr solle sich durch diese Vorwürfe nicht beeinträchtigen lassen. Sie unterliege der politischen Führung und Kontrolle des Parlamentes und sei geschaffen worden, um »Frieden zu sichern«. Die Kompaniechefs wiederum rief Schmidt zu »Solidarität und Kameradschaft« auf.[55]

Eine große Menge der Briefschreiber an Schmidt fühlte sich durch die Fernsehsendung aufgerufen, sich zu dem Fall zu äußern. Die beliebte Magazin-Sendung »Panorama« rückte eine Debatte, die aus dem Inneren der Bundeswehr kam, in die Mitte der öffentlichen Aufmerksamkeit. Zivilisten fühlten sich dazu aufgerufen, ihre Meinung zu äußern, und Bundeswehrangehörige zur Bestärkung oder Entkräftigung der Kritik. Wie Christina von Hodenberg in ihre Studie zum Aufstieg der »zeitkritischen« Sendungen in den 1960er Jahren gezeigt hat, war es gerade der bisweilen skandalisierende, auf »kalkulierten Normenbruch« ausgerichtete, politisch klar positionierte Reportagestil, der ihnen ihren Erfolg beschied.[56] Diese mediale Polarisierung – die die Opposition in umgekehrter Weise bisweilen ebenfalls betrieb – ließ den Regierungswechsel 1969 als einen stärkeren verteidigungspolitischen Bruch erscheinen, als er es in vielen Hinsichten gewesen ist.[57] Äußerten sich die Briefschreiber zu der »Panorama«-Reportage und dem medialen Umgang mit Schnez, verbanden sie dies wiederholt mit Überlegungen und Kritik zur Rolle der Medien in der Demokratie und nahmen am Stil der Magazinsendungen Anstoß. Der Major außer Dienst Herr K. wandte sich zwei Tage nach Ausstrahlung der Reportage in einem empörten Brief an Schmidt. Merseburger, führte er aus, sei selbst »wahrscheinlich [..] nicht Soldat gewesen«, sonst würde er solche »Entgleisungen« nicht wagen. Dass Merseburger sich »anmaßt«, etwas über die »Erziehung« von Soldaten zu sagen, zeige eine eklatante Schwäche der demokratischen Öffentlichkeit: »Das Wort Freiheit und insbesondere die Ausdeutung der Meinungsfreiheit ist wohl zu keinem Zeitraum so mißverstanden und mißgedeutet worden wie heute.« Darüber hinaus sah K. ein Ungleichgewicht in der Berichterstattung, das über »Panorama« hinaus ging und den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk betraf: »Es hat im Deutschen Fernsehen bisher überhaupt nur eine, die Bundeswehr nicht negativ beurteilende Sendung gegeben. Das war die Sendung im 2. Programm der letzten Woche.« Aus diesem vernichtenden Urteil über den medialen Umgang, den auch die Gruppe um Schnez als ein Hindernis für die Integration der Bundeswehr in die Gesellschaft ausgemacht hatte, schloss K., dass ein »Diktat der Meinungsbildung der Bevölkerung durch das Fernsehen« betrieben werde. Schmidt müsse mit Berufung auf die Schädigung des »Volksganzen« solche Sendungen »unterbinden«.[58] Der wiederum noch aktive Major S. teilte die meisten dieser Beschwerden. »Voller Erregung« habe er die Sendung mit anderen in der Truppe diskutiert. Merseburger und seine Haltungen seien hinlänglich bekannt, er betreibe »psychologische Zersetzung« der Bundeswehr, ausgerechnet, wo sie zuletzt wieder »festen Boden unter die angeschlagenen Füße« bekommen habe. Nicht nur die Sprache, die die Meinungsfreiheit geringschätzt und von Volksganzem oder Zersetzung spricht, einte diese Briefe. Auch S. forderte einen politischen Eingriff in das Sendegeschehen, ja gegen die Person Peter Merseburger: man müsse ihm endlich »das Handwerk legen«, wie auch weitere Briefschreiber forderten, Schmidt möge seinen »Einfluss dahin geltend machen«, dem Publikum »den Anblick des Herrn M. in Zukunft zu ersparen«.[59]

Nicht alle Kritik an der Sendung, die Schmidt erreichte, forderte derartige Eingriffe in die Pressefreiheit. Einig waren sich jedoch eine große Zahl Schreibender, dass die »Panorama«-Sendung »willkommene Propaganda« für die DDR betreibe, Merseburger gar den »bolschewistischen Weltanschauungspass« hochhalte.[60] Die Sendung habe zudem die Bundeswehr »böswillig« diffamiert, es handle sich um »Hetzer«.[61] Andere betonten im Kontrast, »Panorama« habe hier Aufklärung betrieben, die eigentlich die Aufgabe der Politik, insbesondere des Verteidigungsministers sei.[62] In jedem Fall wird sowohl die Reichweite, die die »zeitkritischen« Magazine wie »Panorama« im Verlaufe der 1960er Jahre entwickelt haben, und das Reizpotenzial, das sie in kontroversen politischen Debatten entfalteten, einmal mehr deutlich. Auch wenn die Forschung die Avantgarde-Rolle der Fernsehmagazine für die Herausbildung eines kritischeren Journalismus eingeschränkt hat, der konservativen Kritik boten sie zeitgenössisch eine Angriffsfläche.[63] Persönlichkeiten wie Peter Merseburger gaben Bürgerinnen und Bürgern einen Anlass, ihre politischen Erwartungen an solchen Sendungen zu messen und gegenüber Politikern zu äußern. Oft taten sie das mit Wut im Bauch unmittelbar, nachdem sie, wie Herr A. erläuterte, »gestern Abend« vor dem Fernseher saßen, oder wie Major Herr S. am Folgetag »in der Truppe«, am Arbeitsplatz oder in der Familie über die politischen Meinungsbeiträge stritten.[64] Auf diese Weise standen die Zuschauer der öffentlichen Debatte nicht als passive Konsumenten gegenüber. Indem sie diskutierten, sich ärgerten und ihre Meinung im Privaten oder im Briefkontakt mit ihren Repräsentanten kundtaten, wurden sie zu einem aktiven Teil dieser Auseinandersetzung. Im Sinne der Überlegungen Sonia Livingstones zum Verhältnis von »audiences« und »publics« verließen die Briefschreiber so ihre passive Rolle als Publikum und schrieben sich in eine öffentliche Debatte ein, die Publikationsorte wie Quick, Spiegel oder »Panorama« in besonderem Maße auszulösen vermochten.[65]

III. Soldatische und zivile Subjektivierung

Die mediale Aufmerksamkeit, die die Debatten um die Bundeswehr generierten, gab den schreibenden (ehemaligen wie aktiven) Soldaten eine Gelegenheit, ihre eigene Biografie und ihr Verhältnis zu Staat und Gesellschaft zu vermessen. Neben der medialen Omnipräsenz leistete auch inhaltlich die Art und Weise, wie Heye die Probleme im inneren Gefüge der Bundeswehr thematisierte, einer regen Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der Debatte Vorschub. Heye verband zum einen die Konstitution der Bundeswehr unmittelbar mit der Frage nach einem demokratischen gesellschaftlichen Selbstverständnis und der Implementierung dieses Selbstverständnisses in einer maßgebenden Institution der Bundesrepublik. Zum anderen brachte er seine Argumente immer im Rekurs auf Beispiele aus dem Alltag gewöhnlicher Soldaten vor und unterstrich, dass sich die Frage nach einer zeitgemäßen Bundeswehr daran messen lasse, wie in den Kasernen und über die Hierarchien hinweg miteinander umgegangen wird. Der Zuschnitt dieser Argumente lud ein, als ehemalige oder aktive Soldaten, aber auch als Angehörige Militärdienstleistender aus der eigenen Erfahrung zu schöpfen, um die Kritik zu teilen, zu erweitern, einzuordnen oder abzuweisen. Mit Michael Saward können wir Heyes Angebote als »representative claims« auffassen, als Performanz der Nähe zwischen Wehrbeauftragtem und gewöhnlichen Soldaten, in denen er zusicherte, sich um die Belange der ihm Anvertrauten zu kümmern.[66] Saward betont, dass solche Angebote, repräsentiert zu werden, von der Bevölkerung, an die sie gerichtet sind, immer auch angeeignet, angezweifelt oder abgelehnt werden können. Saward verbleibt in seiner Analyse jedoch bei der Untersuchung der Produktion solcher claims und beschäftigt sich nicht eingängiger mit ihrer Rezeption.[67] Die Briefe ehemaliger und aktiver Soldaten erlauben, diese Perspektive zu wechseln. An ihnen lässt sich einerseits beobachten, welche Resonanz die Repräsentationsangebote erzeugten. Sie erlauben darüber hinaus, analog zu Sawards »claims to be representative« nach »claims to be represented« zu fragen und nachzuvollziehen, welche kollektiven und lebensgeschichtlichen Identitäten die Schreibenden anführten, wie sie sich zu ihren Repräsentanten positionierten und welche Repräsentationserwartungen sie daraus zogen.

Die soldatische Erfahrung

Ein Gutteil der Schreiber verstand das Soldatsein als Redeberechtigung und Vertrauensvorschuss. Sie fassten dies mit dem hochdekorierten Admiral Heye, mit Schnez, aber auch mit Schmidt als ehemaligem Offizier der Wehrmacht, als eine biografische Gemeinsamkeit auf, die als Voraussetzung für das Gespräch außerordentlich wichtig war. Aus dieser Haltung heraus fühlten sie sich zu selbstbewussten politischen Stellungnahmen aufgerufen. Herr B. wandte sich etwa im Glauben an Schmidt, »dass Sie auch soldatisch fühlen und denken«. Damit war er nicht allein, diese Haltung wurde medial repräsentiert: Die Abendzeitung vom 22. Juni 1964 etwa kritisierte die Union dafür, Heye ein »Vorurteil gegen die Bundeswehr« zu attestieren, ausgerechnet diesem verdienten Soldaten. Diese Form soldatischer Subjektivität konnten die Briefschreiber auch bei Heye selbst wiederfinden. In der Quick-Serie berichtete er ausführlich aus seinem eigenen Umgang mit Befehlsketten »im Kriege« oder zitierte aus einem befehlskritischen Brief aus seiner Feder an den damaligen General und späteren Reichskanzler Kurt von Schleicher, »damit Sie nicht das Gefühl haben, ich hätte mein demokratisches Herz erst in der Demokratie entdeckt«.[68] Bei Heye wie auch in den Briefen zeigt sich auf der einen Seite die enge Verknüpfung der Bundeswehr und ihrer Suche nach einem Selbstverständnis mit den Militärerfahrungen der Betroffenen. Auf der anderen Seite kann man deutlich die Schwierigkeiten erkennen, die die Integration westdeutscher Streitkräfte in eine demokratische Nachkriegsordnung seit ihrer Gründung begleiteten und weiterhin begleiten sollten.

Wie verbanden die Briefschreiber ihre eigene soldatische Erfahrung mit der Reform-Debatte, die Heye auslöste? Herr B., Generalmajor a.D. aus Kaiserslautern, wandte sich mit der Kritik an Schmidt, dass die Konzeption der »Inneren Führung« und ihr Leitbild des »Staatsbürgers in Uniform« Schlagwörter seien, die dazu dienten, die deutschen Soldaten zu »diffamieren«. B. wollte als »alter Soldat« zur Debatte beitragen, denn über die »soldatischen Gedanken jüngerer Offiziere« wisse man schließlich wenig.[69] Er gestand zu, dass nach der »nationalen Katastrophe« die »Menschenführung« als »Erziehungs- und Ausbildungsaufgabe« wichtig sei. Allerdings sei die Idee nicht neu, früher meinte man mit »Moral, Sitte und Geist der Truppe« etwas Ähnliches wie die Innere Führung, habe dies aber als einen Wert verstanden, der nicht an ein politisches System geknüpft war, sondern sich aus der soldatischen Treue heraus legitimierte. Eine solche Kritik hob darauf ab, überzeitliche soldatische Tugenden gegenüber kurzweiligen Ausdrücken des Zeitgeistes in Stellung zu bringen, der Rekurs auf militärische Erfahrungen in Kaiserreich, Reichswehr oder Wehrmacht war in den Debatten um die Streitkräfte in der jungen Bundesrepublik meist gegenwärtig.

Die Briefschreiber beteiligten sich, gespeist aus ihren jeweiligen Perspektiven, an der Selbstverständigung über die Aufgabe und Stellung der Bundeswehr in der Gesellschaft. Den Suigeneris-Charakter des Soldatenberufs, den auch Albert Schnez betont hatte, bemühten aktive wie ehemalige Soldaten. Herr C. wandte sich gegen die Grundidee, die er hinter der Leitidee vom Staatsbürger in Uniform am Werke sah: Man könne die Unterscheidung zwischen dem Militärischen und dem Zivilen nicht einfach einebnen, wenn man die für das Militär lebensnotwendigen Tugenden von »Zucht, Unterordnung, Gehorsam, Disziplin« erhalten möchte. Der 48-jährige Major H. schrieb einen kritischen, aber durchaus umsichtigen Brief an Schmidt: Als »Stabsoffizier der Bundeswehr, der seinen Beruf liebt«, könne er »nicht mehr schweigen«. Den Krieg könne nur »der Politiker, nicht der Soldat« verhindern. Die soldatische Erfahrung war für die Schreibenden ein identitätsstiftendes Moment, es verband sie generationengeschichtlich mit den Politikern, die sie ansprachen, die die Erfahrung oft teilten, und es erlaubte ihnen, sich als Gruppe abzugrenzen, wenn Reizfiguren wie Peter Merseburger oder Rudolf Augstein sich in vermeintlich unangebrachter Weise zu soldatischen Themen äußerten, die zu beurteilen sie ohne die geteilte Erfahrung nicht in der Lage waren.[70]

Die soldatische Erfahrung wurde von ehemaligen Soldaten nicht nur im positiven Sinne als eine besondere, von der Gesellschaft abgehobene Erfahrung präsentiert, die Erinnerung an den Umgang mit ehemaligen Wehrmachtsoldaten wurde von diesen auch genutzt, um sich als eine unzulänglich repräsentierte Gruppe zu präsentieren. Ältere Briefschreiber, die sich als ehemalige, oft gewöhnliche (Wehrmacht-)Soldaten vorstellten, stellten eine Verbindung her zwischen ihrer vermeintlichen Fehlbehandlung nach dem Zweiten Weltkrieg und steigenden Zahlen von Wehrdienstverweigerern, auch wenn deren Motive zur Verweigerung freilich andere waren.[71] Sie wussten dabei zu berichten, dass ihnen, die nur ihre Pflicht getan hatten, nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges nicht geholfen worden war, sie nicht beachtet wurden. Ehemalige Soldaten rekurrierten auf ihre eigene Leiderfahrung der unmittelbaren Nachkriegszeit, um sich in die Debatte einzuschalten, »die Verunglimpfungen der alten Armee und der Wehrmacht« leisteten der Abkehr vom Staatsdienst Vorschub.[72] Es sei, so Herr M., kein Wunder, dass der »Wehrunwille der Jugend« gestiegen sei, wenn man bedenke, wie »unsere Soldaten« nach dem Krieg behandelt wurden.[73] »Wir haben nichts gegen den Wehrdienst«, schrieb Herr R., »wir erzählen nur den Werdegang unserer Laufbahn und die Jugend macht sich selbst darüber ihre Gedanken«.[74] Einige derer, die auf diese Weise ihr Leid mit den steigenden Verweigerungszahlen in Verbindung brachten, taten dies auch aus einer ganz persönlichen Motivation heraus. Sie schilderten ausführlich vermeintliche Fehlbehandlung oder formulierten finanzielle Ansprüche und erhofften sich, Schmidt könne ihr Anliegen prüfen oder der »Öffentlichkeit vortragen«. Oft hatten sie bereits vergeblich an andere Ministerien oder Stellen geschrieben.[75] In diesen Parallelisierungen von Leiderfahrungen ging es so um konkrete Hoffnungen, die eigene randständige soziale Lage zu verbessern. Der Vergleich mit den Wehrdienstverweigerern der Gegenwart erlaubte den Schreibern, ihre eigenen Unrechtserfahrungen im Modus des politischen Kommentars und der Sorge um die Zukunft zu sublimieren – was diese tatsächlich zu ihrer Entscheidung veranlasste, war dafür zweitrangig. Der Vergleich bot Gelegenheit, diese Leiderfahrungen politisch zu plausibilisieren und damit in eine Geschichte bundesrepublikanischer Repräsentationsdefizite einzubauen. Die Beteuerung Schmidts, sich schützend vor die Soldaten zu stellen, das stete Betonen der Notwendigkeit einer wehrwilligen Jugend wurde so, fasst man dies als representative claims im Sinne Sawards auf, auf die eigene, defizitär wahrgenommene Lage angewandt und von den Schreibenden kritisch zurückgespielt.

Die soldatischen Traditionsbestände in die Demokratie überführen

Ihre soldatischen Erfahrungen hatte ein Teil der Briefschreiber im Kaiserreich, in der Weimarer Republik und im nationalsozialistischen Deutschland gemacht. Eine Voraussetzung dafür, an der Debatte um den Ort der Bundeswehr in der westdeutschen Gesellschaft teilzunehmen, war für diese Gruppe von Briefschreibern deshalb, das eigene Erfahren und die ihnen vertrauten soldatischen Traditionsbestände in einen demokratischen Rahmen zu überführen. Major H. äußerte seine Kritik an den Leitlinien der jüngsten wie auch älteren Reformen nicht ohne zu beteuern, dass er diesen Brief als »Staatsbürger, Mensch, Demokrat« verfasse und aus der »Überzeugung, daß ein Krieg etwas Furchtbares ist«.[76] Auch Herr B. aus Siegen thematisierte seine eigene Sprecherrolle in dieser Art und Weise. B. wollte sowohl die Ernsthaftigkeit seines Anliegens wie auch die Angemessenheit seiner Sprecherrolle unter Beweis stellen. Er wandte sich an Schmidt mit einem »sorgenvollen Anliegen«. Diese Sorge, so beteuerte B., rührte aus »langjähriger militärischer Erfahrung« wie auch aus »guter demokratischer Überzeugung«.[77]

Im Sinne seiner guten demokratischen Überzeugung bezog sich Herr J., der sich als Soldat und Vater zweier Bundeswehrsoldaten vorstellte, auf ein Treffen mit Heyes Vater, Generaloberst Wilhelm Heye, unter dem er »in den 30er Jahren« gedient habe. Dieser habe damals den »Befehl herausge[geben]: ›Ein Soldat in der Reichswehr, der erlittenes Unrecht duldet und sich nicht darüber beschwert, hat keine Ehre und für Ehrlose ist kein Platz in der Reichswehr‹«. J. argumentierte im Sinne Heyes, der wie oben geschildert ebenfalls beteuerte, seine demokratische Gesinnung nicht erst nach dem Krieg entdeckt zu haben. Auch er führte das Wort vom Soldatischen im Munde. J. bemüht sich aber, diese Traditionsbestände in die Demokratie zu überführen, indem er ein Verständnis des Soldatenberufs aufrief, das, wie Heye in seiner Illustrierten-Serie, ein offeneres, kritisches inneres Gefüge forderte. Soldaten sollten gegenüber ihren Vorgesetzten Kritik offen äußern können, um, so der Brief weiter, »durch Offenheit und ohne Rücksicht auf die Form« Vertrauen zu schaffen.[78]

Auch Kritikern wie Befürwortern des Schnez-Papiers war die Art, wie sie ihr Soldatsein in Stellung brachten, um an dem Gespräch teilzunehmen, gemein. Sie wollten, wie Major H. aus Reinheim, ein Stabsoffizier, ihre soldatische Erfahrung als »Staatsbürger, Mensch, Demokrat und Soldat des letzten Krieges« einbringen.[79] Ein Soldat, so H., sei Teil einer »Gemeinschaft und hat erst Pflichten«: »Durch treues, gehorsames Dienen und gewissenhafte Pflichterfüllung erwirbt man sich dann Rechte. So ist das in jedem Betrieb, auch in der Demokratie, auch in der Bundeswehr.« Reserveleutnant K., der die konservative Generalität um Schnez stark angriff, bezog seine Redeberechtigung aus ähnlichen Quellen. Die Zusicherung, er habe seine eigene Kompanie auch ohne Gehorsamsgebaren und Schikanen diszipliniert führen können, verband er mit der Aufforderung, Schmidt möge sich nach dieser Einschätzung gern in der Truppe erkundigen.[80]

Auf verschiedene Arten und Weisen versuchten ehemalige und aktive Soldaten, eine tradierte Vorstellung des Militärischen als gesellschaftlichen Sonderfall aufrechtzuerhalten, sie schufen so eine Gruppenidentität, die sie repräsentierbar machte. Dafür schöpften sie aus einem Erfahrungsschatz, der sich aus der persönlichen Lebensgeschichte, dem sozialen Nahraum und medial vermittelten Vorstellungen von der Bundeswehr speiste. Die Notwendigkeit, die Traditionsbestände militärischen Denkens in demokratische Kategorien zu überführen, schien dabei immer wieder durch. Dass es möglich war, sich soldatische Tugenden von Disziplin, Gehorsam und Treue als überzeitliche Kategorien vorzustellen, erlaubte es, soldatische Erfahrungen, die mit der eigenen Lebensgeschichte vieler Schreibender vom Kaiserreich bis zum Nationalsozialismus eng verbunden waren, in die Demokratie zu retten. Das eigene Erleben konnte so auch nach den Maßstäben der liberalen Demokratie im Übergang von den 1960er zu den 1970er Jahren plausibilisiert werden und die Betreffenden dadurch sprechfähig bleiben. Auch die Reformgegner unter den Briefschreibern griffen dabei auf die zentralen Vokabeln der Inneren Führung zurück und beanspruchten als Staatsbürger und Demokraten, kritisch an der öffentlichen Debatte um den Ort der Bundeswehr in der Demokratie teilzuhaben.

IV. Die Bundeswehr in der Demokratie – Debatten über das Demokratische

Autoren wie Martin Conway oder Jan-Werner Müller haben in den letzten Jahren die westeuropäische und westdeutsche Demokratie der 1950er und frühen 1960er Jahre als eine disziplinierte und formale Regierungstechnik mit eingeschränkten Teilhabemöglichkeiten beschrieben. Den Bürgerinnen und Bürgern wurde in diesem schumpeterianischen Demokratieverständnis eine passive Rolle zugewiesen, in einer Kultur des Kompromisses und der Kooperation waren sie vor allem als Wahlbürger vorgesehen, deren Geschicke repräsentative Institutionen leiteten. Dieses Herrschaftsideal begann in den 1960er Jahren zu bröckeln und in umkämpftere Vorstellungen des Demokratischen zu münden.[81] Die Debatten um die Bundeswehr boten den Bürgern in ihrer gesellschaftspolitischen Tragweite eine Gelegenheit, die Rolle der Streitkräfte mit größeren Fragen des Demokratischen in Verbindung zu setzen. In den drei Debatten war der Begriff »Demokratie« und das Ringen um seine Bedeutung allgegenwärtig. Dabei war alles andere als eindeutig, was dieser im engeren Sinne bedeutete. »Demokratie« oder »demokratisch« firmierten hier als mehrdeutige Begriffe, die gerade in ihrer »Bedeutungsbreite«, die politische Zentralbegriffe ausmacht, einem politischen oder auch einem persönlichen Anliegen Legitimität verschafften.[82]

Welche Demokratievorstellungen führten die Briefschreiber ins Feld? Herr S. aus Detmold versah das Verhalten Schnez’ mit Semantiken einer politischen Kritik von unten und griff so zeitgenössische Debatten um Partizipation auf.

»Die oft zitierte und gewünschte – Zivilcourage –, sich kritisch ›nach oben‹ zu äussern, muss man allen zubilligen, auch einem General. Es ist höchst undemokratisch sofort eine Entlassung zu fordern (DGB-Teile der SPD) wenn einem die Kritik nicht passt.«[83]

Hier griff er die Sprache der sozialliberalen Koalition und ihre Forderung nach Demokratisierung auf, entledigte sie jedoch ihrer reformerischen Semantik. In einem ähnlichen Stil griff Herr S. aus Ostelsheim das Magazin und besonders Peter Merseburger an und brachte die Demokratie gegen den vermeintlichen Bolschewismus der »zeitkritischen« Magazine in Stellung: »Es geht dem Merseburger-team [sic] nicht um ehrliche Analysen, sondern, wie seit eh und je um Zersetzung unserer Demokratie. [...] Was sollen unsere Natofreunde von solchen Sendungen halten?« Dieser Vorwurf der Demokratiefeindlichkeit mündete in die bereits oben zitierte Forderung nach Pressezensur.[84] Ein solches Verständnis des Begriffs »Demokratie«, die vorrangig als Regierungsform im Kontrast zum »Bolschewismus« verstanden und nicht notwendigerweise mit Idealen von Pressefreiheit und Liberalität in Bezug auf andere politische Meinungen verbunden wurde, ist Teil der Geschichte der frühen Bundesrepublik. Ein disziplinierendes Verständnis von Demokratie war allerdings um 1970 nicht mehr unumstritten.[85] Dass auch auf der »progressiven« Seite der Debatte ein Demokratiebegriff präsent war, der vor allem starke Handlungsmandate forderte, zeigt, wie wenig das Ringen um ein geteiltes Demokratieverständnis im Sinne demokratischer Handlungsformen sich politisch zuordnen lässt. Exemplarisch forderte der Briefschreiber Herr S. Schmidt auf, er solle »den ultramontanen Schnez baldigst kaltstellen«: »Es muss endlich gehandelt und mit der Demokratie begonnen werden.«[86] Auch zur Zeit der sozialliberalen Koalition, so zeigen die Zuschriften, blieb der semantische Raum des Demokratischen umkämpft. Reformgegner übernahmen Semantiken der »Demokratisierung«, wie auch reformfreudige Bürger weiterhin ein Begriffsverständnis nahelegten, das Demokratie mit einem starken, durchgreifenden Staat verband.

Mehr noch als im Sinne eines Streits über die Semantiken des Demokratischen, die sich zwischen der Idee einer disziplinierenden, formalen Demokratie und einem stärker partizipatorisch verstandenen Begriff von Demokratie aufspannten, handelte es sich bei den Debatten um die Bundeswehr deshalb um DemokratieDebatten, weil anhand des Umgangs mit Soldaten und Wehrpflichtigen von den Briefschreibern das Verhältnis von Staat und Staatsbürgern und die Verteilung von staatsbürgerlichen Rechten und Pflichten verhandelt wurden. Eine demokratische Bundeswehr zu schaffen, bedeutete so für eine Gruppe der Briefschreiber, die wehrpflichtigen jungen Männer wie auch die dienenden Soldaten nach den Maßstäben moderner, entscheidungsfreudiger Staatsbürger zu behandeln, ja wie jeden anderen Arbeitnehmer auch. Sie verbanden, wie Herr M., diese Idee mit der Vorstellung eines modernen Konsumbürgers, der zur Bundeswehr kommen wollen müsse, weil die Entscheidung ihm nützt.[87] Dieselbe Kritik hatte auch Rudolf Augstein prominent in seinem Kommentar zur Debatte um Schnez geäußert und argumentiert, an Nachwuchs fehle es der Bundeswehr nicht wegen des Aufweichens alter Traditionen, sondern gerade weil in der Generalität versäumt worden sei, sich den Soldatenberuf statt als Beruf »sui generis« als einen »attraktiven« Beruf vorzustellen.[88] So polemisch Augstein diese Kritik platzierte, in der Nachwuchswerbung der Bundeswehr wurde seit den späten 1960er Jahren ganz ähnlich argumentiert und sie nutzte dabei Wege, »die dem konservativen und obrigkeitsstaatlichen Klischee völlig zuwider[liefen]«. Die Bundeswehr setzte auf Werbung, die auf die beruflichen Vorteile im zivilen Leben abhob.[89] M. forderte analog eine »flexible Ausbildung« mit »Ausbildungsprämien« und eine »Wehrgerechtigkeit«, die sich an den Grundsätzen »allgemeiner sozialer Gerechtigkeit« orientiert. Ähnlich sah das Herr U., der Schmidt mit dem Reformprogramm der sozialliberalen Koalition konfrontierte, die ankündigte, an der »Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen« festzuhalten und diese zu »entbürokratisieren«. Für ihn, so machte U. klar, war diese Gewissensfreiheit zur Verweigerung eine Frage von »Gängelung der Untertanen oder Wahlfreiheit des Staatsbürgers«, an der Schnez nun säge, ohne Widerspruch von Schmidt fürchten zu müssen.[90]

Die Zahl der Wehrdienstverweigerer stieg seit 1968 in der Tat rapide an. Sie überschritt in diesem Jahr die 10 000 und stieg bis 1971 noch einmal auf 27 000.[91] Die Bundestagsdebatte vom 26. März 1971, die dritte Fallstudie dieses Aufsatzes, führte eine alarmierte Diskussion fort, die Albert Schnez über den Zustand der Bundeswehr und den Wehrwillen in der Bevölkerung angestoßen hatte. Sie war aufgrund zweier Großer Anfragen zur Sicherheitspolitik der Bundesregierung anberaumt worden. Nach Absprache im Ältestenrat war von der Bundesregierung entschieden worden, die Beantwortung der Großen Anfragen schriftlich vorzunehmen und die Tagesordnung stattdessen um eine Erklärung der Bundesregierung durch Helmut Schmidt zu ergänzen.[92] Schmidt sah sich, so machte er zu Beginn seiner Regierungserklärung deutlich, dazu genötigt, sich grundsätzlich zur Sicherheitspolitik der Regierung zu äußern, er sprach über militärische Taktik und Ausrüstung und betonte, dass »die Bundeswehr von der Gesamtgesellschaft weit überwiegend positiv eingeschätzt wird«.[93] Im Fokus stand jedoch die vermeintlich wehrfeindliche Stimmung in der Bevölkerung, steigende Verweigerungszahlen und die Agitation gegen den Militärdienst.

Sowohl die Erklärung Helmut Schmidts als auch die darauffolgende Replik des christdemokratischen Abgeordneten Friedrich Zimmermann gingen ausführlich auf die öffentlichen Meinungsbeiträge ein, die Bundeswehrangehörige nach dem Bekanntwerden der Denkschrift des Albert Schnez publizierten. Acht Leutnante der Hamburger Heeresoffiziersschule hatten 1970 auf die Denkschrift mit einer Replik reagiert und als »Leutnant 70« unter anderem mehr Mitbestimmung, einen »modernen« Offizierstypus und eine deutlichere Trennung von »Dienst und Freizeit« gefordert, eine Gruppe von Wehrpflichtigen spitzte diese Forderungen anknüpfend unter dem Titel »Soldat 70« noch zu. Auf die Thesen der Leutnante reagierte eine Gruppe von dreißig Hauptleuten zum Jahreswechsel 1971 »mit einem Alarmruf im Tenor der Schnez-Studie«, sie beklagten »die Politisierung der Armee und die mangelnde Disziplin« und forderten unter anderem eine positivere Berichterstattung über die Bundeswehr im öffentlich-rechtlichen Rundfunk.[94] Die anhaltende interne Kritik forderte Schmidt zur ausführlichen Erklärung im März 1971 heraus. Schmidt griff die drei Meinungsbeiträge auf, die aus der Kontroverse um Albert Schnez entstanden waren, und versuchte sie einzuordnen. Er betonte dabei, dass die Äußerungen der »Soldaten 70« zu weit gegangen waren, disziplinarrechtliche Folgen hätten und eine Verbreitung unterbunden wurde. Er äußerte in Richtung beider Lager: »Die Diskussion unter Soldaten findet ihre Grenze im Gehorsam gegenüber Gesetz und Befehl und in der Loyalität gegenüber militärischen und politischen Vorgesetzten.«[95]

Auch Zimmermann ließ die Kontroverse um Albert Schnez und die darauffolgenden öffentlichen Beiträge aus den Streitkräften Revue passieren. Zimmermann hatte sich bereits zuvor öffentlich zur »Schnez-Studie« geäußert und darauf hingewiesen, dass die steigenden Wehrdienstverweigerungszahlen die Verteidigungsfähigkeit der Bundesrepublik unterminieren könnten.[96] In seiner Rede griff er Schmidt dafür an, die Kritiken in »Leutnant 70« und »Soldat 70« zu sanft behandelt zu haben und so einer wehrfeindlichen Stimmung Vorschub zu leisten, während er die Unnaer Hauptleute deutlich in die Schranken wies. Es entstehe der Eindruck, so Zimmermann, Schmidt stehe für seinen »neuen« Stil der Transparenz und des demokratischen Austauschs nur dann ein, wenn der Gesprächspartner ihm politisch genehm sei. Zimmermann malte so ein Bild einer öffentlichen Stimmungsmache gegen die Bundeswehr.[97] Die Redebeiträge der Bundestagsdebatte, das galt auch für den des Bundeskanzlers Willy Brandt,[98] glichen sich trotz dieser rhetorischen Abgrenzung in ihrem sorgevollen Ton angesichts steigender Wehrdienstverweigerungszahlen.

Die Bürgerinnen und Bürger, die nach der Bundestagsdebatte an Helmut Schmidt schrieben, griffen die Debatte auf und setzten sie zu ihrer eigenen Erfahrung mit dem Wehrdienst in Bezug. Sie diskutierten dabei besonders die »Wehrgerechtigkeit«, die auch in der Bundestagsdebatte Thema war. Sie empfanden den Dienst am Staat nur in dem Maße als gerecht und sinnvoll, in dem ein Gefühl erzeugt werden konnte, dass Rechte und Pflichten auf die Bürgerschaft gerecht verteilt wurden. Mehrere Schreiber wandten sich deshalb mit Reformvorschlägen an Schmidt. Sie forderten wie Herr F. »ein bzw. eineinhalb Pflichtjahre in Form des Wehr- oder Ersatzdienstes [...] zur Pflicht zu machen« und dies für »jeden jungen Staatsbürger, ob männlich oder weiblich (wir leben im Zeitalter der Emanzipation)«,[99] oder, wie Frau H., einen Wehrdienst in »verkürzter Form«, aber »für alle«, denn es brauche eine »gerechtere Lösung«.[100] Dass die einen zum Wehrdienst einberufen wurden, während andere ihre berufliche Zukunft vorantrieben, erschien ungerecht. Eine allgemeine Wehrpflicht wurde zwar als notwendiger Dienst an der Gemeinschaft empfunden, auch wenn der Kalte Krieg in eine vermeintliche Phase der Entspannung eingetreten war. Die Idee eines stark disziplinierenden Zugriffs des Staates auf seine Bürger stand jedoch für einen Teil der Briefschreiber in einem Spannungsverhältnis zum Selbstverständnis moderner Konsumbürger, die ihre Prioritäten sorgsam abwägten. Diese Spannungen zeigen, wie uneindeutig und reibungsvoll der Abschied vom »postwar settlement« in den ausgehenden 1960er Jahren von statten ging. Weitet man den Blick in die 1970er Jahre aus, dann zeigt sich, dass auch die Bundeswehr auf diesen Prioritätenwechsel reagierte. Durch altersgerechte Informationsmaterialien, freizeitspezifische Angebote und den Versuch einer Anpassung an zivile Ausbildungsbedürfnisse wurde die Freiwilligenwerbung modernisiert. Dass die Bewerberzahlen im Verlaufe der 1970er Jahre stiegen, schien dieser Öffentlichkeitsarbeit recht zu geben.[101]

»Gähnende Leere!« – Die Bundeswehrdebatten als Anlass für eine Kritik am Politikbetrieb

An dem Umgang mit der Bundeswehr zeigte sich für die Verteidiger wie Kritiker des Papiers der Zustand der Bonner Demokratie. Die Handlungsweisen der führenden Politiker wurden auf die Republik als Ganze übertragen, oder wie ein Reserveleutnant formulierte: »An der Krankheit der Bundeswehr symbolisiert sich die Krankheit unseres Staates.«[102] Briefschreiber verbanden ihre Kritik am Umgang mit der Bundeswehr so mit einer größeren Kritik am Umgang des Staates mit seinen Bürgern. Dafür musste ein Zusammenhang zu Zustand und Rolle der Bundeswehr nicht zwingend gegeben sein. Herr I. aus Esslingen etwa griff das Thema mit dem Hinweis auf, versetze man sich einmal »in die Gedankengänge eines Wehrpflichtigen«, komme man rasch »zu der Überzeugung, daß es für den Normalverbraucher nichts zum Verteidigen gibt«. Der Schreiber konstruierte einen Zusammenhang zwischen der Debatte um eine Wehrpflicht und einer allgemeinen, eher diffusen Kritik am Verhältnis des Staates zu seinen Bürgern. Die »Volksvertreter« strebten nur nach ihrem eigenen Vorteil, während sie sich »vom Wählervolk isolieren«.[103]

Auch im Fall Heye bot die mediale Aufmerksamkeit für die Studie den Anlass, einem diffusen Ärger Luft zu machen. Die Briefe schufen dabei auch insofern eine Form politischer Subjektivität, dass hier die tagespolitische Debatte als Anlass zum persönlichen Sprechen verstanden wurde. Oft nutzten die Schreibenden den Anlass eines politisch »heißen« Themas, um eigentlich über etwas anderes zu sprechen: ihre eigenen Erfahrungen mit Staat und Politik, vermeintliche Verletzungen in der eigenen Biografie oder verletzte Gerechtigkeitsgefühle, die sich wiederum in politischen Erwartungen äußerten. Herr Z. aus Limburg nahm kurz Bezug auf die Sendung »Unter uns gesagt«, sein eigentliches Thema waren jedoch Schwierigkeiten, die der Verfasser mit dem Patentamt hatte. Die Debatte um Heye war ihm ein vager Anlass, um dem Ärger über diese vermeintlich Falschbehandlung Luft zu machen. So erratisch sich der Brief las, Bürger schufen sich Anlässe zum Sprechen über ihre eigenen Problemlagen und wussten medial virulente Begriffe dafür zu nutzen. Z. sprach etwa in Übernahme des Vokabulars Heyes davon, dass der »Richterstand« auf dem Weg sei, »nicht ein Staat im Staate, jedoch ein skleroses Gerippe zu werden«.[104]

Die Schreibenden beklagten, so zeigt ein Brief zur Schnez-Kontroverse, dabei oft einen Kontrast zwischen den Mächtigen und »gewöhnlichen« Bürgern und verbanden so den bundeswehrpolitischen Streitfall mit einer Elitenkritik. Herr E. aus Düsseldorf, der seine eigene Armut nach dem Nationalsozialismus und vermeintliche Schikane durch die Alliierten beklagte, verband diese Erfahrungen mit der gegenwärtigen Debatte um die soldatische Ausbildung. Er erhob den Vorwurf der Bigotterie. Das Gehorsamkeitsideal, das in den Debatten um die Rolle der Bundeswehr gefordert werde, so E., scheine für Schnez nicht zu gelten, wenn er sich über den Führungsanspruch des Verteidigungsministeriums hinwegsetze. Dieser könne nicht Disziplinierungen für die »Masse der einfachen Soldaten« einfordern, die für ihn selbst nicht zu gelten schienen.[105] Ein ehemaliger Lehrer, der nach der Bundestagsdebatte 1971 schrieb, verband seine Kritik am wachsweichen Erziehungsstil und der daraus folgenden Wehrmüdigkeit mit einer politischen Elitenkritik. Er selbst gehöre »keiner Partei mehr an«, weil die »Herren Parlamentarier gröblich ihre Pflichten verletzen und für den Parlamentarismus schlechte Werber sind«. Das zeige sich nicht zuletzt an der Beteiligung von Abgeordneten an der Wehrdebatte, es habe im Plenarsaal »gähnende Leere« geherrscht. Die Authentizität diese Einschätzung, deren gröbere Form M. lieber andere aussprechen lassen wollte, bezeugten Gespräche am Gartenzaun:

»Ein Bekannter sagte mir: ›Da sehen Sie es, daß die Bonzen nur dann anwesend und sich einig sind, wenn sie wieder höhere Diäten oder steuerliche Abgaben erhalten. Der Saustall müßte doch mal wieder ausgefegt werden!‹ So reden viele Staatsbürger, Herr Minister!«[106]

Andere verbanden das Verhalten der Abgeordneten direkt mit ihrer Einschätzung der Wehrpflicht. Wenn Parlamentarier ihre Dienstpflicht so grob verletzen, so der Tenor, sei es schwer, den Bürgern einen entbehrungsreichen Dienst am Staate abzuverlangen. Herr M. fragte, wie er seinem Sohn erklären solle, dass er den »Wehrdienst zu leisten hat«. Unter Verweis auf einen Artikel der Landshuter Zeitung rief er Schmidt zu, »man kann sich nur wundern, dass nicht 94 von 100 den Wehrdienst verweigern, denn so war wohl das Anwesenheitsverhältnis der Herrn Volksvertreter bei der letzten Wehrdebatte im Bundestag«.[107] In diesen Generalkritiken wird deutlich, wie sehr tagespolitische Aufreger Gelegenheit boten, dem alltäglichen Frust Luft zu machen, weil sie die Negativklischees über die »Politikerkaste« zu bestätigen schienen.

Die Briefschreiber, das zeigt sich einmal mehr an dem Unmut über die Beteiligung an der Bundestagsdebatte im März, waren dabei aufmerksame Hörer und Leser von Rundfunk und Presse. Ausgestattet mit Zeitungsausschnitten und Zitaten konfrontierten sie ihre Vertreter mit Widersprüchen und Unzulänglichkeiten. Die Übertragung der Debatten im Fernsehen bot dazu einen besonderen Anlass. Herr Z. hatte diese Übertragung verfolgt und sah seinen Wunsch nach »sachlich erfolgreicher Arbeit«, die nicht in »parteipolitischen Zwecken« aufgeht, grob verletzt. Dafür müssten die »Reden im Bundestag ernster [genommen]« werden. Stattdessen, so konnte er beobachten, wurden die Redebeiträge durch »umher laufen«, »spielen mit dem Kugelschreiber« oder »Unterhaltungen« gestört. Für ihn ergab sich eine ähnliche Folge wie für die Vorredner. Wenn die Repräsentanten politische Willensbildung nicht ernst nähmen, können sie vom Bürger keine rege Beteiligung erwarten: »Das deutsche Wählervolk müste [sic] doch einmal durch Nichtwählen, den Unwillen gegen diese nur streitenden Parteien ganz klar und deutlich zum Ausdruck bringen«.[108]

V. Helmut Schmidt und die Sozialdemokratie. Hoffnungsträger oder Schreckgespenst?

Die Reformrhetorik der sozialliberalen Regierungserklärung war seit dem Antritt der Koalition allgegenwärtig und erzeugte, so Bernhard Gotto, einen »Erwartungsüberschuss«, der auch dafür sorgte, dass die wehrpolitische Debatte des Frühjahrs 1971 aufs engste mit den Erwartungen der Schreibenden an die sozialdemokratische Partei und ihre Zukunft verknüpft wurde.[109] Die SPD stand für Wachablösung und Wandel und auch Schmidts wehrpolitische Erklärung musste sich an dieser Wahrnehmung messen lassen. Schmidt hatte sich um Abwägung bemüht. Er stellte klar, dass das Bild der Streitkräfte in der Bevölkerung, wie aus Meinungsumfragen hervorgehe, mehrheitlich positiv sei. Er lobte die Errungenschaften der »Inneren Führung« und beteuerte, »pessimistisch« über die Zukunft der Bundeswehr sei nur, »wer in althergebrachten militärischen Vorstellungen befangen geblieben sein sollte«.[110] Zur selben Zeit äußerte Schmidt seine Sorge um die bundeswehrfeindliche Haltung an Universitäten und Schulen. Er habe keine Zweifel aufkommen lassen wollen, dass er als Verteidigungsminister den Wehrdienst stärken werde. Dass er dabei zu einer Generalschelte gegen Schulen ansetzte, löste bei Presse und Bürgerschaft Protest aus, wobei vor allem ein Zitat immer wieder herausgegriffen wurde: »An manchen Gymnasien scheint es zum guten Ton zu gehören, auf die eine oder andere Weise den Wehrdienst zu verweigern«.[111] Herr T. zeigte sich etwa entsetzt, dass »ausgerechnet ein SPD-Minister« solche Aussagen »kategorial« tätigt.[112] Herr B. war von diesen Vorwürfen »erstaunt und enttäuscht«, habe sich aber längst damit abgefunden, dass die »Sozialdemokraten den Regierungsstil nicht ändern, den die CDU/CSU begonnen hatte«.[113] Auch für Schmidt galten so die Erwartungen, die an die sozialliberale Koalition gestellt wurden, und genauso oft wie er als individueller Politiker angesprochen wurde, wurde er als Vertreter der SPD adressiert und bisweilen als quer zur Partei stehend verstanden. Von einem Schreiber wurde Schmidt gar als »Herr Kriegsminister« adressiert, der lieber in die »Rüstungsindustrie« wechseln sollte.[114] Auch in der Reihe der Sozialdemokraten und gewerkschaftsnaher Schreibender, die sich der von Schnez geäußerten Kritik anschlossen, wurde registriert, dass sie sich hiermit gegen eine Tradition wandten, die Proteste gegen Aufrüstung und Militarismus mittrug und tendenziell auf der Seite der Reform zu verorten war. Solche Briefe betonten deshalb gern, dass sie sich trotz ihrer Parteimitgliedschaft oder Gewerkschaftsmitgliedschaft kritisch zu äußern gezwungen sahen.[115]

Die sozialliberale Regierung und vor allen anderen Willy Brandt standen für einen neuen Politikstil, so zeigt Bernhard Gotto mit Bezug auf Kari Palonens Arbeit zur Rhetorik politischer Lobreden: »Ehrlichkeit, Menschlichkeit, Integrität und Unverfälschtheit – der neue Kanzler war bzw. wurde für viele zu einer Symbolfigur, zum Gegenstück aller negativen Stereotypen des Berufspolitikers.«[116] Schmidt bediente dieses Bild nicht im selben Maße. Zwei Aspekte seines Politiker-Images prägten Helmut Schmidts öffentliche Wahrnehmung in besonderem Maße und waren neben den Erwartungen an die Partei selbst eine Grundlage für die Erwartungen, die Briefschreiber an ihn äußerten: sein Debattenstil, der als »Schmidt-Schnauze« bekannt wurde, und das Image eines zupackenden »Machers« und Krisenmanagers, das in seiner Zeit als Hamburger Innensenator seinen Ursprung hatte. Den Namen Schmidt-Schnauze verdiente sich Schmidt in der Debatte zur atomaren Wiederbewaffnung 1958 für seine scharfen Angriffe auf die AdenauerRegierung.[117] Schmidt pflegte den rhetorisch scharfen Redestil bewusst, das Urteil darüber reichte von Anerkennung bis Ablehnung. In zunehmender Regierungsverantwortung legte er diesen zugunsten eines gelehrten, selbstbeherrschten Habitus ab: Seine draufgängerische Polemik wich teilweise einer noch immer scharfzüngigen, aber milderen Ironie.[118] Das Image des zupackenden, entscheidungsfreudigen Politikers wiederum wurde Schmidt in Reaktion auf die große Flutkatastrophe in Hamburg 1962 zuteil. Schmidt hatte als Innensenator das Kommando über die Flutbewältigung übernommen. Ihm wurde ein entschiedenes Handeln attestiert, in den Zeitungen war vom »Herrn der Flut« die Rede.[119] Dass Schmidt formal mit dem Einsatz von Bundeswehr-Soldaten einen Verfassungsbruch begangen hatte, tat dem »anhaltend positiven Medienecho« keinen Abbruch, Schmidt haftete »seither das Charisma des Lenkers« an, das sich zu einer regelrechten Legendenbildung, so Astrid Zipfel, auswuchs.[120] Schmidt, der in militärischem Befehlston die Zügel an sich genommen hatte, als es notwendig wurde, schien auch fortan für schwierige Aufgaben wie die Übernahme des Verteidigungsministeriums prädestiniert. Dabei profitierte Schmidt durchaus von dem Kontrast zum »Visionär« Willy Brandt, der ihm in anderen Situationen zum Nachteil wurde.[121]

Neben der Erwartung an eine klare reformerische und friedenspolitische Haltung der SPD wurde so auch eine medial vermittelte Erwartung an den Politiker Helmut Schmidt enttäuscht. Herr M. aus Feuchtburg brachte die Erwartung, die an Schmidt gerichtet war, auf den Punkt, als er äußerte, er hätte die Gruppe um Albert Schnez stärker in die Schranken weisen müssen: »Jeder, der Ihren politischen Werdegang verfolgt hat, hätte erwartet, daß Helmut Schmidt aus Hamburg kräftig mit der Faust auf den Tisch gehauen hätte.«[122] Der rhetorische Stilwandel vom Polemiker zum Staatsmann spiegelte sich in den Vorstellungen, die die Briefschreiber an Schmidt äußerten. Dass Schmidt – und dies bei einem Thema, dem die Schreibenden emotional begegneten – eben nicht auf den Tisch gehauen, klare Worte gefunden hatte, sondern den Vorwürfen der Opposition über Kleidungsstil und Verhalten junger Wehrpflichtiger ironisch-zurückhaltend entgegentrat, entsprach nicht ihrer medial vorgeprägten Vorstellung des Machers und Polemikers Helmut Schmidt.

Schmidt reagierte auf die beiden der hier diskutierten Debatten, die in seine Amtszeit als sozialdemokratischer Minister fielen, in der Tat eher vermittelnd. Das Papier von Schnez und Offizieren hatte er öffentlich »wenig enthusiastisch als akzeptabel klassifiziert«, intern dagegen »verharmloste er die Generäle als ›politisch sehr naiv‹ – sie seien viel zu schwach, um der etablierten Generalität die Grenzen aufzuzeigen«. Er maß den Autoren der Schnez-Studie allerdings öffentlich zu, den »Primat der Politik« nicht infrage gestellt zu haben, obwohl diese Grundgesetzänderungen explizit eingefordert hatten, eine Forderung, die man durchaus als Machtkampf verstehen konnte. Schmidt war dem Dilemma ausgesetzt, die Studie weder billigen zu können noch riskieren zu wollen, durch eine öffentliche Missbilligung einen Rücktritt der Spitze des Heeres zu provozieren.[123] Mehrere Schreiber bemängelten einen schwachen, unentschiedenen Umgang Schmidts mit Schnez. Dieser hatte am 15. Januar in einer Fragestunde des deutschen Bundestages die Entlassung von Schnez ausgeschlossen, es gebe keinen Anlass zu »irgendwelchem Zweifel am Willen zum Gehorsam der beteiligten Militärpersonen gegenüber dem Grundgesetz, gegenüber den Gesetzen oder gegenüber der Bundesregierung«.[124] Herr A. aus Hamburg schrieb am 27. Januar 1970, Schnez sei »untragbar« geworden. Er könne nicht verstehen, dass Schmidt die »Schnez-Studie« als »diskussionswürdig« hinstelle und »als Verteidigungsminister« nicht um dessen Rücktritt bitte, was für Herrn G. die Frage aufwarf, ob »der Verteidigungsminister noch verantwortlich ist für sein Ressort«.[125] Ein anderer SPD-Anhänger war überzeugt, dass die SPD sich durch ihren Schlingerkurs »völlig unglaubwürdig« mache.[126] In diesen Reaktionen zeigte sich eine enttäuschte Erwartung an den politischen Aufbruch, den ein erster sozialdemokratischer Verteidigungsminister verkörpern sollte. Dass gerade Helmut Schmidt sich nicht merklich von seinem christdemokratischen Vorgänger abzugrenzen vermochte und der Generalität keine eindeutigen Grenzen aufzeigte, stieß auf Unverständnis. Auch die jüngere Forschung hält fest, dass der Regierungswechsel anders als in anderen Ministerien nicht zu größeren »Personalveränderungen in der Spitze der Bundeswehr geführt« habe, auch wenn Schmidt einige Generale entließ – dies aber vor allem aus Gründen der Militärstrategie und einer Verjüngungspolitik, die einen seit längerem angelaufenen Wandel zur »flexible response« entsprach, nicht im Sinne einer Demokratisierung einer vermeintlich konservativen Generalität.[127] Bisweilen wurde von den Briefschreibern dabei eine stärkere Lagerbildung in »Reformer« und »Traditionalisten« reproduziert, als tatsächlich innerhalb der Bundeswehr vorherrschte.[128] Den Vorwürfen der Opposition vom Frühjahr 1971, dass eine wehrfeindliche Stimmung an westdeutschen Schulen und auch in Teilen der SPD herrsche, hatte Schmidt ebenfalls versucht, konziliant zu begegnen. Er wollte in seiner Rede die Luft aus den kulturpessimistischen Angriffen gegen die wehrunwillige deutsche Jugend lassen, zugleich aber keinen Zweifel aufkommen lassen, dass er die Entwicklungen mit großer Sorge betrachte und kompromisslos hinter »seiner« Truppe stehe.[129] Die oben zitierten Proteste in den Briefen zeigen jedoch, dass dieses Kalkül nicht aufging.

Während eine Gruppe von Briefschreibern die gegenwärtige Sozialdemokratie mit politischer Demokratisierung und gesellschaftlicher Liberalisierung verband, die eine Grundskepsis gegen das Militärische inkludierte, richteten andere den Blick zurück auf die Sozialdemokratie, um ein negativeres Urteil über die SPD der frühen 1970er Jahre zu entwickeln. In der Rede von mangelnder militärischer Disziplin und dem Schreckbild des verweichlichten Soldaten mit schlechter Haltung entfalten die Briefschreiber ein Panorama von Ängsten im Kalten Krieg: Wo dank »ultralinken Meinungsmachern«, so Herr H. aus Linkenheim, der Verteidigungswille der Nation unterminiert würde, würden jene soldatischen Tugenden, die die deutschen Streitkräfte einst ausmachten, verschwinden. Dies müsse man, so der Bezug nicht auf die Wehrmacht, sondern auf die Zwischenkriegszeit, besonders den Sozialdemokraten ins Stammbuch schreiben: Einst sei die SPD – erinnert wurde an Friedrich Ebert, Gustav Noske und Kurt Schumacher – »gegenüber der CDU als nationaler und patriotischer eingereiht worden«. Dass die CDU zu Zeiten Eberts und Noskes noch nicht gegründet war, interessierte hier weniger. Aufgerufen wurde indes eine Vorstellung von einer Regierungspolitik, die verlernt habe, junge Männer zu Soldaten zu erziehen. Um dies zu bestärken, riefen die Schreibenden verschiedene Kontrastfolien auf. Neben einer patriotischen, weniger illusionären SPD firmierte prominent eine Vorstellung von der DDR bzw. der NVA, die nicht nur als Schreckgespenst diente, sondern gewissermaßen als negatives Vorbild angeführt wurde: Die Befürworter der Bundeswehrreformen, so hieß es bei Herrn H., »sollten doch einmal bei ihren illusionär angebeteten kommunistischen Streitkräften nachsehen, was dort die Streitkräfte für einen preußischen Drill genießen!«[130]

Die SPD firmierte als eine Partei, die ihre Verbindung zum Militärischen – für das Noske einst und Schmidt für manche als Ausnahme nach wie vor stand – fundamental verloren hatte. Herr S. brachte seine Erfahrung »an der Waffe« in Stellung, um diese Entfremdung aufzuzeigen. Er wisse daher, dass die CDU und FDP sich durch eine gewisse Kenntnis über das »Tun und Treiben« der Bundeswehr auszeichne, während die SPD die Streitkräfte diffamiere und »nach Flöhen sucht«.[131] Der Rückbezug auf die Sozialdemokratie und Noske war jedoch auch den Briefschreibern nicht fremd, die Schmidt für seinen vermeintlichen Militarismus attackierten. Der Beiname »Schmidt-Noske« wurde ihm für seine distanzierte Haltung zur westdeutschen Studentenbewegung verliehen, die APO in Schmidts erstem Wahlkreis Hamburg-Bergedorf publizierte eine Serie von Flugblättern überschrieben mit dem Titel »Schmidt-Noske-Info« und auch innerhalb der Sozialdemokratie oder vom Spiegel wurde diese Bezeichnung wiederholt, um Schmidt im rechteren Spektrum der Partei zu verorten.[132] Herr L., »Rechtsanwalt, Kriegsfreiwilliger des 1. Weltkrieges, 75 Jahre alt«, fragte Schmidt in seinem Namen und für »andere deutsch-jüdische Herren hierzulande« rhetorisch, ob es ihn nicht schaudere, »Noske Nr. 2 zu werden?«,[133] während Herr R. aus Hannover den Umgang mit deutschen Soldaten kritisierte und auch hierfür daran erinnerte, dass seine Familie ihn als »Noskeschwein« und »Arbeiterverräter« ansah, als er 1929 zur Reichswehr gegangen sei.[134] Die Schreiber riefen ihre Erfahrungen im und mit dem Militär in Weimar oder dem Nationalsozialismus, wie oben gezeigt, auf, um ihr eigene Autobiografie mit der Gegenwart zu kontrastieren, in der besonders für ältere Männer oft nur eine randständige gesellschaftspolitische Rolle übrig blieb. Wie diese Beispiele zeigen, speiste sich aber auch ihre politische Erwartung an die Sozialdemokratie aus Erinnerungen an die Zwischenkriegszeit und an zentrale Figuren wie das ungeliebte Kind der linken Sozialdemokratie, Gustav Noske. Dieser ließ sich als Gegenposition zu dem reformerischen Ringen der zeitgenössischen SPD in die eigene Erfahrung von Krieg und Soldatsein einfügen.

VI. Resonanz und Resonanzerwartung

Waren nun all die Briefe, wie viele Schreiber befürchteten, für den Papierkorb bestimmt, ein Gespräch, das letztlich einseitig blieb? Die Antwort wird uneindeutig ausfallen müssen; messen lässt die Resonanz sich nicht. Politische Debatten sorgten regelmäßig für größere Mengen von Briefen, die mit der alltäglichen Bewältigung von Bürgereingaben, die Teil des Alltags eines Politikers waren, nicht vergleichbar waren. In aller Regel und auch in den Debatten, die hier im Mittelpunkt stehen, ließ Schmidt sein Referat mit einem kurzen Formbrief auf die Reaktionen aus der Bevölkerung antworten, der mit seiner faksimilierten Unterschrift versehen war. Enthalten war die Bitte um Verzeihung, bei der großen Menge von Briefen nur kurz antworten zu können. »In vielen Gedankengängen stimme ich mit Ihnen überein«, hieß es in der Sammelantwort auf die Briefe, die Schmidt zu der Kontroverse um Schnez erhielt. Zur Kritikabwehr wurde beteuert, dass man in »30 Minuten« die »Tiefe des Problems nicht ausloten« könne.[135]

Allerdings sind auch Fälle überliefert, in denen Schmidt mal kürzer, mal ausführlicher auf Briefe antwortete, obwohl die Schreiber ihm allem Anschein nach nicht persönlich bekannt waren oder ihre Prominenz es geboten hätte, wie zwei Beispiele zeigen. Den Dank für seine »klare, äußerst treffende und taktvolle Stellungnahme«, den der Oberstleutnant Herr C. übermittelte, verbunden mit dem Lob: »Sie wissen, wo uns der Schuh drückt«, beantworte Schmidt kurz aber mit einer sympathisierenden Bestätigung: »Auch ich hoffe, dass meine Worte mit dazu beitragen, aus dem ›drückenden Schuh« eine passende Fußbekleidung zu machen, zum Nutzen unserer Bundeswehr und damit auch unseres Staates«.[136] Eine solche kurze persönliche Antwort blieb meist unverfänglich, signalisierte aber eine Resonanzbereitschaft, die oft positive Effekte hatte. Zu ausführlicheren Antworten ließ sich Schmidt bisweilen dann bewegen, wenn eine gewisse Nähe zur Sozialdemokratie oder eine Parteimitgliedschaft zu erkennen war. Herr M. aus Köln, der in seinem Brief seine Biografie ausbreitete – »1920 wurde ich als 15 jähriger Bergmann Mitglied der SPD« – kritisierte Schmidt aus einer sympathisierenden Position heraus für die Art und Weise, wie offensiv er sich angesichts der Heye-Debatte vor die Generalität gestellt hatte. Als »Verfolgte[r] verschiedener Staatssysteme« konnte der Briefschreiber sich mit dieser Haltung nicht zufriedengeben. Es müssten »demokratischer Geist« und »demokratische Gesinnung« die Orientierungspunkte seien, um die M. es jedoch angesichts niedriger politischer Beteiligungsquoten in der Gesellschaft schlecht bestellt sah. Auf diese abwägende Kritik wurde ein ausführliches Antwortschreiben verfasst, das beteuerte, man könne »eine demokratische Gesinnung nicht von heute auf morgen erwirk[en]«. Mit dem Schreiber wurde eine Gemeinschaft aufgebaut: Es komme darauf an, so Schmidt, dass »wir Sozialdemokraten uns bemühen, der Bundeswehr durch Abbau von Vorurteilen und Mißtrauen das Hineinwachsen in unseren demokratischen Staat [er]leichtern«.[137]

Die Schreiber wandten sich – wenn auch ein unterwürfiger Stil des Bittens und der zur Schau gestellten Zurückhaltung nie ganz verschwand – im Übergang zu den 1970er Jahren selbstbewusst an ihre Repräsentanten und äußerten die Erwartung einer gewissen Resonanzbereitschaft. Wie Herr M. es ausdrückte, sah er sich im Recht »als Staatsbürger«, nicht zu fragen oder zu bitten, sondern »Stellung zu nehmen«.[138] Eine solche Aufforderung zur Repräsentation war Teil vieler Briefe um 1970. Mit der Erwartung von Resonanz wurde dabei bisweilen spontaner und emotionaler, bisweilen performativ und in vollem Wissen um die hierarchische Gesprächssituation sowie die Einseitigkeit des Briefkontaktes gespielt. Die Bürger glaubten nicht, dass ihre Briefe Schmidt persönlich erreichten, sondern mit einer Formantwort oder von einem Sekretär beantwortet würden. Dennoch – und das ist durchaus als performative Erwartungshaltung zu verstehen – verfassten sie ihre Briefe in einem Stil, der die Möglichkeit einer Antwort, eines echten Gespräches zumindest nicht ausschloss. Schreibende brachten diese Resonanzerwartung mit einer sanften Drohung zusammen, hätten ihre Briefe gar keinen Zweck, würde auf sie nicht in irgendeiner Form reagiert, sei das ein schlechtes Zeichen für die Demokratie.

»Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie zu diesem Brief in irgendeiner Form Stellung nehmen würden! Es wäre schade, wenn der Eindruck entstünde, daß der Wähler in unserer Demokratie nur zum Wählen da sei und sonst keinerlei Stimme besäße.«[139]

»Vielleicht (aber ich hoffe es nicht, es stünde denn sehr schlecht um unsere Demokratie) ist dieser Brief sinnlos, vielleicht erreicht er Sie nicht, vielleicht finden Sie ihn lächerlich und nicht der Lektüre wert, all das ist möglich, und dennoch drängt es mich, etwas zu sagen.«[140]

In diesen Formulierungen ist eine gewisse Introspektion zu erkennen und es liegt nahe, dass die Schreibenden sich des performativen Charakters ihrer Äußerungen durchaus bewusst waren. Andere, besonders jene, bei denen ein persönliches Schicksal der Beweggrund war, den Stift in die Hand zu nehmen, reagierten emotionaler, äußerten aber ähnliche Erwartungen, repräsentiert zu werden und Resonanz zu erfahren. In den Briefwechseln wird eine Resonanzerwartung offenkundig, die davon motiviert ist, mit persönlichen Belangen politisch gesehen zu werden. Die Anklage eines Unrechts wurde dabei meist vom privaten auf die Ebene des kollektiven Unrechts gehoben und so zu einem genuin politischen Anliegen gemacht.

VII. Schluss

In diesem Aufsatz ist deutlich geworden, dass sich die westdeutschen Bürgerinnen und Bürger alles andere als einig waren, was eine demokratische Bundeswehr in den späten 1960er und frühen 1970er Jahren ausmachen sollte. Einige Briefschreiber an Helmut Schmidt zeigten dabei freilich gewisse Nähe zu sozialdemokratischen Positionen, mit einem Durchschnitt der bundesdeutschen Gesellschaft sind sie nicht zu verwechseln und es ist zu vermuten, dass andernorts die Nähe zur Bundeswehr größer war.[141] Dennoch: Befürworter und Kritiker der Konzeption der »Inneren Führung« und ihres Leitbilds des »Staatsbürgers in Uniform«, Wehrpflichtgegner und -befürworter gleichermaßen waren unter den Briefschreibern an Helmut Schmidt vertreten. Die einen schrieben aus Wut und Enttäuschung, die anderen, weil sie sich an diesem Richtungsstreit aktiv beteiligen zu müssen glaubten. Wieder andere nahmen die Debatte zum Anlass, nach Hilfe zu suchen, die ihnen andernorts verwehrt wurde und von der sie hofften, ihre sozial randständige Lage durch den direkten Kontakt näher an das Zentrum zu rücken. Gemein war ihnen, dass sie am Beispiel der Bundeswehr und ihres Verhältnisses zu Politik und Zivilität darüber stritten, was ein demokratisches Gemeinwesen ausmacht; was Demokratie im engeren Sinne bedeutete und wie der Staat mit seinen Bürgern, seinen Soldaten umging. Den Schreibenden stand dabei ein Repertoire interaktiver Praktiken zur Verfügung, dass ihnen ermöglichte, mit ihren Repräsentanten in Kontakt zu treten. Sie stellten eine Nähe zu den Politikern her, die die kollektiven Lebenserfahrungen der älteren Deutschen oft teilten, präsentierten sich als Soldaten und ehemalige Soldaten, die mit den Registern ihrer Erfahrungen der Politik eine neue Perspektive zu geben versprachen, sie ordneten ihre Lebensgeschichten und Gerechtigkeitsvorstellungen in eine geteilte Geschichte der jungen Bundesrepublik ein und verhandelten auf diesem Weg individuelle und kollektive Lebensläufe, Generationenerfahrungen und politische Erwartungen.

Dass die Debatten, an denen sich die Bürger beteiligten, nicht zuletzt Mediendebatten waren, wurde von ihnen registriert. Die Zeitungslektüre, Seh- und Hörerfahrungen wurden von ihnen aufgegriffen, oft nahmen sie unmittelbar danach den Stift zur Hand. Briefschreiber betonten, dass die Nähe, die die audiovisuelle Übertragung schuf, ihnen den Mut gab, sich direkt an ihre Vertreter zu wenden. Die Politiker wurden an diesen Medienauftritten gemessen, Zitate und Versatzstücke aus konkurrierenden Öffentlichkeiten wurden gegeneinandergehalten und miteinander konfrontiert. Durch diese Praktiken schufen sich die Bürger ein Stück Beteiligung und verblieben nicht in der Rolle des Publikums.

Die SPD, als Partei der Reformen und der Erneuerung, wurde, insbesondere nachdem sie Regierungspartei wurde, mit der Reformierung der Bundeswehr im engeren Sinne und Gesellschaftsreformen im weiteren Sinne verknüpft. Dass Schmidt in Bezug auf die Streitkräfte auf Prozesse vertraute, die bereits Mitte der 1960er Jahre angestoßen worden waren, enttäuschte diese Erwartung bisweilen. Die Bürgerinnen und Bürger maßen die Partei an dem Erwartungsüberschuss, den sie durch ihre Regierungserklärung erzeugt hatte. Die SPD wurde dabei nicht nur an der gegenwärtigen Legislaturperiode, sondern auch an der Vergangenheit der Partei gemessen. Helmut Schmidt wurde dabei unterschiedlich bewertet. Sein Ruf als entscheidungsfreudiger und bisweilen polemischer Politiker wie auch die Unterschiede zu Willy Brandt waren Teil der Bewertungsmaßstäbe. Für die einen Briefschreiber galt er als Politiker mit militärischer Erfahrung, der sich deutlicher als die Bundespartei zur Bundeswehr bekannte. Für andere waren seine Versuche, eine vermittelnde Haltung in den bundeswehrpolitischen Debatten einzunehmen, Ausweis einer unentschiedenen Haltung.

Die Bürgerinnen und Bürger äußerten sich selbstbewusst und in der Erwartung, politisch gesehen und repräsentiert zu werden. Diese Resonanzerwartung musste systemisch enttäuscht werden, aber auch dem Politiker Helmut Schmidt war bewusst, dass er sie in Repräsentationsangebote übersetzen musste. Die Begriffe Demokratie und Staatsbürgerschaft wurden in diesen Schreiben nicht nur als Legitimationsstrategien verwendet, sondern ihre Bedeutung wurde in den Schreiben verhandelt und an die Politik weitergetragen. Die Briefe stießen damit in einen nicht eindeutig vermessenen Raum innerhalb der repräsentativen Demokratie vor, sie schufen einen direkten Kontakt zwischen Wählern und Gewählten, der in diesem Maße nicht vorgesehen war. Sie waren eine Form alltäglicher Politikbeteiligung, mit denen die gewählten Vertreter einen Umgang finden mussten und über die die Schreiber ihr Verhältnis zum Staat verhandelten. Historikern eröffnen die Briefe aus der Bevölkerung nicht nur die Möglichkeit, alltägliche Politikerwartungen besser zu verstehen: Wie der Aufsatz zu zeigen versucht hat, lässt sich auch eine Geschichte politischer Repräsentation, wie sie Michael Saward vorschlägt, um eine Perspektive bereichern, in der Bürgerinnen und Bürger nicht nur Empfänger von Repräsentationsangeboten sind, sondern selbst mit ihren Repräsentationserwartungen in den Fokus rücken.

Online erschienen: 2024-05-14
Erschienen im Druck: 2024-05-07

© 2024 the author(s), published by Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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  45. Dirk Ziesing, Hamm 1870/71, Münster: Agenda 2023, 230 S., EUR 21,90 [ISBN 978-3-89688-782-5]
  46. Gehirne der Armeen? Die Generalstäbe der europäischen Mächte im Vorfeld der Weltkriege. Hrsg. von Lukas Grawe, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2023, 424 S. (= Krieg in der Geschichte, 118), EUR 79,00 [ISBN 978-3-506-79195-5]
  47. Rainer F. Schmidt, Kaiserdämmerung. Berlin, London, Paris, St. Petersburg und der Weg in den Untergang, Stuttgart: Klett-Cotta 2021, 878 S., EUR 38,00 [ISBN 978-3-608-98318-0] Bernhard Sauer, Der Erste Weltkrieg – ein Verteidigungskrieg?, Berlin: Duncker & Humblot 2023, 188 S. (= Zeitgeschichtliche Forschungen, 66), EUR 49,90 [ISBN 978-3-428-18891-8]
  48. Larissa Wegner, Occupatio Bellica. Die deutsche Armee in Nordfrankreich 1914–1918, Göttingen: Wallstein 2023, 522 S. (= Moderne Zeit. Neue Forschungen zur Gesellschafts- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, 36), EUR 48,00 [ISBN 978-3-8353-5370-1]
  49. Jenny Sprenger-Seyffarth, Kriegsküchen in Wien und Berlin. Öffentliche Massenverpflegung und private Familienmahlzeit im und nach dem Ersten Weltkrieg, Bielefeld: transcript 2023, 574 S. (= Histoire, 208), EUR 59,00 [ISBN 978-3-8376-6724-0]
  50. Austria-Hungary’s Last War, 1914–1918, vol. 1 (1914): Outbreak of War to the Outcome of the Battle of Limanowa-Lapanow. Compiled by The Austrian Federal Ministry of the Army and War Archive. Under the Direction of Edmund Glaise-Horstenau. Ed. by Eduard Czegka [et al.], Introduction by Hew Strachan, transl. by Stan Hanna, Kingston, ON: Legacy Books Press 2023, IV, 877 S., $ 54,95 [ISBN 978-1-927537-75-6] Austria-Hungary’s Last War, 1914–1918, vol. 1 (1914): Leaflets and Sketches. Compiled by The Austrian Federal Ministry of the Army and War Archive. Under the Direction of Edmund Glaise-Horstenau. Ed. by Eduard Czegka [et al.], transl. by Stan Hanna, Kingston, ON: Legacy Books Press 2023, IV, 112 S., $ 19,95 [ISBN 978-1-927537-78-7]
  51. Buchbesprechungen, 1919–1945
  52. Rüdiger Hachtmann, Vom Wilhelminismus zur Neuen Staatlichkeit des Nationalsozialismus. Das Reichsarbeitsministerium 1918 bis 1945, Göttingen: Wallstein 2023, 2 Bde, 1494 S. (= Geschichte des Reichsarbeitsministeriums im Nationalsozialismus), EUR 84,00 [ISBN 978-3-8353-5019-9]
  53. Peter Tauber, Der Hitlerputsch 1923, Ditzingen: Reclam 2023, 159 S. (= Kriege der Moderne), EUR 18,00 [ISBN 978-3-15-011457-5] Wolfgang Niess, Der Hitlerputsch 1923. Geschichte eines Hochverrats, München: C. H. Beck, 350 S., EUR 26,00 [ISBN 978-3-406-79917-4] Sven Felix Kellerhoff, Der Putsch. Hitlers erster Griff nach der Macht, Stuttgart: Klett-Cotta, 360 S., EUR 25,00 [ISBN 978-3-608-98188-9] Karl Heinrich Pohl, Sachsen 1923. Das linksrepublikanische Projekt – eine vertane Chance für die Weimarer Demokratie?, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 2022, 307 S., EUR 45,00 [ISBN 978-3-525-31143-1]
  54. Ulrich Schröder, »An klaren Frosttagen kann auch ausmarschiert werden«. Das Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold in Bremen und Umgebung 1924 bis 1933, Berlin: Metropol 2023, 347 S. (= Schriftenreihe zur Geschichte des Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold, 4), EUR 22,00 [ISBN 978-3-86331-663-1]
  55. Jens Wehner, »Technik können Sie von der Taktik nicht trennen«. Die Jagdflieger der Wehrmacht, Frankfurt a. M., New York: Campus 2022,‎ 572 S. (= Krieg und Konflikt, 15), EUR 49,00 [ISBN 978-3-593-51513-7]
  56. Die Ruinen von Peenemünde. Vom Werden und Vergehen einer Rüstungslandschaft. Hrsg. vom Historisch-Technischen Museum Peenemünde (HTM), mit Fotos von Lorenz Kienzle, Berlin: Quintus 2023, 168 S., EUR 25,00 [ISBN 978-3-96982-074-2]
  57. Jeremy Black, Der Zweite Weltkrieg in 100 historischen Originalkarten. Aus dem Engl. von Brigitte Rüssmann und Wolfgang Beuchelt, Darmstadt: wbg Theiss 2023, 256 S., EUR 50,00 (ab 1.7.2024: EUR 70,00) [ISBN 978-3-8062-4613-1]
  58. Markus Reisner, Die Schlacht um Wien 1945. Die Wiener Operation der sowjetischen Streitkräfte im März und April 1945, 2. Aufl., Berndorf: Kral 2021, 653 S., EUR 49,90 [ISBN 978-3-99024-898-0]
  59. Deserteure der Wehrmacht und der Waffen-SS. Entziehungsformen, Solidarität, Verfolgung. Hrsg. von Kerstin von Lingen und Peter Pirker, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2023, XXXIV, 347 S. (= Krieg in der Geschichte, 122), EUR 49,90 [ISBN 978-3-506-79135-1]
  60. Mario H. Müller, Fabian von Schlabrendorff. Ein Leben im Widerstand gegen Hitler und für Gerechtigkeit in Deutschland, Berlin: BeBra 2023, 384 S. (= Widerstand im Widerstreit, 4), EUR 40,00 [ISBN 978-3-95410-312-6]
  61. Kriegsgefangene. Die vergessenen Soldaten des Zweiten Weltkriegs. Hrsg. von Felix Bohr und Eva-Maria Schnurr, München: DVA 2023, 235 S., EUR 22,00 [ISBN 978-3-421-07012-8]
  62. Tamurbek Dawletschin, Von Kasan bis Bergen-Belsen. Erinnerungen eines sowjetischen Kriegsgefangenen 1941/42. Aus dem Russ. übers. von David M. Drevs, Göttingen: Wallstein 2021, 301 S. (= Bergen-Belsen – Berichte und Zeugnisse, 11), EUR 20,00 [ISBN 978-3-8353-5026-7]
  63. Olgas Tagebuch (1941–1944). Unerwartete Zeugnisse einer jungen Ukrainerin inmitten des Vernichtungskriegs. Hrsg. von Tanja Penter und Stefan Schneider, Köln [u. a.]: Böhlau 2022, 431 S., EUR 39,00 [ISBN 978-3-412-52182-0]
  64. Grzegorz Motyka, From the Volhynian massacre to Operation Vistula. The Polish-Ukrainian conflict 1943–1947, Paderborn [u. a.]: Schöningh 2023, VII, 321 S. (= Fokus. Neue Studien zur Geschichte Polens und Osteuropas, 6), EUR 99,00 [ISBN 978-3-506-79537-3]
  65. Gellert Hardi-Kovacs, C-Byrån. Hemligast av alla. Berättelsen om Sveriges hemliga underrättelse under andra världskriget [C-byrån – das geheimste von allen. Die Geschichte des schwedischen Geheimdienstes während des Zweiten Weltkrieges]. Mit einem Vorwort von Wilhelm Agrell, Stockholm: Carlssons 2022, 515 S., SKR 359,00 [ISBN 978-9-189-06528-4]
  66. Buchbesprechungen, Nach 1945
  67. Hauke Friederichs, Spielball der Politik. Eine kurze Geschichte der Bundeswehr, München: dtv 2023, 351 S., EUR 26,00 [ISBN 978-3-423-28341-0]
  68. Leonie Hieck, Die Bundeswehr im Spannungsfeld von Bundespolitik und Landespolitik. Die Aufstellung der Streitkräfte in Schleswig-Holstein. Bielefeld: Verlag für Regionalgeschichte 2021, 356 S. (= IZRG-Schriftenreihe, 19), EUR 34,00 [ISBN 978‑3‑7395‑1259‑4]
  69. Historisch-Taktische Tagung der Marine 2020. »Wir – Reflexionen zum Selbstverständnis unserer Marine diesseits der Weltkriege«. Hrsg. im Auftr. der Deutschen Gesellschaft für Schiffahrts- und Marinegeschichte, in Kooperation mit der Marine-Offizier-Vereinigung und dem Deutschen Maritimen Institut von Heinrich Walle, Berlin: Miles 2022, 152 S. (= Beiträge zur Schifffahrts- und Marinegeschichte, 20), EUR 19,80 [ISBN 978-3-96776-055-2]
  70. Hans Peter von Kirchbach, Herz an der Angel, Berlin: Miles 2021, 363 S., EUR 19,80 [ISBN 978-3-96776-035-4]
  71. Peter Joachim Lapp, Volkspolizei als Teil des Grenzregimes der DDR. Dokumentation und Analyse, Aachen: Helios 2023, 154 S., EUR 23,00 [ISBN 978-3-86933-288-8]
  72. Frank Dikötter, China nach Mao. Der Aufstieg zur Supermacht. Aus dem Engl. übers. von Helmut Dierlamm und Norbert Juraschitz, Stuttgart: Klett-Cotta 2023, 464 S., EUR 30,00 [ISBN 978-3-608-98668-6]
  73. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
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